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Weihnachten in Afrika

25. Dezember

Weihnachten, das Fest, an dem sich die Sinne unwillkürlich flüchten und nicht eher ruhen, bis sie wieder in der Heimat beim Lichterbaume sind ... Gestern hatten wir unseren Baum geschmückt, in Ermangelung einer Tanne eine Kasuarine des Gartens. So wenig weihnachtlich das Äußere mich anmutete, oder vielleicht gerade deshalb, um so stürmischer flogen die Gedanken von dannen über das weite Meer. Sie träumten sich zurück in die Zeit, wo wir als Kinder in stattlicher Schar in der elterlichen Pfarre unterm Weihnachtschoral uns unseren bescheidenen, aber heiß ersehnten Geschenken nahen durften; weiter zu den Jahren, wo wir dem Elternhause entfernt doch gerade die Weihnachtstage als gemeinsame Freudentage wieder verlebten;, weiter zu dem Weihnachtsfeste des vergangenen Jahres, an dem ich zum erstenmal den Baum im eigenen Heim anzündete, den Schnee noch im Haar von einem abendlichen Gange in der winterlichen Praxis ...

Tausend Erinnerungen tauchten auf. Daheim war es für uns ein Fest der Freude, hier ein Fest der Sehnsucht. Wie malte ich mir aus, daß um dieselbe Stunde unser Kindchen daheim beim ungewohnten Anblicke die kleinen Augen erst weit aufreißen und dann in lauter Freude jauchzen würde. Ich hörte sie fast. Weihnachten in Afrika – fremd und doch traut in der Erinnerung. Es fehlt der Winter, es fehlt der Tannenbaum, es fehlen die alten Gesichter, es fehlt die weihnachtliche Stimmung. Aber ein Freudentag war es doch, wenn auch die Schatten des vorhergegangenen Trauerfalles ihn umschleierten.

Die Kranken des Hospitals sowie Dr. Gr., Lehrer E. und Kaufmann E. hatten sich in unserem Kreise eingefunden. 7 Uhr kamen unsere schwarzen Jungen und Mädchen herein ins Eßzimmer, wo neben dem brennenden Baum auf langer Tafel ihre Geschenke lagen. Schwester F. spielte das alte traute Weihnachtslied, und wir sangen dazu: Stille Nacht, heilige Nacht! Der Christbaum brannte schön, und ebenso hell leuchteten die schwarzen Gesichter beim Anblick der Schätze, die ihnen gehören sollten, und die teils noch verpackt ihrer Neugier entzogen waren. Bald griffen sie ein jeder zu seinem Teile und entfernten sich, um zu sehen, was die Hülle bergen mochte, und schwatzten in gewohnter Ausführlichkeit über ihre Geschenke.

Wir Europäer zogen uns auf die Veranda zurück, plauderten noch lange und sangen noch manches heimatliche Lied bis tief in die Nacht hinein. Doch am Schlusse, als alle sich verlaufen hatten, pilgerte ich allein zum Strande, wo die Brandung ihr rauschendes Lied sang. Ich blickte hinaus auf die weißen, sich überstürzenden Kämme der Brecher, ich lag im Sande und träumte....


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