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einem ansehnlichen Marktflecken mit guten Wirtshäusern, der in der weitesten Öffnung des Tals liegt und Raum hat, seine friedlichen und zierlichen Wohnungen auszubreiten. Von hier aus besuchen wir vier höchst merkwürdige Höhlen: Rosenmüller-, Oswald-, Wunder- und Witzhöhle, so benannt nach den Namen ihrer Entdecker. In jeder dieser unterirdischen Wölbungen treten uns die wunderbarsten Tropfsteingebilde und Stalaktiten entgegen, wir finden Lager fossiler Knochen und Wasserbecken.
Den ersten Tag beschließen wir mit dem Besuch von Guckhüll, einem der höchsten Punkte der Gegend, und mit dem der Ludwig-Wunder-Höhle, deren Räume durch die Mondmilch ihrer Wände ausgezeichnet sind. Das Nachtlager nehmen wir in Muggendorf und brechen mit dem frühesten Morgen wieder auf; denn es gibt heute weite Wege zu machen. Auf dem hinter dem Kirchturm sich hinaufziehenden Weg erreichen wir das Dorf Engelhardsberg und wenden uns von da zum Adlerstein, einem hohen, durch eine Treppe zugänglich gemachten Felsen mit herrlicher Aussicht ringsumher bis zum Fichtelgebirge und über alle hervorragenden Plätze und Schlösser der Gegend. Vom Adlerstein geht es wieder durch Engelhardsberg zur Riesenburg. Kein von Menschenhänden getürmter Bau, sondern eine natürliche Felsengruppe mit Bogen und Klippentürmen ist die Riesenburg. Ihre Zugänge können verschlossen werden und sind es durch ihren Besitzer, den Grafen von Schönborn; doch ist der Schlüssel unten im Tooswirtshaus zu bekommen. Verbindende Brücken, Brüstungen, Palisaden an gefährlichen Stellen sind innerhalb der Felsen angelegt und verdienen den Dank des Wanderers. Wieder in das Tal hinabgestiegen, gelangen wir zu dem schon in der Ferne gehörten Wasserfall beim Zusammenfluß der Aufseß und der Wiesent, Toos genannt, dem Mittelpunkt dreier hier zusammenlaufender Täler. Wir schlagen das Rabenecker Tal ein. Durch die mannigfachste Abwechslung von Felstürmen, weichen Matten und dem kosenden Fluß kürzt sich der Weg, und bald blickt die altersgraue Burg Rabeneck ernst in das Tal hinab. Sie liegt hoch und malerisch auf starren Klippen, ist noch keine Ruine, sondern ein bewohntes Schloß und gräflich Schönbornsches Eigentum, wie auch das eine halbe Stunde weiter gelegene Rabenstein, das in neuerer Zeit große Verschönerungen erfuhr und wo sich eine bedeutende Sammlung fossiler Knochen befindet. Unweit Rabenstein sind einige merkwürdige Höhlen, die einen Besuch erfordern: die König-Ludwig-Höhle, in deren großartigem Dom der Boden das mehrere Fuß tiefe Lager einer Erde darbietet, welche aus der Verwesung von Tausenden antediluvianischer Tiere entstanden sein soll; ferner die neuentdeckte große Zoolithenhöhle, voller Merkwürdigkeiten für Petrefakten und Geologen, in der sich namentlich die Überreste der ungeheueren urweltlichen Tiere, des Mammuts und des Höhlenbären, vielfältig finden. Von dem letzteren sind bereits über vierzig Schädel aus dieser Höhle zutage gefördert worden. Zwei kleinere, das Schneiderloch und das Zahnloch, befinden sich noch in der Nähe.
Über das Gebirge setzen wir nun den Weg fort durch das Dörfchen Langenlohe nach der kleinen Stadt Waischenfeld, die auch von einem hohen Felsenschloß, jetzt Ruine, überragt wird. Bemerkenswert dabei ist der sogenannte Steinerne Beutel, ein auf einem isolierten Felsen stehender Turm, in dessen Inneres man nur mittels eines Flaschenzuges durch eine Tür an der Zinne gelangen konnte. Nicht weit von Waischenfeld, in dem angrenzenden Zaubachtal, liegt nun die letzte heute noch zu besuchende Höhle, nach dem verstorbenen Gastwirt Förster benannt, die Försterhöhle, deren domartiges, mit schönen Stalaktiten geziertes Gewölbe 60 Fuß Höhe, 80 in der Länge und 30 in der Breite hat. Am Abend kehren wir durch die soeben bezeichneten Täler, an der schäumenden Toos vorüber, nach unserem Standquartier Muggendorf zurück.
Der dritte Tag muß fast ausschließlich dem Besuch der merkwürdigsten Höhlen gewidmet werden, welche in der Umgebung der alten Burgruine Gailenreuth, etwa eine halbe Stunde von Muggendorf, zu finden sind. Es gibt viele beschwerliche Dinge auf Erden, der Zugang zur Kapphöhle gehört zu diesen. Mit Hilfe eines Seils muß man sich gegen 50 Fuß hinablassen, um den halsförmigen Eingang der Höhle zu gewinnen, der sich spiralförmig in fast senkrechter Richtung noch über 100 Fuß in die Tiefe hinabzieht. Ein weites, mit den herrlichsten Stalaktitenfahnen und Kaskaden geziertes Gewölbe tut sich hier dem staunenden Auge auf. Die Tropfsteinfahnen, welche fast den Boden berühren, geben beim Anschlagen einen hellen Klang. Überall hängen hier Fledermäuse von der Gattung Hipposideros an den Felsen. Leider kann diese schöne Höhle wegen ihrer Tiefe nur mit Hilfe eines Flaschenzugs und eines sehr langen und starken Seils und auch da nicht ohne Gefahr befahren werden. Die gar nicht weit entfernte Gailenreuther Zoolithenhöhle ist nach der nun entdeckten bei Rabenstein die in jeder Beziehung merkwürdigste. Sie hat seit Espers, Rosenmüllers und Cuviers Untersuchungen den Muggendorfer Höhlen eine europäische Berühmtheit verschafft. Der Zugang ist weniger gefahrlos als bei der Kapphöhle und doch lohnender. Drei bis vier Etagen wölben sich hier übereinander, und jede dieser Etagen ist in verschiedene Kammern abgeteilt. Und diese Kammern sind angefüllt mit Überresten von Bären, Löwen, Hyänen, Wölfen und Katzen. Einer der vorhin genannten Gelehrten fand bei seinem frühesten Besuch allein gegen 180 Bärenschädel hier beisammenliegen, viele andere wurden unter der Stalagmitendecke gefunden. Acht Nürnberger Metzen großer Zähne wurden zusammengelesen. Welche Menge von Tieren muß hier ihr Grab gefunden haben!
Über Burg Gailenreuth wandern wir zur Esperhöhle, zum Andenken an den verdienten Naturforscher und Geologen Esper so benannt; sie enthält eine oben offene Arena und mehrere tiefe Höhlen. Nahe dabei liegt die Wassergrotte, die aus mehreren Gängen und Grotten mit Stalaktiten und Wasserbassins besteht. In einer Entfernung von eineinhalb Stunden zeigt sich der weit hervorragende Wühsenstein, eine Felsengruppe in der Nähe des Dorfes gleichen Namens mit den Überresten einer alten Burg. Eine weite Aussicht besonders gegen Süden erfreut hier das Auge.
Wir beschließen den Tag mit dem Besuch der Mockahöhle, deren Eingang wieder äußerst beschwerlich ist und nur mit einem guten Führer unternommen werden darf, der mit Lichtern wohl versehen sein muß. Die Höhle ist sehr groß und hat unendliche Verzweigungen, welche die Sage sogar bis zu meilenweiten, unter der Erde fortlaufenden Gängen ausdehnt.
Am vierten Tag treten wir abermals die Wanderung durch das Wiesenttal an, in das die Burg Gailenreuth wie aus einem Versteck herabblickt. Diese alte Burg hat eben nichts Merkwürdiges, als daß sie ein Raubnest war wie so viele andere, und ihre geschwärzten Trümmer verdienen kaum die Teilnahme der Gegenwart; aber eines Tages vor vielen hundert Jahren fand an dem Fuß ihres Waldbergs, nahe bei der Mühle, wo die Brücke über die Wiesent führt, ein Auftritt statt, den zu erzählen wir nicht umhin können.
Eine schöne, adelig gekleidete Frau mit drei Knaben, die sie umsprangen, und einem Mägdlein, das sie an der Hand führte, kam den Burgpfad herab und setzte sich auf die Bank vor der Sachsenmühle. Aber so schön sie war, tiefer Kummer wohnte in ihrem Antlitz, und Tränen rieselten, wie sie so dasaß, über ihre bleichen Wangen. »Springt nur«, sagte sie zu den mutwilligen Knaben, »ihr seid doch arme Waisen. Euer Vater wird nimmer zurückkehren aus der Haft, denn den Tod hat ihm die Reichsstadt geschworen. Ach, vielleicht lebt er schon nicht mehr, denn sie machen gar kurzen Prozeß da drinnen gegen gefangene Ritter.«
Und kaum hatte sie das Wort gesprochen, als aus dem Dickicht ein Mann hervorbrach, atemlos und mit verstörten Zügen. Sein eilender Gang war nach der Mühle gerichtet, an deren kleines Fenster er heftig klopfte. »Brot!« rief er der Müllerin entgegen, welche erschrocken heraussah. »Brot und Wein und Linnen zum Verband. Geschwind, Weib, eilt Euch, es ist kein Augenblick zu verlieren!«
Da schrie die Burgfrau von Gailenreuth laut auf und stürzte auf den Mann zu und umfing ihn mit ihren Armen. »Eppelin! Eppelin!« war das einzige, was sie hervorbringen konnte. Und die Knaben eilten herbei und sprangen laut jubelnd an dem Vater empor, und das zarte Mägdlein schmiegte sich an sein Knie.
Er aber starrte alle an und drängte sie zurück. Das Brot und den Weinschoppen, welche beides die Müllerin aus dem Fenster hielt, riß er an sich und dazu ein weißes, feines Tüchlein, womit die Burgfrau ihre Tränen getrocknet hatte, sowie ihren Schleier, und damit rannte er in das Dickicht zurück.
Aber Frau Hedwig, die den Gatten nur zu wohl erkannt hatte, folgte mit ihren Kindern jählings nach. Und da, wo das Gebüsch sich nach dem Weg öffnete, hart am Rand des Waldes, sahen sie den Ritter zu etwas hineilen, was am Boden lag. Es war ein Roß. Er warf sich neben ihm auf die Knie nieder, netzte seine matt schnaubenden Nüstern mit Wein und steckte ihm Brot, das gleichfalls damit befeuchtet war, zwischen die Zähne. Dann zerriß er Schleier und Tuch, tauchte sie in den nahen Fluß und schlang sie um die blutenden Beine des Pferdes. Staunend sahen dies Frau Hedwig und ihre Kinder mit an. Sie erkannten jetzt wohl das braune Streitroß des Vaters, aber fast war es schwer zu erkennen, Blut und Schaum bedeckten es, und ohnmächtig streckte es seine starken und schönen Glieder. »Eppelin! Eppelin!« rief jetzt Frau Hedwig noch einmal. »Du siehst dein Weib und deine Kinder nicht vor dem Roß und hast uns zurückgestoßen seinetwegen. Verwundet ist es, wie es scheint; nun – es gibt der Rösser mehr, sollte man glauben.«
Da wandte sich Eppelin um und umarmte zärtlich sein Weib. »Nur keines mehr wie dieses«, erwiderte er auf ihren liebenden Vorwurf. »Weib! Kinder! Geht hin, liebkost das Roß in seinen letzten Zügen, denn ihm verdankt ihr, daß ihr mich wiederseht. Über den Burggraben der Nürnberger Feste hat es mich getragen.«
Und sie taten, wie er gebot. Mit zarten Händen streichelten sie das treue Tier und taten ihm wohl und suchten sein fliehendes Leben zu halten, aber der Sprung war zu gewaltig gewesen und hatte seine Sehnen zerrissen. Nur bis hierher noch reichte seine Kraft, den Herrn in flüchtigem Lauf zu tragen, jetzt war sie erschöpft. Noch einmal wieherte das Roß aus tiefer Lunge auf, noch einmal wandte es den Kopf nach seinem Herrn und wieder von ihm ab, dann gab es sich dem Todeskampf hin. Ritter Eppelin von Gailingen ließ später dort einen Stein errichten, wo das Roß starb. –
Nach nicht zu langer Wanderung zeigt sich uns auf schwindelnder Höhe das Schloß Gösweinstein, das, von unten betrachtet, den Anblick gewährt, als könne es von seinen Klippen in das Tal hinabstürzen. Wir erklimmen den Bergrücken und sind überrascht, auch ein hübsches Städtchen auf dieser Höhe zu finden. Es hat eine Wallfahrtskirche, die stark besucht wird, und ein Kapuzinerkloster. Das gut erhaltene Felsenschloß, jetzt der Sitz eines Rentamts, wird vom Städtchen aus auf einer langen, hölzernen, überdeckten Treppe erstiegen, und so überraschend sein Anblick in der Ferne war, so entzückend ist die Aussicht von seinem Felsenaltan. Vier Täler breiten sich tief unten am Fuß des Berges aus. Am Abhang desselben aber sind verschiedene Anlagen, Einsiedeleien und Ruheplätze angebracht.
Eine Stunde von Gösweinstein treffen wir auf das Städtchen Pottenstein, von dessen malerischer Lage wir eine Ansicht geben. Das alte, sehr große Schloß ist noch bewohnbar und lädt zum Genuß einer lieblichen Aussicht ein. Auf dem Rückweg nach Muggendorf besichtigen wir Tüchersfeld, eine wild durcheinandergeworfene Klippengruppe, welche turmartig emporragt und einst zu Pfeilern zweier gegenüberliegender Burgen gedient haben soll. –
Am fünften Tag endlich verlassen wir mit einem Führer das Wiesenttal und steigen nordwestlich über verschiedene Bergrücken, bei welcher Wanderung wir auf der sogenannten Heidenstadt auf ehemalige Hünengräber treffen, nach Wüstenstein und dem Schloß Aufseß. Diese alte Burg, nicht zu verwechseln mit dem eine kurze Strecke davon talaufwärts gelegenen neueren Schloß, gab dem Tal, über das sie gebietend emporragt, dem Fluß, der dasselbe bewässert, und einem freiherrlichen, noch blühenden Geschlecht den Namen. Sie ist vollkommen erhalten und sehenswert sowohl in Hinsicht ihrer äußeren malerischen Lage als auch wegen ihrer inneren Einrichtung; der jetzige Besitzer hat mit Geschmack und Auswahl eine Sammlung von Altertümern darin angelegt.
Schloß Greifenstein und der Marktflecken Heiligenstadt sind die zwei letzten Orte im Gebiet der Fränkischen Schweiz, die unser Wegweiser als bemerkenswert bezeichnet.
Wir entlassen ihn und zugleich uns selbst als Wegweiser des freundlichen und – wie wir hoffen – nachsichtigen Lesers durch das freundliche Franken. Wir haben es versucht, ihm dieses heitere Land auf heitere Weise vor Augen zu führen – möchte er unser aufrichtiges Bestreben danach nicht verkennen, wenn auch die Tat hinter dem Willen zurückgeblieben sein sollte. Der große, überschwengliche Reichtum des Stoffs hat uns, wir bekennen es gern, oft überwältigt. Ein schönes, seelenvolles Antlitz darf ja wohl den Maler befangen, der sich hinsetzt, um seine Linien zu zeichnen – gibt er diese nur so wahr zurück, als seine Seele sie aufzufassen vermochte.