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verliert sich in sehr frühe Zeiten. Grafen von Banz, deren Namen und Siegel bereits im elften Jahrhundert bekannt waren, mögen die ersten Erbauer eines Schlosses auf diesem Platz gewesen sein, das sie später der Kirche übergaben und in ein Kloster umwandelten; die Bestätigung von Banz als solches durch den Bischof Adalbert von Würzburg geschah im Jahr 1096. Bald erweiterten sich seine Besitzungen durch Schenkungen und andere Akte, und es blühte im Lauf der Jahrhunderte zu einer der reichsten Benediktinerabteien empor. Mehreremal brannte es nieder, wurde aber jedesmal prächtiger wieder aufgebaut, als es vorher gewesen war. Kunst und Wissenschaft fanden die edelste Pflege im Innern des Klosters, das hierdurch sich vor vielen andern auszeichnete. Fast jedes Jahrhundert erzog Männer in den Reihen der Benediktinerväter zu Banz, die als Schriftsteller und Gelehrte sich einen Namen erwarben. Der benachbarte Adel geizte nach dem Vorzug, ihnen seine Söhne zur Erziehung anzuvertrauen, was mittelbar dazu beitrug, die Besitzungen des Klosters zu erweitern, indem die darin erzogenen Jünglinge nicht selten ihm späterhin einen Teil ihrer Güter abtraten. Der Bauernkrieg, mehr aber noch der Dreißigjährige, vernichtete indessen auf grausame Weise und auf lange hinaus den Flor der Abtei. Niedergebrannt, geplündert, jahrelang in den Händen der Schweden, vermochte sie während des ganzen siebzehnten Jahrhunderts sich nicht wieder zu erholen. Das achtzehnte war ihr günstiger; sie erhielt während desselben unter verschiedenen reichen und kunstliebenden Äbten ihre jetzige Gestalt, die schönen Gebäude, Terrassen und Sammlungen, welche berühmt waren wie ihre Bibliothek, ihre Kunst-, Münz- und Naturalienkabinette. Gleich das zweite Jahr des jetzigen Säkulums brachte der Abtei als solcher den Tod; sie wurde unter König Maximilian von Bayern 1802 säkularisiert; und die Mönche, ihren Abt an der Spitze, mußten ihre Hallen verlassen. Die kostbare Büchersammlung und das Naturalienkabinett wurden zur Grundlage zweier großer öffentlicher Anstalten nach Bamberg, das Münzkabinett aber wurde nach München geschafft. Die Gebäude machte man zum Sitz eines Landgerichts, eines Rentamts usw., bis Herzog Wilhelm von Bayern, das Haupt einer Nebenlinie der regierenden königlichen Familie, das ehemalige Kloster mit seiner ganzen Herrschaft, Dörfern, Höfen, Wäldern und Wiesen um den sehr geringen Preis von 309 000 Gulden kaufte. Seitdem verweilte dieser alte, ehrwürdige Fürst jeden Sommer mit seiner Hofhaltung zu Banz. Nach dem Tod desselben wurde es Erbe seines Enkels, des jungen Herzogs Maximilian, der es noch besitzt.
Wir überschreiten den Main beim Dorf auf einer schönen steinernen Brücke und folgen der zwischen Baumgängen emporführenden Kunststraße, welche uns auf den Gipfel des Berges führt, worauf Banz ruht. Durch das äußere, mit einer königlichen Krone geschmückte Tor in den Hof getreten, erblicken wir gegenüber das langgestreckte und hohe Schloß mit seinen Flügeln und Seitengebäuden und Türmen, alle von glatten Quadersteinen gebaut, sich erheben. Auffahrten und Treppen streben von zwei Seiten zu seinem Portal empor. Hier beginnen die Korridore und Galerien, welche den Kundigen durch die unteren Räume des Schlosses und endlich einer Tür entgegenleiten, die, weit geöffnet, schon von fern den noch in der Tiefe in der Galerie Befindlichen mit dem Anhauch einer weichen Luft und mit einem Blick in das Paradies lockt. Es ist die Tür zur großen Terrasse. Einige Stufen führen zu derselben, und indem wir ihren Boden betreten, müssen wir gestehen, daß es ein herrlicher Anblick ist, der sich uns darbietet. In wahrhaft grandiosen Verhältnissen umfängt die Terrasse, von einer prächtigen Balustrade eingefaßt, die ganze östliche Seite des Schlosses und beherrscht eine Gegend, deren Lieblichkeit in der Tat nicht viele ihresgleichen findet. Da liegt das ganze Maintal im Kranz seiner ernsten Gebirge, ausgebreitet wie ein blühender Garten, vor uns. Der Fluß in zahllosen Windungen, als sträube er sich, dieses schöne Tal zu verlassen, leuchtet wie ein silbernes Band aus dem Grün der Wiesen oder der ihn beschattenden Ulmen herauf; seine kleinen Städte mit ihren spitzen Türmen, die Dörfer, die rebenbedeckten Abhänge der Hügel, die Saatenfelder, welche von Segen geschwellt wogen – ja man muß es den Benediktinermönchen lassen, daß sie anmutige Orte für ihre Klöster zu wählen wußten.
Mitten durch das Tal führt die große Straße von Bayern nach Sachsen, und am südlichen Horizont zeigt sich in der Entfernung von sechs Stunden die alte Babenburg von Bamberg. Zwei Gegenstände nehmen unsere Aufmerksamkeit vorzüglich in Anspruch, es sind die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen, welche auf der anderen Seite des Tals Banz gegenüberliegt und ihr schönes, hohes Portal mitten aus dem sie umgebenden Wald erhebt, und der Staffelberg, ein seltsam gestalteter, basaltartiger Fels, dessen Stirn mit einer Kapelle und Kreuzen geschmückt ist. Wir werden beiden einen kurzen Besuch abstatten, nachdem wir zuvor Banz ein wenig durchwandert haben. Das Merkwürdigste ist seine Kirche, welche den südlichen Flügel des Schlosses einnimmt und mit zwei schlank emporsteigenden, schönen Türmen geschmückt ist. Reiche Vergoldungen, Gemälde in Fresko und auf Leinwand, zahlreiche Altäre, über welchen die Gerippe der Heiligen, denen sie gewidmet sind, mit Perlen, Steinen und Flitter geputzt, in kostbaren gläsernen Särgen ruhen – genug, der ganze Pomp eines klösterlichen Doms tritt hier unverändert, unangetastet dem Beschauer entgegen. Die Kirche ist das einzige, was auf diese Weise aus den Klosterzeiten gerettet worden ist, obwohl die Türme die Hälfte ihrer schönen Glocken hergeben mußten, welche man zerschlug und als altes Metall an die Juden verkaufte. Sie ist zugleich die Ruhestätte eines Mannes, der den emporgehobenen Söhnen der neuen Zeit und einer Nation angehörte, welcher alle säkularisierten Klöster und alle zerschlagenen Glocken das Ende ihrer Existenz zuschreiben dürfen – ein napoleonischer Feldherr, Fürst Berthier, dem Herzog Wilhelm durch Heirat verwandt geworden, schläft unter einem der hiesigen Altäre den prachtvollen Rausch des Ruhmes aus. Man kennt das unglückliche Ende, das der Marschall im Jahre 1813 in Bamberg nahm.
Unter den Meßgewändern, die in einer der Kirche angrenzenden Kapelle gezeigt werden, gibt es sehr prächtige, und eines namentlich zieht die Aufmerksamkeit des Beschauers durch den erläuternden Bericht des Kirchners ungemein an sich. Denn derselbe versichert, es sei das Sterbekleid Maria Stuarts, woraus die Stola, die er jetzt zeigen werde, verfertigt sei. Er bringt zugleich einen schwarzen, schweren Stoff zum Vorschein, der mit breiten, goldenen, gewundenen Streifen und mit Palmen durchwirkt ist – ein kostbarer Stoff, der an sich nichts Heterogenes mit dem Gedanken hat, er habe einst eine Königin gekleidet; fragt man nun, wie das Sterbekleid der unglücklichen Königin von Schottland gerade hierher nach Franken geraten sei, so erhält man die Antwort, daß ihre Diener es nach Hamburg gebracht und dort von einem Agenten des eben regierenden Bischofs von Bamberg gekauft und so an das Kloster gekommen sei. Ganz unmöglich wäre auf diese Art die im Grunde an und für sich gleichgültige Sache nicht.
Interessanter als dieses Kleid und wichtiger zugleich ist jedenfalls das Kabinett fossiler Gegenstände, das zu Banz aufgestellt ist. Keine Gegend kann reicher sein an Petrefakten als die hiesige; der Staffelberg und die benachbarten Fluren sind mit Muscheln, Ammonshörnern und den Abdrücken von Tieren und Pflanzen förmlich bedeckt, und es ist meist aus seinen Tiefen und Höhlen, daß aufmerksame Naturforscher eine große Anzahl Überreste antediluvianischer Tiere gesammelt und, systematisch geordnet, aufgestellt haben. Da sieht man Rückenwirbel, Köpfe, vegetabilische Bildungen einer Zeit, die nicht mehr nach Menschenalter und Jahrhundert berechnet, sondern nur nach vergangenen Äonen geahnt werden kann, einer Zeit, wo unser schöner Planet vielleicht in anderen Bahnen und nach anderen Gesetzen durch den Weltraum rollte und wo die Gegenden, die das Menschengeschlecht jetzt seit mehreren Jahrtausenden bewohnt, jedenfalls von Ozeanen überflutet waren; was aber der Grund ist, daß einzelne Punkte mehr als andere die Spuren davon tragen, wie hier der Staffelberg, ist eine Frage, deren Erläuterung wir uns billig erlassen.
Sehr angenehm für furchtlose Bergsteiger ist der Fußpfad, der vom Schloß durch den Wald nach der Mainfähre hinabgeht. Ganz unten am Ufer des Flusses wölbt ein alter Kastanienbaum sein grünes Dach über ein kleines friedliches Haus, in dem die Fährleute wohnen. Nehmen wir an, daß es ein Heiligentag, etwa das Himmelfahrtsfest, sei, an dem wir unter diesem Baum ankommen, um übergesetzt zu werden. Hoch über dem Wald ertönen Glocken der ehemaligen Abtei und begleiten den Gesang frommer Prozessionen, die mit ihren roten Fahnen oder bunten Heiligenbildern durch das grüne Tal ziehen oder eben über den Fluß setzen, ohne daß das Geschäft des Einschiffens, die Wasserfahrt und das Landen im mindesten ihre demutsvolle Andacht unterbräche – oder sie klimmen singend den Berg empor, wobei der Schweiß von den Stirnen der Pilger fließt, während sie fortfahren, die Mutter Gottes zu preisen. Etwas anderes liegt in den Augen, den Mienen, den Antlitzen der Landleute und ihrer Weiber, welche den katholischen Maingrund bewohnen, als in der äußeren Erscheinung ihrer protestantischen Nachbarn oder gar der Bauern des nördlichen Deutschland. Schwer würde es letzterem ankommen, der Führer einer Prozession zu sein und seiner Gemeinde voran oder in ihrem Chor, eine Standarte tragend, unter beständigem lautem Gebet nach einer stundenweit entfernten Kirche zu wallen, um hier in der Zerknirschung seiner Sünden auf dem harten Boden zu knien und den Weihrauchduft der Altäre in seine Lungen zu atmen. Solche Übungen, die oft wiederkehren, müssen notwendig auf Wesen, Tun und Haltung influieren und geben dem Landvolk des katholischen Franken jenen Anstrich von kirchlicher Hingebung, Demut, Beschränktheit, der sich namentlich bei den Frauen ausspricht.
Wir haben indessen das Tal seiner Breite nach durchwandert, sind durch mehrere Dörfer gegangen und nicht ohne Mühe zu dem freien Platz gelangt, wo die Wallfahrtskirche der vierzehn heiligen Nothelfer sich erhebt. Vor wenigen Jahren fiel der Blitz in ihre Türme, zündete sie an, und so schnell auch Hilfe herbeieilte, die schönen Türme brannten wie ein paar Fackeln in der Nacht, ein Schrecknis des ganzen Tals; und sie stürzten endlich in sich zusammen, wodurch auch die herrliche Kirche bedeutend beschädigt wurde. Die Decke der letzteren, mit schönen Freskogemälden verziert, brach an verschiedenen Punkten, und Qualm, nebst dem Strahl der Wasserspritzen, vernichtete vollends, was der Einsturz etwa verschonte. So hatten die vierzehn Heiligen, deren Hilfe oft bei geringfügigeren Dingen wirksam in Anspruch genommen wird, kein Mitleid mit der Not ihres schönen Tempels. Es wurde derselbe im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts mit ungeheuren Kosten von den reichen Vätern der großen und prachtvollen Zisterzienserabtei Langheim, die nur eine Viertelstunde davon entfernt liegt, erbaut. Als der Bau vollendet war, wohnten seiner Einweihung die Bischöfe von Bamberg und Würzburg, der Herzog von Coburg und noch viele Fürsten, Grafen und Herren mit ihrem Gefolge bei, die von dem Langheimer Abt feierlich dazu eingeladen worden waren. Im großen Saal der Prälatur speisten diese Herrschaften, beinahe dreihundert an der Zahl, und jeder Gast, der an der Tafel sich niedergelassen hatte, erhielt bei Aufhebung derselben eine Goldmünze zum Geschenk und Andenken, von vierzehn Dukaten an Wert; seine Diener aber, Kutscher, Läufer, Jäger und Lakaien, wurden jeder mit einem Dukaten beschenkt. Es gibt dies einen Begriff von der Opulenz der Langheimer Abtei, die so nahe Nachbarin des fast ebenso reichen Banz war. Auch Langheim wurde in dem Sturm der allgemeinen Säkularisation ohne großen Vorteil für den Staat aufgehoben, und da seine Gebäude sich nicht einer ähnlich vorteilhaften und lieblichen Lage wie die von Banz erfreuen, so fanden sie keinen Käufer, und die langen, reich mit architektonischem Schmuck verzierten Schlösser und Paläste, welche ehemals die Residenz der frommen Väter bildeten, werden jetzt von Bauern mit ihren Haustieren bewohnt. Zugemauert sind die herrlichen Portale und Fenster, oder es ist ihnen nur soviel Öffnung gestattet, als der werktägige Verkehr eines armen Landmanns erfordert. Dem Verfasser wurde einst eines dieser Gebäude um den Preis von fünfzehnhundert Gulden zum Kauf angeboten. Es war dreistöckig von den schönsten Quadern erbaut, mit Schiefern gedeckt und überall mit Pilastern und Säulen verziert. Vierzig Zimmer enthielt es, fünf Säle und ein Garten so lang als das Haus, von einer steinernen Mauer umgeben, die zwei schöne, steinerne Pavillone schmückten, gehörten noch dazu. Aber die unbequeme, abgeschiedene Lage von Langheim verhinderte den Ankauf. O Mönche! Wie reich wart ihr, und wie sehr seid ihr in den Staub getreten!
Der Vorplatz von Vierzehnheiligen ist mit dichtem Volksgedränge bedeckt. Buden sind errichtet, ein Markt von Wachskerzen und in Wachs geformten Gliedmaßen aller Art, als Opfer für die Heiligen, von Rosenkränzen, Heiligenbildern, Votivtafeln, Lebkuchen, der süßen, katholischen Speise, wird gehalten, Wagen von Stadtgästen aus Bamberg, Coburg, Lichtenfels usw. sind aufgefahren, Bettler in Scharen lagern an den Wegen, um den Fuß der Kruzifixe, oder belästigen den anständig gekleideten Fremden, und dazwischen kommen die Prozessionen der Waller und Landleute mit ihrem eintönigen Gesang von den Bergen herab und aus dem Tal heraufgezogen – oder sie erscheinen in dem Portal der Kirche, deren weitgeöffnete Türen die ganze Gegend einzuladen scheinen, daß sie teilnehme an dem Ausfluß göttlicher Gnade, welcher in dem Raum stattfindet, den sie verschließen. Und nun drängen wir uns in die dichtgefüllte Kirche selbst, nachdem wir die breiten steinernen Stufen erstiegen haben, die zu ihrem Eingang emporführen. So groß der Raum ist, kaum kann man vorwärts schreiten. Tausende sind aufrecht, Tausende liegen auf den Knien, und das Gesumse, welches über so vielen Häuptern schwebt, paßt zu der dumpfen Luft und dem Staub, der den Raum erfüllt. Wodurch wird der Staub erregt? Weiber bewegen sich kniend um den Hochaltar der vierzehn Heiligen, der, mit ihren Bildsäulen geschmückt, in der Mitte der Kirche befindlich ist; ihre aufschleifenden Röcke bringen Staub hervor, sie halten brennende Wachskerzen in den Händen, oder nicht selten auch liegt ein holdes Kind, ein Säugling in ihren Armen, dessen Dasein die Sünde ist, für welche die reumütige Mutter die Fürsprache der vierzehn Heiligen bei dem erzürnten Gott Vater erflehen will – wer weiß, ob mit Erfolg, denn der Schöpfer des Lebens nimmt es in solchen Fällen genau. – Nun beginnt das Hochamt; geschmückte Priester zeigen sich vor den Altären, Musik erhebt sich, die Glocken der Chorknaben tönen, das Allerheiligste, in hocherhobenen Händen gehalten, wird dem niedergeworfenen Volk gezeigt. Währenddem sind immerfort die Opferkammern geöffnet, wo Priester den Tribut der Andacht, Geld oder Wachs, aus den Händen der Wallfahrer in Empfang nehmen; die Beichtstühle sind von Mönchen in braunen Kutten besetzt – das nächste Franziskaner- oder Kapuzinerkloster lieferte sie –, und sie leihen ihr Ohr mit vorgehaltener Hand den Bekenntnissen derer, die ihre kleine Loge auf den Knien umringen und auf den Augenblick warten, wo die Reihenfolge ihnen vergönnen wird, die Schuld des Gewissens von sich zu wälzen. Eine Seitenkapelle, die ebenfalls geöffnet ist, enthält die sogenannten Gelübde, d. h. diejenigen Geschenke und Dankzeichen, die fromme Personen in irgendeiner Not oder Gefahr den vierzehn heiligen Nothelfern für den Fall ihres Einschreitens, ob auf natürlichem Wege oder durch ein Wunder, ist gleich, gelobten.
Da erblicken wir die Wände mit Gemälden und Schildereien bedeckt, welche die schrecklichsten Fährnisse darstellen – hier stürzt ein Zimmermann von dem Gerüst eines Hauses herab und hätte sicher den Hals gebrochen ohne die Fürsprache eines bunten Kreises von Kindern, der oben in den Wolken schwebend zu sehen ist; dort verunglückt ein Nachen auf dem Main – jenem Fuhrmann gehen seine Pferde durch, oder die Achse seines Wagens brach, er rief die vierzehn Heiligen um Hilfe an, sie wurde ihm zuteil, und er ließ zum Dank und zum Ruhm der Helfer beim nächsten Zimmermaler zu Bamberg oder Lichtenfels die Begebenheit malen. Auch Wöchnerinnen und Kranke zeigen sich auf ihrem Leidensbett, daneben wächserne Glieder, Krücken, die der durch ein Wunder Geheilte nicht mehr benötigte, und ähnliche Dinge mehr, welche von dem Glauben, den Neigungen und den geistigen Richtungen des Volkes Zeugnis abzugeben wohl imstande sein dürften.
Lassen wir uns die Mühe nicht verdrießen, auch den Staffelberg zu besteigen, dessen auffallende Gestalt mit dem Kirchlein, der Eremitenklause und den vielen Kreuzen auf seinem Rücken schon längst unsere Blicke auf sich zog. Eine gute Stunde südlich von der Wallfahrtskirche erhebt er sich schroff über das Tal und zeigt diesem seine unersteigliche Seite, die Stirn von nacktem Granit; sein Rücken aber, der langgestreckt sattelförmig ausläuft, ist mit Rasen bedeckt und gewährt eine entzückende Aussicht in alle umliegenden Täler. Die Reben eines sehr guten Rotweins wachsen auf dem sanften Abfall des Berges nach Südost. – Die Kapelle oder das Kirchlein zur heiligen Kunigunde, das seinen zierlichen Bau hier erhebt, ist eine Wallfahrtskirche wie Vierzehnheiligen und wird, wie diese, auch zahlreich besucht. Nahe dabei wohnt in einem kleinen Haus, dessen einzige Stube mit Kruzifixen und Bildern aus Legenden geschmückt ist, der sogenannte Eremit, d. h. ein Mann, der den Dienst der Kapelle versieht und das Recht hat, einem Bettelmönch gleich, in der Umgegend umherzuwandern und Almosen, die meist in Lebensmitteln bestehen, von den Landleuten zu empfangen. Seine Wohnung auf dem hohen, einsamen Berg ist eine Gunst, eine Art von Stelle, die das Domkapitel zu Bamberg vergibt, nicht aber geradehin zu den Sinekuren gerechnet werden kann. Der jetzige Eremit ist ein rüstiger Mann, der ein Fernrohr in seinem Verschluß hat, das er dem Fremden gegen ein kleines Geschenk gern aufstellt; sein Vorgänger aber, ein schwächlicher Greis, starb hier verlassen und ohne Pflege; man fand ihn eines Morgens tot und schon seit langem erkaltet auf seinem Strohlager; man kam nur, nach ihm zu sehen, weil man sein Erscheinen in den Dörfern seit geraumer Zeit vermißte.
Der Fluß verfolgt seine Richtung gegen Mittag, und fast immer läuft die Landstraße an seinem Ufer mit. Eine Viertelstunde bevor er den ansehnlichen Flecken erreicht, nach welchem früher ein ritterschaftlicher Kanton seinen Namen führte und der am Eingang eines Tals liegt, das auch nach ihm benannt wird, Baunach, nimmt er eine alte Bekannte von uns, eine Tochter des Thüringer Waldes, die Itz, in seinem Schoß auf und rollt nun, plötzlich viel breiter und stärker geworden, immer tiefer in das weiche, warme, üppige Land hinein, das einst der Krummstab zu regieren leicht hatte. Bereits sind alle Berge seiner Ufer mit Reben bedeckt. Allein eine noch ansehnlichere Verstärkung steht ihm bei Hallstadt bevor, einem Flecken unweit Bamberg, wo eine südländische Pfälzer Jungfrau, die Regnitz, in seine Arme eilt. Es ist eine standesmäßige Vermählung. Die Regnitz ist dem Main an Größe fast gleich; und wie der Jüngling durch eine solche zum Mann, so wird der jugendliche Fluß nun zum Strom, der die Lasten aller Schiffe auf seinen breiten Wellen tragen kann. Der Main nimmt nun wieder eine westliche Richtung und kehrt sich von den Mauern der bischöflichen Residenzstadt ab, die ihn vergebens mit ihren prächtigen Türmen zu sich winkt. »Schöner Main«, scheint Bambergs Genius zu klagen, »ich strecke meine Arme sehnsüchtig nach dir aus, aber sie erreichen dein liebliches Ufer nicht. Hörst du das Lied, das ich dir singe mit dem Geläut meiner Glocken? Bilden wir nicht Franken mit dem weichen Ton unserer Namen? Reben, Meßgeläut, Main und Bamberg – das ist Franken.«
Wir wollen uns um diese Ansicht eines Dings, das im Grunde nicht einmal Existenz hat, wenig bekümmern und einen Abstecher nach