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und seinen Umgebungen machen, der Main fließe einstweilen ohne uns durch sein herrliches Tal weiter; im Lauf mehrerer Meilen berührt er nichts besonders Ausgezeichnetes, wenn man nicht Marktflecken, kleine Städte, Dörfer und Burgruinen, die es in Franken überall gibt, zu solchen rechnen will.
Der Weg von Hallstadt zur ehemaligen bischöflichen Residenz ist eigentümlich in seiner Art, denn er führt durch einen immensen Garten; lachende Gegenden werden öfter Gärten genannt, Bambergs Umgebungen von dieser Seite verdienen den Namen aber im eigentümlichen Wortsinn, obgleich es kein Park ist, der sich hier ausbreitet, kein französischer Garten mit langen, schnurgeraden Alleen, sondern ein Gemüsegarten von mehreren Quadratmeilen Areal. Was in anderen Ländern der Gärtner hinter Zäunen zieht, das wird auf diesem glücklichen Boden in freiem Feld gewonnen. Da sehen wir unermeßliche Beete von süßen Schoten oder Gartenbohnen, Spargel, Salat, Zwiebeln, Radieschen, Armeen von Kohlköpfen, die blättervoll, aber gedankenleer dastehen, die wogenden Federbüsche von Millionen gelben Rüben, Anis, Koriander, Mohn und endlich noch eine Menge Pflanzungen von offiziellen Kräutern. Manches Ding im Leben wird von schmeichelnden Lippen süß genannt, diejenige Wurzel aber, welche die Gärtner Bambergs hier in reicher Masse ziehen und erzeugen, dürfte in der Tat einigen gerechten Anspruch auf jenes Beiwort haben, denn es ist Süßholz, bekanntlich ein sehr gesuchter Artikel der Apotheken. Diese Gärtner bewohnen ein besonderes Quartier in ihrer Stadt und bilden die größte und betriebsamste Zunft derselben, welche aus 508 Meistern, 70 Gesellen und 300 Tagelöhnern besteht.
Sehr stattlich und schön ist Bambergs Anblick von weitem. Seine Altenburg, sein hochgelegener vierturmiger Dom, der Michelsberg mit seiner prächtigen Kirche und noch mehrere Türme und ansehnliche Gebäude, vor allem aber die herrliche Residenz, geben der Stadt ein reiches, vornehmes Ansehen und erwecken in dem ankommenden Fremden einen sehr günstigen Vorbegriff. Nichts stört diesen auch beim Eintritt und bei weiterem Vordringen in das Innere. Gut gepflasterte, ansehnliche Straßen, die prächtige Kettenbrücke, welche über die Regnitz führt und die östliche Vorstadt mit der Stadt verbindet, mehrere schöne Plätze, Paläste, Kirchen, zahlreiche gut ausgeschmückte Kaufmannsgewölbe und ein reges Leben lassen mit Wohlbehagen empfinden, daß man in eine größere Stadt eingetreten sei, in den Mittelpunkt freundlichen Wohllebens, des Überflusses, der Zivilisation, der Künste. Es ist gerade Wochenmarkt, während wir in Bamberg angekommen sind, und wir werfen aus den Fenstern des ersten Gasthofs, »Zum Bamberger Hof«, einen Blick auf den Platz hinab oder vielmehr auf die Erweiterung der Hauptstraße, welche hier in der Gegend der Jesuitenkirche ihre größte Ausdehnung hat. Welch ein lebensvolles Gewühl, welches Getöse! Aber man sieht den Boden nicht mehr vor Grünzeug. Pan, der Gartengott selbst, hat hier ausgepackt und Unendliches an Gurken, Schoten und Zwiebeln zum Markt gefördert. Seine würdigsten Priesterinnen, die Bamberger Gärtnerweiber, kräftige Naturen mit Mützen, deren gigantische Schleifen breiter als breit genannt werden dürften, versehen den Dienst im Tempel, und nicht etwa schweigend. – Auch in anderen benachbarten Städten – selbst außerhalb des Königreichs, sieht man zuweilen einige dieser Damen erscheinen im Geleit großer Transporte ihrer Waren, und wer erinnerte sich beim Anblick des Schleifengebäudes hinter ihrem Haupt nicht an die reizende bischöfliche Stadt? Groß ist der Dom derselben, doch gibt es noch größere Kathedralen; mild scheint die Sonne von Franken, doch die Sonne von Estremadura noch milder – nur die gedachten Schleifen erlauben keinen Vergleich, keine Steigerung, sie sind der Superlativ ihrer Gattung. Wagen und Kutschen rasseln, eine wohlgekleidete Bevölkerung treibt sich heiter, geschäftig durcheinander, Hufschlag von Rossen ertönt, die ernsten, schönen Helme eines Kavalleriepiketts glänzen in der Sonne und erinnern an die Vasallen, Ritter und schmucken Knappen des Bischofs, der einst hier regierte. Sollte gar kein Anklang seiner Zeit mehr in der Modernität dieses Gewühls zu erkennen sein? Ein paar ältliche Herren in schwarzseidenen Strümpfen und mit großen silbernen Schnallen auf den Schuhen, welche langsam daherschreiten, haben etwas Domherrliches, Pfründen-Erinnerliches in ihren Mienen und sind uns ein Gruß der Vergangenheit.
Diese Vergangenheit – wie reich ist sie! Nicht gerade an großen Begebenheiten und an historischer Bedeutung, aber reich an jener ruhigen, weichen, luxuriösen Herrlichkeit eines geistlichen Hofs; wieviel Gold floß hier zusammen, wieviel schöne Gebäude stiegen, von seinem Zauber gelockt, aus der Erde, und wie gemütlich wohnten darin die Prälaten und Domherrn mit ihren Köchinnen! Es soll damals ein ganz anderes Leben gewesen sein als jetzt, wie ein sehr geachteter Schriftsteller versichert. Jäck in seiner »Beschreibung Bambergs«. Wir wollen das glauben, aber doch nicht ganz unzufrieden sein mit dem, was die Gegenwart uns noch immer in den Mauern Bambergs bietet. Und zuletzt gibt es wohl manches Auge, das den Anblick eines Soldaten dem eines Mönchs vorzieht, eine Wachparade einer Prozession und bei dem Vorüberrollen einer leichten Equipage die vergoldete schwere Glaskarosse nicht sonderlich vermißt, worin die Fürstbischöfe einherzufahren pflegten.
Vielerlei Merkwürdiges bietet Bamberg dar. Zuerst seinen Dom, den Kaiser Heinrich II. in byzantinischem Stil erbaute und der das Grabmal seines Erbauers wie das seiner Gemahlin, eines Papstes (Clemens II., früher unter dem Namen Suidger, Bischof von Bamberg) und vieler späterer Bischöfe enthält. Diese Grabmäler sind zum Teil Werke vollendeter Kunst, die gegenwärtig auf Befehl des kunstliebenden Königs von einem Überzug mit Ölfarbe wieder befreit werden, womit der Ungeschmack früherer Jahrhunderte sie entstellt hatte.
An den Dom schließt sich die Residenz der ehemaligen Bischöfe an, ein uralter und unscheinbarer Palast, der gegen die neuere, auf demselben Platz gelegene, von dem Kurfürsten und Fürstbischof Lothar von Schönborn im Jahre 170z erbaute, fast gänzlich verschwindet. Diese neue Residenz im italienischen Geschmack macht, obgleich ihr Riß nur halb ausgeführt wurde, doch einen sehr imposanten Eindruck, und sie erhebt sich prächtig über der Stadt. Unter ihren Sälen muß der Kaisersaal mit seinen Freskogemälden genannt werden. Aus einem der Fenster auf der Ostseite, wo der Abfall am tiefsten ist, stürzte der unglückliche Marschall Berthier auf das Pflaster; ein schwarzes, an die Grundmauer des Palastes gemaltes Kreuz deutet noch die Stelle an, wo er seinen Geist aushauchte.
Nächst dem Dom dürfte die altgotische Oberpfarrkirche auf dem Kaulberg wohl die vorzüglichste sein; sie enthält schöne Gemälde und sehr kunstvolle Holzschnitzerei von Veit Stoß aus der biblischen Geschichte. Der Michelsberg, eine ehemalige Benediktinerabtei, welche jetzt zu einem allgemeinen Versorgungshaus alter Bürger und Bürgerinnen umgewandelt worden ist, erfreut durch die Schönheit seiner Gebäude und Lage und durch die köstliche Aussicht, die man von seiner Terrasse genießt. In den schattenreichen Lindenalleen des ehemaligen Klostergartens muß man lustwandeln, womöglich mit der gottzufriedenen Rundung und der frommen Sorglosigkeit eines ehemaligen Benediktiners, und herabschauen auf diese Gegend, die so voll ist von unerschöpflichem Segen, daß der Klöster und Abteien noch mehr, als schon waren, ihn nicht erschöpft haben würde. Die Kirche des ehemaligen Jesuitenkollegiums in der Nähe des Marktes, die Jakobskirche und das Stift St. Gangolf am äußeren Steinweg mögen hier noch Erwähnung finden. Dagegen nicht alle die ehemaligen Stifte und Klöster, von welchen letzteren nur noch wenige Überreste existieren.
Gemeinnützige und wohltätige Anstalten hat Bamberg in Menge, wie es von einer solchen Stadt nicht anders zu erwarten ist. Aber auch Wissenschaft, Kunst und Literatur finden hier eine ihrer würdige Pflege. Wir können uns nicht versagen, der öffentlichen Bibliothek und dem Naturalienkabinett unseren Besuch zu machen. Erstere steht unter der Leitung eines als Schriftsteller rühmlichst bekannten Bibliothekars, der früher dem Kloster von Banz angehörte und sich seit einer Reihe von Jahren mit seltenem Eifer und wahrer persönlicher Aufopferung der Gründung, Ordnung und steten Vermehrung des Instituts widmete, welches ihm allein seine jetzige glänzende Gestalt verdankt. Herrn Jäcks Verdienste in dieser Beziehung erkennt gewiß jeder Bamberger dankbar an. Die Bibliothek ist im ehemaligen Jesuitengebäude aufgestellt und füllt mehrere Säle und eine Menge von Zimmern an. Ihren Gebrauch erleichtern vollständige Verzeichnisse, tägliche Zugänglichkeit und die gesellige Urbanität ihres Vorstehers. Sie enthält außer einer reichen Anzahl von Werken aus allen Zweigen und Fächern des Wissens noch eine große Menge von Handschriften, deren teilweise Beschreibung Herr Bibliothekar Jäck im Jahr 1831 herausgab. Während wir durch die Korridore des Jesuitenpalastes wandeln, begegnen wir jungen Leuten, die in einer Art von geistlicher Tracht, mit Büchern unter dem Arm, halbgeöffnete Hörsäle besuchen; es sind die Zöglinge des katholischen Seminars und die Hörsäle der Theologie, welch letztere wir, aufrichtig gesagt, nur wenig um das philosophische Licht beneiden, das innerhalb ihrer strahlen mag. Das Naturalienkabinett befindet sich gleichfalls im Jesuitenkollegium, unweit der Bibliothek, wurde angelegt von dem Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal und hat das Glück, sich gegenwärtig einer ebenso eifrigen und verdienstvollen Leitung zu erfreuen als jene. Der geistliche Rat D. Linder, früher Konventuale in Banz, ein heiterer, freundlicher Greis, voller Liebe zur Natur in seinen sanften Augen, hat diesen herrlichen Saal geordnet, eingerichtet und die systematische Aufstellung zahlloser Gegenstände mit einer Pracht und Eleganz zu verbinden gewußt, welche die Sinne fesselt.
Wir müssen uns des Raumes dieser Blätter wegen fast gewaltsam von dem schönen Bamberg trennen, von dem wir noch so vieles zu sagen wüßten. Es ist die schönste und gemütlichste Mittelstadt, in die man eintreten kann, und ihre heiteren und glücklichen Formen erobern das Herz des sprödesten Fremdlings. Wohl verdienten ihre gesellschaftlichen Vereine, ihre Vergnügungsplätze, Theater, Umgebungen und ähnliches noch eine ausführlichere Erwähnung, der Raum aber drängt uns, und so bitten wir den Leser nur noch, uns über den Kaulberg neben der Karmeliterkirche vorbei auf den Weg zu begleiten, welcher zu Bambergs Wiege führt, der alten Babenburg oder Altenburg, eine Viertelstunde oberhalb der Stadt. Diese hochgelegene Burg, deren Turm in so weitem Umkreis sichtbar ist, war vor der Stiftung des Bistums Sitz der Grafen von Babenburg und nach derselben die Sommerresidenz, die Feste, der Zufluchtsort der Bischöfe. Ziemlich jäh, aber zwischen freundlichen Weinbergen und schattigen Bäumen, steigt der Weg zur Zugbrücke der Burg empor und bietet, noch bevor man diese erreicht hat, auf verschiedenen Punkten die entzückendste Aussicht. Durch eine Art von Halle, die mit Ritterbildern, Wappen und Monumenten geschmückt ist, gelangt man in den inneren Hof, dessen Mittelpunkt der auf einer Felsbasis ruhende, hohe, runde Turm bildet, welcher jetzt vereinzelt dasteht, in früherer Zeit aber vermutlich im Zusammenhang der Gebäude war. Ein Umgang läuft um diesen Turm, den zu ersteigen die Mühe lohnt. Ein unermeßliches Panorama bietet sich hier dar, das Auge schweift bis in die Gegenden von Nürnberg, Würzburg, Coburg, Bayreuth und kann den Lauf des Mains und der Regnitz meilenweit verfolgen. Dem Turm gegenüber befinden sich die großen Weinkeller, worin die Fürstbischöfe ihre Mutterfäßchen hier gezogenen Weines verwahrten. An den Wänden eines kleinen Gesellschaftssaales, dessen Fenster nach der Stadt zu hinausgehen, bemerken wir Antlitzen und seltsamen Stellungen. Die Hand eines Mannes der neuesten Zeit schuf sie, eines Mannes, der Maler, Musikdirektor, Dichter und Jurist und eine Zeitlang Bürger von Bamberg war, wo sich noch mancher seiner erinnert. Hoffmann, der berühmte Verfasser der Phantasiestücke in Callots Manier, sah sich, bereits vorteilhaft angestellt in Preußen, durch das Unglück seines Vaterlandes zu Anfang dieses Jahrhunderts seines Amtes verlustig und kam brotlos von den fernen Ufern der Weichsel nach Bamberg, wo er eine Zeitlang die Kapelle des Theaters dirigierte. Er schrieb hier manches Ausgezeichnete, unter anderem »Die Elixiere des Teufels«. In dem kleinen Saal auf der Altenburg weilte er im Kreis von Freunden oft und malte, als er schied, dessen Wände zum Andenken in Fresko mit Gebilden seiner reichen, aber unglückseligen Phantasie, in welcher das Leben sich spiegelte wie eine weinende Fratze.
Wir dürfen über diesem Capriccio nicht vergessen, daß es klassischer Boden deutscher Geschichte ist, den unser Fuß betritt, wenn wir auf der Altenburg wandeln. Sie ist der Schauplatz eines Kaisermordes; hier fiel Kaiser Philipp durch Otto von Wittelsbachs Hand (1208). Hier wurde jener Verrat begangen, den die Welt nicht vergessen kann und dessen Kunde wie ein bleiches Gespenst durch die langen Korridore der Jahrhunderte seufzend schleicht, ohne Ruhe zu finden. Es geschieht ihm recht und ist ein schönes Zeichen der Menschheit, daß sie alles verschmerzt, vergißt und vergibt – nur den Verrat nicht. Jede Wunde verharscht, jeden Blutfleck küssen die Lippen der Zeit hinweg, aber von dem Brandmal der Verachtung auf des Verräters Stirn wenden sie sich schaudernd ab, und es ist ewig. Wie viele wissen nichts mehr von den Verwüstungen des Bauernkrieges oder den Drangsalen des Dreißigjährigen, von den Schlachten bei Königshofen, bei Nördlingen, von dem bösen Metzler oder Tilly – man erzählte ihnen wohl in der Schule davon, doch sie vergaßen es wieder; jedes Kind in Bamberg aber weiß, daß einmal ein schöner und edler Graf in der Babenburg belagert wurde und daß seine Feinde einen Boten zu ihm schickten, der ihn einlud, der Unterhandlung wegen zu ihnen ins Lager zu kommen. Der Graf war bereit dazu, aber er verlangte sicheres Geleit.
Das gelobte ihm der Bote: »So wahr mir Gott helfe, bringe ich Euch, edler Graf, unversehrt wieder in Eure Burg zurück.«
Da ließ der Graf ein prächtiges Mahl auftragen, und nachdem er den Boten gelabt hatte, ritt er mit ihm von dannen. Aber sie waren kaum außerhalb der Burgwälle, als der Bote sich krümmte auf seinem Roß und sehr jämmerlich tat.
»Was ist Euch?« fragte der Graf.
»Es muß mein Sterbestündlein gekommen sein«, entgegnete jener, »denn die Pein, die ich in meinen Eingeweiden leide, ist groß. Laß uns zurückreiten in die Burg, daß ich nicht unter freiem Himmel sterbe.«
Und sie ritten zurück. Und in der Burg genas der Bote wunderbar schnell. Bald war er wieder dergestalt bei Kräften, daß er mit dem arglosen Grafen zum zweitenmal fortreiten konnte. Erst im Lager, als Kriegsknechte über ihn herfielen und seine Hände fesselten, wurde dieser des Verrats inne.
»Bote!« rief er. »Arger Bote! Hast du mir nicht gelobt bei des Herrn, unseres Heilands, Namen, mich unversehrt wieder in meine Burg zu geleiten?«
Da lachte der Bote, der niemand anderer als ein Bischof war, Graf Adalbert ins Antlitz und höhnte ihn. »Elender Tor«, sprach er, »habe ich etwa mein Wort nicht gehalten oder den Namen des Herrn mißbraucht? Führte ich dich nicht unversehrt wieder in deine Burg zurück, nachdem wir sie das erstemal verlassen hatten? Bin ich dir mehr schuldig, kurzsichtiger Mann?«
Da wandte sich der Graf ab und bedeckte sein edles Antlitz mit den Händen. Er war in seines unversöhnlichen Feindes Gewalt geraten, der ihn im Kloster Theres einige Tage darauf enthaupten ließ. Dieser Verrat geschah vor tausend Jahren, aber sein fluchbelastetes Andenken lebt noch im Volk, und jede neue Generation bedeckt ihn mit neuer Verachtung. –
Auf der Süd- und auf der Westseite des Berges, auf dem die alte Babenburg ruht, befinden sich Anpflanzungen eines Baums, welcher das beste Anzeichen eines milderen Klimas ist, da er sonst nur südlicheren Ländern angehört: des Maulbeerbaumes nämlich, dessen Blätter die Lieblingsnahrung der Seidenwürmer sind, mit deren Kultur man hier nicht unglückliche Versuche gemacht hat. Wir können von Bamberg nicht scheiden, ohne nicht noch eines großartigen Unternehmens zu gedenken, das auf Befehl des Königs neuerdings hier begonnen worden ist und mit dazu beitragen wird, den Namen dieses Monarchen zu verewigen. Es ist die Verbindung zwischen dem Main und der Donau, ein Kanal, welcher die kürzeste Wasserstraße zwischen beiden Strömen zu bilden bestimmt ist und dessen Bau König Ludwig ausführen läßt. Zahllose Arbeiter sind auf der ganzen bedeutenden Linie durch das Königreich, welche die beiden Flüsse trennt, verteilt, Ingenieure leiten ihre Tätigkeit, und in Bamberg unterhalb der Rathausbrücke ist der Punkt, wo dieser merkwürdige Kanal, dessen Vollendung nicht mehr fern sein wird, beginnt. Wir begleiten ihn eine Strecke auf seiner südlichen Richtung aus der Stadt, halten uns jedoch dann mehr gegen Abend und gelangen nach etwa vierstündigem Weg und nach Überschreitung mehrerer Bäche und kleiner Flüsse, die alle der Regnitz zuströmen, am Reich-Eberach-Fluß im Landgericht Hochstädt in ein großes Pfarrdorf, dessen herrliches, im neuitalienischen Stil erbautes Schloß sich aus grünem Gebüsch hervorhebt und das Auge überrascht. Es ist dies der Hauptort der Herrschaft Pommersfelden, welche der gräflichen Familie von Schönborn gehört, einer der reichsten und vornehmsten Frankens, die Fürstbischöfe und Kurfürsten unter ihre Mitglieder zählte.
Der schon genannte Fürstbischof und Kurfürst Lothar Franz von Schönborn, derselbe, der die neue Residenz in Bamberg erbaute, baute auch das Schloß zu Pommersfelden zwischen den Jahren 1711 und 1719 und nannte es Weißenstein. Es besteht aus einem Hauptgebäude mit fünf Eingängen und aus zwei Seitenflügeln. Das Erdgeschoß hat offene Arkaden, über die sich ionische Pilaster durch die zwei ersten Stockwerke erheben. Die Haupttreppe – eine der schönsten in Europa – wird durch ein Gewölbe getragen, das auf gekuppelten ionischen Säulen, mit Greifen geziert, ruht. Hinter diesem Gewölbe öffnet sich ein prächtig grottierter Saal, nahe im Erdgeschoß gegen den Garten, dessen ebenfalls gewölbte Kupferdecke von J. R. Byss gemalt ist; die perspektivische Architektur ist ein Werk des römischen Malers Joseph de Manchis. Beide Künstler malten auch die Decke der von Karyatiden getragenen offenen Galerie über der zweiarmigen Treppe. Durch dieselbe treten wir in einen sehr großen Saal ein, dessen Höhe durch zwei Stockwerke reicht, und sehen uns nun plötzlich in einem Kunsttempel und mitten unter Gegenständen, die unser Erstaunen erregen. Es ist, als ob wir durch irgendeine Zauberei aus der Einsamkeit dieses bischöflichen Palastes hinweg mitten in das Museum einer großen Hauptstadt versetzt worden wären. Auf marmornen Tischen und Piedestalen erheben sich plastische Gestalten, und Gemälde in ungeheuren Goldrahmen bedecken die Wände. In der Tat ist dieser Saal der Anfang einer so großen und ausgezeichneten Gemäldegalerie, voll von Meisterstücken aller Länder und aller Schulen, daß man bei ihrem Anschauen nur die abgelegene Einsamkeit dieser Schätze beklagen muß. – Ein Merkur von Rubens gleich in diesem Saal, ein van Dyck im nächsten (Achilles und Ulysses unter Frauen), eine Raphaelische Madonna, ein Carraccio, Dürer, Cranach, Hanhorst, Albani, Potter, Baalen, Giordano, Tizian, Correggio und noch eine Menge anderer, teils mehr, teils minder berühmter Namen treten uns in einer Sammlung von mehreren tausend Gemälden entgegen, die der Kurfürst Lothar mit einem Aufwand von Millionen hier gründete. Sie wurde von seinen Nachfolgern vermehrt, geschützt und gepflegt, wobei jedoch, da die öfteren feindlichen Überfälle Versendungen der ganzen Sammlung mehr als einmal notwendig machten, die Ordnung ihrer Aufstellung und Kataloge gestört wurde, so daß ein des kostbaren Familienschatzes ganz würdiges Verzeichnis im Grunde bis jetzt: fehlt.
Dem Schloß gegenüber erhebt sich im Halbkreis ein anderes prächtiges Gebäude mit einem toskanischen Portal, es ist der Stall der bischöflichen Rosse, welche ihren Hafer aus marmornen Krippen fraßen; das Heu aber zogen sie hinter den Stäben einer Raufe von vergoldetem Metall hervor. Wer möchte nun noch zweifeln, daß Luxus und Pracht in diesen geistlichen Palästen wohnten? Dies ist an und für sich nichts Auffallendes, aber die große Menge solcher Residenzen und fürstlichherrlicher Abteien in Franken, von denen keine der anderen an Pracht nachstehen wollte, darf in der Tat in Erstaunen setzen. Denn kaum liegt uns Pommersfelden im Rücken, und wir haben uns westlich der Landstraße zugewendet, die Bamberg mit der Schwesterstadt Würzburg verbindet, wir sind einige Stunden über waldreiche Höhen fortgeschritten, die Anfänge des Steigerwaldes, als uns, nahe an der Grenze beider Hochstifte, bereits im Würzburgischen, von neuem der Anblick majestätischer Gebäude in Verwunderung setzt. In einem romantischen, heimlichen Tal, unweit der Quelle des Flüßchens Mittel-Ebrach, erhebt sich eine Anzahl von Gebäuden, die zusammen einer kleinen Stadt mit fürstlichem Residenzschloß gleichen. Es ist die ehemals so berühmte Zisterzienserabtei