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7

Er war eine halbe Stunde zu Hause gewesen, als einer von Macks Ladengehilfen bei ihm eintrat. Es war Martin. Er sagte:

Mack läßt Euch bitten, wieder aufs Kontor zurückzukommen.

Warum? Was will er von mir?

Das kann ich nicht sagen. Er stand da und redete mit Rosa vom Pfarrhof.

Mit Rosa? Das ist doch meine Verlobte, Martin. Weshalb sagst du da Rosa vom Pfarrhof zu mir?

Der Ladengehilfe wurde dadurch ein wenig verlegen.

Wovon sprachen sie?

Das könnte ich nicht sagen. Sie erwähnten die Galeasse. Daß Sie mit der Galeasse zu den Lofotinseln sollten und Fisch kaufen.

Pause.

Ich werde kommen, sagte Benoni.

Und dann sollte ich Sie bitten, ein Papier mitzubringen.

Als Benoni allein war, setzte er sich hin, um zu überlegen. Wollte Rosa ihn unbedingt forthaben? Er verstand gar nicht weshalb. Und sollte er nun wieder die Galeasse übernehmen? Für einen alleinstehenden Menschen war es ja wahrlich auch nicht allzu lustig, in den langen Winterwochen daheim zu sein; außerdem konnte er jetzt in die Welt hinauskommen und den Goldschmuck kaufen, den Ring, der ihm so viel Kopfzerbrechen gemacht hatte.

Es war schon dämmerig geworden, Benoni zündete Licht an, suchte den Pfandbrief hervor und steckte ihn in die Tasche. Als er das Licht ausblasen und gehen wollte, zog er das Papier noch einmal aus der Tasche heraus und las es durch. Es war in jeder Beziehung recht und in Ordnung, und nicht der harmloseste Fehler war auf diesem großen Bogen. Aber einen Beweis gab man doch nicht aus der Hand? Einen Beweis behielt man!

Er legte das Papier auf seinen sicheren Platz in der Kiste zurück, löschte das Licht und ging nach Sirilund.

In dem halbdunklen Gang vor dem Laden stieß er auf Mack, der dastand und mit einem seiner eigenen Dienstmädchen flüsterte. Hoho, der alte Herr, er war sich immer noch gleich, scharfsichtig und toll im Finstern.

Hier bitte, Hartvigsen, befahl er und ging voran ins Kontor  ... Ich vergaß heute, als du hier warst  ... Ich bemerkte gleich, daß ich etwas vergessen hatte  ... Es handelt sich um die Galeasse, kannst du sie heuer übernehmen?

Sie sprachen weiter darüber, immer noch war keine Nachricht über den Hering eingelaufen, so daß Benoni nichts versäumen würde, wenn er die Lofotreise mit dem alten Funtus machen würde.

Wollen Sie ihn nicht selbst haben?

Ich sehe ihn am liebsten in deinen Händen. Und du mußt auch die Lasten für die Jachten einkaufen. Denn dir kann ich so viel Tausende anvertrauen, wie ich nur will.

Benoni war stolz und gerührt; wieder sollte er Admiral auf dem Funtus sein. Er hatte ihn schon einmal über schwierige Meere geführt, über den Westfjord, über den Foldenfjord und über die Hustadbucht, er konnte ihn wohl auch zu den Lofotinseln segeln. Und was den Fischeinkauf betraf, so hatte er durchaus nicht Macks Großzügigkeit beim Handel, er kaufte viel billiger als andere, denn er sah den halben Schilling an und war zäh bei den Vereinbarungen. Doch, er wollte den Versuch wagen, wenn Mack es wünschte. Dann sprachen sie von der Heuer.

Als Benoni gehen wollte, sagte Mack:

Ach richtig, hast du den Pfandbrief dabei?

Den habe ich vergessen. Hat man so etwas schon gesehen? Ich stand da und dachte daran.

Na, bringt ihn dann ein anderes Mal mit, wenn du wieder kommst  ...

Von nun an bekam Benoni etwas zu arbeiten, und er bereitete sich auf die Lofotreise vor, wie zu einer Erdumsegelung. So oft das Wetter ein wenig milder war, machte er sich auf dem Funtus zu schaffen, der sich in der Bucht schaukelte, schwarz und schrecklich häßlich, aber groß wie ein kleiner Nordseefahrer. Was waren die beiden Jachten gegen den Funtus! Da lagen sie neben der Galeasse wie zwei Nichtse, bis zur Wasserlinie mit Hering geladen. Und der Hering sollte auch zu den Lofotinseln hinauf, wenn der Köder für die Angelfischer teuer würde. Aber die beiden Jachten waren so gering geachtet, daß Villads Bryggemand die eine führte und Ole Menneske die andere.

Benoni stolzierte auf Deck des Funtus umher, kletterte in die Takelage hinauf und sah nach dem Wetter aus, als sei er bereits unter Segel, untersuchte Kompaß und Karte, talgte die Stage, machte alles schön und sauber. Und warum ging er nun gerade nur bei mildem Wetter auf sein Fahrzeug? Der Schlaukopf Benoni verfolgte eine Absicht, und zwar eine unvergleichlich durchtriebene Absicht damit: sein neues gelbes Ölzeug war an Frosttagen unbrauchbar, denn es wurde steif und bekam Brüche; aber dieses Ölzeug nahm sich in mäßiger Kälte großartig aus, auf Deck eines Fahrzeuges, ja, es leuchtete golden und reich von der Bucht bis ganz hinauf zu Sirilunds Fenstern  ...

Weshalb willst du mich forthaben? sagte Benoni zu Rosa.

Will ich dich forthaben! antwortete sie. Was erfindest du alles?

Es sah für mich so aus.

Sie redete ihm wieder gut zu und bekam wieder Frieden. Sie sagte, daß sie auf den Pfarrhof hätte heimreisen wollen, daß Mack sie aber gebeten habe, ihm im Laden behilflich zu sein, wenn der große Weihnachtsverkauf beginne. Sie erzählte auch, daß sie Mack gebeten habe, sich auch an Benoni um Hilfe zu wenden.

Er hat nichts davon erwähnt.

Aber er tut es heute  ... Nun verstehst du doch wohl, daß ich dich nicht von mir forthaben will.

Benoni erbebte bei dieser Freundlichkeit wie ein Jüngling und schlang die Arme um sie. Es war das dritte Mal, daß er sie küßte, und weniger konnte es nicht sein. Du bist wie eine Blume anzufassen, sagte er.

Tatsächlich bat Mack ihn um Unterstützung während des Weihnachtstrubels. Er brauche nicht mehr zu tun, als er selbst gerne tun wolle, er solle nur umhergehen und überall nachsehen und rechte Hand sein. Bei dieser Gelegenheit fragte Mack neuerdings nach dem Pfandbrief.

Ich suchte ihn neulich, fand ihn aber nicht, antwortete Benoni.

Du fandest ihn nicht?

Ich muß besser suchen. Er muß sich verkrochen haben  ...

Nun schloß Benoni sein Haus ab und machte sich in der Zeit seines großen Müßigganges daran, in Macks Laden zu arbeiten.

Eigentlich war es ganz nett, so hinter diesem Ladentisch umherzugehen, hinter dieser Schranke, die er seit seiner Kindheit kannte und jetzt zum ersten Male überschritten hatte. Je näher das Fest heranrückte, desto mehr Leute kamen täglich in den Laden; an dem untersten Tisch, wo der Branntweinhandel sich abspielte, war vom Morgen bis zum Abend ein dichtes Gedränge. Benoni griff ein, wo es nottat, er beobachtete, wie sich die erfahrenen Ladengehilfen benahmen und lernte beständig ein wenig dazu. Sogar seine Redeweise wurde jetzt von der Handelssprache angesteckt, den ganzen Tag hörte man nur noch prima und sekunda, brutto und netto.

Aber die beiden Ladengehilfen, die ihr Geschäft gelernt hatten, wurden durch diesen Fremden des öfteren geärgert, durch diesen Postbenoni, der ihnen so oft im Weg herumstand und so selten irgendwelchen Nutzen tat. Auch sie waren schlau und konnten sich helfen: sie kannten die Kunden sofort, wenn diese zur Türe hereinkamen und wußten ziemlich bestimmt, zu welchem Zweck jeder einzelne in den Laden trat. Da richteten sie es denn gerne so ein, daß sie die Kunden, die um Syrup oder Schuhschmiere oder Rauchtabak kamen, Benoni überließen, und er mit ihnen in den Keller gehen mußte, während sie selbst im Laden blieben und mit Stoffen und Grütze und anderen feinen Dingen umgingen. Auf diese Weise war Benoni oft lange Zeit außerhalb des Ladens, der herrliche Syrup rann ja so langsam in der winterlichen Kälte.

Rosa hatte bisher noch nicht an der Arbeit teilgenommen; aber an einem geschäftigen Samstagmorgen kam sie in den Laden herunter, ging hinter den Tisch und blieb dort. Sie trug ihr Pelzwerk aus Blaufuchs und hatte Handschuhe an den kleinen Händen. Alle Frauen, die in den Laden kamen, kannten sie, und sie dankten ihr und fühlten sich geehrt, wenn Rosa, die Pfarrerstochter, fragte, wie es ihnen ginge. Sie nahm es auch nicht so genau bei einem Handel und rechnete nicht mehr dafür an, wenn der Stoff gut gemessen war oder das Dutzend Knöpfe vierzehn Stück hatte.

Das ist nett, daß du zu uns heruntergekommen bist, sagte Benoni zu ihr.

Die beiden Ladengehilfen waren wütend. Na, diese verliebten Leute konnten ja eine reizende Hilfe werden; es wäre viel besser gewesen, wenn das Paar fortgewesen wäre. Jetzt standen sie da und unterhielten sich gerade vor der Kaffeeschublade, die die ganze Zeit auf- und zugehen sollte.

Es ist wirklich gut, daß du die Pelzjacke an hast, sagt Benoni weiter zu Rosa. Und daß du etwas an den Händen hast, sagt er.

Ach, alles was sie tat, war so richtig, o diese Rosa!

Nun aber kommt ein Mann und verlangt »Licht«. Das »Licht« ist im Keller, es ist das Öl für die Tranlampen. Da sehen die beiden Ladengehilfen einander an, und der eine, der Gehilfe Steen, erdreistet sich, zu Benoni zu sagen:

Vielleicht seid Ihr so gut und bedient den Mann?

Nein, nein! sagte der Mann und schämte sich. Hartvigsen selbst soll nicht um meinetwillen in den Keller gehen. Lieber will ich ohne Licht sein, sagte er und schämte sich in den Erdboden hinein.

Aber nach so großer Ehrenbezeugung hatte Benoni nichts dagegen, dem Mann Öl einzufüllen. Ich mache es zum Zeitvertreib, sagte er, komm nur mit der Kanne.

Der Mann fuhr auf dem ganzen Weg fort, sich selbst zu schelten, weil er es geschehen ließ: Ich habe ja gar keinen Anstand, sagte er; geht nicht mit, Hartvigsen, lieber will ich zu Weihnachten mit meiner Familie im Stockfinstern sitzen.

Doch Benoni wurde dieses Mal lange im Keller aufgehalten, diese verfluchten Gehilfen fragten überlaut alle Leute im Laden: Ist noch jemand da, der etwas aus dem Keller haben will? Benoni ist gerade unten. Und einer nach dem andern wurde hinuntergeschickt.

Benoni fing an, den Streich zu verstehen und dachte bei sich: der gute Steen soll nur nicht noch einmal versuchen, mich zu schicken, statt selber zu gehen.

Als er endlich, nach Tran und Tabak duftend, wieder aus dem Keller heraufkam, hatte er für eine Weile Frieden, er hielt sich wieder in Rosas Nähe auf und fing an, mit ihr über das und jenes zu flüstern.

Da sollte wieder jemand etwas aus dem Keller haben.

Ich habe gerade keine Zeit, sagte der Gehilfe Steen. Dann aber versprach er sich gründlich, dachte nur noch an den Postboten und Gerichtsboten Benoni und nicht an den steinreichen Schiffer und Netzmeister. Er sagte: Aber vielleicht bedient Benoni diesen Mann?

Benoni sah ihn an und antwortete:

Willst du nicht auch noch einen Diener haben, der dir die Nase putzt?

Steen wurde puterrot und erwiderte kein Wort darauf; Benoni aber sah von einem zum andern und lachte triumphierend. Und er sah auch Rosa an und lachte; über ihrer Nase jedoch stand einen Augenblick lang eine Falte.

Da bereute Benoni seine kräftigen Worte, und er mußte froh sein, wenn Rosa überhaupt auf das hörte, was er weiterhin zu ihr sagte.

Mack kam für einen Sprung aus dem Kontor heraus, und alle Leute, die am Ladentisch standen, begrüßten den mächtigen Mann ehrerbietig. Benoni wollte sich Rosa und den anderen gegenüber zeigen, er zog Mack ein wenig zur Seite und begann selber von dem Pfandbrief zu sprechen.

Ich kann ihn nicht finden, sagte er, ich muß ihn verloren haben.

Mißtrauisch antwortete Mack:

Das hast du sicher nicht.

Sollte ich ihn am Ende wieder in Ihr eigenes Pult zurückgelegt haben?

Mack dachte nach, mißtrauisch und unsicher:

Nein, du hast ihn in die Tasche gesteckt.

Wenn er weggekommen ist, muß ich einen neuen Beweis statt seiner erhalten, sagte Benoni.

In Macks Augen glomm es auf, und er antwortete:

Ja, darüber läßt sich immer noch reden.

Als Mack ihm den Rücken wandte und fortging, sagte Benoni ziemlich laut:

Denn für mich sind es ja netto fünftausend Taler.

Die Leute sollten nur hören, daß es durchaus nichts Kleines war, worüber er mit Mack verhandelte.

Welch ein Schelm dieser Benoni war! Während er so dastand und über das Schicksal des Pfandbriefes bekümmert zu sein schien, entsann er sich ganz deutlich, daß er ihn bereits dem Diener des Lensmannes mit dem Auftrag ausgehändigt hatte, ihn auf dem nächsten Thing verlesen zu lassen, falls Benoni nicht selbst anwesend sein sollte.

Dieser Benoni! nickten die Leute vor dem Ladentisch. Fünftausend Taler!

Da ging er umher und war ganz geschwollen vor Reichtum. Warum wollte Rosa ihn nicht um etwas bitten? Er hätte ihr den ganzen Laden kaufen können, was das betraf. Wie schon mehr als einmal bot er ihr wieder an, sich doch die Waren herauszunehmen, die sie gerne haben wollte; Rosa machte keinen Gebrauch von diesem Angebot. So suchte er auf eigene Faust ein Stück besonders feiner Leinwand heraus; sie war von der gleichen Art wie seine Sonntagshemden.

Wie findest du das? sagte er.

Sie sah den Stoff an und ihn, und dann wieder den Stoff:

Wie ich das finde?

Wenn du das ganze Stück haben willst, kannst du es auf meine Rechnung schreiben lassen. Ich weiß zwar nicht, aber ich glaube, ich habe wohl genug Kredit.

Nein, danke. Was soll ich damit?

Kannst du es nicht zu Manufaktur verwenden? Und damit meinte er Wäsche, Hemden.

Die beiden Ladengehilfen sahen einander an und mußten sich über ihre Schubfächer beugen. Rosa antwortete nicht; sie lächelte ein wenig, weil sie sich schämte, aber mit der Falte über der Nase.

Benoni legte den Stoff wieder auf seinen Platz zurück. Alles was recht ist, diese Falte über der Nase war zu streng. Wenn er ein so feines Wort gebraucht hatte, konnte man wirklich nicht sagen, daß er unanständig geredet habe  ...

Mack aber war an seinem Fenster im Kontor stehengeblieben und dachte noch immer an den Schuldschein. Er pfiff leise, hielt das eine Auge offen, das andere geschlossen, als ziele er. Der gute Benoni wollte den Schuldschein im Thing verlesen lassen, konnte ihn aber nicht finden, er hat ihn verloren. Oh dieser Benoni, er sollte doch für alle Fälle in seiner Kiste suchen, da würde er ihn sicher finden! Und dann würde das Papier den geraden Weg zum Thing gehen.

Plötzlich öffnet Mack die Türe und ruft den Gehilfen Steen herein.

Du bringst eine halbe Tonne Multbeeren zum ersten südwärtsgehenden Postschiff hinunter, sagte er. Es ist eine Bestellung. Der Böttcher soll das Holz genau nachsehen. Adressiere es wieder an den Hardesvogt in Bodö, wie vor drei Jahren.


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