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Ich sitze still da, indes meine Frau spricht, und in mir ist das Gefühl, als wäre mein eigener Schmerz verschwunden und ich spüre ein Schicksal, größer als mein eigenes, sich an meiner Seite erfüllen. Was ist doch das? Was ist es? Ich sitze und versuche meine eigenen Gedanken zu entwirren. Aber ich kann es nicht. Ich will anfangen und nun meinerseits sprechen. Aber die Worte stocken unausgesprochen auf meinen Lippen, und es wird mir nur so wahnwitzig klar, daß ich von allem, was gewesen ist, nichts gesehen, nichts verstanden habe.
Denn irre bin ich gegangen, irre durchs ganze Leben. Ich fühle das so tief, daß ich für den Augenblick allein zu sein glaube. Ich vergesse Olga, die an meiner Seite sitzt. Ich vergesse alles um mich, und wie von unsichtbaren Händen geleitet, glaube ich zurück über die Wege zu tappen, die ich früher gegangen und wo jeder Schritt mir jetzt Schmerz verursacht. In der wunderlich gesteigerten Empfindung, daß mein ganzes Leben sich in diese stille Stunde zusammenpreßt, schweift mein Gedanke zurück durch jene Tage, die nun in Vergessenheit versunken sind. Alles, was war, und alles, was ist, sammelt sich in einem ungeheuren Gefühl der Sorge und Beklemmung, und ich höre in mir eine Stimme, die mich zwingen will, vor Raserei zu schreien: wie sinnlos ist doch all dies! Wie sinnlos, sinnlos, sinnlos! Aber der Schrecken erstickt meine Stimme, und ich sitze stumm da, während ein Laut wie von entsetzeneinflößenden Flügelschlägen um meinen Kopf rauscht.
Ich wurde zu dem Gedanken an das, was wirklich geschehen war, durch Olgas Stimme erweckt, die sagte:
»Hast du meine Worte nicht gehört? Verstehst du mich nicht?«
Ihre Stimme klang dumpf und schwer, und sie fuhr fort:
»Fühlst du nichts für mich? Kannst du mir nicht verzeihen?«
»Verzeihen!« wiederholte ich mechanisch.
Es war mir in diesem Augenblick unmöglich, zu ergründen, was sie meinte.
»Ja,« antwortete sie, »allen Kummer, den ich dir bereitet habe.«
Ich weiß nicht, was ich ihr antwortete. Ich erinnere mich nicht, was ich sagte oder was ich tat. Der Worte werde ich mich nie entsinnen können. Ich weiß nur, daß ich den heftigen Schmerz nicht beherrschen konnte, der durch mein Blut jagte. Ich hatte nicht Zeit zu denken oder zu überlegen. Ich folgte blindlings dem Instinkt, der mir gebot zu sprechen, und in einem rasenden Strom von Worten erzählte ich ihr alles. Jedes Wort traf mich selbst, als wühlte man mit Messern in meinem Fleisch, und ich hatte das Gefühl, als wäre es mein eigenes Glück, das ich da mordete.
Wie lange wir so saßen, weiß ich nicht. Es war mir, als stände die Zeit stille während der Minuten, die verstrichen, bis Olga antwortete:
»Wie konntest du glauben, daß ich dich nicht liebe?«
Wie konntest du glauben? Ich wußte nichts zu erwidern, ich fiel ihr zu Füßen, barg meinen Kopf in ihrem Schoße, und mein Schmerz machte sich Luft. Wie konnte ich glauben?
Noch brennt diese Frage meine Seele. Noch habe ich keine Lösung des Rätsels gefunden. Nie, nie werde ich eine solche Lösung finden.