Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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248. An Goethe.

den 17ten September 1796

Lieber Sohn!

Wir sind nun wieder in Kayerlichen Händen – Gott gebe daß wir biß zum Frieden drinnen bleiben! Den die Sieben wochen war Odem holen unter Henckers Hand – Tagtäglich lebte man in Angst vor warten der Dinge die noch kommen konten. Der 7te September war mir gantz besonders ängstlich – auf dem großen platz den ich jetzt übersehen kan – bemerckte ich verschiedenes das mir gar nicht behagte – Ich danckte Gott wie die Nacht herbey kam, denn da wards ruhig – den 8ten früh um 5 uhr stunde ich auf und sahe zu meiner Unaussprechlichen Freude unsere Franckfurther Soldaten auf der Hauptwache – meinen Augen nicht trauend holte ich meine Lorngette und sie gingen mit Stöcken |: den die Gewähre hatten die F. alle mitgenommen :| auf und nieder – was ich da empfand läßt sich nicht beschreiben – daß ich Gott hertzlich danckte versteht sich wohl von selbst – und des Abens unsern Zapfenstreich wieder zu hören war mir lieblicher als eine Oper von Morzart. So weit wären wir nun wieder – Gott! wird ferner durchhelfen. Burgemeister Schweitzer hat viel gethan – die gantze Burgerschaft trägt ihn beynahe auf den Händen – unsere Sachsenhäußer wolten Ihn in Römer statt der Pferde im Thriumpf ziehen – welches Er sich nun freylich verbate. Herr Doctor Schleußner war bey mir, und versprach im Rückweg mit seiner Freundin wieder zu mir zu kommen – was ich Ihm dienen kan werde mit Vergnügen thun. Daß du in unserer gegenwärtigen Verfaßung an mich gedacht hast, davor dancke ich dir sehr hertzlich – solten wir das Unglück noch einmahl haben die F. hirher zu bekommen; so bleibe ich schwerlich da – aber so weit weg gehe ich auch nicht – wollen hoffen daß uns Gott behüten wird. Der Christenkram ist gepackt – ambalirt – und geht – oder ist villeicht schon fort. Herr Nicolaus Schmidt war so gütig die Besorgung zu übernehmen. In dem Kram wirst du bey den Franckfurther Edicten die bezahlte Rechnung von Nothnagel vorfinden. Schicke du nur was von geleße nicht in deinen Kram dient – es wird schon in meinen dienen. Der gute Gerning hat seine Mutter verlohren vor Ihn ist es ein großer Verlust – Er will wieder Castanien vor dich besorgen – welches mir um des willen lieb ist – weil Er Bekandschaft mit dem Pfarrer in Cronenburg |:wo die besten zu haben sind:| hat, und die Bauern vor ihren Herrn Pastor die schönsten aussuchen – diese Gefälligkeit sie vor mich nicht haben. Sehr viele Kaufmannsgüter komen hir an, ob aber demohngeachtet viel aus der Meße werden wird, darann wird wegen Mangel an Geld noch gezweifelt. Aber eine Hitze stehen wir schon den gantzen September aus, die beynahe unerträglich ist. Mehr kan ich vor heute nicht schreiben – pro primo weiß ich nichts mehr – pro Secundo muß ich noch einen langen Brief an Demoiselle Sophie Bethmann nach Leipzig fertig machen – denn wir correßpondiren miteinander, daß es eine Lust ist. Lebe wohl! Behalte mich in gutem Andencken – Grüße alles in deinem Hauße – von

deiner
treuen Mutter
Goethe.

N. S. Wenn der Kasten angekommen ist; so berichte es nur mit ein paar Zeilen, den Brief nach Italien habe sogleich besorgt.


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