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Militärstation Lolodorf

Lolodorf, 19. Oktober

Nach Überwindung entsetzlicher Wege bin ich heute glücklich auf der Militärstation Lolodorf angekommen und werde mir hier einige Tage unfreiwilliger, aber nicht unwillkommener Rast gönnen müssen.

Die Straße wird zwar, je weiter man sich von der Küste entfernt, um so besser, auch der Urwald scheint etwas lichter zu werden, die Ansiedelungen zu beiden Seiten des Weges mehren sich und werden freundlicher in ihrem Äußeren, dafür strömt aber der Regen immer reichlicher. Das Gelände wird hinter Bipindi hügelig, und die Station Lolodorf liegt 500 Meter über dem Meeresspiegel auf einer stattlichen, die Umgebung beherrschenden Anhöhe, die völlig vom Wald gesäubert ist und einen weiten Rundblick über die Umgebung gestattet. Unmittelbar an ihrem Fuße zieht ein Fluß, der Lokundje, vorüber. Freilich dringt das Auge vorläufig nur bis in die allernächste Umgebung, denn schon die Nachbarhöhen liegen in dunklen Wolken, und aus den Tälern steigt es wie schwerer, weißer Dampf empor.

Zwei Tage werde ich hier mindestens zu warten haben, da meine bisherigen Träger zur Küste zurückkehren und für den weiteren Marsch neue angeworben werden müssen. Die Station ist augenblicklich von einem weißen Unteroffizier mit seinen schwarzen Soldaten besetzt. Wie er mir erzählt, sind Träger jetzt schwer zu bekommen, da erst kürzlich Hunderte von Proviant- und Munitionslasten für die in südöstlicher Richtung von hier im Aufstandsgebiete kämpfenden Schutztruppenexpedition befördert werden mußten. Für morgen wird die Ankunft von Leutnant K., des eigentlichen Stationsleiters von Lolodorf, erwartet, der aus dem aufständischen Gebiete zurückkehrt. Er hatte die Aufgabe, dem dort stationierten Hauptmann Freiherrn v. St. Munition zuzuführen. Ein Vierteljahr hatte er zum Hin- und Rückmarsch gebraucht. Von hier aus wird er zur Küste märschieren, um einen Heimaturlaub anzutreten.

Die Station ist primitiv, aber behaglich und sauber eingerichtet, jedenfalls bin ich wieder einmal im Trocknen. Während ich sitze und schreibe, spielt in der benachbarten Wohnung des Unteroffiziers ein Grammophon, der einzige Ersatz für heimische Musik, den man sich hier in der afrikanischen Ferne verschaffen kann.

Lolodorf, 20. Oktober

Seit meinem Abmarsche von Kribi zerriß heute zum ersten Male die Sonne wieder ihren dicken Wolkenschleier. Doch wie ganz anders ist das Bild, das man hier im Urwaldgebiete von einem Berge herab im Vergleich zur Umschau über ein Stück der heimatlichen Erde hat. Eine weite, große Fläche, mit nichts als weiten Waldbeständen, Wald in den Tälern, Wald auf den Höhen, die in mannigfacher, bizarrer Gestalt den Horizont begrenzen. Nur auf wenige hundert Meter im Umkreis sind noch die im Tal liegenden Negerhütten sichtbar, dann wird alles wieder vom Wald umklammert. Er schließt sich und bildet eine dem Blick undurchdringbare, durch nichts unterbrochene, zusammenhängende, gewaltige Masse, düster, starr, zur Schwermut stimmend, aus der Ferne tot für das Auge, trotz des millionenfachen Lebens, das in seinen Tiefen eine Stätte hat. Kein Kirchturm grüßt von weitem, kein Städtchen, kein Dorf, kein Bach durchblinkt das düstere, dichte Grün, keine Wiesen, keine Äcker künden sich dem Auge, keine Abwechslung der Farbe und der Stimmung; nur Wald, ein Stück aus dem dunklen Erdteil.

Gegen 9 Uhr schon fingen die Eingeborenen im Tale an, ihre Trommeln zu schlagen, ihre Festgesänge anzustimmen und ihre Gewehre abzuschießen, zum Zeichen, daß der erwartete Stationsleiter nahte. Als Willkommengruß für ihn prangte das Hauptgebäude der Station im Flaggenschmuck. Bald darauf ritt er an der Spitze einer kleinen Schar schwarzer Soldaten aus dem Wald heraus, begrüßt von den lärmenden, singenden, trommelnden und schießenden Eingeborenen, die ihm bis zum Fuße des Stationshügels folgten. Eine Viertelstunde später sprengte er auf den Stationshof.


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