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14

Benoni blieb noch ein wenig auf dem Weg stehen und war unschlüssig. Erst wollte er Rosa nachgehen; aber das mochte der Teufel tun und nicht er! So entschloß er sich, zum Küstershof zu gehen, obwohl er dort nichts zu tun hatte. Nein, jetzt war Benoni keineswegs mehr wie ein aufrechtes Denkmal, und er konnte nicht mehr im Scherz damit prahlen, daß er leider das Herz Rosas, der Pfarrerstochter, gewonnen habe und sie nicht mehr loswerden könne.

Als der Küstershof in Sicht kam, blieb er stehen und sah ihn eine Weile an, idiotisch, mit vorgestrecktem Kopfe, dann kam er wieder zu sich selber, kehrte um und ging nach Sirilund zurück, um Mack zu treffen.

Jaja, ich bin unterwegs und habe etwas zu tun, sagte Benoni.

Mack dachte einen Augenblick nach und verstand sicher alles. Aber nicht umsonst war er Mack, er legte den Federkiel auf das Pult und fragte:

Es handelt sich wohl um deine Heuer? Wir haben noch nicht abgerechnet. Willst du sie bar ausbezahlt haben?

Ja, ich weiß nicht. Es ist so verschiedenes; es ist mir so vielerlei widerfahren, daß ich bald nicht mehr weiß, wo ich anpacken soll.

Es ist nichts im Wege, daß du deine Heuer bekommst, sagte Mack und griff wieder zur Feder, um auszurechnen.

Benoni war offenbar ganz in Gedanken, er sagte: Auf den Lofotinseln sprachen sie von einer Bank oder so etwas.

Einer Bank?

Ja. Daß es sicherer sei. So sagten sie.

Da lächelte Mack plötzlich einen Augenblick lang und fragte dann:

Sicherer?

Ja, weil die Bank das Geld in einen eisernen Schrank legt, der niemals verbrennen kann, sagte Benoni und zog sich gut aus der Sache.

Mack öffnete sein Pult und holte seinen kleinen Schrein hervor.

Das ist nun mein eiserner Schrank, sagte er. Und das war auch der meiner Vorfahren, fuhr er fort. Schließlich nahm er den Schrein und stellte ihn mit folgenden Worten ein wenig hart ins Pult zurück: Und der ist niemals verbrannt.

Nein, nein, sagte Benoni; aber wenn das Unglück doch einmal geschieht?

Dann hast du den Revers! – Da aber erinnerte Mack sich plötzlich, daß der Revers ja verloren gegangen war. Und um der Frage, ob er wieder gefunden sei, wegen der Verlesung im Thing zu entgehen, sprach er hastig weiter und sagte: Im übrigen habe ich keine Reichtümer in diesem Schrein. Ich sende das Geld hinaus, verwende es.

Aber Benoni war zu zerstreut, um disputieren zu können, er fing plötzlich an vom Klavier zu reden, vom Silberzeug und von dem Nähtisch aus Rosenholz, daß er vielleicht keine Verwendung dafür habe, daß es vielleicht bei ihm ganz umsonst stehen würde. Da seien nun Rosa und Jung-Arentsen  ...

Was ist mit Rosa?

Die Leute sagen so viel. Der Nikolai vom Küstershof ist heimgekehrt und soll sie bekommen, sagen sie.

Das habe ich nicht gehört, antwortet Mack. Hast du mit ihr gesprochen?

Ja. Sie war sehr unzugänglich.

Diese Frauenzimmer! sagte Mack gedankenvoll.

Benoni dachte an alles, was er für Rosa getan hatte und hatte tun wollen, er sprach beleidigt, gekränkt, fiel in der Erregung in seine natürliche Sprachweise zurück, und sagte das, was gesagt werden mußte:

Ist das erlaubt, so mit einem umzugehen? Von Rechts wegen sollte ich dem Nikolai so viel von seiner Rechtsgelehrsamkeit heimzahlen, wie auf seinem Rücken Platz hat.

Hat Rosa etwas Bestimmtes gesagt?

Nein, nicht ein bestimmtes Wort. Sie redete mich dumm an. Nein, sie sagte nicht mit klaren Worten, daß es vorbei sein sollte, aber sie meinte das.

Mack ging ans Fenster und dachte nach.

Es gibt einen alten Spruch: Frauenlist ist ohne Ende. Ich aber meine, Frauenlist hat sowohl Schlingen als auch Enden.

Es paßte Mack nicht, mit irgendeinem Benoni in der Welt zu schwätzen und sich von ihm Vertraulichkeiten gefallen zu lassen. Er wandte sich vom Fenster ab und sagte kurz:

Ich werde mit Rosa sprechen.

Durch Benonis Herz flog eine kleine Hoffnung:

Jaja, vielen Dank dafür.

Mack nickte, zum Zeichen, daß nichts weiter mehr zu sagen sei, und griff nach der Feder.

Aber nun ist noch das Klavier und die anderen Sachen. Denn das ist ja unbrauchbar für mich, wenn  ...

Laß mich nun erst mit Rosa sprechen, sagt Mack.

Jaja, und dann die Bank  ...

Davon ein andermal.

Benoni ging zur Türe, drehte seinen Hut ein paarmal herum und sagte zögernd:

Jaja  ... Bleibt in Frieden!

Benoni geht heim, es steckt nicht viel Mannesmut in ihm, noch nie hat es so traurig für ihn ausgesehen. Tags darauf kommt er wieder zu Mack, um etwas zu erfahren; Mack hat mit seinem Patenkind noch nicht sprechen können. Das ist sonderbar, denkt Benoni, aber Mack will vielleicht tagelang auf sie einwirken. Benoni wartet zwei Tage und kommt dann in höchster Spannung zu Mack. Jetzt wußte er, daß Rosa nicht mehr auf Sirilund war, er hatte sie selbst auf dem Weg zum Gemeindewald gesehen.

Kopfschüttelnd empfängt ihn Mack:

Ich verstehe das Mädchen nicht.

Haben Sie mit ihr gesprochen?

Oft. Ich darf wohl sagen, ich war ein guter Fürsprecher für dich. Aber  ...

Jaja, sagte Benoni vernichtet, dann ist es vorbei.

Mack denkt am Fenster. Unterdessen beginnt Benoni aufzulodern, er wird stolz und zornig:

Sie wollte mir den goldenen Ring und das Kreuz zurückschicken, sagte sie. Das ist nicht nötig, antwortete ich, du hast es bekommen und du kannst es behalten. Es wird trotzdem noch für Kleider und Essen für mich reichen, sagte ich, haha. Es wird mir trotzdem noch zu einem Tropfen für die Grütze reichen, sagte ich.

Benoni lachte wieder kurz und gereizt. Und mit dem Tropfen meinte er einen Löffel Milch zur Grütze.

Na, noch habe ich ja meine letzte und beste Karte nicht ausgespielt, sagte Mack und wandte sich um. Sie wird schon mürbe, meinte er und machte Benoni Hoffnung.

Meinen Sie?

Mack nickte mit zusammengekniffenem Mund.

Nehmen Sie mir's nicht übel, aber was sollte das für eine Karte sein?

Aber da winkte Mack ab. Keine Unterhaltung. Er sagte:

Überlasse das mir  ... Was die Bank betrifft, von der du da redest – ist es deine Absicht, dein Geld bei mir zu kündigen?

Nein, ich weiß nicht. Mir ist so schwer zumute.

Ich möchte am liebsten klaren Bescheid haben. Da gehe ich umher und arbeite für deine Sache, ich brauche Ruhe, um darüber nachzudenken, deshalb möchte ich zwischen uns alles klargestellt haben.

Seien Sie nicht ungehalten, ich will das Geld stehen lassen, ich brauche es noch nicht.

Benoni begriff, daß er nicht mit einemmal so drauflosgehen durfte, er mußte warten, bis Mack mit Rosa zu Ende verhandelt hatte. Noch war Hoffnung. Mack war so ungewöhnlich allmächtig.

Als Benoni das Kontor verläßt, bemerkt er, daß Steen, der Ladengehilfe an der Wand einen Anschlag anheftet.

Was gibt es Neues? fragt er.

Steen murmelt nur etwas und antwortet nicht.

Benoni sieht, daß es die Anberaumung des Things ist und bleibt stehen, um das Datum zu lesen. Er ahnt, daß der arme Steen seit dem Tage im Winter, als sie zusammen im Laden standen, Groll gegen ihn hegt, und will ihn deshalb nicht näher fragen. Aber Steen übereilt sich nicht mit der Arbeit, er legt seine große blaue Hand auf das Plakat und steckt jeden Nagel umständlich durch ein Lederfleckchen, es nimmt kein Ende. Wäre es noch wie in alten Zeiten gewesen, in seiner großen Zeit, hätte Benoni den mageren Steen ohne weiteres mit seiner Hand fortgeschoben; jetzt ist er schwer gezüchtigt und im Herzen demütig und wagt nicht mit irgend jemand Feindschaft zu haben. Er muß fortgehen, ohne das Datum gelesen zu haben.

Ja, wirklich, Gott hatte ihn tief gestürzt. Da stand er nun mit seinen großen Mitteln und seinen Kostbarkeiten; aber niemand war da, sie mit ihm zu teilen. Es gab keinen Zweifel darüber, daß Rosa von ihm fortgehen wollte; hätte er doch nie so hohe Gedanken gehabt wie den, sie zu bekommen! Wie hätte es auch gutgehen können, er hatte sie sich ja schon das erstemal, im Gemeindewald, in der Höhle erschwindelt, als er mit der Post des Königs ging. Ach, die schönen Tage mit des Königs Post, mit der Löwentasche, als er den Leuten die Briefe brachte und mit allen gut Freund war! Im Winter lag der Wald still und weiß und voller Schnee unter dem Nordlicht, im Sommer roch es nach Vogelkirschen und Tannenwald, daß es eine wahre Erquickung war. Es war wie eine Mahlzeit aus kräftigen Seevögeleiern gewesen.


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