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Die alten Namen von Provinzen, oft von großen Ländern abstammend, welche diese im Lauf der Zeit und der Ereignisse auf einzelne Distrikte vererbten, haben immer etwas Liebes, Anziehendes, Teures, sowohl für das Volk als für den einzelnen Denker. Sie sind sozusagen in die Herzen gewachsen, weil die Geschichte einer Nation oder des Erdstrichs, den sie bewohnt, auch mit ihrem Herzen verwächst. Die Französische Revolution mochte immerhin die alten Namen der Provinzen, welche Frankreich bildeten, aus der Reihe des Bestehenden wegstreichen und statt ihrer Departements einsetzen, die den Namen von Flüssen oder Gebirgen empfingen, eine Einteilung, welche die verbesserte Administration erfand und die sich im Lauf eines halben Jahrhunderts als nützlich bewährte; dennoch hängt der Franzose, gleichviel, welcher politischen Partei er zugetan ist, noch an den süßen Namen von Provence, Languedoc, Normandie, Vendée; und er spricht sie gern aus, indem ein lachendes Bild gesegneter Fluren, prächtiger Städte und eines ganzen Länderkomplexes sich dabei vor seinem geistigen Auge ausbreitet. Es geht uns Deutschen nicht anders. Unser Thüringen, Schwaben, unsere Pfalz, unser Franken – sie sind, bis auf eine neuerdings erfolgte Restauration der alten Kreise in Bayern, nur noch historische Erinnerungen, ohne gegenwärtige politische Existenz, ja selbst ohne eine definitiv zu bestimmende geographische Abgrenzung der genannten Kreise untereinander. Aber wer wollte sagen, daß, obgleich sie nach 1805 von den Karten verschwunden sind, sie auch nicht mehr in unseren Gemütern, in unseren Sitten und Gewohnheiten, in der Verschiedenheit unserer Dialekte, in unseren Liedern existierten? Noch blutet auf Universitäten der Thüringer, der Schwabe für die Ehre seines Landes, obgleich es kein Thüringen und kein Schwaben mehr gibt; noch schlägt das Herz des Nürnbergers, des Würzburgers, des Bambergers, der sich in der Ferne befindet, feuriger, wenn er die breite, tieftönende, kräftige Mundart vernimmt, die seine Landsleute und er selbst reden, wenn der Name Franken vor seinem Ohr genannt wird, ein Name, der bis auf die neueste Zeit, in welcher er wieder in das praktische Leben zurückgeführt wurde, nur auf ideelle Weise sein Vaterland bezeichnete.
Franken – es ist der freundliche Name eines freundlichen Landes, in das wir den Leser dieser Blätter jetzt einführen wollen. Weit, fruchtbar und lieblich breitet es sich im Herzen von Deutschland aus, bedeckt mit den gesegnetsten Fluren, welche alles hervorbringen, was das Vaterland zu seinen edelsten industriellen und klimatischen Erzeugnissen zählt; geschmückt mit großen und berühmten Städten, durchströmt von Schiffe tragenden Flüssen, deren Ufer mit dem weichen Laub der Weinrebe bedeckt sind, durchzogen von Gebirgen, in deren Tälern die romantische Sage und der Gewerbefleiß friedlicher Menschen wohnen, und überwölbt von einem Himmel, unter welchem der Leistenwein an seinem Felsenabhang reift.
Außerhalb des Zwecks des gegenwärtigen Werkes liegt es, eine statistische, ökonomische, geographische, geologische oder überhaupt auf streng wissenschaftliche Basis gegründete Beschreibung zu geben. Nicht für Schulen oder für das Nachschlagen gelehrter Forschungen ist es bestimmt, sondern es soll ein heiterer Leitfaden dessen sein, der mit empfänglichem Herzen für das Schöne und für den Anklang der Poesie eine Übersicht über unser Vaterland sich zu eigen machen will. In den Wald will es ihn führen – nicht um zu berechnen, wie viele Bäume der Staat darin fällen kann, sondern um sich an deren Schatten zu erfreuen und dem Gemurmel des Waldbachs zu lauschen, welcher hier unter Blumen und Moos fließt, dort über Klippen dahinspringt. – Wenn es ihm Städte zeigt, mag er ihre Einwohnerzahl und ihre Gewerbe im nächsten geographischen Handbuch nachschlagen – unser Werk aber will ihn aufmerksam machen, wie schön der Fluß sich unter den Mauern der Stadt hinschlängelt, wie prächtig ihre gotischen Türme im Morgenlicht ragen und wie der Genius einer düsteren oder helleren Geschichte über ihren Zinnen schwebt.
Der natürliche Weg, dergleichen – vielleicht auch hier und da ernstere Eindrücke – zu empfangen, bleibt immer eine Reise, und es gefalle dem günstigen Leser daher, den Verfasser dieses Werkes auf verschiedenen Streifwegen durch Franken mit Nachsicht und Güte zu begleiten. Vorher dürfte es jedoch nicht überflüssig sein, einen kurzen Rückblick auf die Geschichte des heutigen Franken zu werfen, denn es ist fast die notwendige Bedingung einer neuen Bekanntschaft, gefragt zu haben: Wer bist du? Wer sind deine Eltern und deine Ahnen und deine früheren Verbindungen? Sind es Kriegs- oder Friedenssagen, die du an meinen Herd mitbringst, kommst du arm oder reich, vornehm oder gering, gekrönt mit Ruhm oder befleckt mit Schmach? Franken darf alle diese Fragen nicht scheuen. Es ist eine königliche Jungfrau, deren Stirn einst mit Kronen und Diademen geschmückt war und deren Gürtel noch heutzutage von Edelsteinen eingefaßt ist. Bescheidenen, aber festen Schrittes tritt sie auf die Bühne der Weltgeschichte, die Geliebte mächtiger Herrscher, ihre Eifersucht, ihr Zankapfel. Szepter, Kronen und Krummstäbe wurden zur Aufbewahrung in ihre goldene Truhe niedergelegt, und der Preis ihrer Schäferstunden waren Kaiserreiche.
Der Name Franken ist noch älter als die christliche Zeitrechnung und verliert sich, nach dieser, in die traditionelle Vorzeit des Mittelalters, wo er, bald mehr, bald minder glänzend, bald engere, bald weitere Räume umfassend, aus jenem Chaos werdender Zustände auftaucht, das die ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt charakterisiert. Denn niemals sah eine Periode der Geschichte ähnliche Erscheinungen. Die Völkerwanderungen, das Eindringen unbekannter barbarischer Nationen in die schönen Gefilde von Italien, die tödlichen Streiche, welche die römische Herrschaft in Gallien, Germanien und selbst an der Wurzel ihres weltbeschattenden Baumes empfing; das Absterben dieses Baumes mit seinen unendlichen Zweigen, Blättern, Blüten und Früchten – diesen Früchten so großer und so heroischer Jahrhunderte – gegenüber dem Regen eines neuen Völkerelements, das allmählich nach jedem Versuch seiner rohen Naturkraft, sein Dasein selbständiger zu fühlen begann; das Entwickeln aus dem Keim auf der einen Seite, während auf der anderen ein geöffnetes Grab den Schrecken, die Furcht, die Liebe der Welt, Kultur, Künste und Schönheit, die geadelte, wie die entnervte Menschheit, genug: Rom in sich aufnahm – alles dies bietet dem Blick des Geschichtsfreundes die großartigsten und ergreifendsten Kontraste.
Römische Schriftsteller bezeichneten mit dem Namen Franken zuerst einen Haufen germanischer Nationen, der zwischen der Ostsee und dem Rhein seine wechselnden Sitze hatte und seine Freiheit am wirksamsten gegen römische Unterdrückung verteidigte. Ob der Name von Franci (Freie) oder von einem der frühesten Heerführer dieser Völker, der Francus geheißen haben soll, abzuleiten sei, werde hier nicht weiter erörtert, ebenso, wie wir nur flüchtig die märchenhafte Sage berühren, nach der die Franken ihren Ursprung von den Trojanern abzuleiten nicht ungeneigt sind, die nach der Zerstörung ihrer Stadt nach Europa übergeschifft und von der Mündung der Donau ihren Weg gegen Niedergang der Sonne fortgesetzt und sich endlich zwischen dem Rhein und der Elbe niedergelassen hätten – eine etwas kühne Annahme, wie man zugeben wird. Dem sei indessen, wie ihm wolle, so erblicken wir fünf bis sechs Jahrhunderte hindurch die Völkerschaften der Franken im Kampf mit den Römern in Gallien, die sie daraus vertrieben, mit den Ostgoten, Thüringern, Alemannen, Sachsen, Schwaben; wir sehen sie unter Chlodwig das Christentum annehmen und zu einer großen Monarchie vereinigt. Bis zu diesem Zeitpunkt mußten wir den Namen Franken in seiner Allgemeinheit gelten lassen, unbekümmert um die einzelnen Landstriche, die er mit seinen Nationen bedeckte. Jetzt dürfen wir unseren Blick zuerst auf diejenigen Gegenden richten, denen wir hier vorzugsweise unsere Teilnahme widmen: auf unser heutiges Franken. Eine unter Genebald, dem Bruder Chlodwigs, über den Mainstrom geführte Kolonie, welche sich an dessen Ufern niederließ und ausbreitete, gab Veranlassung zu einer Teilung des Begriffs: Franken, bei dem man nunmehr das westliche von dem östlichen unterschied. Zu ersterem gehörte das ganze weite, jenseits des Rheins gelegene Gebiet, das heutige Frankreich; das andere bildete Frankenland, unser Frankonia, und die Stelle, wo die Überführung der gedachten Kolonie stattfand, erwählte sich der Genius der Geschichte ebenfalls zur Stiftung eines leuchtenden Namens – Frankfurt ist das Denkmal davon.
Wir dürfen nach diesen Andeutungen Westfranken aus den Augen verlieren und uns allein mit dem östlichen, als dem Vorwurf unserer Darstellung, beschäftigen. Während jenes fortfuhr, seine Könige aus merowingischem Stamm – seine Chlodwige, Chlotare, Dagoberte – zu haben, wurde Ostfranken von einer langen Reihenfolge von Herzögen regiert, bis es nach dem Tod des Hetanus im Jahr 740 Childerich III., der letzte merowingische König, verräterischerweise wieder unter seinen Szepter brachte. Beging dieser in anderer Beziehung unglückliche Monarch hierdurch ein Unrecht, so fand Franken, das indessen zu einer ansehnlichen Stufe innerer Kultur heraufgeblüht war und bereits Klöster, Städte und Bistümer besaß, bald Gelegenheit, Rache dafür zu nehmen. Pippin, Childerichs mächtiger Majordomus, strebte nach der Krone seines jungen, schwachen, entnervten Gebieters. Weil er sie ihm jedoch ohne Vorwissen und Billigung des Papstes nicht zu entreißen wagte, so ließ er demselben durch den Würzburger Bischof Burchardt seine Anschläge vortragen. Der Bischof stellte dem Papst die ganze Sache unter der verdeckten Frage vor, ob ein untätiger Schwelger oder ein tapferer und kluger Mann zu herrschen verdiene und das größte Recht habe, eine Krone zu tragen. Zacharias, der Heilige Vater, gab der Tapferkeit den Vorzug, und Pippin stieß seinen König und Herrn vom Thron, den er selbst bestieg; den Bischof Burchardt aber belieh er, zum Lohn für seinen Eifer und seine Klugheit, für sich und seine Nachfolger im Stift Würzburg mit dem Herzogtum Franken. Der Titel dieser Schenkung ging im Strom der Zeiten öfter unter und tauchte wieder auf, dennoch wurde er, wenngleich vielfach angefochten und bestritten, bis in die neueren Zeiten von den Würzburger Metropoliten geführt. Unter Pippins Sohn, Karl dem Großen, war unser Franken ein kleiner Teil des unermeßlichen Reiches, welches dieser Fürst nach und nach unter seinem Szepter vereinte. Aber Karl, der die schönen Fluren von Aquitanien erobert hatte und Herr von Italien war, der von der Weichsel bis zum Ebro und von der Nordsee bis Kalabrien herrschte, liebte vorzugsweise die Ufer des Rheins, des Mains und der Saale und verweilte gern innerhalb ihrer heiteren Grenzen. Seine prächtige Pfalz an der Saale, wovon wir noch heute mit Bewunderung die weitläufigen Trümmer erblicken, ist hiervon der Beweis. Franken dürfte auf diese Vorliebe des großen Kaisers um so mehr Wert zu legen berechtigt sein, als derselbe nicht allein der mächtigste Fürst und der tapferste Held, sondern auch der feinste Denker und der gebildetste Mann seiner Zeit war. – Lieder- und Harfenspiel ertönte oft von der Saalburg über das Tal, wenn der Kaiser innerhalb ihrer Mauern verweilte. Er erfreute sich hier an dem Umgang denkender und gelehrter Männer, die er aus den entferntesten Teilen seiner Reiche um sich versammelte und unter deren Beistand er Gesetzbücher und weise Einrichtungen für die Regierung seiner Völker entwarf. Der erste in der langen Reihe okzidentalischer römischer Kaiser, derjenige, welcher Deutschland zu dem angesehensten und gefürchtetsten Reich des Abendlandes erhob, so daß seine Nachkommen ein Jahrtausend hindurch als das weltliche Oberhaupt der Christenheit betrachtet wurden, stand in mannigfacher Beziehung zu unserem Franken und hinterließ ihm Spuren seiner Freundschaft, seiner Liebe, seines königlichen Daseins in neugegründeten oder aufblühenden Städten, gestifteten Abteien und Bistümern, verliehenen Privilegien, eingeführten Ordnungen und Gesetzen.
Der Klang dieses großen Namens übertönt Jahrhunderte und eine Reihe minder wichtiger von deutschen Herrschern, die größeren oder geringeren Einfluß auf die Provinz ausübten, welcher wir unser Augenmerk schenkten. Ritter- und Mönchtum, diese prachtvollen Blüten ihrer Zeit, fanden in Franken denjenigen Boden in Deutschland, der für ihre Entfaltung der allergünstigste war. Als der erste Ruf des normannischen Eremiten durch die Christenheit ertönte und in allen Gemütern ein wahrhaft heiliges Feuer erweckte – denn das Feuer der Begeisterung ist immer ein heiliges –, grüßte sich Burg an Burg auf fränkischen Rebenbergen, und Klöster reihten sich an Klöster in unseren gesegneten Tälern. Mancher junge Knappe, mancher Ritter und Burggraf schwang sich auf das Streitroß, nachdem er das Kreuz auf seinem Mantel befestigt hatte, und verließ Heimat, Schloß und Geliebte, um sich dem Zug nach dem Heiligen Land anzuschließen, von dem er niemals oder selten zurückkehrte. Unter ihnen ist ein junger Graf von Henneberg zu nennen, Wilhelm, Sohn des Grafen Heinrich II., der auf dem Zug nach Palästina auf der Insel Zypern sein Ende fand. Berühmte Geschlechter tauchten auf und verschwanden wieder, wie z. B. die der Grafen von Babenberg (Bamberg), Coburg, Rothenburg und andere. Die bischöflichen Sitze von Würzburg, Bamberg, Eichstätt nahmen an Macht und Bedeutung zu, geschützt und gepflegt von Kaiser und Reich und von Männern aus reichsritterschaftlichen Geschlechtern besetzt, die es größtenteils verstanden, den Glanz der Kirche mit der Erweiterung ihrer weltlichen Macht zu verbinden. Mehrere von ihnen waren Blutsfreunde der Kaiser und begleiteten diese auf verschiedenen Zügen; wie denn Konrad II. bei seiner Belagerung Mailands, Heinrich III. auf seinem Zug nach Ungarn, jeder einen Bischof von Würzburg im Gefolge hatte und Emmerich von Leiningen, der 28. Bischof jener Stadt, von Konrad III. sogar als Gesandter nach Konstantinopel zu Kaiser Emanuel geschickt wurde.
Aber noch ein drittes Element des deutschen Staatslebens entwickelte sich im Schoß von Franken zu einer Vollendung, die gleiche Erscheinungen in anderen Provinzen des Vaterlands lange Zeit hinter sich zurückließ, nämlich die Blüte der Städte. Welche Reichsstadt im ganzen römischen Reich konnte sich an Ansehen, Macht, Handel, Gewerbefleiß, Übung und Pflege der Künste und Glanz ihrer Geschlechter mit Nürnberg messen? Bürgersinn, Bürgertugenden und Bürgerstolz gingen von dieser Stadt, der edelsten Tochter Frankonias, aus, belebten auch andere Städte und bildeten den ebenso notwendigen als wohltätigen Damm gegen die Flut hierarchischer Anmaßungen und gegen den Übermut eines mächtigen Adels. Gegenwirkungen entstanden auf diese Art, welche Kräfte weckten und stählten, Erfindungen begünstigten, neuen Ideen die Bahn brachen und überhaupt die heilsame Bewegung der Massen vermittelten. Sie zeigten sich in Fehden, kleineren und größeren Kriegen, zwischen den Rittern und Städten Wir erinnern an die Fehde Eppelins von Gailingen mit der Reichsstadt Nürnberg, welche Stoff zu einer Menge von Romanen gegeben hat. oder untereinander und in ähnlichen Erscheinungen, worunter freilich auch solche nicht fehlten, die bei aller ihrer Unausbleiblichkeit und ihrem inneren Zusammenhang mit den sich fortbildenen Zuständen den Menschenfreund betrüben müssen. Empörungen mit ihren Reaktionen, grausame Bestrafungen, Verfolgungen der Juden, wie solche im 13. und 14. Jahrhundert mehrfach in Franken vorgekommen sind, und endlich der bedauernswerte Bauernkrieg in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gehören zu den letzteren. Es sind solches Auswüchse der Zivilisation, welche wie die Flecken an der Rinde eines sonst gesunden und schönen Baumes zu betrachten sind, eines Baumes, der freilich ohne diese Flecken noch tadelfreier dastehen würde, dessen adeliger Wuchs jedoch durch sie nicht entstellt, dessen Blättertreiben und Früchtetragen nicht verhindert wird.
Die Erwähnung des Bauernkrieges führt auf eine Begebenheit, welche Franken zu heftig und zu gewaltsam erschütterte, deren Ursachen zu tief lagen und deren Folgen zu lange und zu schmerzlich gefühlt wurden, als daß wir hier nicht einige Augenblicke dabei verweilen sollten. Es ist bekannt, wie das Wort von geistiger Freiheit, das Luther predigte, dem in Knechtschaft und Sklaverei versunkenen Bauernstand in Deutschland wie ein Ruf der Befreiung von unerträglichem Joch ertönte und von ihm aufgenommen wurde. Von Ohr zu Ohr, von Mund zu Mund, durch alle Länder mit der Schnelligkeit eines elektrischen Schlages, flog die Lehre des kühnen Augustinermönchs, der es wagte, sich der Allmacht des Papstes entgegenzustemmen und an Ketten zu rütteln, die von ewigem Eisen geschmiedet zu sein schienen. Daß Luther nur geistige Fesseln gemeint haben wollte, verstand die Mehrzahl des Volkes nicht, welches das Beispiel von Fürsten gegeben sah, die mit dem Glaubenszwang gewisse andere unbequeme Rücksichten abschüttelten und, indem sie aufhörten, Rom anzuerkennen, ihre Schatzkammern bereicherten. Kein Beispiel ist hinreißender als das der Empörung. Keiner empört sich lieber als der Sklave, und kein Stand war in Deutschland belasteter von lehensherrlichem Joch und in eigentlichem Sinn des Wortes mehr der Sklaverei verfallen, als der nützlichste von allen: der des Bauern. So kam es, daß Deutschland, bedeckt mit Schlössern, Heiligenbildern und Abteien, mitten in seinen schönsten Tälern erkrankte und die Flamme eines grausamen Krieges aus ihnen emporsteigen sah. Am Rhein, in Elsaß und in Schwaben ergriff der Landmann zuerst seine friedliche Waffe: die Pflugschar und die Axt; und er erhob sie gegen seine nächsten Unterdrücker: den Junker und den Mönch. Kein Widerstand, keine Gegenwehr war seiner Wut kräftig genug; Ritter mit ihren Reisigen wurden zurückgeworfen und erschlagen, geordnete Heerhaufen in blutigen Treffen besiegt, Städte eingenommen, deren Bürgerschaften nicht ungern die Partei der Empörer ergriff – wie das sogar von Grafen und Rittern geschah –, und überall die Residenzen des Adels nebst den schönen Friedenssitzen der Mönche den Flammen der Zerstörung geopfert wurden. Von der südwestlichen Grenze her näherte sich dieses Ungewitter Franken, seine Blitze leuchteten, seine Donner rollten und die Herzen des Volkes schlugen ihm, sehnsüchtig nach Freiheit, entgegen. Es bedurfte kaum der Aufruhrprediger, der Emissäre, welche Georg Metzner, Florian Geyer, Götz von Berlichingen und andere Hauptleute des Bauernbunds in Schwaben vor ihrem Überschreiten der fränkischen Grenzen in das Land vorausschickten, um auch hier den glimmenden Funken zur Flamme anzufachen. Sie loderte nur zu leicht empor, und in allen Gauen auf einmal, in allen Tälern zugleich, von Turm zu Turm unserer dichtgesäten Dörfer pflanzte sich der Ruf der Sturmglocke fort, das Signal des Aufstands für den kräftigen und zürnenden Bauern, das Signal des Schreckens und des Todes für den Grundherrn. Dieser wußte in den Händen des Bauern ein fürchterliches Schuldbuch der Tyrannei, das jetzt bezahlt werden sollte.
Und es wurde bezahlt und kein Pfennig an den Zinsen geschenkt. Alle Klöster und Abteien, die ihre größtenteils herrlichen Zinnen im Mainstrom spiegelten, wurden geplündert oder zerstört, meist beides; fast alle Schlösser gebrochen, man kann sagen: kaum ein einziges von den vielen entging seinem Schicksal; Blut floß, Grausamkeiten und Greuel wurden geübt, und der Unschuldige mußte den Fluch des Schuldigen mittragen. Beinahe sämtliche Länder Deutschlands empfanden zu der nämlichen Zeit die Bedrängnis der Bauernunruhen, aber wie das Leben im Herzen am wärmsten ist und bei einer fieberhaften Wallung die Pulse gewaltsamer schlagen als die übrigen Adern, so war auch im Herzen des Vaterlands, in Franken, die weltgeschichtliche Bewegung des Bauernkriegs am heftigsten. Sie erreichte indessen auch hier ihr Ende. Die ernstlichsten Rüstungen der Fürsten, des Reichs, des Schwäbischen Bundes, das Zusammenziehen von Heerhaufen jeder Art, besonders von schwerer Reiterei, welcher der Bauer am wenigsten zu widerstehen vermochte, und von Geschützen, deren schreckliche Wirkungen für sich zu nutzen seine Unkenntnis ihm nur schlecht gestattete, und verschiedene ähnliche Ursachen führten endlich seine Niederlage herbei, und es war in den Ebenen von Königshofen, wo eine der blutigsten Schlachten des 16. Jahrhunderts sein Schicksal entschied. 16 000 Erschlagene bedeckten dort den Boden, von den Siegern wie von den Besiegten. Die letzte Stunde des Bauernaufruhrs hatte geschlagen, und die Rache der Sieger überstieg die Größe der erlittenen Beleidigung. Zürnend und unversöhnlich kehrte der geflüchtete Bischof von Würzburg in seine Hauptstadt zurück, welche den Bauern zuviel Vorschub geleistet hatte, und waren die Mauern eroberter Schlösser mit Blut gefärbt worden, hatten es die Schlachtfelder getrunken, so wurde es jetzt in Strömen auf den Richtstätten vergossen. Begleitet von zahlreichen Reisigen, Rittern und einem Gefolge von Henkern durchzog Bischof Konrad, nachdem die Hauptstadt gezüchtigt worden war, sein schönes, schuldiges, bebendes Land, und wo er hinkam auf einer dreißigtägigen Reise, wurde die Richterbühne erhöht und wurden abgeschlagene Köpfe zu seinen Füßen gerollt. Das Beispiel des ersten geistlichen Fürsten ahmten die übrigen Herren des Landes nach, und die Geschichte zeigt mit Trauer auf ein langes Register barbarischer Exekutionen und auf jenen Charakter von Roheit und Unmenschlichkeit, welcher die Ausübung der Rechtspflege in Deutschland leider so lange behauptete.
So endete der Bauernkrieg; das Ende der Friedensstörungen in dem nämlichen Jahrhundert war aber deshalb noch nicht gekommen. Der sogenannte Schmalkaldische Krieg, der Namen und Mittelpunkt einer Bergstadt des benachbarten Thüringen verdankte, die Folge des ersten Auflehnens lutherischer Fürsten gegen Kaiser und Reich, zuckte auch durch Franken hin. Die Parteinahme Markgraf Albrechts von Brandenburg für Kurfürst Moritz von Sachsen gegen den Kaiser hatte die traurigsten Folgen für unsere Provinz. Albrecht, ein tatendurstiger Krieger, ohne Adel der Gesinnung, glaubte nun ein Recht zu jeder Gewalttat, Grausamkeit und Beraubung auf denjenigen Gebieten erlangt zu haben, die ihren alten Pflichten und Verbindungen treu geblieben waren. Mit Feuer und Schwert fiel er seinen Nachbarn, den deutschen Herren und Bischöfen, in ihre Besitzungen, brannte nieder, mordete und erpreßte Reichtümer. Auch die Städte wurden von ihm geängstigt, und Nürnberg konnte sich nur durch ein Geldopfer von zweimal 100 000 Gulden von einer harten Belagerung loskaufen. Der Bischof von Würzburg, hart bedrängt, sah sich endlich genötigt, den Herzog von Braunschweig zu seiner Hilfe gegen den Markgrafen herbeizurufen, und es gab abermals Gefechte, Belagerungen, Durchzüge großer Kriegshaufen und die daraus notwendig entstehende Bedrängnis des Landmanns. – Die kaiserliche Acht, welche auf dem Haupt des Abenteurers Albrecht lastete und die ihn seiner schönen fränkischen Länder verlustig erklärte, verschiedene unglückliche Treffen und eine Hauptniederlage bei der Abtei Schwarzach führten endlich sein ruhmloses Verschwinden herbei; Albrecht floh, verlassen und elend, an den Rhein, wo er in einer badischen Bauernhütte starb. Den Unruhen, die er erregt hatte, schlossen sich die Grumbachischen an. Ein Edelmann, Wilhelm von Grumbach, dem Markgrafen, dem er gedient hatte, an Kopf und Herz ähnlich, glaubte sich von seinem Lehnsherrn, dem Würzburger Bischof, in seinen Rechten gekränkt, und seine Verteidigung derselben – oder seine Rache vielmehr – war wild und blutig. Sie erschütterte nicht allein Franken, sondern – es ist nicht zuviel gesagt – das ganze Reich. Die Ermordung des Bischofs war der Anfang eines Trauerspiels, an dem Fürsten, Kaiser und Reichsstände teilzunehmen sich genötigt sahen und das mit der Belagerung von Gotha und der Achtsexekution gegen den unglücklichen Johann Friedrich, Herzog von Gotha, endigte (1566).
Auch der Dreißigjährige Krieg, dessen blutbedeckte Bühne ganz Deutschland war, hat Franken mehr als einmal zum Schauplatz trauriger oder wichtiger und weltgeschichtlicher Ereignisse gemacht, ohne jedoch geradehin alle diejenigen Greuel und Schrecknisse hier zu entwickeln, die anderwärts in seinem Gefolge zu sein pflegten. Lange Zeit waren die Schweden Meister von Franken; Würzburg wurde von ihnen belagert und eingenommen, bei Nürnberg standen sich Wallenstein und der große Gustav Adolf gegenüber, und Herzog Bernhard von Weimar nahm nach des Königs Tod bei Lützen die Bistümer Frankens als ein Vermächtnis seines königlichen Herrn und Freundes in Besitz, worin er auch verblieb bis zur Schlacht von Nördlingen, welche dem Schicksal des Krieges und unserer Provinz eine andere Wendung erteilte. Die Schweden räumten die festen Plätze und Residenzschlösser, die sie bis dahin innegehabt hatten, und die alten Herrscher kehrten zurück. – Im großen Saal des Nürnberger Rathauses wurde der Abschluß des Westfälischen Friedens durch ein Gastmahl gefeiert, an dem fast alle Berühmtheiten der Zeit, Feldherren, Staatsmänner und Fürsten, teilnahmen und dessen Andenken auf verschiedene Weise von Künstlern der Nachwelt übergeben wurde. Es war das festlichste und bedeutungsvollste Gastmahl, das vielleicht jemals in dem Gastmähler liebenden Deutschland gehalten worden ist. Nach dreißigjährigem Religionskampf, der alle Nerven des Vaterlands erschlafft hatte, nach der Vergeudung des Blutes von Hunderttausenden, nach dem Ruin zahlloser Städte und Wohnplätze und der gewaltsamen Verödung ganzer Provinzen, nach einem Krieg, der ein volles Menschenalter gedauert und den Weltteil bis zum fernen Norden in seinen Grundfesten erschüttert hatte, gab es endlich – endlich ein Friedensmahl. Kampfesmüde, mit blutigem Lorbeer bedeckt, sank das erschöpfte Europa auf die roten Samtsessel des Nürnberger Rathauses nieder und erfreute sich an dem geretteten Rest deutscher Pracht, deutscher Opulenz, an deutschem Wein und an der gastfreien Herrlichkeit der ersten deutschen Reichsstadt.
Der Friede, der hierauf folgte, war indessen der längste nicht, denn bereits im Jahr 1675 wurde Franken durch einen Einfall der Franzosen unter Turenne, welche die benachbarte Rheinpfalz verwüsteten, beunruhigt und vielfach gedrückt. Der kaiserliche General Montecucculi vertrieb zwar die unwillkommenen Gäste, aber er hauste nun mit seinen schlecht disziplinierten Soldaten ungleich schlimmer als jene im Land; die bittersten Klagen aus Städten und Dörfern über diese Befreier, welche plünderten, raubten, mordeten und brannten, erhoben sich, und Berichte aus jener Zeit versichern, daß man die Franzosen für Freunde, die Kaiserlichen aber, wegen ihrer schlechten Manneszucht, für die ärgsten Feinde habe ansehen müssen – ein Lob, das freilich nicht fein klingt. Zwölf Jahre später erschien Turenne zum zweiten Mal in Franken und sogar vor den Toren von Würzburg, das er durch einen Trompeter zur Übergabe auffordern ließ; die feste Antwort aber, die er erhielt, vielleicht auch andere Gründe, bewogen den Marschall, keine Feindseligkeiten weiter vorzunehmen, sondern mit seiner Armee den Mainstrom hinunterzuziehen. Mit einer drückenden Teuerung und nach mannigfachen Kriegsunruhen als Rückwirkung des Spanischen Erbfolgekriegs, der auch in Deutschland gefühlt wurde, verabschiedete sich das siebzehnte Jahrhundert von Franken, und es begann das achtzehnte.
Um für den Raum und Zweck dieser Blätter nicht zu weitläufig zu werden, wollen wir nur kurz hier angeben, auf welche Weise die neueste Zeit unser Franken berührte. Das Jahrhundert der Allongeperücken, der Reifröcke, der Philosophie und der Revolutionen schritt mit seinem Puderduft und seinen großen Gedanken ohne besondere Erschütterung durch unsere Täler. Unter dem Geläut der Meßglocke und während des Aufbaus schöner bischöflicher Paläste hörten ihre Bewohner vom Großen Fritz, sahen auch wohl hin und wieder einen seiner bezopften Soldaten und wunderten sich über Amerika, das seine Freiheit erkämpfte. – Währenddessen aber fanden Kunst und Wissenschaft ihre alte Pflege in den Städten, vor allem in Nürnberg, das mit Werken des unermüdetsten Forschens auf dem Gebiet der Naturkunde und des geschicktesten und fleißigsten Grabstichels die Welt erfreute. Das soziale Gebäude in Frankreich brach zusammen, und der Donner dieses Sturzes erschütterte die Welt. Aber in Franken ahnte man so wenig wie im übrigen Europa, welche Gebäude, Palast sowohl als Hütte, diesem Einsturz nachfolgen würden. Noch saßen die fürstlichen Priester sicher und warm auf ihren Herrscherstühlen und unter den Wölbungen ihrer goldenen Residenzen; noch tönte die friedliche Glocke ununterbrochen von hundert Klostertürmen, und der Reichsadler dräute noch trotzig an den Toren Nürnbergs; noch waren die Schlösser des Adels Sitze reichsfreier Souveräne, und die alte Ordnung der Dinge ruhte noch bequem auf dem Boden, in dem sie mit tausendjährigen Wurzeln verwachsen war – wenige Jahre später –, und es gab keine Bistümer mehr in Franken und keine Klöster und keine Reichsstädte und keine reichsfreien Herren und kein deutsches Reich und keine alte Ordnung der Dinge mehr. Ein junger französischer Soldat hatte alledem ein Ende gemacht. – Mit seiner leichten und sicheren Hand stieß er unsere Institutionen um; er berührte unsere alte Kaiserkrone damit und zerbrach sie wie einen leichten Reif. Alle diese Kurfürsten, Fürsten, Grafen und Herren, alle diese Bischöfe und Äbte, die denjenigen würden haben hängen lassen, der ihren fetten Herden ein Schaf entwendet hätte, legten demütig ihre Kurhüte, ihre Krummstäbe, ihre reichen Fürstentümer zu den Füßen des jungen und glücklichen Soldaten nieder. Sie taten es, weil der Atemzug einer neuen Zeit an ihrer verjährten Existenz hinstreifte, weil sie ihr ohnmächtiges Alter gegen die kräftige Jugend des wiedergeborenen Frankreich nicht aufrechtzuerhalten vermochten – mit einem Wort, weil ihre Stunde an der Weltuhr geschlagen hatte. Wäre dies nicht, so müßte der Deutsche die Schicksale seines Vaterlands in den letzten Jahren des vergangenen und in dem ersten Dezennium des jetzigen Jahrhunderts als eine unauslöschliche Schmach beweinen; nur wenige aber tun dies, und am wenigsten gewiß der, der mit unbefangenem Blick dem Gang der Ereignisse gefolgt ist. Er findet in jedem derselben seine innere Notwendigkeit, seinen Segen, seine wohltätigen Folgen heraus – er erkennt immer die höchste Hand, welche die Schicksale der Völker lenkt und dieses über Friedensgefilde, jenes unter dem Donner des Krieges zu seinem Ziel leitet. Verschieden sind die Wege des Individuums wie der Nationen, aber jedes und jede trägt in verschlossenem Brief ihre Bestimmung vorgezeichnet bei sich und muß sie erfüllen. –
Noch während der französischen Herrschaft und auch nach derselben wurde der ehemalige Fränkische Kreis, wie er bis zur Auflösung des Reichs geheißen hatte, größtenteils dem neuen Königreich Bayern zugeteilt und einverleibt. Der Großherzog von Toscana, seiner Länder in Italien beraubt, besaß eine Zeitlang Würzburg als eine Entschädigung derselben; er eilte jedoch, diese wieder in Besitz zu nehmen, als die Zeitumstände es gestatteten, und verließ die Residenz der Schönborne, der Thüngen, der Greifenklau und anderer großer Geschlechter, welche die bischöfliche Würde bekleidet hatten, um seine frühere Hauptstadt Florenz – er verließ die Ufer des Mains, um die des Arno wiederzugewinnen. Bayern machte keine kleine Akquisition an Franken; es erhielt mit ihm seine reichsten und zugleich anmutigsten Provinzen. Die drei Bistümer Würzburg, Bamberg, Eichstätt, die Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth, das edle Nürnberg und noch verschiedene andere Reichsstädte, die Souveränität über früher reichsunmittelbar gewesene Grafschaften und Herrengebiete, der Main mit seiner Schiffahrt, die Berge mit ihren Reben, genug: Franken mit allen seinen Edelsteinen wurde an die Krone geheftet, welche die Hand Napoleons aus dem bayerischen Kurhut schuf.
Die verschiedenen Distrikte des Landes hießen von nun an nach ihren Flußgebieten; es gab kein Franken mehr, aber einen Ober- und Unter-Mainkreis, einen Rezat- und andere Kreise; erst mit dem Anfang dieses Jahres hat Bayern die alten Benennungen in seinem Königreich wieder eingeführt. Es hat eine Ober- und eine Unterpfalz, ein Ober-, Mittel- und Unterfranken von neuem geschaffen. Ob diese Schöpfung ein wahrhaft erfreuliches Ereignis sei, darüber wollen wir nicht rechten. Es gibt Dinge, die uns in der Erinnerung ewig teuer sein können, die aber der Gegenwart entfremdet sind, und statt der Liebe Verfolgung hervorrufen, wenn sie aus ihren Gräbern wieder auftauchen und Bürger einer Zeit sein wollen, die der lebenden Söhne genug hat. Jedes Ding gehört seiner Zeit an und blüht, welkt und stirbt mit ihr. Die Klöster des fünfzehnten Jahrhunderts verdammen zu wollen, würde ebensowenig gesundes Urteil verraten, als ihre Erscheinung im neunzehnten zurückzuwünschen. Wäre der Name Franken eine historische Erinnerung geblieben, was er bereits geworden war, er würde uns nicht weniger lieb gewesen sein, als er es nach seiner Restauration ist. Aber dieser Name, wenn er plötzlich Individuum würde und sich jetzt, neu auferstanden nach kurzem Todesschlaf, prüfend betrachtete, was dürfte das Resultat dieser Betrachtung sein? Er würde manche Frage an seine vertrautesten Täler richten, die diese ihm nicht beantworten könnten. Durch die Blätter seiner Eichenwälder, durch das Laub seiner Rebenberge würde die Klage wehen: Ist dies meine Wohnstätte noch? Ich kenne mich selber nicht mehr. Wo ist meine alte Herrlichkeit, wo sind meine Bischöfe mit ihren prachtvollen Höfen, meine Deutschmeister, meine Markgrafen, meine Ritter, wo sind meine Reichsstädte? Ihnen allen war ich vertraut, es waren meine Eingeborenen, die ich mit meiner Milch genährt habe, das neue Geschlecht hat an anderen Brüsten getrunken. Eine frühere und eine andere Zeit war die meine.
Wollen wir die Grenzen von Franken bestimmen, so müssen wir ebendarum eine etwas ältere Karte zur Hand nehmen, eine solche, die noch Wahrheit gibt, wenn sie die Umrisse des Fränkischen Kreises darbietet. »Es ist«, sagt der alte, ehrliche Merian, fast zwei Jahrhunderte vor uns, »im ganzen Teutschland kein Provintz oder Landsort, denn allein das Land zu Franken, welches Edel und Frey genannt wird. Es ist aber diss das Franckenland, welches gegen Uffgang den Nortgau und Bayern, gegen Niedergang die Untere Pfalz, gegen Mittag das Schwabenland und gegen Mitternacht Thüringen angrenzend hat und ist selbige Provintz eine von des h. Röm. Reichs zehen Craysen. Solches hat einen herrlichen Fluss, den Mayn, der zween Ursprung und Namen, den Weissen und Rothen Mayn genannt, unde dicitur Moenus Pater et Maritus. Dieser Mayn fleusst durch sehr viel Krümme unter Bamberg auf Hassfurt, Schweinfurt, Kitzingen, Würtzburg, Werthheim, Frankfurt am Mayn, bis er nechst oberhalb Maynz in Rhein fellet. Nach dem Hauptfluss Mayn ist die Saal, qui fluvius dicitur Mater et Uxor; Nam Moenus et Sala, in monte Pinifero conjunguntur: Pater dicitur, quia rubrum et album Moenum generat: quemadmodum Sala octo liberos habet fluvios minores, mox sequentes.«
Er läßt hierauf diese acht geringeren Flüsse, die Kinder der Saale, ihrem Rang nach folgen und nächst ihnen noch eine Menge anderer Bäche oder kleinerer Flüsse, die in benachbarten Ländern entspringen, aber mit ihren hellen, klaren, neugierigen Gebirgswässern nach Franken hinabeilen, um sich dort in den Schoß irgendeines größeren zu ergießen. Wir werden mehrere dieser Flüsse auf unserer Wanderung durch das Land kennenlernen. Der Leser sieht aus obigen Worten Merians, daß es ein ziemlich bedeutender Länderkomplex ist, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, eine Ausdehnung vom Thüringer Waldgebirge bis fast an die Donau, vom Fichtel- bis zum Rhöngebirge und dem Tauberfluß. Die nördlichsten Gebietsteile unserer Provinz, wie die ehemalige Grafschaft Henneberg, das Herzogtum Sachsen-Meiningen und einige zu Kurhessen gehörige kleinere Parzellen, dürfen wir darum unberührt lassen, weil sie bereits in der Abteilung Thüringen dieses Werkes Berücksichtigung gefunden haben, obwohl mit einigem Unrecht, da sie geographisch und historisch Teile von Franken sind. Indessen wollen wir diese unblutige Usurpation keineswegs übelnehmen, sondern uns recht gern begnügen mit dem, was man uns übriggelassen hat; unserer Meinung nach ist dessen noch ganz leidlich viel.
Es ist dem Verfasser dieses Buches der Auftrag nicht geworden, sich aller Subjektivität zu entschlagen, und er glaubt daher dem Leser zuerst die freundliche Gegend und Stadt vorführen zu dürffen, welche zufällig sein Wohnort ist. Aber auch ohne diesen Umstand würde er vermutlich mit