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5

So vergingen einige Wochen, Rosa kam oft zu Mack auf Sirilund, und Benoni traf jedesmal mit ihr zusammen. Die Leute neckten sie nicht, es war nicht Sitte, ein Paar zu necken, das nichts ableugnete, und Rosa und Postbenoni gestanden im Gegenteil ganz offen, ja, sie sollten einander heiraten.

Benoni fuhr damit fort, sein Haus und den Schuppen einzurichten, er kleidete seine Zimmer mit Holz aus und strich sie wie andere große Leute an, und wer sein Haus vom Meer aus sah, sagte: Dort liegt Benonis Hauptgebäude.

Auf Sirilund gab es eine Veranda, und Benoni ging mit dem Gedanken um, sich ebenfalls eine solche kleine Veranda machen zu lassen, im kleinen natürlich, ohne Schnitzerei, nur daß man ein paar Bänke hinstellen, sich dort aufhalten konnte. Er sprach zuerst mit einem der Maler darüber.

Ich bin so hoffärtig geworden, daß ich mir so einen Schuppen hierher bauen möchte, sagte er, einen ganz kläglichen Aufbau, sagte er.

Der Maler, ein Mann aus der Gemeinde, begriff nichts. Einen Schuppen?

Die Leute nennen es Veranda, erklärte Benoni und wandte sich ab.

Was wollen Sie damit?

Nein, da hast du wahrlich recht. Es soll auch nur so zum Vergnügen sein, damit man einen Platz hat, von wo aus man sich umsehen kann.

Lachte der Maler? Benoni machte es rasch ab; er wollte sich nicht offen ins Gesicht grinsen lassen. Er rief die Schreiner herbei, erklärte ihnen mit unnötiger Bestimmtheit, was er wünschte, gab die Höhe an, deutete umher.

Es soll ein Platz werden, wo man im Sommer sitzen und Kaffee trinken kann, sagte er.

Die Schreiner verstanden ihn bedeutend rascher, sie waren von auswärts und hatten schon gar manches in dieser Welt gesehen.

Leute mit dem nötigen Kleingeld haben eine Veranda, sagten sie und nickten.

Einige Tage später war Benoni ein neuer Einfall durch den Kopf geschossen. Auf Sirilund gab es auch einen Taubenschlag. Der stand mitten auf dem Hofplatz und war auf einer einzigen Säule errichtet, er war weiß gestrichen und das Taubenhaus selber trug zu oberst eine Messingkugel. Es herrschte bewegtes Leben dort mit all diesen Vögeln, Hühner waren doch rein gar nichts gegen Tauben.

Wenn ich mir nun eines Tages einige echte Tauben verschaffte, könnte ich sie gar nicht unterbringen, sagte Benoni.

Er rief die Schreiner herbei und zeigte ihnen, wo das Taubenhaus stehen sollte.

Und die Wochen verstrichen, der Herbst kam. Benoni arbeitete daheim und zog nicht mit dem Netz aus. Die Zimmerleute und Maler waren abgereist, zuletzt hatten sie noch farbige Fensterscheiben in die Veranda einsetzen müssen, so daß sie wie der Eingang zum Paradies aussah. Nicht einmal auf Sirilund gab es farbige Scheiben in der Veranda, das hatte sich dieser Schlingel Benoni in seinem eigenen Kopf ausgedacht. Die Scheiben waren aus blauem, rotem und gelbem Glas.

Als aber die Handwerker fort waren, fühlte sich Benoni einsam; er ging zu Rosa und sagte, für eine Person allein sei es nicht auszuhalten, und was sie zu einer Veränderung meine? Rosa aber eilte es nicht damit, sich fortzugeben. Sie könnten sich im Frühjahr verheiraten, das sei früh genug.

Inzwischen vertrieb Benoni sich die Zeit mit ein wenig Fischfang am heimatlichen Strand; als aber die Bucht zu gefrieren anfing, wurde es zu mühsam, das Eis aufzuschlagen, und der Fischfang hörte auf. So hatte Benoni nichts weiter auf der Welt zu tun, als Sonntags in die Kirche zu gehen. Ach, das waren Tage für ihn, wo er sich wünschte, wieder die Löwentasche zu tragen; die aber trug jetzt ein Häuslerbauer des Pfarrhofes, ein Familienversorger ohne Ansehen.

Da kam Benoni Hartvigsen in die Kirche. Er trug zwei Jacken und Schaftstiefel mit lackierten Stulpen. Er kam keineswegs mit gebeugtem Rücken daher, sondern hoch aufgerichtet wie ein Denkmal, und wenn er die Psalmen mitsang, blieb er niemals zurück. Redete er auf dem Kirchberg mit den Leuten, benahm er sich durchaus nicht etwa so töricht, als wollte er die geringen Bewohner der Ortschaft nicht kennen; aber er blieb auch nicht stehen und fror grün und blau um eines Gespräches willen. Der Mack und ich! konnte er sagen. Ob du es mir glaubst oder nicht, wir bekamen gestern ein Telegramm, der Hering kommt vom Meer herein! Als der Amtsdiener des Lensmannes seine Bekanntmachungen verlesen hatte, trat er zu Benoni und stellte einige Fragen: Der Hering – sind Nachrichten von draußen gekommen? Benoni antwortete: Der Mack und ich waren gestern an Bord des Dampfers und fragten. Noch eine Frage, und Benoni äußerte: Von morgen ab fängt es bei mir so langsam an geschäftig zu werden.

Die Gemeinde stand rings umher und nickte: Dieser Teufelskerl, nun bekam er eine Eilbotschaft gewissermaßen von unserem Herrgott selbst, wenn der Hering in Sicht war! Und Benoni fuhr sich durch seinen Haarpelz und lächelte mit seinen großen, gelben Walroßzähnen: Nein, das sei wirklich zu viel gesagt, das sei Übertreibung, aber er habe eben seine Erfahrungen, so jämmerlich er auch hier vor ihnen stehe.

Der Diener des Lensmannes schloß sich ihm auf dem Heimweg von der Kirche an. Die beiden waren sich einigermaßen gleichwertig; Benoni hatte seinen großen Reichtum, vom anderen aber mußte man sagen, daß er feiner in Sprache und Gebaren war. Und der Lensmann hatte ja auch erst, als Benoni aufhörte Gerichtsbote und rechte Hand des alten Mannes zu sein, diesen Diener aus der Stadt kommen lassen müssen.

Sie sprachen von Benonis Haus, von seiner Veranda, davon, wie vornehm sie sei, vom Taubenschlag, von der Hochzeit. Benoni scherzte überlegen über die Frauen, die Damen; konnte ein vernünftiger Mann sich auf ihre Gedanken verstehen? Was wollte sie mit ihm, der doch nichts anderes war als ein gewöhnlicher Führer der Galeasse! Und er nannte Rosa seine Braut.

Das muß ich sagen, fing der Diener des Lensmannes an, Ihr würdet sie wohl nicht mehr um vieles hergeben?

Nicht um alles, was Ihr hier seht, antwortete Benoni und deutete auf sein Heim. Sie verlieren? Das gibt es nicht, ich habe ihr Herz gewonnen.

Wenn Ihr nun so geht und miteinander schwätzt, redet Ihr da auch so wie wir jetzt, über die einfachen Dinge, die vorkommen?

Ich rede genau so einfältig und ungelehrt mit ihr wie mit Euch, antwortete Benoni.

Großartig! sagte der Diener des Lensmannes.

Sie waren zu Benonis Haus gekommen, und die beiden Männer gingen hinein. Nach einigen Schnäpsen gab es Essen und Kaffee und wiederum Schnäpse. Benoni wollte diesen Gast ganz herrlich bewirten, diesen Mann, der auf einer Stufe mit ihm stand und den er endlich einmal zu fassen bekommen hatte. Und ihr Geschwätz erfüllte die Stube. Der Diener des Lensmannes war ein junger Mensch in feinen Kleidern und mit steifem Halskragen; man erzählte sich von ihm, daß er alle Gesetze beim Lensmann gründlich studierte, so daß man sich vor ihm in Acht nehmen müsse.

Ich kenne mich jetzt in vielen Dingen so gut aus und in der Kanzlei habe ich wohl jedes einzelne Protokoll im Kopf, sagte er. Aber mit Rosa Barfod, oder, wie ich eigentlich sagen müßte – Fräulein Barfod – ich weiß nicht, ob ich mich getrauen würde, ein Gespräch mit ihr zu führen.

Sie würde dich nicht beißen, antwortete Benoni. Ein Gespräch mit ihr? Lieber Mann, ich nehme sie in die Arme und hebe sie hoch. Mit einem Griff. Aber es ist klar, ich muß mit so einer Frauensperson sehr zart umgehen und sie dann wieder schön niedersetzen. Auch darf ich nichts Gemeines sagen oder mich in ihrer Anwesenheit schlecht aufführen. Da hängt zum Beispiel ein Tabaksbeutel, den sie mir geschenkt hat.

Sie besahen sich den Beutel, der aus Perlen und Seide gearbeitet war. Daß er aber den Beutel als Geschenk bekommen hatte, war von Benoni herzlich gelogen, denn er hatte ihn im Gegenteil auf seiner Reise mit der Galeasse in Bergen gekauft.

Da er mit dem Beutel Glück hatte, wurde Benoni angefeuert, noch mehr zu erfinden, um so recht zu zeigen, welch eine gute Braut er hatte.

Wenn ich mir erst die Zeit nähme, Euch alles zu zeigen, was sie mir gegeben hat! sagte er. Ich habe Kragen und Kleidungsstücke und Taschentücher, alles mit Perlen und Seide. Ich habe ganze Schränke und Kisten voll.

Großartig! sagte der Angestellte des Lensmannes.

Benoni fuhr fort:

Ihr redet vom Wissen und was das alles betrifft, aber was meint Ihr nun zu der, die mehr gelernt hat als wir? Einmal hat sie mich sehr erschreckt.

Wie denn?

Benoni erinnerte sich einer Begebenheit, die einen starken Eindruck auf ihn gemacht hatte, beeilte sich aber nicht, sie zu erzählen. Er schenkte ein, sie tranken. Benoni saß da und machte sich feierlich und mystisch. Es hatte sich um eine Flaschenpost gehandelt. Eine Flasche mit einem Zettel darin war gefunden worden, drei Mann kamen in einem achtrudrigen Boot von den äußersten Schären hereingesegelt und brachten die Flasche. Sie gingen zum Lehrer; er verstand nichts. Sie gingen zum Pfarrer; er verstand nichts. Da fiel ihnen ein, damit zu Mack zu gehen  ... Nun wißt Ihr doch, daß es sicherlich nicht viele Dinge in der Welt gibt, die Mack nicht versteht; aber hier hing er fest. Ich saß selbst auf dem Sofa in seiner eigenen Stube, als die Flasche kam und Mack zu lesen anfing. Was soll das nun bedeuten? sagte er. Dann fragte er mich, ich konnte nichts antworten. Mack grübelte und las und starrte auf seine Hand. Da fing ich allmählich an zu glauben, es müsse etwas auf dem Zettel stehen, das Mack für sich selbst behalten wolle. Es handelt sich um Heringe, dachte ich, um große Fischzüge draußen. Denn Ihr wißt doch selbst, Mack ist ein großer Denker. Aber hier tat ich ihm unrecht; plötzlich rief er in den oberen Stock hinauf: Rosa! Und Rosa kam herunter.

Pause. Da saßen die beiden Männer und waren ganz erfüllt von dieser Begebenheit. Der Diener fragte:

Kam sie damit zurecht? Ich begreife ja sehr gut, wie die Sache zuging, ich bin nicht so dumm: sie verstand das Schreiben?

Benoni dachte nach und machte sich lange Zeit wichtig. Sie verstand es! sagte er mit Nachdruck.

Das wollt Ihr nun wohl nicht behaupten?

Es war genau so wie eins von den zehn Geboten oder wie irgendeine andere Kleinigkeit für sie.

Großartig! sagte der Diener des Lensmannes.

Es war genau wie ihre Muttersprache für sie. Ich wurde ganz kleinlaut dabei. Es fehlte nicht viel und ich dachte, sie sei von einer anderen Welt und gehöre zu den Unterirdischen.

Was stand auf dem Zettel?

Es handelte sich um Menschen in Seenot.

Nach dieser unheimlichen Erzählung tranken sie noch ein paarmal tüchtig und vergaßen die Flaschenpost. Sie fingen an vom Großnetz zu sprechen, von der Galeasse Funtus und von der Reise nach Bergen.

Was den Heringsfang betrifft, sagte Benoni, so wünschte ich mir nichts lieber als einen neuen Fang zu machen. So ein Fang bringt es mit sich, daß eine ganze kleine Stadt bei diesem Netz voller Heringe entsteht. Juden, die mit Uhren handeln, und Goldschmiede kommen, es ist wie ein Markt. Da gehe ich nun hier umher und kann unsere goldenen Ringe nicht kaufen, ehe nicht der Hering da ist. Ich bin ganz hilflos mit meinen zwei leeren Händen.

Aber Benoni hatte seine beste Karte bis zuletzt aufgehoben: Macks Dokument über die fünftausend Taler, den Revers. Er hatte nichts dagegen, daß die Neuigkeit bekannt wurde, und unter dem Vorwand, das Papier von einem Kundigen begutachten zu lassen, holte er es nun hervor und breitete es vor dem Diener des Lensmannes aus.

Langes Schweigen und gründliches Studium.

Was meint Ihr dazu? fragte Benoni.

Der Diener des Lensmannes antwortete:

Genau so gut wie Gold.

Ja, das war es, was auch ich meinte. Und ist es nun auch Eure Meinung, daß Sirilund mit all seinen Herrlichkeiten die fünftausend Taler wert ist? Und Benoni zählte nun all diese Herrlichkeiten auf, an denen er ja jetzt geradezu Mitbesitzer war. Er wurde vor Wichtigkeit ganz aufgeblasen.

Der Diener des Lensmannes studierte immer noch an dem Papier herum und sagte schließlich:

Aber es muß im Thing bekanntgegeben werden. Das ist Vorschrift.


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