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den 1ten Augst 1796
Lieber Sohn!
Du verlangst die nähreren Umstände des Unglücks unserer Stadt zu wißen. Dazu gehört eine ordendtliche Rangordnung um klahr in der Sache sehen zu können. Im engsten Vertrauen sage dir also, daß die Kayerlichen die erste ursach geweßen sind – da sie nicht im stande waren die Frantzosen zurück zu halten – da diese vor unsern Thoren stunden – da Franckfurth keine Festung ist – so war es Unsinn die Stadt ohne daß sie den minsten vortheil davon haben konten ins unglück zu bringen – mit alledem wäre allerwahrscheinlichkeit nach kein Hauß gantz abgebrandt – wenn der fatale Gedancke |: den sich niemand ausreden ließe :| die Frantzosen würden plündern – nicht die Oberhandt behalten hätte – das war das Unglück von der juden gaße – denn da war alles ausgeräumt – beynahe kein lebendiges weßen drinnen – der Unsinn ging so weit, daß sie vor die lehren Häußer große Schlößer legenten. Da es nun anfing zu brennen, so konte erstlich niemandt als mit Gewalt in die zugeschloßenen Häußer – zweytens waren keine juden zum löschen da – drittens waren gantz nathürlich in den Häußern nicht die minsteste anstalt – wenn es die Christen eben so Horndumm angefangen hätten, so wäre die halbe Stadt abgebrandt – in allen Häußern – waren die größten Bütten mit Wasser oben auf die Böden der Häußer gebracht – so wie eine Kugel zündete waren naße Tücher – Mist u. d. g. bey der Hand – so wurde Gott sey Danck – die gantze Zeil – die große und kleine Eschenheimer gaße – der Roßmarckt – die Tönges und Fahrgaße gerettet – daß nicht ein Hauß gantz niedergebrandt ist – ja beßer zu sagen gar nichts das der Mühe werth wäre zu sehen – Der andre Theil der Stadt der Römerberg Maynzergaße und so weiter kamme ohnehin wenig hin – und that gar nichts. Auf der Frieburger gaße ist unser ehemahliges Hauß abgebrandt – auch der gelbe Hirsch hintenhinaus. Von unfern Bekandten und Freunden hat niema[n]dt etwas gelitten – nur ein Bekandter von mir Kaufmann Graff der in unserm Sonntags kräntzen bey Stocks ist – hat durch die Einbildung es würde geplündert einen großen Verlust gehabt – Er glaubte nehmlich wenn Er sein gantzes Waaren lager bey jemandt der in Preußischen Dinsten wäre und wo der Preußische Adler über dem Eingang angebracht wäre; so seye alles gerettet – In unserm alten Hauß auf der Frieburger gaße wohnte nun ein Preuschischer Leutenant – also brachte der gute Mann seyn Haab und Fahrt in dieses Hauß in höltzerne Remisen – nun ist ihm alles verbrandt – und die vielen Öhlfäßer – der ungeheure vorrath von Zucker |: er ist ein Spetzerey Händler :| machte zumahl das öhl das Feuer noch schrecklicher – noch andre Leute folgten dem unglücklichen Beyspiel – trugen aus ihren sicheren Wohnungen alle ihre Sachen – Geld – Silber – Betten – Geräthe Möbel – in dieses unglückselige Hauß – und verlohren alles. Überhaubt hat der Gedancke der Plünderung der Stadt mehr Geld entzogen – als selbst die Brandschatzung – denn es sind Häußer die das Packen – fortschicken 600-1000 und noch mehr gekostest hat – daß der gute Hetzler und Schlosser als Geißlen sind mitgenomen worden, wirst du aus den Zeitungen wißen. Unsere jetzige Lage ist in allem Betracht fatal und bedencklich – doch vor der Zeit sich grämen oder gar verzagen war nie meine Sache – auf Gott vertrauen – den gegenwärtigen Augenblick nutzen – den Kopf nicht verliehren – sein eignes werthes Selbst vor Kranckheit |: denn so was wäre jetzt sehr zur Unzeit :| zu bewahren – da dieses alles mir von jeher wohlbekommen ist, so will ich dabey bleiben. Da die meisten meiner Freunde Emigrirt sind – kein Comedienspiel ist – kein Mensch in den Gärten wohnt; so bin ich meist zu Hauße – da spiele ich Clavier ziehe alle Register paucke drauf loß, daß man es auf der Hauptwache hören kan – leße alles unter einander Musencalender die Welt Geschichte von Voltäre – vergnüge mich an meiner schönen Aussicht – und so geht der gute und mindergute Tag doch vorbey. So wie weiter was wichtiges vorgeht – das sonderlich bezug auf mich hat, solts du es erfahren. Küße deinen Lieben Augst in meinem Nahmen – Grüße deine Liebste – von
deiner treuen Mutter
Goethe.
N. S. Aber wo bleib der Willhelm??