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Als stellvertretender Bezirksamtmann

6. November

Seit der Abreise P.s bin ich wieder zum stellvertretenden Herrscher in Sebe bestimmt worden, so daß ich neben meinen ärztlichen auch noch die bezirksamtlichen Geschäfte bis auf weiteres zu verrichten habe. Leider werden es voraussichtlich auch diesmal nur einige Wochen sein, während deren ich mich dem Bezirke widmen kann, so daß sich's nicht lohnt, größeren Plänen näherzutreten und ich mich auf die Erledigung der laufenden Angelegenheiten beschränken muß. Aber auch sie bieten des Interessanten genug. Täglich morgens 9 Uhr wartet ein Segelboot aus Sebe am Lagunenufer auf mich, auf dem ich bei leidlichem Winde in 20 Minuten überfahren kann. Gegen 1 Uhr bringt es mich wieder nach Kleinpopo zurück. Ein Sekretär und ein Polizeimeister stehen mir als europäische Hilfskräfte zur Verfügung.

Am Mittwoch und Sonnabend findet sogenannter »Palavertag« statt, an dem die Eingeborenen ihre mannigfachen Anliegen dem Bezirksamt zur Entscheidung vorbringen. Leider muß ich mich bei den Verhandlungen immer noch eines Dolmetschers bedienen. Wenn ich auch die Ewesprache leidlich verstehe, genügen meine Kenntnisse zu einer selbständigen Unterhaltung noch nicht. Diese Dolmetscherwirtschaft ist ein häßliches, aber unvermeidliches Übel. Obendrein weiß man nie recht, ob die schwarze Kraft zuverlässig ist. Ich möchte fast annehmen, daß die Parteien vielfach erst beim Dolmetscher Einkehr halten und ihn durch Versprechungen oder Geschenke für sich zu bestimmen suchen.

Die Hauptstreitigkeiten, die sie zur Schlichtung anbringen, sind vornehmlich Weiber- und Diebstahlsangelegenheiten. Meist liegen die Verhältnisse übersichtlich, und der gesunde Menschenverstand wird auch ohne juristische Fachbildung genügen, sie richtig zu beurteilen. Oft besteht die Hauptkunst der Verhandlung in ihrer Abkürzung und darin, das prinzipielle Lügen des Schuldigen möglichst auszuschalten. Wie bei allen seinen Erzählungen, so neigt der Neger erst recht beim Lügen zu einer ausführlichen Breite. So frage ich zum Beispiel, wenn ein Schwarzer etwa Kokosnüsse gestohlen hat oder sonst bei einem Mundraub ertappt wurde, gar nicht erst, ob er sich schuldig bekennt oder nicht, sondern sofort: wievielmal oder wieviel Stücke hast du gestohlen? Meist folgt darauf das Eingeständnis. Fragt man anders, so erfolgt regelmäßig zunächst ein langgezogenes, mit Kopfschütteln begleitetes: »0« (Nein), gefolgt von einer wohlüberlegten, langen Ausrede.

Einige der zulässigen Strafen sind Zwangsarbeit, Kettenhaft und Todesstrafe. Alle Urteile über sechs Monate Freiheitsentziehung unterliegen der Bestätigung durchs Gouvernement. Oft genug kommen auch Kapitalverbrechen vors bezirksamtliche Forum, die eine schwere Bestrafung erheischen und bei denen es einer eingehenden Untersuchung bedarf, ehe man ein klares Bild des objektiven Tatbestandes gewinnt.

Häufig muß man dabei auf die althergebrachten Rechtsbegriffe der Eingeborenen Rücksicht nehmen, eine Notwendigkeit, der ich am besten dadurch Rechnung zu tragen glaube, daß ich bei solchen Fällen die drei Könige Kleinpopos oder angesehene Häuptlinge der Umgegend an den Verhandlungen teilnehmen lasse und sie nach Klarstellung des Sachverhaltes um ihr Urteil befrage. Ganz schließe ich mich diesem zwar niemals an, schon um die überlegene Autorität des Weißen zu wahren; aber es dient mir doch als maßgebende Richtschnur. Es wäre sehr verdienstlich, wenn ein Beamter sich einmal der Mühe unterzöge, die ungeschriebenen Rechtsnormen der Eingeborenen zu sammeln oder eine solche Sammlung wenigstens anzufangen. Eine bisher unerfüllte Voraussetzung dafür würde es freilich sein, daß der Beamte mehrere Jahre hindurch in einem und demselben Bezirke tätig sein könnte, um eine engere Fühlung mit den Leuten zu gewinnen.

Auf der anderen Seite ist es indessen nicht immer zu vermeiden, daß man unhaltbaren Rechtsbegriffen der Eingeborenen entgegentritt. So ist es, um ein Beispiel anzuführen, sehr schwer, sie von der eingewurzelten Anschauung der Blutrache für Mord oder auch Totschlag loszutrennen. Einen dafür charakteristischen Fall erlebte ich unlängst. Ein Schwarzer betrifft bei seiner Heimkehr in seinem Hause einen Dorfgenossen in flagranti beim Ehebruche mit seiner Frau. Er will auf ihn eindringen. Der Bedrängte hebt zu seiner Verteidigung die Tür des Raumes aus, um sich zu schützen. Der betrogene Ehemann greift zum Messer, sticht an der Tür vorbei nach dem Delinquenten und trifft ihn so unglücklich in die Schlagader des Oberarmes, daß er verblutet. Ich sprach unter Annahme mildernder Umstände das Urteil auf 1½ Jahre Kettenhaft. Am nächsten Tage erschienen der Häuptling und eine Anzahl Männer aus dem Heimatdorfe des Verurteilten und baten, das Todesurteil gegen ihn auszusprechen, weil er nach seiner Entlassung ja doch von den Angehörigen des Ermordeten getötet werden müsse. Hierbei bedarf es natürlich der energischen Aufklärung darüber, daß mit Verbüßung der vom Europäer auferlegten Strafe das Verbrechen gesühnt ist und daß jeder, der darüber hinausgeht, sich selbst schuldig macht.

Nicht selten spielt auch der Fetischaberglaube eine Rolle, und man wird lebhaft an die Verzauberungsprozesse unseres Mittelalters dabei erinnert. Ein interessantes derartiges Vorkommnis, dessen Aufklärung zunächst einige Schwierigkeiten verursachte, kam ebenfalls zur Verhandlung. Ein Neger hat ein ihm gehöriges Grundstück mit einem Zaun umgeben, um ein Haus darauf zu bauen. Sein Nachbar macht ihm den Besitz streitig und, um ersteren von dem Betreten des Grundstückes abzuhalten, macht er »Fetisch«. Er stellt in der Nähe des Zaunes einen alten Topf mit irgendwelchen Ingredienzien auf und befestigt daneben ein Bündel rot gefärbtes Stroh nebst einigen anderen Fetischemblemen. Der Besitzer geht über Nacht hin, entfernt diesen Fetisch und verbrennt ihn. Am nächsten Morgen bemerkt er an seinem Arme eine schmerzhafte Hauterkrankung, kommt zum Bezirksamt und verklagt seinen Partner, daß er ihn mit seinem Fetisch vergiftet habe.

Tatsächlich ergab die Besichtigung seiner Unterarme eine lebhafte Entzündung der Haut. Ich konnte mir zunächst nicht recht vorstellen, wie sie zustande gekommen sein mochte, da schlechterdings nicht anzunehmen war, daß wirklich die Berührung dieser Fetischzeichen eine so ausgedehnte Hauterkrankung hervorgerufen hatte, selbst dann nicht, wenn irgendein Giftstoff in ihnen enthalten gewesen wäre. Ich ließ mir nun von dem Kläger genau vorführen, wie er die Verbrennung vorgenommen habe. Dabei ergab sich, daß er, um das Verbrennen des gefürchteten Fetisch möglichst gründlich zu besorgen, ihn mehrmals mitten ins Feuer gedrückt hatte und dabei der Flamme sehr nahe gekommen war. Dadurch hatte er sich ein Brandekzem zugezogen, womit sehr gut die Tatsache übereinstimmte, daß die fragliche Veränderung der Haut sich nur in den Innenflächen der Unterarme befand. Die vermeintliche. Giftwirkung des Fetisch entpuppte sich also als eine simple Verbrennung. Unter allen »Palavern« der letzten Wochen stehen zwei obenan, von denen das eine vorläufig noch der Entscheidung harrt und die Gemüter der schwarzen haute volée in lebhafter Erregung hält. Es handelt sich dabei um folgenden Tatbestand. Die drei Häuptlinge Kleinpopos hatten vor der Besitzergreifung des Landes außer der Gerichtsbarkeit auch Zollgerechtsame gegenüber den hier ansässigen Firmen und gegenüber ihren Untertanen. Diese konnten unter deutscher Schutzherrschaft natürlich nicht aufrechterhalten werden. Um die damals immerhin einflußreichen Herren schadlos zu halten, hatte Gouverneur v. Puttkamer jedem eine Jahresrente ausgesetzt. Einer der damaligen Staatspensionäre war inzwischen gestorben, und jahrelang hatte King Aite als rechtmäßiger Nachfolger gegolten und als solcher im unbestrittenen Genusse der Rente gestanden. Jetzt rührte sich plötzlich eine Gegenpartei, geführt von einem Angehörigen der ebenfalls einflußreichen Familie d'Almeida, zweifelte die Berechtigung Aites zum Empfang der Rente an und stellte eins ihrer Familienmitglieder als rechtmäßigen Nachfolger hin.

Die Angelegenheit muß natürlich gründlich untersucht und erwogen werden; es bedarf dazu eines eingehenden Studiums der alten Akten und langer Vernehmungen vieler Zeugen. Ich habe bereits mehrere Vormittage dieser Aufgabe gewidmet, ohne bisher zu einer Entscheidung gekommen zu sein. Bei den Verhandlungen geht's immer recht lebhaft zu, namentlich im Zuschauerraum. Die Palaver werden öffentlich in der Eingangshalle zum Bezirksamt abgehalten, Zeugen und Zuschauer, die bei diesem Streitfalle besonders zahlreich erscheinen, sitzen auf der zuführenden Treppe oder auf dem davorliegenden Hofplatze. Auch die Weiblichkeit ist stark vertreten und nimmt oft lebhafteren Anteil an den Verhandlungen, als mir lieb ist. So ereignete sich's gestern, daß beim Schlusse der Tagung, als sich die Waage zugunsten Aites neigte, die Männer zwar in würdiger Ruhe auseinandergingen, die schwarzen Holden aus den beiden Lagern aber in ein heftiges Wortgefecht gerieten, das sehr bald in eine regelrechte kleine Schlacht ausartete. Alle Ermahnungen zur Ruhe und Aufforderungen auseinanderzugehen, fruchteten nichts. Endlich blieb mir nichts anderes übrig, als durch die Wache die Streitenden gruppenweise nach der Lagune abschieben und in ihre Kanus befördern zu lassen.

Gleich lebhaft ging es bei einer Verhandlung über eine zweite Haupt- und Staatsaktion zu. Alljährlich steigt im Oktober die Lagune um mehrere Meter in ihrem Wasserstande. Dieses Ansteigen hat eine doppelte Unannehmlichkeit für die Eingeborenen im Gefolge. Zunächst kann es so hochgradig werden, daß die Gefahr eines Durchbruches durch die Negergrundstücke hindurch nach der See hin eintritt, und ferner ist bei hohem Wasserstande das Fischen mit Grundnetzen sehr erschwert, weil diese nicht mehr den Lagunengrund erreichen. Wenn nicht bald ein Fallen des Wasserspiegels eintritt, stechen deshalb die Eingeborenen bei solch abnorm hohem Wasserstande die Lagune an ihrer schmälsten, am Ostende des Ortes Kleinpopo gelegenen Stelle bis zur See durch und verschaffen ihr so Abfluß. Die Öffnung schließt sich dann durch Versandung im Laufe einiger Monate wieder.

Vor etwa zehn Tagen kamen nun einige Häuptlinge von Lagunendörfern an und erbaten die Erlaubnis, die Lagune durchstechen zu dürfen. Ich versprach ihnen, die Notwendigkeit dieses Durchstiches zu prüfen und ihnen nach einigen Tagen Bescheid zu geben. Aus Informationen in den Bezirksamtsakten und durch Erkundigungen bei alten Afrikanern ergab sich, daß bei den letzten beiden vollzogenen Durchstichen vor drei und fünf Jahren der Wasserstand beträchtlich höher gewesen war als in diesem Jahre. Ferner fing der Lagunenspiegel bereits wieder an zu fallen, und einige Nivellierungen, die ich von einem gerade hier anwesenden Geometer vornehmen ließ, brachten mich zu der Ansicht, daß die Lagune mit ihrem jetzigen Wasserstande kaum bei einem Durchstich nach der See abfließen würde oder daß ihr Überdruck wenigstens nicht genügend sei, um zu verhindern, daß der von der See her mit dem Wellenschlag angeschwemmte Sand die Öffnung bald wieder verschließen werde. Alles dies veranlaßte mich, den Häuptlingen ihre Bitte abzuschlagen.

Am Tage nach der Abweisung erschienen anstatt der sechs zunächst petitionierenden schon zwanzig Häuptlinge und Unterhäuptlinge, die aber trotz ihrer nachdrücklichen Forderung gleichfalls ablehnenden Bescheid erhielten. Am dritten Tage hatte sich die Zahl der Petenten auf über hundert erhöht, was mich trotz des Lärmens, mit dem sie ihr Anliegen erneuten, nicht zum Nachgeben bewegen konnte. Am vierten Tage waren es mehrere hundert, die bei meinem Erscheinen den Vorplatz von Sebe bevölkerten und von neuem mit erhöhtem Ungestüm ihre Bitte vortragen wollten. Da ich natürlich mit einer solchen Menschenmenge nicht verhandeln konnte, erklärte ich, nur die Häuptlinge selbst anhören zu wollen, allen übrigen gebot ich Schweigen. Die Häuptlinge setzten mir daraufhin mit großer Ausführlichkeit auseinander, wie sie Hunger leiden müßten, wenn ich ihrer Bitte nicht willfahre, und daß sie gezwungen wären, auf französisches Gebiet auszuwandern. Ich verwies sie auf den bereits sinkenden Wasserstand und gab ihnen zu bedenken, daß ihr Vorhaben, die Lagune zu durchstechen, wahrscheinlich mißlingen werde. Aber sie blieben fest. Obwohl ich nicht recht von der Gefahr einer Hungersnot überzeugt war, und mir auch ihre Drohung auszuwandern wenig imponierte, wollte ich die Sache doch nicht auf die Spitze treiben und erteilte ihnen die Erlaubnis, am Nachmittage ihr Vorhaben auszuführen, unter der Bedingung, daß sie selbst die nötigen Arbeitskräfte stellten.

Die Erlaubnis wurde mit begeistertem Dankgeheul entgegengenommen. In den Lagunenorten wurde nun schleunigst durch Ausrufen bekanntgegeben, daß am Nachmittage kein Kanu die Lagune befahren dürfe, denn bei einem Durchstiche ist die Strömung nach der See anfänglich so stark, daß jedes Boot Gefahr läuft, von ihr in die See hinausgerissen zu werden. Gegen 4 Uhr traten einige hundert freiwillige Arbeiter an, ausgerüstet mit ihren primitiven Kalabassen und leeren Tins, um die Arbeit zu beginnen. Sämtliche Europäer Kleinpopos hatten sich als Zuschauer eingefunden. Schon nach zwei Stunden hatten sie über die 40 m breite Landzunge einen gut 3 m tiefen und ebenso breiten Graben geschaufelt. Mit großer Begeisterung und dem unvermeidlichen Lärm gruben sie ihren Sand, aufgemuntert durch Zurufe der Häuptlinge, durch Singen und Schlagen von Glocken und Trommeln usw. Wohl drang das Wasser von der Lagune her in den Graben ein, aber sobald eine Brandungswelle von der See kam, brachte sie genügend Sand mit sich, um den Ausgang wieder zu verstopfen; kurz, der Lagunenstand erwies sich als nicht hoch genug, um einen genügenden Überdruck gegen die See hin zu erzielen und den Abfluß offenzuhalten. Bis Mitternacht setzten sie ihre Bemühungen mit gleicher Unermüdlichkeit fort, vertieften den Graben, warteten auf die Ebbe, aber vergeblich. Endlich sahen sie die Aussichtslosigkeit ihrer Arbeit ein.

Für den kommenden Morgen bestellte ich sämtliche Häuptlinge nach Sebe. Sie kamen vollzählig an und gaben kleinlaut zu, der weiße Mann habe doch recht gehabt. Ich gab ihnen zu verstehen, daß sie eigentlich Strafe verdient hätten, die sie auch selbst wohl erwarteten. Die gute Gelegenheit, so viele Häuptlinge des Lagunendistriktes zusammen zu haben, nahm ich indessen wahr, um einem meiner Lieblingspläne das Wort zu reden. Anknüpfend an ihre Behauptung, daß sie hungern müßten, suchte ich ihnen klarzumachen, wie sie in Zukunft leicht der Gefahr einer Hungersnot vorbeugen könnten. Sie sollten von jetzt ab ein jeder in seinem Dorfe möglichst viel Mais anpflanzen und an Stelle der bisher damit bebauten Fläche das doppelte oder dreifache Areal damit bestellen. Ich wies sie darauf hin, daß jeder Überfluß, den sie selbst nicht brauchen könnten, ihnen sicher von den Faktoreien abgekauft werden würde. Weiter suchte ich ihnen begreiflich zu machen, wie sie auf diese Weise nicht nur selbst immer Nahrung haben würden, sondern überdies auch noch Geld verdienten, für das sie sich viele ihrer Wünsche befriedigen könnten.

Sie versprachen scheinbar mit großer Bereitwilligkeit, diesen Rat zu befolgen. Ob sie ihr Versprechen halten werden, bleibt freilich abzuwarten. Würde ich das Bezirksamt länger verwalten, so ließe ich vom Polizeimeister die jetzt von den einzelnen Ortschaften bebaute Maisfläche ungefähr vermessen und würde später kontrollieren, ob sie tatsächlich mindestens das doppelte Areal bestellen. Später könnte man sogar die zu bebauende Fläche entsprechend der Kopfzahl festlegen und hätte so in den Lagunengebieten eine sichere und bequeme Möglichkeit, den Maisbau als Volkskultur für weite Flächen einzubürgern. Ich bin überzeugt, daß ein Zwang sehr bald dabei überflüssig werden würde, da die Leute schon nach einigen Jahren einsehen würden, welche Vorteile sie davon haben.

Leider ist ja gerade für die äußere Verwaltung und Erschließung des Kleinpopogebietes bisher herzlich wenig geschehen. Der häufige Personalwechsel und die fehlenden Mittel tragen die Hauptschuld daran, um so mehr, als leider der Nachfolger zumeist seine erste Aufgabe darin erblickt, daß er seinen Vorgänger korrigiert, um nicht zu sagen, diskreditiert, die von ihm eingeleiteten Maßnahmen aufhebt und durch neue ersetzt, die seiner Ansicht nach besser sind. Nichts muß natürlich den Eingeborenen verwirrter machen, und nichts hemmt eine gleichmäßige Entwicklung mehr, als wenn alle Monate der Weiße, der als Autorität angesehen werden soll, etwas anderes predigt. Besser als Niederreißen bleibt immer das Weiterbauen.

Ich fühle, daß sich bei mir im Laufe der Zeit ein gewisser Lokalpatriotismus für Kleinpopo herausbildet, und mein sehnlichster Wunsch, der mir leider nie in Erfüllung gehen wird, wäre der, gerade diesen Bezirk einmal ein bis zwei Jahre verwalten zu können. Der Ort und der ganze Bezirk sind im Vergleich zu Lome und selbst den Hinterlandsstationen rückständig, sowohl in der Erschließung als in der Ausführung öffentlicher Arbeiten. Ich sehe wohl ein, daß es, wie die Verhältnisse nun einmal liegen, nicht anders möglich ist, als nur den einen Ort der Kolonie, Lome, vorläufig mit Nachdruck zur Entwicklung zu bringen; für andere größere Pläne reichen die Einnahmen des Schutzgebietes, das à tout prix pekuniär auf eigenen Füßen stehen soll, nicht aus. Aber selbst ohne größere geldliche Nachhilfe ließe sich viel mehr aus dem Bezirke machen, als bisher geschehen ist. Das beste Zeichen für seine günstigen natürlichen Entwicklungsbedingungen ist, daß er trotz der notgedrungen stiefmütterlichen Behandlung doch mehr Exportprodukte liefert als das andere Togo zusammengenommen.


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