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das reichste und vornehmste Kloster in ganz Franken. Die erste Stiftung desselben wird einem Rittergeschlecht »von Eberau« zugeschrieben, das auf dieser Stelle seinen Stammsitz hatte. Die Eberau auf dem Steigerwald waren Lehensleute der Grafen von Höchstadt und dienten früher den Hohenstaufen. Als dieses Kaiserhauses Ministerialen begleiteten die Brüder Berno und Eberwin von Eberau den Bischof Embriko von Würzburg auf seiner Gesandtschaftsreise nach Konstantinopel, und es heißt von ihnen in Konrads III. Schreiben an Kaiser Manuel: »Missimus nobis utrasque manus nostras, Bernonem scilicet, virum religiosum et sapientem et Richivinum, valde nobilem et nobis carum.« Bereits auf dieser Reise faßten die frommen Brüder den Entschluß, ihr Stammhaus in ein Kloster zu verwandeln und dasselbe mit Mönchen aus Cîteaux zu besetzen; es vergingen jedoch Jahre, bevor der neue, von allen Seiten in Anspruch genommene Orden ihrem Wunsch willfahren konnte. Von Morimond in Flandern, dem vierten Tochterkloster von Cîteaux, wurden endlich zwölf Brüder entsandt, und im Jahre des Herrn 112.7, unter Papst Honorius II., in dem zweiten Regierungsjahr Kaiser Lothars, übergaben Berno und Richwin, unter ihrer Schwester Berthilde Zustimmung, den Fremdlingen das Schloß Eberau, um dasselbe in ein Kloster zu verwandeln und eine Kongregation zu gründen, die Tag und Nacht Gott dem Herrn diene. Berno ließ sich das Haar scheren und als Konversus in die Klostergemeinde aufnehmen, Richwin begleitete Kaiser Konrad III. auf seinem Kreuzzug und starb nach seiner Heimkehr in Ebrach. Auch Berthilde, die Schwester, segnete hier das Zeitliche, und die drei Geschwister ruhen in dem Presbyterium der Kirche unter einem großen Stein. Von ihnen rühmt die Inschrift:
Berno ein Bruder Richwin was,
Mit ihm erster Stifter zu Ebrach saß,
Gut und Hab' er sich um Gott erwäg,
In geistlichen Leben verzehrt er sein Tag.
Richwin ein Ritter, streng zu Ebrach gesessen,
Sich ewigen Lohn zu erobern fleißig vermessen,
Ein schwarzen Greifen er geführet hat,
Dies Kloster als ein Stifter wohl begabt.
Berthildis aus dem Geschlecht deren von Eberau
Ihren Erbteil auch gab zu des Klosters Bau;
Verhofft dadurch zu erlangen das ewige Leben,
Welches ihr Gott der Allmächtige wohl geben.
Der erste Abt von Ebrach hieß Adam, und unter seiner weisen, vielgepriesenen Leitung nahm das Kloster schnell an Ansehen und Gütern zu. Es würde zu weit führen, wollten wir allen seinen Schicksalen während des Mittelalters folgen, nur so viel sei erwähnt, daß im Jahre 1200 unter dem Abt Hermann I. der Bau der prachtvollen Kirche begonnen wurde, welche, wenngleich mit verschiedenen Veränderungen im Inneren, bis auf den heutigen Tag des Klosters Zierde geblieben ist. Der Ruhm des letzteren im In- und Ausland war so groß, daß fremde Geistliche aus entfernten Gegenden herbeiwanderten, um in Ebrach nach der daselbst eingeführten Ordnung Gott zu dienen, ja selbst Äbte anderer bedeutender Klöster legten ihren Krummstab nieder und kamen nach Ebrach, um hier in die Reihe der Brüder aufgenommen zu werden, z. B. Abt Burkhardt von Würzburg, Abt Berthold von Lilienfeld in Österreich und andere. Die Zahl der Religiösen betrug im Jahr 1518 fünfundsiebzig; Prior, Subprior, Kustos und Kantor unterhielten im Konvent den Gottesdienst und die gesetzliche Ordnung, der Kamerarius hatte die wirtschaftlichen Angelegenheiten, der Notarius die Gerechtsame und die Kanzlei unter der Leitung des Abtes zu besorgen. Der Cellarius war zu Anschaffung der Bedürfnisse des Klosters, der Bursarius lediglich zu dem Ende aufgestellt, daß er sich mit der Geldeinnahme, welche durch die Ordenssatzungen dem Abt untersagt war, befasse. Der Magister operis leitete die Arbeiten der Handwerker und Tagelöhner, der Magister hospitum hatte die Gäste und Fremden, der Intermarius die Kranken zu besorgen. – Überall – in allen umliegenden und vielen entfernten Städten – besaß die Abtei prächtige Klosterhöfe, und fast sämtliche Schlösser der Gegend waren ihr Eigentum oder gingen ihr, der reichsunmittelbaren, zu Lehen. Sie, die selbst eine Tochter von Morimond in Flandern war, hatte der Töchter, oder der von ihr gestifteten neuen Klöster nun sehr viele. Wir nennen unter diesen: Langheim, Bildhausen, Theres, Marieburghausen, Himmelspforten bei Würzburg, Rein, Willering, Aldersbach, Birkenfeld, Schönau, Heilsbronn und Citheren im fernen Holland.
Indessen nicht immer schien die Sonne des Glücks wolkenlos über der mächtigen Abtei, und das Gewitter des Bauernkrieges, das über die Maintäler heraufzog, entlud sich auch über ihr. Nicht genug, daß die neue Lehre Luthers im Innern des Klosters Eingang gefunden und dort Zwietracht und Zerwürfnisse verursacht hatte, was den friedliebenden Abt Nicolaus II. bewog, seiner Würde zu entsagen, so hatte gleich darauf sein Nachfolger Johann das Unglück, die bäuerischen Rebellen unter ihrem Anführer Hans Luft in sein friedliches Tal einfallen zu sehen. Er wollte nach Nürnberg entfliehen, wurde aber ergriffen und zurückgeführt. Nun mußte er Zeuge werden von der Wut einer gereizten und erzürnten Horde gegen das Kloster und von der schrecklichen Verwüstung, welche sie darin anrichtete. Er mußte dessen Plünderung sehen, den Raub aller Vorräte des kostbaren Kirchengeräts, die Schändung des Heiligtums. Von Augenzeugen mußte er hören, wie sich diese Ereignisse in den Klostergütern zu Sulzheim, Weizer und Schweinfurt, in Spießheim, Herlheim, Alzheim, Stockheim usw. erneuerten oder bereits ebenfalls zugetragen hatten. Da rief er schmerzvoll aus: »O Ebracum, ubi nunc tuus advocatus, ubi protector tibi a Caesare datus! Eheu, non erat qui me agnosceret!«
Endlich gelang es dennoch dem Abt, seinen Hütern zu entfliehen und nach Nürnberg zu gelangen, von wo er später, als der Aufruhr unterdrückt war, nach der Schlacht von Königshofen wieder zurückkehrte. Mitten in dem Greuel der Verwüstung, von einer Hütte aus, die er sich vor der Pforte des zerstörten Klosters hatte errichten lassen, begann er das große Werk der Wiederherstellung desselben. Langsam rückte er damit vorwärts, denn der angerichtete Schaden betrug mindestens 200 000 Goldgulden. Die Kirche war glücklicherweise kein Raub der Flammen geworden, doch das Blei von ihren Dächern und ihre Glocken waren geschmolzen. Bei den unermeßlichen Hilfsquellen, über die sie gebieten konnte, erholte sich indessen die Abtei im Lauf der Jahre vollkommen. Aber der Dreißigjährige Krieg brachte neue Drangsale. Die Schweden brachen über Königshofen in Franken ein.
Für die Sicherheit seines Klosters hatte der Abt schon vorläufig gesorgt; Archiv und Kirchenschatz wurden nach Würzburg geflüchtet; aber gerade diese Maßregel war es, die durch einen seltsamen Umstand dem Kloster einen fast unersetzlichen Schaden zufügte. Der Amtmann in Würzburg, Michael Scherer, beschrieb, indem er den Empfang des seiner Obhut anvertrauten Schatzes bescheinigte, zugleich die Stelle, an welcher er ihn vergraben hatte; der Brief aber wurde von dem Boten, der ihn besorgen sollte, verloren, von einem Schweden gefunden und seinem Obristen eingehändigt. Dieser, der sich in dem Ebracher Hof zu Würzburg einquartiert hatte, wußte den Sinn des Briefes zu deuten und zu nutzen. Der Schatz wurde von fremden Händen gehoben, und niemals hat man ihn je wiedergesehen. Dabei gingen unter anderem die Statuen der Apostel und Klosterpatrone, aus gediegenem Silber, und eine Menge prächtiger Kelche und Leuchter mit verloren.
Indessen konnte ungeachtet solcher Verluste fünfzig Jahre später Abt Ludwig Ludovici bereits wieder ohne Beschwerde 100 000 Gulden auf Bauten verwenden. Im Jahre 1714 wurde durch seinen Nachfolger der prächtige Abteibau begonnen, der noch steht, der Turm der Kirche neu aufgerichtet und für den Hochaltar ein großes, ganz aus Silber gegossenes Kreuz gefertigt.
Eine neue Verschönerung der Kirche begann 1773, die erst 19 Jahre später beendet wurde und 170 000 Gulden kostete. Es geschah zu dieser Zeit zum großen und auch wohl gerechten Bedauern vieler, daß die Kirche ihres altertümlichen Schmuckes beraubt und dagegen mit Marmor und Vergoldungen überkleidet wurde. Reliefs in diesem Gestein, in Rom von Meisterhänden gearbeitet, traten meistenteils an die Stelle der alten Gemälde. Es läßt sich indessen nicht leugnen, daß die Kirche, wenn sie auf der einen Seite verlor, dadurch an hellem und heiterem Eindruck gewonnen hat.
Wir nannten den Namen des ersten Abtes von Ebrach, so wollen wir auch den des letzten nennen; zwischen beiden liegen sieben Jahrhunderte. Abt Eugen Montag, erwählt im Jahr 1791, erlebte die Einwirkungen der westlichen Revolution auf unser Vaterland und auch auf sein Stift. Aber er war ein Mann von ernstem und verständigem Willen, und während alle Gewalten beinahe die Kunst verlernt hatten, zu befehlen, herrschte Eugen, einem König gleich, gewaltig und gerecht in seinem Gebiet, und Schwindelgeist wie Ungehorsam wurden durch seine bloße Nähe entwaffnet. So gingen die Revolutionskriege beinahe spurlos an den Verhältnissen der Abtei vorüber, aber dennoch hatte ihre Stunde geschlagen. Ein einziger Federzug hob im Jahre 1803 die Stiftung auf und vernichtete so das Werk vieler Jahrhunderte.
Es war am 2. Mai nach der Abendtafel, als den Konventsmitgliedern die Auflösung ihres Instituts und ihre Entlassung aus demselben angekündigt wurde, und schon am 5. Mai mußten sie den Stab ergreifen und auswandern nach allen Weltgegenden. Sie zerstreuten sich, mit kärglichen Pensionen bedacht; selbst die des Abtes war eine Kleinigkeit im Verhältnis zu seinen früheren königlichen Einnahmen, und er starb acht Jahre später auf dem ehemaligen Klosterhof zu Schrappach, wo er freie Wohnung hatte. Daß seine Leiche einst in der Kirche von Ebrach ruhen dürfe, hatte er sich vom König als eine Gnade erbeten, und sie wurde ihm gewährt. – Bei seiner Auflösung hatte das Stift ein Gebiet von vierundfünfzig Dörfern und acht Ämtern, die besten Weinberge Frankens, einen Waldbestand von 25 000 Morgen und eine jährliche Rente von zirka 200 000 Gulden. Eines der schönsten Denkmäler gotischer Baukunst ist seine Kirche, deren Ansicht das hier gegebene Blatt verdeutlicht. Sie ist durchaus von sorgfältig behauenen und zusammengefügten Quadersteinen erbaut und hat eine Länge von 294 Fuß. Sie empfängt ihr Licht durch mehr als fünfzig Fenster, von denen besonders die vier an den Hauptecken sehenswert sind. Das Fenster in dem Portal dürfte bei 40 Fuß Höhe und ebensoviel Breite in der künstlichen Ausführung kaum seinesgleichen in Deutschland finden. Der Altäre sind sechsundzwanzig; an der Evangelienseite des Hochaltars wurden einem alten Brauch gemäß die Herzen der Bischöfe von Würzburg beigesetzt, ein Brauch, von dem erst unter Bischof Julius abgegangen wurde. Die Orgel, in den Jahren 1760-1762 mit einem Kostenaufwand von 15 000 Gulden erbaut, hat 36 Register und wird als ein Meisterwerk gerühmt. Von den Gemälden sind die vorzüglichsten nach München gewandert.
Unser Blatt zeigt rechter Hand von der Kirche einen Teil des Abteigebäudes, welches heutzutage von einem Pfarrer, Forstbeamten und Bauern bewohnt wird und freilich keinen glänzenden Anblick mehr in seinem Inneren bietet. Das Wasserbecken in der unteren Halle mit seinem Springbrunnen, die Stufen der prächtigen doppelarmigen Treppe werden von unsauberen Haustieren umlagert oder eingenommen. Glanz und Hoheit sind ausgewandert aus diesen Räumen und haben dem kleinen, engen Werktagsleben oder dem Treiben der Armut Platz gemacht. Ob diese dadurch gewonnen hat, ist noch problematisch. Übrigens findet man in Ebrach einen guten Gasthof und erstaunlich viel Einkehr, da, wie schon bemerkt, die Landstraße zwischen den beiden Kreishauptstädten Bamberg und Würzburg hindurchführt.
Steigerwald heißt das mit fruchtbaren Tälern abwechselnde Waldgebirge, das südlich vom Main zwischen Aich und Regnitz seine Arme ausstreckt, früher im Untermainkreis, jetzt im nordwestlichen Teil von Mittelfranken, und wovon früher ein im Jahre 1805 erloschener Ritterkanton den Namen führte. Seine Berge erreichen keine bedeutende Höhe, aber sie gewähren schöne Gesichtspunkte für das Auge, entweder von ihrem Gipfel herab in die mit Ortschaften bevölkerten Täler oder von diesen hinauf zu ihnen, wo die Trümmer verfallener Burgen locken. Auch Kloster Ebrach, wo wir soeben verweilten, liegt innerhalb der Höhen des Gebirges, und zwar in einem Teil desselben, der sich über die Grenze des Fürstentums Würzburg hinüber bis fast an den Main erstreckt. Wir beeilen uns, diesen wieder zu erreichen, und suchen den nächsten Weg nach seinem Ufer. Während die Berge in westlicher Richtung auslaufen, nehmen wir die nördliche, überschreiten die Rauhe Ebrach und erblicken nach einigen Stunden, die jedoch auf ziemlich beschwerlichen Pfaden zurückgelegt wurden, den schönen Strom wieder, wie er, im Purpur der Abendsonne vergoldet, zwischen seinen Weinbergen, im breiten Tal Ort an Ort auf seinem Ufer, anmutig und majestätisch zugleich daherwallt. Weiße Segel leuchten in der Ferne; er trägt Schiffe nach Würzburg hinab oder weiter, dem Rhein zu. Ehe wir die Ufer des Flusses erreichen, um uns vermittels der Fähre nach Haßfurt übersetzen zu lassen, das hart am rechten Ufer liegt, haben wir erst noch einen Ort zu passieren, dessen langgestreckte Gebäude und einzelne gotische Rundfenster in den Giebeln an ein Kloster erinnern. Und diese Mahnung ist kein Irrtum. Welches ansehnliche Haus in dieser Gegend wäre nicht ein Kloster gewesen oder wenigstens ein Klosterhof oder eine Klostermeierei oder das Lehen eines Klosters! Die Traube, die dort am Bergabhang reift, kann sie etwas anderes als des Abtes edlen Firnwein bluten? Jene wohlbehagliche Herde auf der Wiese – ist ihr Hirt, der, gedankenvoll auf seinen Stab gestützt, über sie hinlächelt, nicht der kluge Benedikt, wie er soeben den Schlüssel der kaiserlichen Rätsel für seinen geistlichen Herrn sucht?