Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Als Benoni am nächsten Morgen noch im Bett lag, wurde an seine Kammertüre geklopft. Er glaubte, es sei sein eigenes altes Dienstmädchen, das ihn nun von selbst zu ehren anfange, indem sie anklopfe, und er rief: Bitte, nur herein!
Herein trat ein fremder Mann.
Guten Morgen. Fröhliche Weihnachten möchte ich wünschen.
Der Mann brachte eine Art Entschuldigung vor und zog seine Pelzmütze vom Kopf. Es war ein Fremder mit einem kleinen hellen Vollbart, mit magerem Körper, langhaarig, ein noch junger Mensch.
Benoni lag da, sah ihn an und sagte:
Setzen Sie sich bitte.
Danke. Es war so kalt draußen, sagte der Mann, ich fing an zu frieren. Da dachte ich, ich könnte es vielleicht wagen, zu Hartvigsen hinein zu gehen.
Er hatte eine lebhafte und angenehme Art zu sprechen und war nicht unnötig demütig.
Benoni fragte:
Kennst du mich?
Nein. Ich habe nur von Ihnen gehört. Die Leute sagten, ich solle zu Ihnen gehen.
Wie heißt du?
Svend Johan Kjeldsen. Ich komme aus der Stadt, dort war ich einige Zeit Wächter, die Leute nannten mich nur Wächter Svend. Aber im übrigen bin ich aus dem Süden.
Und was wollt Ihr bei mir?
Benoni wußte nicht so genau was ein Wächter war, deshalb fing er der Sicherheit halber an Ihr zu sagen.
Mein Anliegen an Sie ist – daß alle miteinander sagten, ich solle zu Ihnen, Hartvigsen, gehen. Ich brauche Arbeit und etwas Geld. Geh nicht sofort zu Mack, sagten die Leute, sondern gehe zu Hartvigsen, dann legt er bei Mack ein Wort für dich ein.
Du bist also nicht bei Mack gewesen.
Nein.
Benoni fühlte sich stolz und geschmeichelt. Da sagten also die Leute: gehe zu Hartvigsen, dann bekommst du Arbeit bei Mack!
Ich bin nicht der Mann, bei Mack auch nur das geringste Wort für dich einzulegen, sagte er. Aber es muß sich ja wohl ein Rat finden lassen. Wie bist du hierher gekommen?
Zu Fuß. Ich bin gegangen. Ich habe einen Diamanten, sehen Sie, ich schneide Glas. Ich nahm mir aus der Stadt einen schweren Kasten voll Glas mit und ging umher und habe Fenster eingeglast. Aber nun ist mir das Glas ausgegangen.
Der Mann lächelte und Benoni lächelte.
Das ist ja auch keine richtige Arbeit, meinte Benoni.
Aber ich besaß nun einmal diesen Diamanten, ich hatte ihn eines Nachts, als ich noch Wächter war, auf der Straße gefunden. Und da wollte ich ihn verwenden.
Na, und dann ging das Glas aus?
Heute nacht verbrauchte ich mein letztes bißchen Glas. Ich traf auf ein ganz kleines Haus hier in der Ortschaft, es hatte ein Herz in der Türe, dort setzte ich eine Scheibe ein.
Benoni fing an zu lachen:
Du setztest eine Scheibe ein ...?
Nur zum Zeitvertreib. Es war so schöner Mondschein, ich mußte irgend etwas tun. Ja, und da schnitt ich eine Scheibe und kittete sie gut ein. Ich glaube fast, daß es beim Schullehrer war.
Hahaha, lachte Benoni laut, jetzt glaubt er, es sei ein Spuk.
Der Mann lachte mit. Dann schüttelte er sich und sagte:
Und dann wurde es draußen so kalt, daß ich hierher ging und bei Ihnen anklopfte. Ich war die ganze Nacht draußen. Als ich gestern abend hierher kam, war das Haus geschlossen.
Ich war bei Mack eingeladen, erklärte Benoni. Du hättest um Mitternacht da sein sollen, als ich heimkam.
Da war ich zu dem kleinen Haus zurückgegangen. Soll ich einheizen?
Du sollst dich nicht bemühen, ich werde selbst ...
Benoni sprang aus dem Bett, aber der fremde Wächter Svend rief: Bleiben Sie liegen, bleiben Sie liegen, und fing selbst an einzuheizen. So verrückt! Benoni erklärte, daß er zu solcher Arbeit ein Mädchen habe, daß sie aber noch nicht gekommen sei.
Soll ich den Kessel aufsetzen? fragte Wächter Svend
Kannst du das? Das Mädchen muß ja gleich hier sein, aber ...
Da setzte Wächter Svend den Kessel auf, und als das Wasser kochte, schüttete er zwei Mühlen voll Kaffee hinein. Spare nicht an den Bohnen, sagte Benoni. Als es warm in der Stube war, stand er auf und brachte etwas zu essen. Dann fiel ihm auf einmal ein, daß der Fremde den Eindruck erhalten solle, er sei bei einem gebildeten Mann, und nun fing Benoni an sich mächtig zu waschen. Als das getan war, setzte er auch Branntwein vor. Sie aßen und tranken alle beide, und es war für Benoni sehr lustig, diesen verteufelten Wächter Svend schwätzen zu hören. Das war ein nettes Frühstück.
Dann kam das Hausmädchen. Benoni schenkte ihr einen Weihnachtsschnaps ein und sagte, sie könne sich jetzt bei dem Fremden für die Arbeit bedanken. Bringe frisches Waschwasser herein, sagte Benoni weiter.
Für mich? Ich habe mich gewaschen, antwortete Wächter Svend darauf. Das machte ich im Wald, ehe ich hierher ging. Ich wasche mich im Schnee.
Womit habt Ihr Euch abgetrocknet? fragte das Mädchen.
Mit dem Ärmelfutter in meiner Joppe.
Großartig!
Und mein Haar kämmte ich mit einem trockenen Tannenzapfen.
Habt Ihr je so was gehört! sagt das alte Mädchen zu Benoni.
Dieser Fremde bereitete Benoni vom ersten Augenblick an Vergnügen. Daß er kam und sich so bedürftig vorstellte wie er war, gereichte ihm auch nicht zum Schaden; er war also kein dicker reicher Kerl, der in den Taschen mit Silbergeld klimperte und Benoni ausstechen konnte. Und der gute Wächter Svend war so dankbar für alles und brachte so höfliche Worte für jede Wohltat voll: als Benoni ihn aufforderte, nicht mit den Kaffeebohnen zu sparen, antwortete Svend darauf: jaja, ich begreife, daß ich in ein wohlhabendes Haus gekommen bin. Und als Benoni versprach, ihn zu Mack mitzunehmen und sich für ihn einzusetzen, äußerte Svend nur – gleich nach seinem größten Dank – daß dies genau so sei, wie alle Leute ihm prophezeit hätten.
Und will Mack dich nicht nehmen, dann nehme ich dich, sagte Benoni.
Es war früh am Morgen, und er hatte zwei Schnäpse getrunken, da hatte er ein weites Herz. Er fuhr fort:
Ich habe vielleicht für ebensoviel Leute Verwendung wie Mack, was das betrifft.
Jetzt aber fühlte Benoni selbst, daß er übertrieb, und er sagte, um es etwas abzuschwächen:
Da unten hängt nun mein Großnetz. Wenn es heuer Heringe gibt, dann habe ich dreißig Hände zu wenig.
Sollen Sie nicht nach den Lofotinseln? fragte Wächter Svend.
Benoni stutzte. Auch das wußte der Fremde, daß er die Galeasse führen und Last für drei Fahrzeuge kaufen sollte. Da antwortete er kurz und bündig:
Wenn ich mich für die Lofotinseln entschließe, dann nehme ich dich mit.