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Freytags d 15ten Jenner 1808
Lieber Sohn!
Hier kommt das Loos – welche Freude will ich haben, wenn es glücklich aus fält – Ich habe es durch meinen Freund Nicolaus Schmidt erhalten, der bey der Lotteri mit Direktor ist, du braucht dich um gar nichts zu bekümern, gar nicht dich zu bemühen; so wie eine Claße gezogen ist, bekommt du die Lißte – im glücklichen Fall wird der redliche Freund alles aufs beste besorgen – 1 f habe ich als Agio zurück erhalten es wird Gelegenheit geben ihn vor dich anzuwenden.
Vielen Danck vor das Liebe, schöne Calenderlein – es hat mir große Freude gemacht – Bettine ist vor Freude außer sich über deinen Brief, Sie brachte mir ihn im Triumpf – auch über Herrn Riemers Verse – Weimar ist Ihr Himmel – und die Engel |: das gantze Hauß gehört dazu :| seyd Ihr!!! Betine sagte mir Freulein von Goechhaußen wäre gestorben ist das wahr? ich hatte nach einem langen Zwischenraum wieder einen Briefwechsel mit Ihr wegen gedörtem Obst auf einmahl war alles wieder still, das macht mich die Nachricht glauben. Meine Freude ist aber über allen Ausdruck, daß du diesen Winter so gesund und vergnügt bist – Gott! Erhalte dich ferner – und laße das Jahr 1808 ein Seegens jahr vor Uns alle seyn Amen. Unter den Christen gibts hir außer Masqen und Casino Bällen nichts neues, aber das Volck Israhel zu deusch die Juden sind an ihrem Mesias etwas irre geworden, Unser gnädigster Fürst Primas erlaubte ihnen zum Anfang Seiner Regirung die Spatzirgänge vor den Thoren mit den Christen gemeinschaftlich zu gebrauchen – da bildeten sie sich nun ein das es immer weiter gehen würde und sie sahen die Thore des neuen Jerusalems sich öffnen – aber da kam bey Varrentrapp und Wenner etwas dedruckes ehraus das dem neuen Jerusalem gar nicht ähnlete und sie stutzig machte – Neue Stättigkeit und Schutz-Ordnung der Franckfurther Judenschaft – ein wahres Meisterstück in seiner art Bey Gelegenheit schicke ich dir es – nun kommen allerley Epigramen in Umlauf – witzig sind sie ob aber alles von ihnen kommt ist noch die Frage eins aber gefält mir besonders – das sonst sogenandte Eschenheimer Thor heißt jetzt das Carls Thor im hinaus gehen steht ein lateinisches [?] – gucke einmahl sagte ein Jude zum andern das erste Virtel – guck einmahl was draus steht sagt der andre C siet du net es ists letze Virtel. Wenn du einmahl wieder her kommen solstest würdest du die Ausenseite deiner Vaterstadt nicht mehr kennen um die gantze Stadt vom Bockenheimer biß zum Allerheiligen Thor gibts einen Parck ein Bosket – freylich ist es noch im Werden denn in einem Jahr ist das gantze ohnmöglich zu beendigen – aber vom Vockenheimer biß zum Karlsthor ists schon gantz vortreflich – und ob deine Lands Leute promeniren? das glaube du und an einem schönen Sontag verprominiren sie alles sonstige Ungemag ihre Devise ist: Leichsinn und gutes Hertz. Nun habe ich einmahl wieder geschrieben daß es art und schick hat, und zwar in einer mir gantz ungewöhnlichen sonst incomoden Stunde das ist nach dem Essen, die Tage sind aber kurtz, und Morgens ist die Zeit vor meine Bekandten um mir die Cur zu machen – Der Brief ist doch noch nicht zu Ende, denn meiner Lieben Tochter muß ich dancken vor Ihren Lieben Brief – daß das Kleid Ihnen meine Liebe – Beste Wohlgefallen hat freut mich ungemein – der Tag an dem Sie es anziehen sey allzeit ein Wonne und Freudentag. Jetzt auch meinen schönsten Danck meinem Lieben Augst vor seyn Liebes Schreiben – ich wolte ich hätte das Schauspiel mit ansehn können – das war ein guter Gedancke von deinem Herrn Oheim und Brav von den Schauspielern – Wenn du her komst mußt du mir das alles recht deutlich erzählen. Nun wäre wieder einmahl die Sachen besorgt – das Loos – die Antwort auf alle Eure Briefe. Melina freut sich sehr daß das Käppgen so gut ist aufgenommen worden. Jetzt nur noch eins – Habe die Güte und berichte die glückliche Ankunft dieses Briefes – damit ich wegen des Looses außer Sorgen komme. Lebt wohl! und seid versichert daß ich ewig bin
Euer aller treue Mutter und Großmutter Goethe.