Gustaf af Geijerstam
Alte Briefe
Gustaf af Geijerstam

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7

Es gibt eine wunderliche Härte in unserer Natur, die es macht, daß ein gesunder Mensch einen kranken verachten zu können glaubt. Ein solches Gefühl war es, das mich Abneigung gegen den großen Kummer empfinden ließ, den Olga nicht tragen konnte. Vielleicht fühlte sie auch tiefer und besser als ich, und vielleicht kehrte sich darum mein Widerwille gegen ihren grenzenlosen, nie gestillten Schmerz gegen sie selbst. Auf andere Weise kann ich das Gefühl nicht schildern, das zuerst in mir aufkeimte und das ich gegen meine Frau gerichtet wußte. Dieses wunderliche Gefühl der Gewissensqual, das sie mir anvertraut, war es, das mir eine eigentümliche Empfindung des Widerwillens einflößte. Ich konnte den ganzen Sommer damit Geduld haben, den Sommer, der an uns vorbeiging, als hätten die Wiesen nicht gegrünt, die Sonne nicht für uns geleuchtet. Ich litt es, obgleich ich seine Gewalt fürchtete und ich sah, wie es sich Olgas immer mehr und mehr bemächtigte, sozusagen die Kehrseite des Schmerzes hervorzog, der nur der Kummer um des Kindes Tod war. Und ich hatte Geduld damit, weil ich es doch nur für vorübergehend hielt. Als ich merkte, daß dies nicht der Fall war, wurde ich von Raserei ergriffen, wie über ein ungerechtes Unglück, das sie über mein Haupt herabbeschwor. Der Gedanke, daß sie in geheimnisvoller Weise die Ursache dieses Schlages war, der uns beide so hart traf, hatte sich nämlich mit der Stärke einer fixen Idee in ihrem Hirn festgesetzt, und ich glaube, daß er sie nie verließ. Das war es, was ich erst nach Jahr und Tag voll verstehen lernen sollte.

Es war ein Kampf zwischen uns, zwischen mir, der uns wieder zurück zum Leben führen, und ihr, die in dem Gedankenkreise verharren wollte, der langsam ihr Leben tötete. Dieser Kampf wurde still und zähe geführt, und mit jedem Tage trennte er uns mehr. Er brach in kleinen, scharfen Worten aus, die im Vorbeigehen gesagt wurden und wie scharfe Stacheln stecken blieben, die bei der geringsten Bewegung wehe taten, und neue Anstrengungen hervorriefen, um den alten Schmerz loszuwerden. Es war ein Streit, in dem ich zuweilen mit den Waffen der Liebe zu kämpfen glaubte, um unser Glück wiederzugewinnen, zuweilen wieder vorsätzlich mit blanker Klinge losging, um mich zu rächen. Es war ein Kampf, der in vollen Flammen aufloderte, als meine Frau eines Tages zu mir sagte:

»Hast du daran gedacht, wie es gewesen sein würde, wenn John gestorben wäre, bevor wir Stockholm verlassen hatten?«

Ich verstand sie nicht, sondern antwortete nur:

»Wenn du es doch lassen könntest, immer an John zu denken!«

»Du weißt, daß ich das nicht kann,« antwortete sie. »Und daß ich nicht will. Aber wenn er damals gestorben wäre, als wir so ganz in das Leben verstrickt waren, das wir damals lebten . . .«

Sie verstummte, und ich begriff, was sie sagen wollte. Ich begriff, daß es ein Wink war, den sie mir gab, und daß er aus Liebe gegeben wurde. Aber ich war so gequält von diesem ewigen Einerlei, das alles grau in grau machte, daß ich sie gleichsam nicht verstehen wollte, und ich antwortete daher ironisch:

»Du meinst, daß sein Tod uns damals gelehrt haben würde, uns zu lieben, während es jetzt umgekehrt ist.«

Ich sah, wie ihr Gesicht gleichsam erstarrte. Aber im selben Augenblick flog ein Zornesblitz über ihre Züge, und sie antwortete:

»Es freut mich zu hören, daß du mich verstehst.«

Sie sagte das mit einer Miene, als ob sie berechnet hätte, wie scharf ihre Worte treffen würden, und eine Weile sahen wir einander in die Augen mit Blicken, die in keimendem Hasse glühten.

 


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