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22

Einige Tage nach dem Fest kam Benoni zu Mack ins Kontor. Mack wußte wohl sofort, was er wollte und sagte:

Guten Tag, Hartvigsen. Ich habe eben vorgehabt, einen Boten nach dir zu senden, wir haben ja eine Gegenabrechnung, die ich gerne ordnen möchte.

Benoni war äußerst gespannt. Es war doch wohl nicht möglich, daß Mack ihm das Geld bezahlen konnte?

Zunächst muß ich bedauern, daß ich dich zum Weihnachtsabend nicht einladen konnte, sagte Mack. Es ließ sich heuer nicht machen.

Ach, wer wird davon reden! antwortete Benoni ein wenig bitter. Ich habe weder Stand noch Stellung dazu.

So? Nicht? Ich will dir nur etwas sagen, mein lieber Hartvigsen. Ich hätte niemand lieber bei mir gesehen als dich. Aber mit Rücksicht auf dich selbst und andere mußte ich es unterlassen, dich einzuladen.

Na, ich hätte sie nicht gebissen.

Hm. Ich glaube sicher, du begreifst, wie unangenehm es für – ja, für alle gewesen wäre. Ihr Mann war ja auch da.

Benoni fing an zu ahnen, daß Mack richtig gehandelt hatte, und er sagte nachgiebig:

Ja, ja. Ich meinte es auch nicht so.

Mack öffnete das Pult und hob den Geldschrein am Griff heraus. Der Schrein sah herrlich schwer aus in dieser schlanken Hand. Plötzlich hält Mack inne und sagt:

Noch etwas: kannst du den Funtus heuer nach den Lofotinseln übernehmen?

Ob ich  ... den Funtus?

Also heuer so wie voriges Jahr.

Soll nicht der Arn Törker die Galeasse führen?

Nein, antwortete Mack kurz.

Pause.

Du verstehst doch wohl, daß ich Arn Törker nach Bergen schicken kann, sagte Mack, es ist ja nur eine Kleinigkeit, eine Last abzuliefern. Aber ich kann ihn nicht dazu verwenden, die Last für drei Fahrzeuge zu kaufen. Dazu gehört ein Kopf.

Na, wenn er zur Reise nach Bergen gut genug war  ... fing Benoni an.

Und vor allem, fuhr Mack fort, gehört Verantwortlichkeitsgefühl dazu. Arn Törker besitzt ja nichts. Aber dir kann ich so viele Tausende anvertrauen als ich will. Du stehst mir gut dafür.

Es tat Benoni wunderbar wohl, diese Worte aus Macks Mund zu hören, nach all dem Geschwätz von Bankrott, das er hatte aushalten müssen. Er fragt:

Nicht alle denken so wie Sie. Nach der Steuerliste habe ich kein Vermögen mehr.

Glücklicher Mann! Kein Vermögen, keine Einnahmen, keine Steuern  ... Und Villads Bryggemand und Ole Menneske werden wie im vorigen Jahr die Jachten segeln. Dann nimmst du selbst wohl Wächter Svend mit auf den Funtus.

Aus lauter eingewurzeltem Respekt vor Mack auf Sirilund, aus angeborenem Drang, diesem Herrn über alles in meilenweitem Umkreis zu gehorchen, wies Benoni diesen Vorschlag nicht sofort zurück; er wußte ja außerdem auch, daß Mack es war, der mit einem Schlag den allgemeinen Glauben an sein Vermögen wieder herstellen konnte. Er sagte:

Wenn ich nur auch genügend dafür einstehen kann.

Du warst mir voriges Jahr gut dafür.

Da sagte Benoni:

Aber wie es auch sei. Geld habe ich keines mehr.

Geld? fragt Mack verwundert. Hier ist Geld, sagt er und legt seine flache Hand auf den Schrein.

Na, jaja.

Aber die Geschichte ist die, daß ich Verwendung für das Geld habe, sagt Mack und geht gleich auf die Sache los. Ich möchte das Geld gerne noch eine Weile behalten dürfen, ich möchte Fisch dafür kaufen. Ich habe einen Vorschlag: du fährst selbst nach den Lofotinseln und kaufst Last für die drei Fahrzeuge ein, kaufst Fisch, wie du willst. Im Herbst, wenn ich verkaufe, bekommst du dein Geld mit Zinsen zurück.

Nein, antwortete Benoni, ich habe mich entschlossen  ... Nein, durchaus nicht  ... Und welche Gewähr habe ich dafür, daß ich das Geld bis zum Herbst bekomme?

Du hast ja doch im Fisch ein Pfand? antwortet Mack wieder erstaunt.

So, bekomme ich den Fisch zum Pfand?

Selbstverständlich. Der Fisch gehört dir, bis ich ihn verkaufe. Dann gehört das Geld dir.

Benoni brachte dieses neue Projekt auf einmal in Verbindung mit dem Trockenplatz, den er gekauft hatte, es fiel ihm ein, daß er nun Verwendung für seine Klippen habe, denn jetzt bekäme er Fische. Etwas unsicher in seinem Gedankengang sagte er:

Aber wenn ich für mein eigenes Geld Last kaufe, dann kaufe ich ja eigentlich die Fische nicht für Euch.

Lieber Hartvigsen, um Fische zu kaufen, braucht man Fahrzeuge; ich habe drei, du hast nicht eines. Ferner will ich dir heute noch so wie früher helfen: Du sollst anfangen, dich zu üben. Denn es ist doch deine Absicht, einmal auf eigene Rechnung Fische zu kaufen, wozu hättest du dir sonst den Trockenplatz zugelegt? Nun also, im Vertrauen auf deinen guten Kopf und deine glückliche Hand gebe ich dir heuer Gelegenheit, dich auf meine Rechnung einzuüben: verdiene ich ein wenig, dann ist es gut, verliere ich, so trage ich und nicht du den Verlust. Du vermehrst nur die Zinsen deines Geldes, abgesehen von der Heuer.

Benoni stand lange da und dachte nach. Dann sagte er:

Ich hätte Lust, das Geld wenigstens zu sehen.

Mack öffnete den Schrein und hob Bündel auf Bündel von Scheinen heraus. Und Benoni zog vor Erstaunen die Augenbrauen hinauf, daß die Falten in seiner niederen Stirne im Haarpelz verschwanden.

Willst du es zählen? fragte Mack.

Nein, ich wollte nur  ... Nein, durchaus nicht  ...

Und ohne Geld, wie er hineingegangen war, verließ Benoni Macks Kontor. Er hatte nur zum Schluß noch daran gedacht, sich bis auf weiteres Kredit im Laden auszubedingen, bis zum Herbst, bis der Klippfisch verkauft werden würde. Und Mack sagte nicht nein dazu, sagte durchaus nicht nein, sondern gewährte Benoni Kredit im Laden. Da kann geholfen werden, sagte Mack. Und obwohl Benoni den unausstehlichen Ladengehilfen Steen sehr scheute, mußte er nun doch zu ihm gehen.

Wenn mein Mädchen kommt, um das und jenes im Laden zu holen, dann mußt du es aufschreiben, sagte Benoni.

Hat Mack dir Kredit gewährt? fragte Steen, der Ladengehilfe.

Benoni schluckte die Unverschämtheit hinunter und antwortete lächelnd:

Ja. Er glaubte anscheinend, daß ich ihm gut dafür stehe. Was glaubst du?

Ich? Mir ist es gleich, für wen ich aufschreibe. Es stehen ja doch alle miteinander in unseren Büchern.

Haha. Warum sagst du nicht deine Bücher?

Benoni wollte wohl einmal versuchen, diesen Ladenschwengel zu seiner natürlichen Größe zusammen zu ducken, da er so unangenehm und großspurig geworden war. Sieh, nun hatten auch Rosa und der Rechtsanwalt eines der Kinder Steens zu sich genommen, ein kleines sechsjähriges Mädchen, das kleine Gänge für sie machen mußte und mit dem sie sich unterhielten; seit das aber geschehen war, war Steen noch hochmütiger geworden, weil sein kleines Mädchen ein neues Kleid bekommen hatte. Das sind Leute! sagte er zu Benoni; die ziehen das Kind wie eine Prinzessin an, und sie bekommt mehr zu essen als sie braucht! Weil eben der Rechtsanwalt nicht selbst Vater eines Kindes werden kann, sagte Wächter Svend, der daneben stand und zuhörte. Sie stritten eine Weile darüber; Wächter Svend behauptete, es würde wohl nicht mehr lange mit der Herrlichkeit des Rechtsanwalts dauern, jetzt habe er vom Küstershof ausziehen und sich beim Schmied einmieten müssen: sei das ein Haus und Heim für eine feine Dame? Und was für einen Mann Rosa vom Pfarrhof bekommen hatte! Der stand ja am Branntweinausschank und trank. Pfui. Wäre ich hier Wächter, sagte Svend, ich würde nur meine Hand auf seine Schulter legen und sagen: Kommen Sie mit mir!

Benoni nahm Wächter Svend mit sich hinaus und sagte:

Wir sollen mit dem Funtus wieder nach den Lofotinseln fahren. Was meinst du dazu?

Was Wächter Svend dazu meinte? Nein, er hatte gar keine Lust zu dieser Fahrt. Er hatte jetzt die Sache mit Ellen wieder in Ordnung gebracht, nach dem großen Ausbruch am Weihnachtsabend, es war seitdem eher besser geworden mit ihnen, die Prügel und das Messer hatten auf die kleine Ellen wirklich Eindruck gemacht und sie gebessert. Sie hatte sich nur dicht an ihn geschmiegt und vorwurfsvoll gesagt: Aber das wirst du wohl nie mehr tun, nicht wahr? Nein nein, antwortete er flau und unglücklich; ich war ja nur so jäh gewesen! Aber Mack selbst sagte ganz offen zu Ellen: Wächter Svend soll dich zum Frühjahr bekommen; ich will hier am Ort keinen Mord haben.

So stand denn Wächter Svend vor seinem alten Schiffer und zeigte wenig Lust zur Lofotreise.

Aber die Sache sei nun die, daß er heuer seinen eigenen Fisch kaufe, erzählte Benoni.

So? Das sei eine andere Sache. Seinen eigenen Fisch? Da wollte Wächter Svend dabei sein, das wäre ja sonst eine Schande  ...

Benoni zog auf seiner Galeasse nach den Lofotinseln, und die beiden Jachten folgten nach. Dann lag die Bucht von Fahrzeugen verlassen da. Und der Winter hüllte das ganze Land in Schnee und Stille ein  ...

Unterdessen ist der Rechtsanwalt mit seiner Frau in das Haus des Schmiedes gezogen. Nur vorläufig, sagte Jung-Arentsen, später können wir bauen! Sie hatten die alte Küstersfrau bei sich und das Pflegekind, Steens Tochter.

Sie konnten sich einrichten, wie sie wollten, der Schmied selbst behielt sich nur eine Kammer im Hause zurück; es wurde heftig geputzt, bis endlich oben und unten alles rein war, und an einem Teil der Fenster wurden Vorhänge angebracht. Noch nie war das Haus des Schmiedes so schön gewesen; aber es war ja auch nie beabsichtigt gewesen, daß feine Leute darin wohnen sollten. Rosa hatte sich, einige Tage ehe sie einzog, eine Putzfrau angestellt, die tüchtig zugriff. Und das Sofa und die zwei schönsten Stühle wurden der Fremden halber, die kommen würden, in Nikolais Kanzlei gestellt; zwar war es nun in der Stube sehr öde und leer, aber dort kam es ja auch nicht so genau darauf an. In einigen Jahren würde man sich vielleicht ein Klavier für den gähnenden Winkel gegen das Meer zu leisten können.

Auf der ersten Türe im Gang ließ der Rechtsanwalt sein Schild anbringen, und von Zeit zu Zeit ging er in geschäftlicher Absicht durch diese Türe, um sie auf jeden Fall täglich zu benutzen. Aber es kam niemals mehr irgend jemand zu ihm auf die Kanzlei. Nein, es war Winter, alle Streitigkeiten und Zwiste schliefen. Ach, daß er sich nicht den Fischrichterposten verschafft hatte, wie er sich vorgenommen hatte! Nun ging er hier umher, wurde mit jedem Tag dünner und leerer und war darauf angewiesen, mit dem Schmied irgendein unschuldiges Kartenspiel zu spielen.

Auch daß die Gerichtshöfe ihn so schändlich behandelten, konnte das Gemüt des Rechtsanwaltes nicht aufheitern. Nun war der Prozeß zwischen Levion in Torpelviken und Hugh Trevelyan vom Stiftsobergericht entschieden und wieder verloren worden: Das Urteil des Untergerichtes blieb bestehen. Was waren das für Gerichte! Und was noch schlimmer war: Das Obergericht hatte dem Rechtsanwalt Arentsen mit derben Worten eine Zurechtweisung erteilt und ihm eine Geldbuße wegen unziemlichen Verhaltens bei einer Eingabe wegen des Mädchens Edvarda auferlegt. Etwas ängstlich erwartete er nun die Entscheidung etlicher anderer Prozesse ähnlicher Art. Was blieb ihm da anderes übrig, als zu diesem unschuldigen Kartenspiel zu greifen, samt den immer häufigeren Gängen in den Laden auf Sirilund?

Nicht daß Nikolai Arentsen ein großer und rettungslos verlorener Säufer gewesen wäre; aber er trank recht tüchtig und wurde deshalb ganz stumpf von Faulheit und Langeweile. Er fing damit an, sich an den Branntweinausschank hinzustellen und so zu tun, als habe er Fieber und sei erkältet; hatte er sich dann ein paar Viertelpinten einverleibt, verließ er den Platz. Aber auf die Dauer konnte die Erkältung nicht anhalten, und er verlangte seine Viertelpinten offener, weil er Salzfleisch zu Mittag gegessen habe, weil er einen langen Weg hinter sich habe. Ah, komm her, Steen, gib mir einen Schnaps! rief er laut, um sich ungeniert zu zeigen. Bisweilen spielte er Karten um Schnaps, und ging dann zusammen mit dem Schmied hin, um ihn zu trinken. Wenn Rosa ihm diese Geselligkeit vorwarf, antwortete er, er tue das, um den Leuten der Gemeinde, von denen er leben müsse, zu zeigen, daß er nicht hochmütig sei.

Ach, es gab bereits Uneinigkeiten zwischen Rosa und Jung-Arentsen. Sie fingen an, als der alte Küster begraben werden sollte: Jung-Arentsen hatte der Leiche den Ring abgenommen. Mein lieber Vater hätte den Ring noch zu seinen Lebzeiten ablegen können, sagte er, er kann es sich nicht leisten, ihn mit sich zu nehmen! Aber es war nur noch ein ganz dünn gewetzter Ring, der gerne am Finger hätte bleiben können, trotzdem aber hatte Jung-Arentsen so lange an den steifen Fingern gezogen und gezerrt, bis er endlich den Ring abgestreift hatte. Rosa erfuhr davon mit innerem Harm, und um die alte Küstersfrau zu trösten, hatte sie gesagt: So soll er dafür von mir einen schöneren Ring bekommen! Und hatte die Leiche mit dem schweren goldenen Ring geschmückt, den sie selbst von Benoni erhalten hatte. Sieh, dieser Ring war ja niemals zurückgesandt worden, er trieb sich zusammen mit einem gewissen goldenen Kreuz im Kasten umher; nein, Nikolai hatte jedesmal gesagt: weshalb willst du den Postbenoni verletzen, indem du ihm die Sachen zurückschickst? Na, jetzt konnte der Ring einen Ehrenmann in seinem Grabe schmücken. Und er ging so leicht über den alten Finger, der nur noch Haut und Knochen war. Ah, aber Jung-Arentsen – hoho, dieser Satanskerl, Jung-Arentsen war schlau, und noch ehe der Sarg zugenagelt wurde, nahm er die Gelegenheit wahr, bemächtigte sich auch des anderen Ringes und hob ihn auf.

Eine Zeitlang noch war der Ton zwischen den Eheleuten gut und leicht, und die Witze und Scherze des Mannes waren der jungen Frau immerhin noch erträglich. Schon allein Nikolais Versuch, den lustigen Ton fortzusetzen, zeigte ja eine Art guten Willens. Aber je länger der Winter dauerte, desto bitterer wurde Nikolai innerlich, und seine Worte hatten bisweilen eine Spitze. Als er Rosa das erstemal Wasser vom Brunnen holen sah, machte er sich sofort einen kleinen Vorwurf. Er saß in seiner Kanzlei und sah sie vom Fenster aus, unwillkürlich erhob er sich ein wenig vom Stuhl, wie um zu ihr zu eilen und ihr den Eimer abzunehmen. Aber das war vielleicht nicht klug, es war ja auch nicht so schlimm, daß Rosa den Eimer trug. Später sah er sie in ihrer Schürze Holz ins Haus tragen, ohne daß es ihn rührte. Sollte er ihr vielleicht ein Mädchen anstellen, kinderlos wie er war und blieb? Waren nicht schon drei Frauenzimmer im Hause? Sie hätte sich übrigens gern einen Sack für das Holz vorbinden können, um ihre Schürze nicht zu zerreißen.

Na, aber unter diesen Umständen ging es eben mit Rosa so, wie es gehen konnte. Das große, rote, kupferne Lächeln fing an zu erblassen; aber ein Lächeln konnte ja auch nicht ewig dauern.

Was ist das für ein Essen für erwachsene Leute? sagte er. Das ist ja wie Federn und Daunen, so wenig und leicht ist es. Ich will weiter nichts darüber sagen, aber das ist kein Essen für Leute, die arbeiten.

Leute, die arbeiten! Er rührte den ganzen Tag keine Arbeit an!

Es ist so kalt hier und nicht ein Stück Holz da, sagte er des Abends.

Ja, geh doch du selbst und hol dir ein wenig Holz, antwortete sie. Du meine Güte, du bist doch wohl dick genug dazu, haha.

Rosa sah ihn mit ehrlichem Unwillen an, weil er mit jedem Tag zunahm und dicker wurde; die Backen fingen zu hängen an.

Er war, wie er immer zu sein pflegte, faul und ein wenig komisch.

Ja, wenn du mich die Magerkeit in Person nennen würdest, wäre das eine ausgemachte Lüge in deinem Mund, Rosa. Die Magerkeit ist ein Fehler, der mir fehlt, folglich ist Speck ein Vorteil, der –

Ach, rede noch ein wenig mehr, Nikolai. Dann kommen deine Backen in Bewegung.

Die Backen sollen doch auch keine Ecken in einem Gesicht sein, sagte er.

Aber du fängst an, auch am Bauch gut und behäbig zu werden.

Hm. Das ist mehr, als bei dir der Fall ist.

Rosa ging um Holz hinaus und heizte den Ofen. Es war nicht ihre Schuld, daß ihr Bauch so klein blieb, bei Gott im Himmel, das war nicht ihre Schuld! dachte sie.

Wie dünn willst du mich denn haben? fragte er ärgerlich. Es paßt sich doch nicht für den Rechtsanwalt Arentsen, wie ein ausgehungerter Schneider umherzugehen. Damit verschaffe ich mir keinen Respekt unter den Leuten.

Aber es nützte nichts, zu versuchen, sie durch solche Witzeleien zu ermüden, sie hatte sie schon so lange gehört, sie waren ihr so gleichgültig; ihr Ernst wuchs nur dadurch, und sie begann mit zusammengekniffenen Lippen umherzugehen. Bisweilen machte es ihm Spaß, mit dem Pflegekind, der kleinen Martha, zu plaudern, und er lehrte sie Bauchdruck statt Alpdruck zu sagen: Rosa, der Frivolität nicht lag, tat es um das Kind leid, und sie sagte, um es das Rechte zu lehren: Er macht nur Spaß mit dir, Martha, das hörst du ja! Da rief er von der Stube heraus: Ich hätte nicht geglaubt, Rosa, daß du so grundlangweilig sein kannst.

Schlimmer aber als alles miteinander war, daß das kleine zusammengekratzte Kapital des Rechtsanwalts Arentsen rasch zusammenschmolz. Es war ja auch in Wirklichkeit kein Reichtum gewesen, den er gesammelt hatte; er hatte im vergangenen Jahr einen guten Anfang gemacht und etliches Geld verdient, aber seit dem Thing im Frühjahr hatte kein Mensch mehr einen ordentlichen Streit angefangen, und die Einnahmen blieben nun aus. Allerdings würde das Geld wohl nach dem Lofotfischfang wieder strömen und ihn überschwemmen; aber bis dorthin war es schmerzlich, jeden Schilling des alten Bestandes verbrauchen zu müssen. Ein wenig ging beim Kartenspiel mit dem Schmied darauf, ein wenig mit den Schnäpsen auf Sirilund, was weiter? Sollte er sich vor Langweile umbringen, er, der im Gegenteil leben und das ganze Haus versorgen mußte? Es war ja auch gar keine Vernunft darin, erst acht oder neun Monate verheiratet zu sein und sich doch schon mit einer Familie von vier Menschen herumzuschleppen.

Gegen Ende März fiel die Entscheidung des Obergerichts in Sachen Aron in Hopan: auch dieser Prozeß verloren, das Urteil des Untergerichtshofes wurde aufrechterhalten. Und dem Rechtsanwalt Arentsen wurde eine neue Geldbuße auferlegt, diesmal wegen unnötigen Streitens. Zum Teufel, was sollte das alles bedeuten? Die Gerichtshöfe taten sich offenbar zusammen, um die ganze Tätigkeit eines strebsamen jungen Rechtsanwaltes zu unterbinden.

Er sandte Klein-Martha nach Sirilund, eine ganze Flasche Branntwein zu holen, und tat sich mit dem Schmied zum Trinken zusammen. Als die Flasche leer war, schlenderten sie alle beide nach Sirilund hinüber und machten dort Fortsetzung. Am Abend kam Jung-Arentsen wieder heim und war mit nichts zufrieden: das Essen war kalt, die Mutter, die alte Küsterswitwe schlich mager und erschreckt vor ihm davon, und Rosa lachte zuerst nur über sein betrunkenes und zerzaustes Aussehen, als er aber darüber beleidigt war, schwieg sie hartnäckig und sagte kein Wort.

Ja, ich habe viel Hilfe an dir, Rosa, wenn ich verzweifelt bin, sagte er.

Schweigen.

Der verlorene Prozeß heute, fuhr er fort, bedeutet offenbar, daß die Gerichtshöfe mein Geschäft vernichten wollen; was sagst du dazu?

Endlich antwortete sie:

Ich finde, du solltest das Kind nicht um Branntwein nach Sirilund schicken.

Hm. Das ist nun dein erster Gedanke, wenn dein Mann, der Rechtsanwalt, einen Prozeß verliert!

Schweigen.

Branntwein? Was meinst du damit? Ich, der zwei Flaschen leeren kann und sich doch gleich bleibt; trotzdem aber trinke ich nur etliche Viertelpinten. Findest du, ich sei ein Trinker?

Nein, sagte sie. Doch du gehst oft nach Sirilund.

Was weiter? Soll ich mich vor Langeweile umbringen? Nein, sei du nur stille, Rosachen. Wenn ich verzweifelt bin, gehe ich aus dem Haus. Das ist alles.

Dann bist du seit acht Monaten jeden Tag mehr oder minder verzweifelt gewesen, sagte sie.

Jaja, antwortete er und nickte zweimal vor sich hin, das ist nicht ganz unrichtig.

Um weiteren Unannehmlichkeiten vorzubeugen, fragte sie:

Aber findest du nicht, es wäre am besten, wenn Martha wieder zu ihrer Mutter heimkäme?

Warum? Ja, vielleicht. Nein, durchaus nicht. Wenn sie so für mich in den Laden geht, trifft sie ja gleichzeitig ihren Vater. Das paßt gut.

Pause.

Du hättest vielleicht doch den Postbenoni nehmen sollen, meinte er grübelnd.

Hätte ich?

Ja, was glaubst du selbst? Ich bin kein Mann für dich.

Sie sah ihn an. Durch seinen vollkommen blanken Schädel einesteils und andernteils durch das dichte kurze Haar am Kragen wurde dieser Nacken so unförmig groß. Es war etwas Zwergenhaftes an ihm durch diesen mißgebildeten Kopf, besonders jetzt, wo er zusammengesunken war und gar keinen Hals mehr hatte.

Da er keine Antwort bekam, sagte er wieder:

Nein, ich hätte nie geglaubt, daß du ein so langweiliges Mädchen wärest.

Du solltest lieber sagen, daß ich keine Frau für dich bin.

Jung-Arentsen saß da und betrachtete seine Hände, dann ließ er seinen Blick an der Wand hinaufgleiten und sagte:

Jaja, du kannst sagen, was du willst; Rosa; aber es gibt keine andere Liebe als die gestohlene.

Da verzog sich ihr Gesicht, und es war wie ein Sonnenuntergang, als ihre Augen sich langsam umschatteten.

In dem Augenblick, in dem die Liebe erlaubt ist, wird sie schweinisch, schloß Jung-Arentsen. Und in dem Augenblick wird sie zur Gewohnheit. Aber in demselben Augenblick ist die Liebe verdunstet.


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