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Die erste in Baden erbaute Eisenbahn und eine der ersten in Deutschland war die von Mannheim nach Heidelberg. Nur wenige Leute hatten eine richtige Vorstellung von dem neuen Verkehrsmittel, dessen Betrieb und Bedeutung sich nur langsam dem allgemeinen Verständnis erschloß.
Bekanntlich schoben die Bauern die Schuld an der Kartoffelkrankheit, die gleichzeitig mit der Einführung der Eisenbahnen Deutschland heimsuchte, auf den Ruß in den Dampfwolken, die von den Lokomotiven auf die Felder ausgeschüttet wurden; es dauerte viele Jahre, bis der ungerechte Verdacht aus ihren Köpfen wich.
Am 12. September 1840 wurde die Bahn feierlich eröffnet und die erste Fahrt von Heidelberg nach Mannheim ausgeführt. Dieses Ereignis veranlaßte nach der Erzählung, die bei den Schülern des Lyceums umlief, ein bedauerliches Abenteuer, das einem ihrer Professoren eine recht verdrießliche Stunde bereitete. Es hing aufs innigste mit der erwähnten mangelhaften Einsicht in das neue Verkehrswesen zusammen und wird hier nur deshalb berichtet, um zu zeigen, wie dunkel es in Eisenbahndingen auch in solchen gelehrten Köpfen aussah, die sich mit der physikalischen Wissenschaft von Berufs wegen bekannt machten.
Die Behörden hatten die Honoratioren Heidelbergs zu der Festfahrt eingeladen und unter diesen auch den Herrn Professor am Lyceum, dessen ich als eines wohlmeinenden, aber reizbaren Schulmannes früher gedacht habe. Er beschloß sofort, zu eigner und 102 seiner Familie, auch zweier Pensionäre Belehrung – es waren im ganzen 8 Personen – sich an dieser hochinteressanten Fahrt zu beteiligen.
Als der Tag der Einweihung gekommen war, machte sich die Gesellschaft etwas verspätet mit raschen Schritten auf den Weg zum Bahnhof. Während sie gingen, hielt der Herr Professor mit den Seinigen Rat, in welchem Teile des Zugs sie am sichersten führen.
Einer der Söhne, der jüngste, riet in den vordersten Wagen einzusteigen, weil man die Lokomotive von da am besten überwachen könne. Der Vater aber erinnerte sich gelesen zu haben, man solle den hintersten Wagen wählen, denn weit vom Schuß sei weit von der Gefahr, und entschied für den hintersten.
Auf dem Bahnhof stand der Zug gerade zur Abfahrt bereit, die Gesellschaft mußte sich eilen und stürzte in den letzten, glücklicherweise leeren Wagen. Sie saßen bequem und sicher. Ein schriller Pfiff, der Zug flog rasselnd davon. »Vater!« schrieen die Söhne, »der Zug fährt fort, und wir bleiben sitzen!« –»Dumme Jungen!« erwiderte der Vater, »was fällt euch ein? Der Wagen ist in vollem Flug, man merkt es nur nicht, das ist ja eben die große Geschwindigkeit!« – Er dachte an die Erde, die mit rasender Geschwindigkeit um die Sonne fährt, und wir merken es nicht. – Diesmal betrog ihn die Astronomie, der Wagen war abgehängt und blieb stehen, der Zug war längst aus dem Bahnhof, als sie ausstiegen und in die Stadt zurückkehrten.
Bald nachher fuhr auch ich zum erstenmal auf der Bahn nach Mannheim. In Friedrichsfeld machte der Zug einen kurzen Halt, dann fuhr er weiter. Kaum war er wieder in Gang gekommen, so sah ich aus einem der offenen Stehwagen, die es in den ersten Jahren gab, eine Mütze herausfliegen, und hinterdrein sprang der Bauer heraus, dem der Wind sie entführt hatte. Das Publikum schrie, der Zug hatte noch keine große Geschwindigkeit, die Lokomotive blieb stehen, der Bauer war in den Sand gefallen, erhob sich, raffte seine Mütze auf und stieg mit ruhigem Gemüte wieder in den Wagen.
Der große Eindruck, den die dampfspeienden Ungeheuer mit ihren riesigen Wagenzügen anfangs auf die Beschauer machten, läßt 103 sich nur mit dem vergleichen, den sie noch heute auf die Kinder ausüben; keine andere Erscheinung wirkt so mächtig wie ein eilender Bahnzug auf ihre Sinne.
So oft mein Vater in den ersten Monaten nach der Eröffnung der Bahn nach Heidelberg kam, mußte ich ihn vor die Stadt an eine günstige Stelle im Felde begleiten, wo er den Zug bequem vorübereilen sah. Noch immer höre ich seine Worte: »Nichts ergreift mich mehr als diese Erfindung. Eine neue Welt ersteht, und ich sinne vergeblich, wie sie sich gestalten mag.« 104