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Sorgen mit Schwerkranken

Kleinpopo, 15. November

Meine liebe Frau!

Wenn Du diese Zeilen erhältst, so stecke ich wahrscheinlich im Busch in Atakpame. Morgen in aller Frühe reise ich ab. Ich freue mich natürlich sehr darauf, nun endlich einmal auch einen Teil des entfernteren Hinterlandes kennenzulernen.

Die letzten Tage waren für mich recht arbeitsreich, teils durch bezirksamtliche, teils durch ärztliche Geschäfte. Vorgestern kam der Kanzler, Graf Z., aus Lome ins Krankenhaus zu Besuch, wo er bis heute nachmittag blieb. Er hatte hier als Vertreter des Gouverneurs verschiedene dienstliche Angelegenheiten zu erledigen, von denen die wichtigste wohl eine Besprechung mit den hiesigen Firmen über einen geplanten Zolltarif für Togo war. Gestern nachmittag wurde durch ihn in Gegenwart aller Europäer des Ortes die Enthüllung des Wickedenkmales vollzogen, dessen Aufbau nach so manchen Schwierigkeiten endlich vollendet war. Ein gemeinsames Essen hielt die Teilnehmer an der schlichten Feier noch einige Stunden im Krankenhause zusammen.

Leider hatte ich gerade während Z.s Anwesenheit nicht die nötige Ruhe, um alles das, was mir im Interesse des Bezirkes auf der Seele lag, vorzutragen. Die Sorge um einen schwerkranken Europäer nahm mich zu sehr in Anspruch. Es handelt sich um einen Kaufmann K., den Chef einer hiesigen Firma, verheiratet und Vater mehrerer Kinder, der erst seit wenigen Wochen in Togo weilt, und hier bereits einen Bruder, dessen Frau und einen Schwager auf dem Friedhofe liegen hat. Er erkrankte vor einigen Tagen ganz plötzlich nachts, nachdem er bei einem leichten Unwohlsein eigenmächtig eine Dosis Chinin genommen hatte, an schweren Blutungen aus Magen, Darm, Nase, Mund und selbst aus der Haut. Diese stürmischen Blutungen haben ihn natürlich hochgradig geschwächt. Dazu kommt eine tiefe Gemütsdepression, die im Hinblick auf die schweren Verluste, die seine Familie hier schon erlitten hat, nur zu begreiflich ist; unglücklicherweise sind seine Verwandten in demselben Zimmer und in demselben Bette gestorben, in dem er jetzt liegt. Ein Transport ins Krankenhaus war bei seinem Zustande leider unmöglich. Die beträchtlichen Blutungen ließen sich am zweiten Tage zwar zur Ruhe bringen, nur die Zahnfleischblutungen blieben mit großer Hartnäckigkeit, allen angewandten Mitteln zum Trotz, bestehen. Als sie am Morgen des dritten Tages immer noch anhielten, entschloß ich mich, die ganze Mundhöhle fest zu tamponieren. Der Kranke mußte in diesem qualvollen Zustande ungefähr zwei Stunden verharren; er tat es mit großer Standhaftigkeit; dann wurden die Tampons entfernt, die Gelegenheit zur vorsichtigen Zuführung von Flüssigkeiten benutzt und die Tamponade erneuert. Nach fünfmaliger Wiederholung dieser Prozedur gelang es endlich, auch diese Blutungen zu stillen.

Nachdem es ihm vier bis fünf Tage leidlich gegangen war, ist vorgestern eine heftige Malaria bei ihm zum Ausbruch gekommen, die ihn in neue Gefahr versetzt. Sein sehnlichster Wunsch ist der, möglichst bald auf einen Dampfer gebracht zu werden. Obwohl eigentlich sein Zustand nicht derartig ist, daß er ungefährdet die Heimreise antreten kann, habe ich mich doch bewegen lassen, den Kapitän eines in der Nähe liegenden Dampfers telegraphisch zu bitten, ihn an Bord zu nehmen. Morgen in aller Frühe erwarten wir das Schiff. Vielleicht gewährt ihm der Antritt der Heimreise eine psychische Beruhigung, die ihrerseits wieder seinen Krankheitszustand günstig beeinflußt.

Auch ein schwarzer Patient machte mir gerade in den letzten Tagen viel zu schaffen. Es war wieder einmal eine von den schweren Schußverletzungen, die durch unvorsichtig gelegte Selbstschüsse der Eingeborenen hier nicht selten verursacht werden. Um Antilopen mühelos zu schießen, werden diese Selbstentlader da, wo die Tiere wechseln, gelegt, ohne jedes Warnungszeichen für etwaige Passanten. So kommt es vor, daß ein armer Teufel, der gerade in der Dunkelheit darüber hinwegläuft, die ganze grobe Ladung aus nächster Nähe bekommt. Dieser hatte nicht weniger als 18 Treffer in beiden Oberschenkeln und dem Unterleib sitzen.

Heute abend will ich noch allerlei für die Reise vorbereiten. Da ich mich entschlossen habe, die Strecke bis Atakpame, etwa 160 km, mit dem Rade zurückzulegen, muß ich die Träger meiner Lasten in Begleitung eines Polizeisoldaten schon heute ein Stück des Weges vorausschicken, bis nach Akumape, wo ich sie morgen vormittag einholen will. Am ersten Reisetage gedenke ich dann noch bis Tschegbo weiter zu radeln. Als Endziel des zweiten Tages habe ich mir Nuotschä gesteckt, am dritten Tage will ich in Atakpame eintreffen. Moritz wird mich begleiten, außerdem noch Adubi, ein Kochjunge des Hospitals. Aus Atakpame schreibe ich Dir ausführlicher. ...


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