Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band II
Katharina Elisabetha Goethe

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252. An Goethe.

den 4ten November 1796

Lieber Sohn!

Vor deinen Willhelm Meister dancke ich hertzlich – Stocks und Sömmering thun das nehmliche und grüßen dich vielmahls. Der 4te Band ist gantz herrlich! Ich bin noch nicht mit zu Ende – denn es ist Confect womit ich mich nur Sontags regalire – mir ist Angst und bange – daß das der letzte Band seyn mögte – künftigen Sontag werde es erfahren – denn ich leße es ungebunden – und kucke um Leben nicht in den letzten Bogen – noch einmahl meinen besten Danck davor. Die Kupferplatte habe sogleich mit dem Postwagen abgeschickt. Über die Langsamkeit des Fuhrmanns habe eine rechte Ärgernüß – Herr Schmidt schickt hirmit inliegenden Zettel – um zu bezeugen daß alles auf beste ist besorgt worden – nun ankommen wirds endlich doch einmahl – und da der hiesige Güterbestätter den Fuhrmann kent; so müßte im äußerten Fall derselbe in Verantwortung gesetzt werden – ich hoffe immer noch, daß das alles nicht nöthig seyn soll. Ich mögte deinem Augst gern eine kleine Freude auf die Christtage machen – dazu mußt du mir behülflich seyn – Hoßen und Weste von hübschen Winterzeug – wenn das beliebt würde, so müßte aber der Schneider befragt werden wie viel er dazu braucht, auch müßte die breite an gegeben werden z. E. ist das Zeug Ehlen breit so braucht mann so viel u. d. g. Weißt du aber etwas anders so berichte es. Unser Liebes Franckfurth komt wieder nach und nach ins alte Gleiß – Gott sey ewig danck, daß unsere Verfaßung geblieben ist – davor war mir am bängsten – mit den Schulden – und was die Bürger am Ende werden beytragen müßen wird sichs auch geben – von dem Gelde das vom Kirchen und Bürger Silber ist geschlagen worden, soll Augst auch einen Convensthaler zum Andencken in seine Spaarbüsse haben – es sind doch 80 000 f zusammen getragen worden – von Maleberth – und die alte Frau Leerse haben keinen Silbernern Löffel mehr – und der Pfarrer Starck |:der nun gestorben ist:| hat sein schönes Müntzcabinet auch dazuhergegeben – genung jeder hat gethan was ihm möglich war – die ärmsten Leute haben die Patengeschencke ihrer Kinder dargebracht – auch haben die Frantzsosen gesagt so eine Einigkeit zwischen Magisterrath und Bürgerschaft wäre ihnen noch in keinem Lande in keinem Orte vorgekommen. Es wird dir bewußt seyn daß alles was mann beygetragen hat auf 6 Jahre zu 4 procent verintresirt wird – nun ginge mir es sehrsonderbahr – den 1ten Juli legte Pfeil 7200 f an mich ab die wurden denn sogleich wieder angelegt und zwar recht gut zu 5 procent – den 16ten kammen die Freitheits Männer da war nun bey mir große Noth – ich hatte nur so viel als ich zum täglichen Leben brauchte – geben mußte ich – auch hätte ich mich zu Tode geschämt und gekrämt – also Geld herbey! Aber woher! Jeder brauchte das seine vor sich selbst – ich war nicht allein in diesem Fall – Frau Schöff Schlosser – Herr Hoffrath Steitz – Jungfer Steitz und mehrre – wir schickten den Lippoldt nach Hanau – es war nichts – Endlich erbarmte sich ein unbeschnidner Jude aber zu 9 procent und nach Versatz von 3 Kayerlichen Obligationen!! Ich überlegte und da fiel mir ein – daß dieser Wucher bey mir nur 8 Monathe dauern durfte – indem ich stipulirter maßen das andre Jahr vom Hirschgräber Hauß 2000 f abgelegt bekomme – die doch wieder angelegt werden müßen – also ist der Verlust nicht groß – ich bekomme so zu sagen doppelte Intereßen – einmahl vom Hauß und von der Stadt – also nahm ich das Geld – und im May kriegt er es wieder – So habe ich mich durchgedrückt. Heute habe eine sehr gute Nachricht gehört – |: wenn sie wahr ist:| die Stadt ist vom Convent vor Neuterahl erklährt, und die Geißlen kommen in 14 Tagen wieder – das wäre herrlich. Lebe wohl! Behalte lieb

deine
treue Mutter Goethe.

N. S. Grüße alles in deinem Hauße.


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