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Kreuz und quer durch den Sokodébezirk

Sokodé, 5. Oktober

Die reizlose Gegend, die wir von Blita an bis Sokodé zu durchqueren hatten, ist ganz im Gegensatz zu dem überaus volkreichen nördlichen Teile des Sokodégebietes nur dünn bevölkert, sei es, daß frühere Sklavenjagden, sei es, daß verheerende Seuchen die Schuld daran tragen. Auf dem ganzen Wege von etwa 75 km finden sich nur zwei größere Ansiedelungen: Djabotaure und Koraugabua, und von ihnen ist noch dazu die erstere ein Kunstprodukt des Stationsleiters von Sokodé, Dr. K. Er hat vor einigen Jahren hier mehrere hundert Kabres – ein großer Stamm im Norden seines Bezirkes, dessen Gebiet an der Grenze der Überbevölkerung angelangt ist – angesiedelt.

Den Namen Djabotaure (Stadt des Djabo) hat er dieser Kabrekolonie gegeben in dankbarer Erinnerung an den Fürsten Djabo, demjenigen Herrscher im Sokodélande, der beim Erscheinen der Deutschen eine wirkliche, zu respektierende Macht aufbieten konnte. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, einige tausend Krieger, darunter stattliche Reiterscharen, ins Feld zu stellen. Er hat sich bis zu seinem Tode (1898) den Deutschen gegenüber friedlich gezeigt und ihnen sogar mehrmals tatkräftige Hilfe bei der politischen Erschließung des Landes geleistet. Obwohl ein Tyrann und früher weit gefürchteter Sklavenjäger, der bis ins heutige Atakpamegebiet seine kühnen Raubzüge unternahm, werden ihm doch von denen, die ihn kannten, wirklich königliche Charakterzüge und königliche Prachtentfaltung nachgerühmt.

Trotz der wenig abwechslungsreichen Landschaft verlief unsere gemeinsame Radtour doch kurzweilig genug; denn alle die kleinen Miseren einer afrikanischen Reise tragen sich leichter, wenn man einen Leidensgefährten hat. Sch. als der ältere und körperlich gewichtigere durfte das Tempo angeben. Während der Vormittagsstunden wurde geradelt, die Nachmittage widmeten wir dem dolce farniente, das Sch. mit unverwüstlichem Humor zu beleben wußte, sobald das äußerlich erfrischende Bad, ein innerlich erfrischender Trunk, der behagliche Lehnstuhl, ein Schatten spendender Baum und die brennende Shagpfeife sein seelisches und körperliches Gleichgewicht wiederhergestellt hatten. Ich beneide ihn um zweierlei: erstens, daß er in zwei Monaten auf Heimaturlaub gehen darf, und zweitens, daß er an einer so präzisen Aufgabe von weittragender Bedeutung arbeiten kann. Letzterer Vorzug hindert nicht, daß er mit scharfem Auge auch alles andere beobachtet und verfolgt, was außerhalb derselben liegt, und daß er dem Schwarzen gegenüber sich für alles interessiert, was in Beziehung zum Europäer steht.

Als wir gestern um die Mittagszeit in strömendem Regen uns der Station Sokodé näherten, kam uns Dr. K., der »Herrscher von Sokodé«, der durch einen Boten Kunde von unserm Kommen erhalten hatte, entgegengeritten. Gerade dicht vor der Station steigt das bis dahin ebene Gelände wieder an, und auf der ersten, die ganze Umgegend beherrschenden Anhöhe liegt der Stationskomplex, das Meisterwerk K.s. Der Mittelpunkt der ganzen Anlage wird vom Stationshauptgebäude eingenommen, einem massiven, etwa 25 m langen und 10 m breiten, ganz aus Eingeborenenmaterial errichteten Bauwerk. Auf dicken Lehmwänden, deren Innenseite glatt poliert ist, ruht, von starken Holzpfeilern gestützt, das hohe Grasdach, das an den Seiten überragend noch eine breite, ringsum laufende Veranda beschattet. Der ganze Innenraum, zu dem eine breite Freitreppe hinaufführt, wird durch mehrere Querwände in einzelne hallenartige Gemächer geteilt. Da diese Querwände nur bis zum Fuße des Daches reichen, und da ferner alle Räume ohne Decke gelassen sind, so daß sie bis unter den First des hohen Daches offen sind, wird eine ausgiebige Ventilation des gesamten Innern ermöglicht. Der Fußboden ist ebenfalls nach Eingeborenenart hergerichtet. Diese Asphaltierung der hiesigen Schwarzen besteht darin, daß sie eisenhaltige Lehmerde mit der Abkochung gerbstoffhaltiger Baumrinden zu einem Brei mischen, diesen in dicker Schicht ausbreiten und ihn mit Schlegeln klopfen und glätten. Nach dem Trocknen gibt diese Mischung einen festen, für Wasser zwar durchlässigen, aber staubfreien Bodenbelag. Die innere Einrichtung der verschiedenen Gelasse, die zum großen Teil im Lande selbst hergestellt wurde, ist ebenso wohnlich wie originell. Die ganze Anlage zeigt, wie selbst beim Verzicht auf europäisches Baumaterial von geschickter Hand ein hygienisch einwandfreies und behagliches Wohnhaus in den Tropen gebaut werden kann.

In einiger Entfernung vom Wohnhause sind eine große Anzahl einzeln stehender, kleiner, runder Hütten aufgeführt, deren jede einem bestimmten Zwecke dient: Baderaum, Küche, Vorratsraum, Stallungen, Wohnungen für die schwarzen Angestellten und für die 70–80 Polizeisoldaten der Station usw. An größeren Gebäuden weist die Anhöhe noch das Gefängnis mit der sich anschließenden Wache auf, sowie das Assistentenhaus für die beiden weißen Hilfskräfte, die im Dienste der Station stehen. Wohlgepflegte, breite Wege führen nach allen Seiten hinab ins Tal zu den benachbarten Ortschaften. Unmittelbar am Fuße des Stationsberges breiten sich entlang den Ufern eines kleinen Flüßchens die ausgedehnten Felder für die in großem Maßstabe angelegten Versuchspflanzungen und die Gemüse- und Obstgartenanlagen K.s aus. Nach Norden schweift der Blick über die Tausende der spitzen Hüttendächer der nächstliegenden großen Dörfer hinweg zu den imposanten Höhen eines Gebirgsstockes, des Dako-Sudugebirges, während im Westen eine von Menschen unbewohnte, dafür aber von afrikanischem Wilde um so reicher bevölkerte Waldlandschaft den Horizont begrenzt.

Sokodé, 8. Oktober

Entsprechend den andersgearteten Verhältnissen des Bezirkes habe ich hier auch meinen Arbeitsplan etwas anders als im Atakpamelande entwerfen müssen. Die Einwohnerzahl der hiesigen Riesendörfer zählt nach Tausenden, so daß ich bei der knappen Zeit von sechs Wochen, die mir bis zum Antritt des Rückmarsches nun noch verbleiben, mich auf das Gebiet diesseits des Karáflusses beschränken muß. Welche Verheerungen die Pocken gerade im volksdichten Norden Togos anrichten, dafür liefert ein Ort des Bezirkes, Tschamba, ein trauriges Beispiel: von 2000 seiner Einwohner wurden durch eine unlängst über ihn hereingebrochene Seuche mehr als 600 dahingerafft. Während der kommenden vierzehn Tage will ich zunächst an dem Orte Sokodé selbst, sowie von hier aus in den nur wenige Kilometer entfernten Dörfern Katambara, Paratau, Tschalo, Tschawade und einigen anderen impfen. Sodann werde ich eine ostwestliche Rundtour über Tschamba nach Kirikiri, Baffilo, Dako, Bássari zurück nach Sokodé unternehmen. Jedes der genannten Dörfer zählt mehrere tausend Einwohner, und an jedem will ich mich ungefähr eine Woche lang festsetzen, um erstens der Bevölkerung der Orte selbst Gelegenheit zu geben, sich impfen zu lassen, um ferner dort immer wieder frische Lymphvorräte herzustellen, und um auch noch Abstecher nach kleineren, in der Nähe gelegenen Ortschaften zu machen. K. hat mir zur Hilfe während meines Aufenthaltes in seinem Bezirke seinen eigenen schwarzen Lazarettgehilfen zur Verfügung gestellt und außerdem noch acht junge Häuptlingssöhne zum Anlernen in der Impftechnik.

Bereits für heute hat er die Häuptlinge der nächstliegenden großen Plätze zu sich beschieden, um ihnen den Zweck meines bevorstehenden Besuches klarzumachen. Mit besonders großem Gefolge und Gepränge trat der König von Paratau, der Nachfolger des großen Djabo, auf. Er und seine 30 bis 40 Begleiter erschienen sämtlich beritten mit gellender Musik und in großem Ornate, die Pferde mit klingenden Schellen, Decken und sonstigem bunten Schmuck behangen; der König selbst mit langem Purpurmantel angetan, auf dem Kopfe eine Art Tiara, ringsum mit Lederstreifen besetzt, unter denen Sprüche des Koran als Amulett eingenäht getragen werden.

Schwierigkeiten werde ich hier bei meiner Aufgabe ebensowenig haben wie in Atakpame. An den nötigen Kälbern wird es nirgends fehlen. Solange ich mich in Sokodé selbst aufhalte, steht mir eine große, der Station gehörende Rinderherde zur Verfügung, deren Bestand gleichzeitig das Material für Sch.s Immunisierungsversuche gegen Nagana liefert. Aber auch sonst werden überall im Lande große Herden gehalten. Zum Teil liegt die Rindviehzucht in den Händen der erfahrenen Fulbe, denen K. auch die Abwartung der Stationsherde anvertraut hat.

Diese Fulbe oder Fullani, die ich hier zum ersten Male zu Gesicht bekommen habe, gehören weder zu den Küsten- noch zu den Sudannegern, Herkunft und Rassentypus sind noch ungeklärt. Sie haben sich zwar nicht mehr völlig rein bei ihrer Berührung mit den Negerstämmen gehalten, aber doch sind sie auch hier noch deutlich auf den ersten Blick zu erkennen. Ihre Hautfarbe ist hellgelb bis rötlichbraun, ihr Körperbau schlank, mager aber sehnig, und trotz ihrer zierlichen Glieder wird ihnen eine große Widerstandsfähigkeit nachgerühmt. Ihr Gesicht ist lang und schmal, die Stirn hoch, die Nase gerade und die Lippen ungewulstet, das Haupthaar schwarz aber mehr wellig als kraus wie beim Neger, so daß es die Frauen zu Zöpfen flechten können. Die Männer tragen den Schädel häufig kahl rasiert oder lassen nur auf der Höhe des Scheitels eine Raupe stehen. Ihre Kleidung besteht in einem weißen Hemde, als Kopfbedeckung tragen sie einen Strohhut mit breiter Krempe. Im Sokodegebiete leben sie als Halbnomaden, die abseits der Negerniederlassungen ihre Wohnsitze aufschlagen und wechseln, je nachdem sie einen günstigen Weideplatz für ihre Herden gefunden zu haben glauben. Sie verstehen ihre Tiere zu pflegen, die Kühe zu melken und eine Art Butter und Käse zu bereiten. Über Tierkrankheiten sind sie leidlich unterrichtet und besitzen wohl auch teilweise wirklich heilkräftige Mittel gegen diese; aber der Wert einer rationellen Zucht oder Kreuzung scheint ihnen noch nicht klar geworden zu sein.

 

Sokodé, 10. Oktober

Gestern abend entdeckten wir auf einem der Felder in nächster Nähe der Station außer den gewöhnlichen zahlreichen Spuren von Hyänen auch die eines Leoparden und beschlossen, eine Falle zu stellen. Da wo die Spur vom Felde in den Busch führte, wurde in einem nach drei Seiten geschlossenen kleinen Stalle eine Ziege angebunden, da der Leopard angeblich nur nach lebender Beute auszieht. An der offenen Seite des Stalles wurde die Falle gelegt.

Heute am frühen Morgen schon brachte ein Schwarzer die Meldung, daß sich ein Tier gefangen habe, aber mit der Falle verschwunden sei. Wir wußten zunächst nicht, ob es ein Leopard oder eine Hyäne war. Dr. K., Sch., der Stationsassistent Bl. und ich machten uns, von einer Schar Schwarzer begleitet, auf die Suche. August kletterte auf einen Baum und hielt Umschau, konnte aber nichts erspähen, sondern nur an dem niedergetretenen Grase die Richtung erkennen, in der das in der Falle sitzende Tier abgegangen war. Mit schußbereiter Waffe folgten wir der Spur; voran Sch., der noch keinen Leoparden erlegt hatte und deshalb den ersten Schuß haben sollte. Wir waren kaum zwei Minuten lang vorgedrungen, als wir, ohne zunächst etwas zu sehen, die halb fauchende, halb bellende Stimme des Leoparden in nächster Nähe hörten. Wenige Sekunden später trat er etwa 20 m vor uns heraus und rückte trotz der an seiner linken Pranke sitzenden Falle in bedenklich schnellem Tempo vor. Die hinter uns gehenden Schwarzen rannten nach allen Richtungen von dannen. Sch. legte an, drückte ab und – hatte einen Versager. In großer Geistesgegenwart erkannten K. und Bl. sofort die Situation und gaben fast gleichzeitig, der eine links, der andere rechts an Sch. vorbei einen Schuß auf das wütende Tier ab, das keine zehn Schritte mehr entfernt war. Regungslos blieb es liegen; denn beide Treffer waren, wie sich zeigte, tödlich gewesen, der eine ein Kopf-, der andere ein Blattschuß.

Wem gehörte nun die Beute? Die schwierige Streitfrage konnte schließlich nur dahin geschlichtet werden, daß der Leopard mir als dem einzigen Unbeteiligten zugesprochen wurde. Es ist ein stattliches Exemplar; der siebente Leopard, der im Laufe der letzten Monate in unmittelbarer Nähe der Station erlegt worden ist.

 

Tschamba, 26. Oktober

Mit guten Ratschlägen und genauen Orientierungen von K. wohl ausgestattet, bin ich am 21. von Sokodé ostwärts nach Tschamba gezogen. Der Ort, einer der größten ganz Togos, zählt an 10000 Hütten. Leider kann ich aus Zeitmangel selbst nur einen Bruchteil der Schwarzen dieses volkreichen Landes impfen, aber das begonnene Werk wird fortgesetzt werden. Meine acht Impfprinzen, die schon im Laufe der verflossenen Wochen eifrig bei ihrem Werke waren, begleiten mich auch weiterhin auf der ganzen Reise und werden später in ihrer Heimat unter K.s Leitung die Impfungen fortführen. Außer ihnen und meinen beiden von der Küste mitgenommenen Trabanten begleiten mich noch vier Polizeisoldaten und eine berittene Ordonnanz, das heißt ein Negerjunge, dem K. einen Klepper überlassen hat, mit dem er mir Kurierdienste leistet. Bisher sind die Leute gern und in großen Scharen zur Impfung erschienen, obwohl gerade jetzt während der Farmzeit viele auf ihren Feldern abwesend sind.

Wie an der Küste und im Atakpamelande sind auch hier im Sokodébezirke die Zeichen einer bis in die neueste Zeit reichenden Völkerverschiebung erkennbar. Zur Mischung der verschiedenen Sprachen und Dialekte gesellt sich hier noch die Vermischung der Religionen. Das Christentum ist zwar im Sokodégebiete noch nicht vertreten, denn bis jetzt sind die Missionen nicht hierher vorgedrungen (auch Niederlassungen von Faktoreien fehlen merkwürdigerweise bisher im Sokodélande), aber vom Norden her hat sich der Islam ausgebreitet und sich unter den Fetischismus gemischt. Namentlich die Aristokraten des Landes sind wenigstens äußere Anhänger des Islam. Oft haben auch gerade die mohammedanischen Großen des Landes einen stärkeren politischen Einfluß als die einheimischen Häuptlinge, und K. hat mir für jeden Ort seines Landes, den ich auf der Reise voraussichtlich berühre, genau die Namen der jeweilig einflußreichsten Persönlichkeiten mitgeteilt, damit ich mich mit meinen Wünschen immer an die richtige Adresse wenden kann. Durchaus nicht immer spielt der »Uro«, der Häuptling des Ortes, die führende Rolle, ebensooft ist es der »Limam«, der mohammedanische Oberpriester, oder der »Galadima«, der erste Minister. Als eine von K. eingeführte Instanz kommen noch die Dorfpolizisten hinzu, die je nach der Größe des Ortes zu zweien, dreien oder vieren dem Häuptling zur Seite stehen, um seine und des Europäers Wünsche zu vermitteln und sonstige polizeiliche Funktionen zu versehen.

Hier in Tschamba scheint die geistliche Größe, der Limam, gleichgeachtet neben dem Häuptling zu stehen. Ersterer unterhält eine gutbesuchte mohammedanische Schule, die in einem großen, in der Umgebung des priesterlichen Wohnhauses errichteten Rundhüttenkomplexe untergebracht ist. In diesen Hütten lagern Gruppen von sechs bis acht Jungen verschiedenen Alters, die im Lesen und Schreiben unterrichtet werden. Als Grundlage allen Unterrichtes dient der Koran, der in je einem Exemplare in jeder Schulhütte vorhanden ist. Die Schreibübungen werden auf Pergament oder auf Holztafeln mit Tinte, die hier hergestellt wird, vorgenommen; das Lesen scheint meist in choro geübt zu werden. Der gesamte Unterricht erstreckt sich über fünf bis sechs Jahre. Als Dank für die Impfung seiner Schüler beschrieb mir der Limam bei einem Besuche seiner Schule eigenhändig eine Tafel mit der ersten Sure des Koran und verehrte sie mir zum Andenken.

Am Eingange des Riesendorfes hat K. das Rasthaus für Europäer oder richtiger die Station errichtet. In allen größeren Plätzen des Sokodébezirkes hat er, um jederzeit dort, wo er sein Erscheinen für geboten hält, Unterkunft zu haben, eine solche kleine Residenz gebaut. Die hiesige wird von einer etwa 40 m im Geviert umfassenden Lehmmauer umgrenzt. In der Mitte des Platzes steht ein stolzer Baumriese, in dessen kühlem Schatten, an eine Seite des Mauervierecks angelehnt, sich die geräumigen und sauberen Rundhütten, die Wohnung für den Europäer und seine Begleitung, ausbreiten. Bei meinem Erscheinen fand ich in einem dicht bei der Station gelegenen Stalle bereits die für die Lymphgewinnung im voraus von mir erbetenen sechs Kälber vor. Der Häuptling mit seinem Gefolge kommt jeden Morgen zur Begrüßung bei mir an und erkundigt sich nach meinen Wünschen. Wenn ich ihm dann sage, daß er seine Untertanen zum Impfen antreten lassen soll, so ertönen alsbald die Trommelsignale durchs Dorf, das Volk strömt zur Station zusammen und lagert sich außerhalb der Mauer.

Unter dem großen Schattenbaume steht mein Impftisch, und in Gruppen von je zwanzig Köpfen ungefähr lasse ich sie nach und nach durch ein Tor der Mauer herantreten. Durch einen auf der anderen Seite gelegenen Ausgang verlassen sie geimpft und mit ihrem Impfschein ausgestattet den Platz. Auch hier mustere ich die Impflinge zunächst auf ansteckende Krankheiten und besonders auf Lepra durch, die leider auch in diesem Teile Togos stark verbreitet zu sein scheint. Außer mir und August impfen immer drei bis vier der Impfschüler abwechselnd mit. An den ersten beiden Tagen war der Andrang der Leute im Hinblick auf die Größe des Ortes nicht allzu stark, da sehr viele von ihnen auf den oft weit entfernten Feldern abwesend waren, wo sie vielfach auch die Nächte verbringen, um sich den jedesmaligen Gang zur Arbeit zu sparen. Aber am dritten Tage nach meiner Ankunft, als der Uro seine Polizisten auf die Farmen geschickt hatte, um die Leute zu benachrichtigen, umlagerten fast 3 000 Impflustige die Station, so daß ich vom frühen Morgen unter Einsetzen aller Hilfskräfte bis zum Einbruch der Dunkelheit mit nur kurzen Erholungspausen in Tätigkeit sein mußte, und am Abend doch einen stattlichen Rest auf den kommenden Morgen zu vertrösten hatte.

Gestern früh radelte ich nach vorheriger Ankündigung eines Impftages nach dem nur wenige Kilometer westlich gelegenen Pasua, wo nicht nur die Leute dieses Ortes, sondern auch einiger kleinerer Nebendörfer ebenfalls unter Führung ihres Uros zum Impfen angetreten waren. Das anfängliche Hauptinteresse der Leute konzentriert sich immer auf das ihnen bisher unbekannte Fahrrad, und hier vor Pasua waren nicht nur beide Seiten des Weges mit den neugierigen schwarzen Massen dicht umdrängt, auch auf den Bäumen und den Hütten hatten sie sich postiert.

Ehe ich zum Impfgeschäft schritt, wandte sich einer der Häuptlinge an mich und bat mich um Auskunft über ein ihm seltsam erscheinendes Vorkommnis. Ich will es berichten, weil es typisch ist für viele ähnliche immer wieder unter den Eingeborenen zu beobachtenden Fälle. Kurz vor meinem Kommen sei ein Bote bei ihm erschienen und habe ihm einen Brief von Dr. K. übergeben, in dem er aufgefordert wurde, eine Ziege, Feldfrüchte und ein von ihm näher bezeichnetes Weib in Begleitung dieses Boten zur Station Sokodé zu schicken. Auf Grund des vorgezeigten Briefes hatte der brave Uro zwar das Gewünschte wirklich abgehen lassen, aber es waren ihm doch Bedenken in der ganzen Angelegenheit aufgestiegen. Der angebliche Brief, den er bei sich hatte, bestand aus weiter nichts, als aus einem Stück schmutzigen, mit Bleistift bekritzelten Papieres, das in ein altes Kuvert gesteckt war. Bei näherem Fragen ergab sich ferner, daß der Überbringer nicht aus der Sokodélandschaft stammte. Dies gab die Möglichkeit, seiner Spur nachzuforschen. Ich wies den betrogenen Häuptling an, sofort nach allen Seiten hin durch die Trommelsprache den Nachbarorten die Verfolgung und Festnahme dieses Fremdlings, der bisher keinen großen Marsch hinter sich haben konnte, anzubefehlen.

Am Spätnachmittage kehrte ich hierher nach Tschamba zurück. Nachts 2 Uhr wurde ich geweckt; man brachte bereits den Delinquenten an. Am Gesicht und an der Sprache erkannte ich sofort den Ewemann. Bei seinem Verhör stellte sich heraus, daß es ein früherer Polizeisoldat aus Anecho war. Unter Bedeckung zweier meiner Polizisten setzte ich ihn mit einem Begleitschreiben zur weiteren Untersuchung und Bestrafung nach Sokodé zu Dr. K. in Marsch. Es ist dies eine der üblichen Schwindeleien, aus denen hervorgeht, wie der Neger die ihm durch die Berührung mit dem Europäer vermittelte höhere Kultur nicht zum Gebrauch für den Weißen, sondern zum Mißbrauch gegenüber seinen weniger kulturbegabten Mitbrüdern verwertet.

Viele solcher Ausbeutungen werden von ehemaligen Soldaten, Clarks, Dolmetschern, Schreibern usw. im Lande verübt, ohne daß der Europäer jemals davon Kunde erhält, viele kommen nur durch einen Zufall ans Tageslicht. So erlebte ich einst in Kleinpopo unter anderen harmloseren einen besonders drastischen Fall: ich unterhielt mich mit dem Häuptlinge eines Lagunendorfes über die Zustände seines Ortes, seine Felder, seine Ernte u. a. Zufällig tat er dabei einer »Marktsteuer« Erwähnung. Da mir von einer solchen absolut nichts bekannt war, forschte ich weiter nach, und das Endergebnis war, daß ein schlauer Schwarzer sich in den Besitz einer Polizistenmütze gesetzt hatte und, lediglich durch diese legitimiert, monatelang auf diesem dicht an der Küste gelegenen, belebten Marktorte erschienen war und im angeblichen Auftrage des Bezirksamtes Sebe eine Marktgebühr von 5 Pfg. pro Kopf erhoben hatte.

Zu anderen als meinen beruflichen Aufgaben verbleibt mir hier leider nur wenig Zeit. Nur einen Gang durch den Ort nach dem von vielen Tausenden belebten bunten Markte kann ich mir hin und wieder erlauben und habe dort reiche Gelegenheit, alle die großen Unterschiede im Leben und Treiben dieser Neger Nordtogos gegenüber denen der Küste zu verfolgen. Meist bin ich auch des Abends so müde und abgespannt, daß ich mich in meinen Langstuhl strecke und unter dem schönen Baume der Station die Zeit der sinkenden Sonne verträume.

Übermorgen will ich weiterziehen.

Kirikiri,28. Oktober

Seit heute habe ich meine Operationsbasis etwa 20 km nordwärts nach Kirikiri, einem 3 000 Hütten zählenden Orte, verlegt, an dem ebenfalls eine schmucke Station von K. angelegt ist. Auf dem weiten, freien Hofe tanzen eben jetzt hunderte lärmender Neger ihren Begrüßungstanz. Eine kleinere Gruppe der Festversammlung hat sich zu einem »Stabreigen« zusammengetan, den ich hier zum ersten Male sehe, und der im Gegensatz zu den sonst wilden Gliederverrenkungen, durch welche die Negertänze ausgezeichnet sind, einen ruhigen, fast vornehmen Eindruck macht. Die Tanzenden, hier auf dem Hofe etwa hundert an der Zahl, bilden dabei einen großen Kreis. In diesem bewegen sie sich derart, daß jeder einzelne Tänzer mit einem hölzernen Stabe bewaffnet nach einigen Schritten einen Halbkreis um seinen Vordermann und darauf um seinen Hintermann beschreibt. Sobald sich die beiden Partner mit dem Gesicht gegenüberstehen, schlagen sie ihre Stöcke gegeneinander, ungefähr so, wie die Schläger bei der Mensur gekreuzt werden. Dieses Zusammenschlagen der Stöcke geschieht von allen Beteiligten genau in demselben Momente, so daß man nur einen einzigen lauten Schlag zu hören bekommt. In der Mitte des Kreises spielen Trommler und Pfeifer ihre Instrumente dazu.

In der Mitte des Stationshofes von Kirikiri liegt das Kenotaphion v. Massows (seine Gebeine wurden später nach Deutschland gebracht), der hier im Juli 1899 als erster Leiter der deutschen Abteilung der deutsch-französischen Grenzexpedition an Schwarzwasserfieber zugrunde ging. Eine halbe Stunde westlich fließt mit schön bewaldeten Ufern der Nyala vorüber, derselbe Fluß, der später in seinem Unterlaufe den Namen Mono trägt und der Lagune von Anecho zuströmt.

Kirikiri, 31. Oktober

Heute morgen erhielt ich seltsamen, hohen Besuch. Ich hatte eben meine Impfkälber besichtigt und erwartete das Antreten der Leute von Kirikiri. Da kam vom Fluß her eine stolze Kavalkade von etwa 30 schwarzen Reitern über den Stationshof auf mein Haus zugesprengt. In vollem Galopp mit buntgeschmückten Pferden und Schellengeläute; die Reiter mit langen, bunten Gewändern, den Turban auf dem Kopfe, den Speer in der Hand. Nur der an der Spitze Galoppierende schwang einen mächtigen krummen Säbel, einen alten Kosakensäbel, wie ich später erfuhr, ein Geschenk K.s. Dicht vor mir parierte er seinen Gaul mit blutendem Maule. Es war der Reiterführer Adam mit seinem Gefolge, einst ein mächtiger und weit gefürchteter Sklavenjäger, der aus dem Nachbardorfe Pasa, das eine Stunde von hier entfernt liegt, gekommen war, um den weißen Doktor, von dessen Kommen er gehört hatte, in Kirikiri zu begrüßen. Gleichzeitig forderte er mich auf, mit ihm in sein Dorf zurückzureiten und dort seine Leute zu impfen, die schon alle angetreten seien. Er habe mir ein gesatteltes Pferd mitgebracht, das ich benutzen könne. Dabei ließ er mir einen hübschen Rappen vorführen.

Ich besah mir im Hinblick auf meine geringen Reitkünste mit einigem Mißtrauen das unruhige Tier. Da aber die Sättel der Eingeborenen hierzulande auf der Vorder- und Rückseite eine stattliche hohe Lehne haben, so daß man in ihnen wie in einer Jahrmarktsschaukel sitzt und beim besten Willen kaum herausfallen kann, so sagte ich ihm zu, nach Erledigung meiner Vormittagsaufgabe mit ihm nach Pasa zu reiten. Vorher mußte ich ihm aber noch einen andern Wunsch erfüllen. Er habe gehört, sagte er, daß ich ein eisernes Pferd bei mir führe, und da er noch nie ein solches gesehen, möchte ich es ihm vorführen. Ich ließ das Fahrrad bringen, das er mit seinen neugierigen Augen, aber scheinbar auch mit Geringschätzung musterte. Er bestand darauf, daß ich ihm einige Runden vorfuhr und erkundigte sich mit großer Ausführlichkeit über alle Einzelheiten dieses Vehikels.

Es ging leidlich mit dem Ritt am Nachmittage. Nur beim Durchqueren des Flusses wollte mein Rappe durchaus die Gelegenheit zu einem erfrischenden Bade benutzen und hätte sich wahrscheinlich behaglich mit mir im Wasser gewälzt, wenn nicht Adam Geistesgegenwart genug gehabt hätte, mir rechtzeitig beizuspringen. Der Einzug in Pasa war so festlich, glänzend und lärmend wie noch in keinem Orte zuvor. Es hat zwar kaum mehr als tausend Einwohner, aber sie alle kamen mir in festlichem Kriegsschmuck den halben Weg entgegengelaufen. Stöcke, Speere, Pferdeschweife schwingend, tanzend, trommelnd, auf Hörnern blasend, pfeifend, glockenschlagend geleiteten sie mich auf ihren Marktplatz. Dort nahm ich sie, von meinen schwarzen Hilfskräften unterstützt, einen nach dem andern unter das Impfmesser.

Den Rückweg konnte ich erst nach 6 Uhr im Dunkeln antreten. Er war weniger geräuschvoll, aber Adam ließ sich's nicht nehmen, mich abermals mit seinem Hofstaat zu begleiten. Zu beiden Seiten des Weges liefen neben uns her etwa ein Dutzend Schwarze mit brennenden Fackeln aus trockenen Grasbündeln. Sobald eine von ihnen heruntergebrannt war, wurde dem Fackelträger eine neue gereicht. Ihren eigentlichen Zweck zu leuchten erfüllten sie wegen des dichten Qualmes, den sie verbreiteten, weniger als den, die Moskitos fernzuhalten.

Am Kará, 2. November

Mein Aufenthalt in Kirikiri wurde durch einen wenig erfreulichen Anlaß abgekürzt. Gestern mittag kam ein reitender Bote und brachte die Nachricht, daß der Stationsassistent B., der damit beschäftigt ist, eine von K. über den Kará geschlagene Hängebrücke auszubessern, an Schwarzwasserfieber schwer erkrankt sei und meiner Hilfe dringend bedürfe. Die Entfernung von Kirikiri beträgt 50 Kilometer, der Weg führt über Gebirge. Natürlich zögerte ich nicht, so schnell als möglich zu ihm zu eilen. Ich impfte noch rasch diejenigen Kälber ab, die gerade das Reifestadium der Lymphe erreicht hatten, ließ August und meine schwarzen Impfprinzen noch einige hundert Neger, die schon versammelt waren und gern vor meiner Abreise noch geimpft sein wollten, abfertigen und brach gegen 4 Uhr auf. Bei einbrechender Dunkelheit erreichte ich zu Pferde Sudu. Von dort fing die Kletterei zu Fuße an, im Stockfinstern, bei steinigen Wegen. 9 Uhr war ich über den Kamm hinweg und erreichte Baffilo. Dort beschloß ich bis zum Aufgang des Mondes zu rasten und dann in der Hängematte weiterzureisen. Inzwischen wurden neue Träger gerufen, abgekocht und im Langstuhle geträumt. Um Mitternacht erschien der Mond, und ich vertraute mich in der Hängematte den Trägern an.

Heute bei Tagesanbruch war ich am Kará. Zum Glück fand ich B. zwar schwer krank, aber außer Lebensgefahr vor, was bei Schwarzwasserfieber immer schon ein großer Trost ist. Er ist bereits sechsmal während seiner Dienstzeit von dieser heimtückischen Krankheit ergriffen worden. Ich weiß nicht, ob ich selbst nach dem ersten Anfalle nicht genug von Afrika hätte. Einige Tage will ich hierbleiben, bis der Patient so weit ist, daß ihm ein Transport zugemutet werden kann. Dann gehe ich mit ihm bis Baffilo zurück, wo ich mein unterbrochenes Programm wieder aufnehmen will; er selbst soll nach Sokodé zurückkehren, um dort seine volle Genesung abzuwarten. Trotz der Unterbrechung, die dieser Abstecher mir verursacht, freue ich mich doch, daß ich gerade in der Nähe des Kranken war. Auf diese Weise bin ich gleichzeitig, ohne es vorher zu wollen, in den nördlichsten Teil des Sokodébezirkes nach »Transkarasien« in das Land der Kabres gekommen.

Am Kará, 4. November

Je länger ich im Sokodébezirke weile, um so mehr staune ich darüber, was Dr. K. hier geleistet hat. Die kolonisatorische Arbeit in dem Bezirke, der bisher nur dem Namen nach deutscher Besitz war, ist vor kaum sieben Jahren von ihm in Angriff genommen worden. In dieser kurzen Zeit hat er im großen wie bis ins kleinste Erstaunliches geschaffen. Nach allgemeinem, wohl auch zutreffendem Urteile haben wir in Togo drei kolonisatorische Talente: Dr. G., v. D. und Dr. K. Jetzt kenne ich sie alle drei. Drei ganz verschiedene Menschen, der eine Philologe, der andere Offizier und der dritte Mediziner; Sachse, Preuße, Balte. Ich schätze sie alle drei hoch ein, aber der Mediziner steht doch obenan. Nicht wegen seiner ärztlichen Leistungen. Diese müssen erklärlicherweise zurücktreten, wennschon er in Krankheitsfällen seinen Schwarzen Hilfe nicht versagt und ihm das Wohlergehen jedes einzelnen unter ihnen am Herzen liegt. K. ist einer der wenigen Menschen, für die ich eine uneingeschränkte Bewunderung habe. Wenn ich zu bestimmen hätte, so müßte jeder Neuling, der im Togolande eine ausschlaggebende Rolle zu übernehmen hat, vorher einige Monate bei ihm in die Lehre gehen.

Sokodé ist der größte Bezirk des Landes mit einer halben Million Einwohner, soviel wie das ganze übrige Togo zusammengenommen; eine Bevölkerung, die in den ersten Jahren keineswegs ohne Widerstand sich die deutsche Herrschaft gefallen lassen wollte. Bedeutete sie doch für viele der alten Häuptlinge, die hier im Norden mit ihren Reiterscharen eine wirkliche Macht darstellten und auf einer ungleich höheren Stufe stehen als die Dorfschulzen der Küstenorte, den Untergang ihrer alten Glanzzeit, das Aufhören ihrer Sklaven- und Beutezüge, das Versiegen ihrer Einnahmequellen aus den Tributen der unterworfenen Völker. Wohl ist K. bei seinem ersten Erscheinen nicht überall mit Jubel, sondern mit Pfeilen, Speeren und Flintenschüssen empfangen worden, aber er hat es vermieden, daraus eine Kapitalsache zu machen und ins Alarmhorn zu blasen, und hat sie doch gezwungen. Mit einer Handvoll Polizeisoldaten, von zwei bis drei weißen Hilfskräften unterstützt, hält er sie in musterhafter Ordnung und hat schon eine derartig intensive Organisation seines Landes ermöglicht, daß kein anderer Bezirk des Landes mit ihm darin wetteifern kann. Ehe er Herr im Lande wurde, hat er sich oft an den alten Satz des »Divide et impera« gehalten. Wenn ein Ort oder eine ganze Landschaft ihm nicht gehorchen wollten, so nahm er seine schwarzen Soldaten und außerdem eine überlegene Schar von »Hilfsvölkern«, die Einwohner eines ihm treu ergebenen Ortes. Sein bloßes Erscheinen an der Spitze eines solchen Aufgebotes hat oft genügt, die Widerspenstigen von der Aussichtslosigkeit ihres Widerstandes zu überzeugen. Genügte es nicht, so fielen auch wohl ein paar scharfe Schüsse oder die Äcker wurden anstatt von denen, die sie bestellt hatten, von den Hilfsvölkern abgeerntet, das heißt, der Neger an einer seiner empfindlichsten Stellen, am Magen, gestraft, und die Sache war erledigt.

Fast muß es betrüben, daß dieses Gebiet der Küste so fern liegt, und daß es noch Jahre dauern wird, ehe es durch eine Bahn oder für Lastautomobil fahrbare Straßen Anschluß dorthin erhalten wird. Erst dann werden die vollen Früchte alles dessen geerntet werden, was K. jetzt hier aussät. Um so bewundernswerter ist es, wie er ganz unbekümmert darum, daß er selbst vielleicht gar nicht mehr die vollen Erfolge seiner Arbeit in Afrika erleben wird oder auch nur gewürdigt sieht, doch mit unermüdlichem Eifer weiterarbeitet. Dabei ist seine Tätigkeit frei von jeder persönlichen Liebhaberei. Er reitet kein Steckenpferd, sondern läßt nur den Gesichtspunkt der allgemeinen Erschließung und Förderung seines Landes ausschlaggebend sein. Alles, was dieses Endziel fördern kann, an das tritt er mit gleichem Nachdruck heran. Anlage und Ausbau von Straßen, Überbrücken von Flüssen, kartographische Aufnahmen und Vermessungen, Zählung der Einwohner seines Landes, Viehzucht, Bekämpfung von Seuchen, Handelsstatistik, Schlichten von Streitigkeiten unter den Eingeborenen, Anpflanzung von Baumwollfeldern, Teakholzaufforstungen, die zoologische, botanische und ethnographische Erforschung seines Bezirkes, alles behält er mit gleicher Sorgfalt, Ruhe und Konsequenz im Auge.

Nicht das letzte Verdienst scheint mir zu sein, daß er die riesigen Arbeitskräfte, die Sokodé in seiner dichten Einwohnerzahl repräsentiert, gleichmäßig flüssig gemacht hat und diese Quelle in dauerndem Fluß erhält. Wenn er morgen tausend Mann oder mehr braucht, sei es zum Bau einer Straße, sei es zu einem Transporte oder zu irgendeinem anderen Zwecke, so treten sie unweigerlich an. Dabei zieht er nicht willkürlich bald diesen, bald jenen Ort zur Arbeitsleistung heran, sondern hat Hütten- und Einwohnerzahl seiner Dörfer festgelegt und kontrolliert durch genaue Aufzeichnungen die jährlich von jedem Dorfe verrichtete Arbeitsleistung. Würde in einem Jahre eine bessere Verbindung nach der Küste für irgendein Landesprodukt, z. B. die Erdnüsse oder Baumwolle, einen rentablen Export gewährleisten, er würde sofort imstande sein, seine Schwarzen zu einer gewaltigen Massenproduktion zu bringen.

Einen großen Vorteil hat freilich die Entfernung von der Küste auch für ihn und seinen Bezirk. Sie gibt ihm eine weitgehende Selbständigkeit, die bei jeder tüchtigen Kraft nur ein Vorteil sein kann. Die Bürosorgen der Küstenbeamten bleiben ihm zum größten Teil erspart, so daß er seine Zeit ausgiebig dem Bezirke widmen kann. Den weit größten Teil des Jahres bringt er mit Reisen durch das Land zu und residiert bald hier, bald dort, um den einzelnen Stämmen nachdrücklich ihre Zugehörigkeit zum Weißen in Erinnerung zu bringen. In jedem größeren Orte hat er von den Eingeborenen eine regelrechte kleine Station aufbauen lassen, die ihm bei seinem gelegentlichen Aufenthalte dort als Residenz, anderen durchreisenden Europäern als Unterkunft dient. Als Teilnehmer an der Expedition des Grafen v. Götzen hat er Afrika vom Osten nach dem Westen durchquert, ehe er in die Dienste Togos trat. Seitdem hat er ununterbrochen im Sokodégebiete gewirkt, und ich glaube, er ist so fest mit diesem Werke verwachsen, daß ihm kein größerer Schmerz widerfahren könnte, als wenn man ihm jetzt zumutete, seine Tätigkeit mit einer anderen zu vertauschen. Außer Afrika kennt er die Südseegebiete und Amerika, und jeden Heimaturlaub benutzt er, um Erfahrungen zu sammeln, die er später seinem Bezirke zugute kommen lassen kann.


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