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In großem Bogen schwenkte die Galeasse in die Bucht ein; eine Stunde später kamen die beiden Jachten, alle drei Fahrzeuge legten bei Macks Trockenplatz an und warfen die Trossen an Land. Bei dieser Arbeit sang Wächter Svend ein lautes Gangspill-Lied, so daß man es bis nach Sirilund hinauf hörte.
Ich habe selbst Klippen, sagte Benoni, aber ich kann meinen Fisch auch auf Macks Trockenplatz legen ... Er war groß und sah in den Schaftstiefeln und den beiden Joppen gut aus; aber an den Ohren begann sein Haarpelz ein ganz klein wenig grau zu werden.
Kurz darauf ruderte er mit Wächter Svend und noch einem Mann an den Landungssteg und trat sofort als Besitzer seines eigenen Fisches auf. Morgen wasche ich ihn, sagte er zu den Leuten, denen er begegnete.
Unter denen, die am Landungssteg standen, war auch eine, die um Wächter Svends Willen gekommen war, es war eine Frau mit Schal, es war Ellen, das Stubenmädchen. Sie schien das große Messer und den Kampf am Weihnachtsabend und den ganzen Mack vollständig vergessen zu haben, sie war zuvorkommend gegen ihren Burschen wie noch nie zuvor und nahm ihn vor aller Augen an der Hand: Willkommen daheim! sagte sie. Und den Schal trug Ellen wohl mit voller Absicht, die Zipfel hingen ihr glatt bis an die Knie herunter, ja, wie bei einem Umstandsschal.
Benoni ging zu Macks Kontor ...
In diesem Augenblick hatte Mack eine Unterredung mit Rosa. Und Klein-Martha war bei ihr und hielt einen kleinen Blechkübel in der Hand und war stolz darüber, daß sie ihn tragen durfte. Ja, da war nun Rosa gekommen, langsamer und gebeugter als gewöhnlich, und hatte so gleichsam im Scherz gesagt:
Könnten wir wohl bis auf weiteres ein wenig Kredit im Laden haben?
Doch? sagte Mack fragend. Doch, selbstverständlich. Aber braucht Ihr denn das?
Nein, nein, antwortete sie. Aber Nikolai war ausgegangen. Ich glaubte, er sei hier.
Nein. Er ist nicht oft hier.
Rosa schickte Klein-Martha zu ihrem Vater in den Laden. Dann sagte sie:
Doch, er ist oft hier.
Mack nahm es nicht sehr ernst: Übertreibung, oh, Ihr Frauenzimmer!
Na! Jetzt müsse sogar seine Mutter, die alte Küstersfrau von ihnen fort und bei ihrer Tochter leben, und das sei solch eine Sünde und Schande, oh, wie häßlich sei das. Nur wegen des bißchen Essens, weil Nikolai im Winter nichts verdient habe. Ob Mack nicht mit ihm sprechen könne – irgend etwas für sie tun wolle. Es würde Nikolai Eindruck machen, wenn Mack ihm gut zureden würde. Diese Gesellschaft mit dem Schmied und die ewigen Gänge nach Sirilund ...
Ach, so eine Übertreibung!
Verzagt wiegte Rosa den Kopf.
Jeden Tag, oft zweimal am Tag. Es sei alles so schlimm, das ganze Leben, der Ton ... Und das Kind höre das alles; nein, das Kind müsse wirklich wieder zu seiner Mutter zurück. Ob Mack also mit ihm reden wolle, gut, eindringlich und warnend? Diese Besuche am Branntweinausschank seien doch so unpassend ...
Mack wollte sein Patenkind gerne trösten und versprach, sich der Sache anzunehmen.
Sage, daß ein ordentlicher Mensch ... Jetzt kommen die Fischer von den Lofotinseln, und da müßte Nikolai daheim sein, damit die Leute ihn antreffen. Wie soll es denn sonst gehen? Stell dir vor, da steht er am Ladentisch, ein Rechtsanwalt!
Übertreibung. Nein, aber was schlimmer ist: er verliert seine Prozesse.
Ja, er verliert auch seine Prozesse.
Du hättest Benoni nehmen sollen, sagte Mack.
Benoni? Nein, ganz und gar nicht! antwortete sie heftig und wurde rot. Und das weißt du gut. Ich mußte den nehmen, den ich genommen habe.
Das war keine kleine Dummheit von dir. Du hast meinem Ratschlag gerade entgegengesetzt gehandelt.
Rosa unterbrach:
Dann kann ich also Steen einstweilen um ein paar Kleinigkeiten bitten? ...
Da kommt nun Benoni des Wegs nach Sirilund gewandert und begegnet Rosa und der kleinen Martha, die aus dem Laden treten. Als er sieht, wer es ist, durchfährt ihn ein Ruck, und er verlangsamt seinen Schritt. Na, er hatte keinen Grund, Rosa zu fürchten, außerdem gab es hier mitten auf dem ebenen Weg keine Möglichkeit zu entkommen. Aber es war doch eine Sache, nach so langer Zeit und so großen Ereignissen mit ordentlichen Schritten zu gehen. Jetzt – jetzt erkannte auch sie, wem sie entgegenschritt, und es kam eine gewisse Ratlosigkeit in ihren Gang. Sie sah aus, als wollte sie in die Erde sinken.
Guten Tag, sagte er. Mit einem Blick erkannte er, wie diese Monate sie verändert hatten. Klein-Martha verneigte sich, es sah reizend aus, wirkte aber auf Benoni befremdend, nur Kinder feiner Leute verneigten sich. Und dieses Kind weckte auf einmal einen Gedanken in ihm: das sind feine Leute, Rosa ist seitdem eine verheiratete Frau, eine Dame geworden.
Guten Tag. Und willkommen daheim vom Lofot! antwortete Rosa, nach Brauch und Sitte.
Kannst du einen so schweren Eimer tragen? fragt Benoni das Kind.
Ach, Gott weiß, was er sagte! Es war gut, daß er seine Zuflucht zu dem Kinde nehmen konnte. Und auch Rosa beugte sich verwirrt herab und fragte Klein-Martha:
Ja, ist es nicht zu schwer für dich? Soll nicht lieber ich ihn tragen?
Nein.
Du könntest ja dafür das Paket tragen.
Ja, aber das Paket ist nicht so schwer, antwortet Martha mißvergnügt.
Es ist nicht so schwer wie der Eimer, nein, lachte Benoni. Denn der soll ja schwer sein ... Ist das die Kleine von Steen, dem Ladengehilfen?
Ja.
Nach dieser Einleitung überwand Benoni seine ärgste Schüchternheit und sagte:
Ja, das ist nun manchen Tag her, seit ich Euch gesehen habe.
Ach ja, die Zeit vergeht.
Ihr habt Euch nicht im geringsten verändert, sagte er aus reiner Gutmütigkeit.
Na, so lange ist es ja auch noch nicht her, seit dem letzten Male.
Es ist bald genau ein Jahr her. In einer Woche. Und es geht Euch gut?
Ja, danke.
So, jaja. Ja, das ist eine große Veränderung. Verheiratet und alles zusammen. Jetzt seid Ihr eine feine Frau.
Der Eimer ist voller Sirup, sagt Martha.
Benoni sah das Kind nur an und verstand nichts. Rosa aber schämte sich ein wenig wegen des einfachen Einkaufs, den sie im Laden gemacht hatte, und sagte:
Ja, der ist für dich. Du magst ihn doch so gern ... Kinder und Sirup! sagte sie und sah zu Benoni auf.
Ja, Kinder und Sirup! sagte auch er ... Na, Benoni aß meiner Seel ab und zu immer noch Sirup auf Butterbrot und fand das gut; aber Rosa tat das nicht, so hörte es sich an, so fein war es in ihrem Haus ... Jaja, Ihr müßt wohl heimgehen, meinte er, und ich will Euch nicht aufhalten.
Sie halten mich nicht auf, antwortete sie. Jaja, Martha, wir gehen wohl noch ein Stückchen mit ... Etwas wollte ich dir – Ihnen gerne sagen: ich wollte Sie um Entschuldigung bitten, daß ich es Ihnen nicht zurückgesandt habe, Sie wissen schon was. Es ist zu arg von mir.
Noch einmal der Ring und das Kreuz!
Davon sollt Ihr doch nicht reden, sagte er.
Ich habe so oft daran gedacht, aber ...
Wenn es Euch beunruhigt, dann werft es doch ins Meer. Dann ist es aus den Augen, aus dem Sinn – wie es im Sprichwort heißt.
Sie entsann sich, daß sie über den Ring bereits verfügt und ihn einer Leiche an die Hand gesteckt hatte; o, aber sie konnte mit keiner langen Erklärung darüber anfangen.
Daß Sie glauben, ich würde es ins Meer werfen! sagte sie.
So, wollt Ihr das nicht?
Nein.
Eine kleine warme Freude durchlief ihn, er wurde so dankbar und sagte:
Ich habe ein paar andere Dinge, die für Euch bestimmt waren; aber die kann ich wohl nicht schicken?
Nein, das dürfen Sie nicht, antwortete sie und schüttelte den Kopf.
Nein nein. Es war nur ein kleiner armseliger Löffel und eine Gabel. Ja, versteht sich, schon aus Silber, aber – es ist nur ganz elendes Silber. Ihr könntet übrigens gerne das volle Dutzend haben, wenn Ihr wolltet.
Vielen Dank, aber –
Ach nein, man kann Euch das nicht anbieten. Es war nur ein kleiner Gedanke ... Nein, da stehe ich und halte Euch auf, sagt er plötzlich wieder und schickt sich zum Gehen an. Er war ängstlich wie ein Knabe, daß er mit seinem Gerede von dem Silberzeug zu weit gegangen sein könnte.
Da ergriff sie die Gelegenheit, nickte und sagte:
Jaja, leben Sie wohl.
Lebt wohl, antwortete er. Er wurde so seltsam aufgeregt, machte eine kleine Bewegung und wollte die Hand ausstrecken; da er aber kein Entgegenkommen sah, griff er in seiner Verwirrung nach Marthas kleinem Eimer und hob ihn auf.
Ah, was für ein schwerer Eimer! Wenn du so tüchtig im Tragen bist, mußt du einen Schilling bekommen, sagte er und gab ihr ein Ort. Dieser Einfall war vielleicht nicht so übel, er fand selbst, daß er ihn vor dem Schlimmsten rettete. Im übrigen aber hatte er kein klares Bewußtsein von allem.
Und Martha vergaß, sich zu verneigen und zu danken. Als sie daran erinnert wurde, war der große fremde Mann seines Weges gegangen. Rosa sagte: Lauf ihm nach! Und Martha stellte ihren Eimer hin und lief, verneigte sich und dankte und kehrte wieder um. Benoni stand da und sah ihr lächelnd nach.
Benoni ging langsam weiter. Seit einem Jahr war er nicht mehr in einem so erregten Gemütszustand gewesen. Er starrte gerade vor sich hin und dachte, mitunter vergaß er das Gehen und stand einen Augenblick still auf dem Weg. Sie habe ich einmal umarmt, sie dort, die dort ging. Jaja, Rosa, so war es wohl nicht anders bestimmt ... Was für Kleider hatte sie angehabt? Einen Mantel? Ja. Vielleicht war es ein Mantel. Nichts hatte er gesehen.
Er ging zu Mack aufs Kontor, meldete seine Rückkunft von den Lofotinseln und legte die Abrechnung vor. Er war immer noch in seiner milden und weichen Stimmung, und Angesicht in Angesicht mit Mack sprach er nicht mehr von meinem Fisch und meiner Last – und was er damit vorhabe –, sondern fragte, »seid Ihr zufrieden« und »wollt Ihr morgen mit der Fischwäscherei anfangen«? Und Arn Törker solle wohl so wie voriges Jahr auch heuer der Arbeit des Trocknens vorstehen?
Natürlich, antwortete Mack. Er ist es ja, der sich darauf versteht.
Benoni hatte so im stillen bei sich gedacht, daß er selbst die Aufsicht über das Trocknen seines eigenen Fisches haben würde. Was sollte er sonst im Sommer tun? Nun aber schob Mack hier einen Riegel vor. Und Benoni war jetzt, nach dem Merkwürdigen, das er eben auf der Straße erlebt hatte, nicht dazu aufgelegt, sich mit Mack auf eine neue Auseinandersetzung einzulassen.
Mack wollte ihn sichtlich wieder einen gewissen Abstand fühlen lassen. Er sprach kein Wort davon, daß der Fisch recht und schlecht Benonis Eigentum sei, sondern stellte einige Fragen über ein paar Posten in der Abrechnung:
Weshalb hast du am Montag, den dreizehnten, so viel Fisch zu so hohem Preis gekauft? Der Fisch stand an dem Tag um zehn Schillinge für das Großhundert billiger ... Und Mack legte eine schriftliche Nachricht vor, in der das stand. Ah, der große Herr Mack, er hatte alles genau verfolgt!
Benoni antwortete:
Das gleicht sich dadurch aus, daß ich zwei Wochen später den Fisch um ganze zwölf Schillinge pro Großhundert billiger bekommen habe als irgendein anderer Käufer. Ihr habt wohl auch darüber eine Nachricht? Das war ein Akkord.
Mit wem?
Mit Leuten aus der Ortschaft, die heimfahren wollten. Sie brauchten Geld. Aber ich bekam es nach Ostern mit Zinsen wieder zurück.
Angenommen, diese Boote wären auf dem Heimweg verloren gegangen?
Man mußte es wagen, antwortete Benoni. Ihr würdet den Leuten an meiner Stelle den gleichen Dienst erwiesen haben.
Aber du hattest kein Recht dazu.
Benoni antwortete gereizt:
Wohl ebensoviel wie Ihr, dächte ich.
Mack zuckte mit der Achsel. Er lud auch Benoni nicht zum Schnaps in seine Stube ein, sondern sagte zum Schluß: bitte schön! und öffnete die Türe zum Laden. Drinnen schenkte Mack eigenhändig ein großes Glas Kognak für Benoni ein und bot es ihm an.
Hier? am Ausschank? Mack auf Sirilund vergaß anscheinend, wen er vor sich hatte! An dieser Stelle konnte Benoni selbst sich einen Schnaps kaufen und ihn bezahlen. Er war gekränkt und sagte:
Nein, danke.
Mack lachte erstaunt:
Ich schenke dir ein Glas ein und du willst es nicht trinken?
Nein, danke, antwortete Benoni wieder.
Mack schlug um und sagte mit der gleichen Sicherheit:
Na, wären nur alle so nüchtern wie du, Hartvigsen! Hast du Wächter Svend zurückgebracht? Jetzt wird er wohl wieder mit seinen Säuferstreichen anfangen.
Es kommt nur darauf an, wie er behandelt werden wird. Wächter Svend trinkt niemals zuviel.
Da fehlte nur noch, daß Ellen ihn nicht gut behandelte. Sie sollen jetzt heiraten, sagte Mack ...
So vergeht ein Tag nach dem anderen, aber Wächter Svend und Ellen heiraten nicht. Nein, es war jetzt Frühling, Mack ging wieder mit leuchtenden Augen umher, mit Granataugen, und brachte Ellen so weit, daß sie die Hochzeit immer wieder hinausschob. Ich kann dich im Haus nicht entbehren, bis das Thing vorbei ist, sagte Mack, und das neue Mädchen muß ja auch erst kommen, sagte er; wir können nicht ohne Hilfe bleiben ... Das neue Stubenmädchen, das kommen sollte, war groß und kräftig für ihr Alter, war aber noch nicht sechzehn Jahre alt. Sie war die zweite Tochter von Marelius in Torpelviken und eine Schwester Edvardas, die englisch spiken lernte. Die neuen Kleider, die sich Edvarda anschaffen konnte, hatten der Schwester keine Ruhe gelassen, deshalb wollte sie hinaus und verdienen ...
Das Thing kam dieses Jahr ungewöhnlich früh, die Obrigkeit reiste in Fußsäcken und Pelzen. Es wurde wieder eines von den ordentlichen alten Things, mit dem Hardesvogt selbst als Richter und Leiter und dem Amtmann als Vorgesetzten. Die Leute konnten ihren Hardesvogt wieder um dies und jenes im Gesetz fragen und sich die Hilfe des Rechtsanwaltes sparen; auf dem Tisch des Rechtsanwaltes Arentsen lagen die Papiere heuer auch dünner als im vergangenen Jahr. Was wollte man, die Leute fingen an, das Prozessieren teuer zu finden. Keiner hatte etwas dabei gewonnen, alle hatten Verdruß und Verluste dadurch gehabt. Ja, Nikolai Arentsen sei mehr zum Schlimmen als zum Guten in die Gemeinde gekommen, sagte das Volk in seinem Herzen.
Nikolai Arentsen war durchaus nicht mehr das Gesetz und ♂ In diesen Wochen, seit die Fischer von den Lofotinseln heimgekommen waren, hatte er es spüren können, was es heißt, die Gunst der Menschen zu verlieren. Voriges Jahr fing er damit an, einen Taler für einen kleinen Rat zu verlangen, heuer tat er es für einen halben; und wenn die Leute sogar noch um den halben Taler mit ihm feilschten, antwortete er: ich kann es nicht billiger machen, wenn ich leben will! Aber Rechtsanwalt Arentsen mußte noch weiter heruntergehen. Für zwei Ort schlug er wichtige Fragen im Gesetzbuch nach und schrieb sie für zwölf Schillinge Zuzahlung mühsam auf. Und trotzdem – nahm die Kundschaft nicht zu, nein, im Gegenteil.
Die Wahrheit war, daß die Leute ihr Zutrauen zum Rechtsanwalt Arentsen, dem Gesetz, verloren hatten. Kam man in irgendeiner Angelegenheit zu ihm und erhielt seinen Aufschluß über eine Sache, ging man danach gerne noch zum Lensmann und erkundigte sich, ob dieser Aufschluß denn auch richtig sei. Es war hier niemand mehr ein Geheimnis, daß Arentsen seine Prozesse immer wieder verlor, ja, daß ihm von dem großen Stiftsgerichtshof in Drontheim Geldbußen auferlegt worden waren.
Welchen Sinn hatte es also, daß Nikolai Arentsen seinem Geschäft nachging und zu bestimmten Stunden in seiner Kanzlei saß? Die Leute hatten ihn verlassen. Er antwortete seiner Frau, als er anfing die Sprechstunden zu schwänzen: Eine ganze Woche lang habe ich schön und brav auf meinem Stuhl gesessen und gewartet; es kam niemand. Ich saß wie eine Schönheit da, ich war vor Unwiderstehlichkeit fast toll geworden, aber es kam niemand.
Die Leute ließen die »Prozesse« fallen. Die Gegner trachteten darnach, daß sie, wenn sie einander auf Sirilund trafen, bei Macks Branntweinausschank wieder gute Freunde wurden. Es ist doch wahr, fing wohl der eine oder andere an, du und ich, wir sind nun vierzig Jahre hindurch Nachbarn gewesen. Ja, antwortete dann der andere, und unsere Eltern selig vor uns. Und wenn sie erst den Anfang gemacht hatten, wurden sie sehr gerührt und standen mit feuchten Augen da, schenkten einander ein und überboten sich gegenseitig in guten nachbarlichen Gefühlen. Und daneben konnte Rechtsanwalt Arentsen am gleichen Tisch stehen und sich ein paar unschuldige Viertelpinten zu Gemüte führen und genötigt sein, diese idiotischen Versöhnungen anzuhören, die ihn seines Lebensunterhaltes beraubten.
Da sitzt nun Rechtsanwalt Arentsen fest und breit in der Thingstube und tut, als sei er an seinem Tisch sehr in Anspruch genommen. Wenn er sich eine kleine Rast gönnt und von Papieren und Protokollen aufblickt, begegnet er den zweifelnden Augen Levions in Torpelviken hinter der Schranke. Als der obere Gerichtshof in seiner Sache geurteilt hatte, sagte Arentsen: Wir haben noch das höchste Gericht; aber das erfordert eine vorläufige Auslage für den Advokaten! Da war Levion fortgegangen und hatte sich die Sache überlegt. Nun stand er vom ersten Tag des Things an da und grübelte, daß es Arentsen eine Qual war, seine verrückten Augen zu sehen. Arentsen tat, als erinnere er sich plötzlich einer bestimmten Sache, zog sein Notizbuch aus der Tasche und fing darin zu blättern an. Als im Thing eine Pause eintrat, ging Levion in Torpelviken geradeaus zum Hardesvogt, das Urteil des Obergerichtshofes in der Hand, und bat um Auskunft, ob er weiter prozessieren solle.
Der Hardesvogt schien nicht mehr an Schlaflosigkeit und religiösen Zweifeln zu leiden; das war nur voriges Jahr so gewesen, als ein gewisser Pfandbrief auf dem Thing verlesen werden sollte und eine halbe Tonne Multbeeren mit dem Postschiff angekommen war. Jetzt ist der Hardesvogt wieder dick und gesund und nimmt sich wie gewöhnlich Zeit, leutselig mit den Menschen zu reden.
Ohne Rücksicht auf den Rechtsanwalt Arentsen und die Thingversammlung antwortet der Hardesvogt:
Ob du weiter prozessieren sollst, Levion? Nein, das sollst du nicht. Dagegen sollst du dich mit deinem Rechtsanwalt zusammentun und den Prozeß in deinem eigenen Wasserfall ersäufen. Das ist sowohl meine Meinung als auch die des Obergerichtshofes ...
Am letzten Thingtag wurde Benonis Kaufbrief über die Klippfischfelsen verlesen und unterschrieben. Es waren nicht viele Zuhörer, aber alle Lippen verzogen sich bei diesem neuen Schriftstück Benonis zu einem Lächeln. Im vergangenen Jahr hatte er eine Viertelmeile Felsenklippen gekauft und nun bezahlte er auch noch eine Thingverlesung des Kaufbriefes. Der arme Benoni, er brachte sich wohl noch bald ganz an den Bettelstab.
Aber für niemand, für niemand sah es so schlimm aus, wie für den Rechtsanwalt Arentsen. Mack hatte, seinem Versprechen gemäß, unter vier Augen mit ihm gesprochen; aber es war umsonst gewesen. Da hatte Mack seinen Ladengehilfen verboten, Jung-Arentsen starke Getränke am Branntweinausschank zu verkaufen; auch das nützte nichts. Jung-Arentsen hatte sofort Zwischenmänner. Am letzten Thingtag ging er zwischen den Leuten von den Schären umher und wollte einen neuen Goldring vertauschen, was ihm auch glückte. Es war Benonis Ring, das Geschenk an Rosa.