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Ueber Swîthiodh herschte König Eirik. Er hatte eine kluge und wohlgesittete Königin. Sie hatten keine Kinder ausser einer Tochter, die Thôrbiörg hiess. Sie war schöner und klüger als jedes Weib, von denen Menschen Kunde haben. Sie ward zu Hause bei Vater und Mutter erzogen. Man saget von ihr, dass sie geschickter gewesen sei als irgend ein Weib, von welchem man zu reden weiss, in allen den Dingen, die unter der Frauen Hände kommen, und dazu übte sie sich im Reiten und Schirmen mit Schild und Schwert. Sie verstund sich darauf eben so gut wie die Kämpen, welche ihre Waffen wohl zu führen wissen. Dem Könige Eirik gefiel es jedoch ganz und gar nicht, dass sie die Lebensweise der Männer angenommen hatte, und er gebot ihr in ihrem Gemach zu sitzen, wie andere Königstöchter. Sie erwiderte darauf: »Da du nur eines Mannes Leben hast zur Reichsverwaltung und ich dein einziges Kind bin und nach deinem Tode das ganze Erbe anzutreten habe, so kann es wohl geschehen, dass ich genöthiget werde, dieses Reich wider Könige und Königssöhne zu vertheidigen, sobald du gestorben bist. Auch ist es begreiflich, dass es mir nicht behagen kann, das erzwungene Weib eines derselben zu sein, wenn diess sich ereignen sollte. Deshalb übe ich mich in den Waffen, und es scheinet mir wahrscheinlicher, dass ich dieses Reich durch die Kraft und Kühnheit eines guten Gefolges zu vertheidigen im Stande sein werde. Deshalb bitte ich dich, Vater, dass du mir deines Reiches einen Theil für die Zeit deines Lebens zur Beherschung anvertrauest; denn nur so mag ich mich in der Beherschung und Verwaltung eines Reiches versuchen und üben. Dazu kommt noch, dass, wenn ich etwa Männer, die um mich werben, abweisen würde, dein Reich von ihrem Uebermuthe dann um so weniger etwas zu befahren hat, als ich mich ihnen gegenüber dann allein zu verantworten habe.
Der König erwog der Jungfrau Worte und fand, sie sei herschgierig und hochmüthig, und es däuchte ihn nicht unwahrscheinlich, dass er und sein Reich durch ihren Uebermuth und ihre Kampfbegierde Beunruhigung erleiden könnten. So entschloss er sich denn, ihr den dritten Theil des Reiches zur Verwaltung zu übergeben. Ihren Wohnsitz sollte sie zu Ullaracker Ullaracker war ursprünglich wohl ein dem Gotte Ull geweihtes Gefilde in Schweden, das sich bis an das Meer erstreckte, denn an seiner Küste liegt die Insel Wifilsey. Später war Ullaracker ein Iarlthum. Solche einem Gotte geweihete Gegenden boten besonderen Schutz. So wird bekanntlich Ingibiörg in der Fridthiofssage nach Baldershagen gebracht, einem dem Balder geweiheten Hofe. Ueber Ull (gen. Ullar und Ulls) vgl. man oben S. 73, Anm. 4. S. 87. S. 96, Anm. 27. nehmen, und dazu gab er ihr ein Gefolge von harten und tapferen Männern, die ihr gehorchten und ihrem Willen nachzukommen bereit waren.
Sobald sie alles diess von ihrem Vater erhalten hatte, zog sie nach Ullaracker, hielt eine Volksversammlung und liess sich zum Könige über den dritten Theil von Swîthiodh, den König Eirik ihr zur Beherschung übergeben hatte, ernennen. Zugleich nahm sie den Namen Thôrberg an, und Niemand durfte es wagen, sie Maid oder Frau zu nennen; wer immer das thäte, sollte harte Strafe erleiden. Hierauf wählte König Thôrberg sich Kämpen und Hirdhmannen Hirdh (Herde) Gefolge. und gab ihnen Sold gerade wie ihr Vater König Eirik zu Uppsala.
König Hrôlf von Gautland stund im dritten Jahre seiner Herschaft und war erst fünfzehn Winter alt, als er mit seinem Bruder Ketil folgende Unterredung hatte. Hrôlf wollte vernehmen, ob es dem Ketil nicht angemessen schiene, sein Augenmerk auf die Reichsverwaltung oder Häuptlingschaft zu richten. Ketil räumte diess ein, und zwar sehr vieler Dinge wegen. Da sagte König Hrôlf: »Da du so sprichst, so bist du schuldig mir zu sagen, was dir in meiner Herschaft fehlerhaft erscheinet.« Ketil erwiderte: »Das, was Deinem Glücke mangelt, ist leicht zu finden: du bist unbeweibt, und doch würdest du als König weit angesehener sein, wenn du dich deinem Stande gemäss vermähltest.« »Wohin soll ich deshalb mich wenden?« fragte der König. Ketil erwiderte: »Dein Ansehen würde wachsen, wenn du um eine kluge und vorsichtige Königstochter würbest, und ich hin ganz sicher, wohin du dich auch wenden magst, du wirst nicht abgewiesen.« Der König sagte darauf: »Es liegt mir nicht im Sinne unter meinen Verhältnissen. Mein Land ist klein, und eine Verbindung mit mir wird deshalb keinem Könige vortheilhaft erscheinen. Aber wohin zielest du mit dieser deiner Rede, Freund?« Ketil entgegnete: »Da habe ich vernommen, dass König Eirik in Swîthiodh eine schöne und kluge Tochter habe, die Thôrbiörg heisset. Auch habe ich gehört, dass sie die beste Wahl hier in den Nordlanden sei, vieler Dinge wegen, die ein Weib schmücken, aber einige Dinge hat sie auch mit kühnen Männern gemeinsam, sie versteht sich nämlich auf Reiterkampf und weiss mit Schild und Schwert umzugehn; das hat sie voraus vor allen Weibern. Ihr Vater, König Eirik, ist sehr reich und vieler Dinge wegen, die einen hohen König zieren, sehr angesehen und geachtet.« König Hrôlf erwiderte jedoch hierauf: »Zu solchen Dingen habe ich keinen Muth; du hast das auch mehr aus Ungestüm, der dich zuweilen ergreift, denn aus Vorsicht und Ueberlegung geredet, Freund! Auch ist es übel nach Hohem zu streben, das zu erreichen man keine Aussicht hat. Mir scheinet es so zu stehn: fahre ich zu König Eirik nach Swîthiodh und werbe um seine Tochter, wie du willst, so glaube ich sicher, dass mir die Maid versaget wird; es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass ich Spottreden zu hören bekomme, und ich müsste diess alles dulden, weil ich mich nicht zu rächen vermöchte, da König Eirik so mächtig ist, und das würde mir denn doch sehr übel behagen.« Ketil behauptete jedoch, dass es nicht so ergehn werde. »Auch, sagte er, gebricht es uns nicht an Heermacht aus Gautland und Dänemark, um König Eirik zu bekriegen, wenn er dir die Schwiegerschaft verweigert.« König Hrôlf aber sagte verdriesslich: »Du brauchst nicht solche Reden vor mich zu bringen, denn ich glaube zu sehen, wie es gehn wird, wenn man es versucht.«
Wie mit anderen Dingen, so gieng es auch mit diesem Vorschlage bei der Gemüthsart des Königes: er liess ihn an sich vorüber gehn, wie so manches Andere, was man ihm vortrug, und Niemand wusste auch nur annähernd, was in seinem Geiste vorgieng. Er kam immer erst dann darauf zurück, wenn die Anderen die Sache bereits vergessen hatten.
So gieng denn auch jetzt eine lange Zeit vorüber, ohne dass der Sache weiter gedacht ward. Die Fôstbrüder Hrôlf und Ingiald sassen abwechselnd in Gautland oder Dänemark, oder sie waren während des Sommers auf Kriegsfahrten, bereicherten sich und wurden so gewaltige Krieger, dass Niemand ihnen widerstund. Sie wurden durch ihre Kampfthaten sehr berühmt, und ihre Namen waren fast überall bekannt.
König Hrôlf war jetzt der grösseste und stärkste aller Männer. Er war so schwer, dass kein Hengst ihn einen ganzen Tag hindurch tragen konnte; er erstickte entweder oder zerbrach unter ihm Dasselbe berichtet die Sage auch von Hugleik und Eggen. Man sehe meine Herbstabende und Winternächte, Bd. II, S. 162, 168, 225.. Zugleich aber war er auch der schönste Mann und ganz und gar wohlgeschaffen. Er war schönhaarig, breit von Antlitz und von starken Zügen, und hatte schöne helle Augen, die scharf darein blickten. Er war schlank an den Hüften, aber breitschulterig; dazu hatte er das feinste Betragen und war kriegerischer denn jeder andere Mann, übertraf auch in allen Künsten die meisten seiner Zeitgenossen, und so hatte er denn auch viele Freunde. Er war ferner klug und verständig, in allen Dingen vorsichtig und schlau. So ward er bald ein weitberühmter Häuptling.
Einst geschah es, dass Ketil ihn fragte, was er im nächsten Sommer zu unternehmen gedenke. Er antwortete: »Wäre es nicht räthlich, nach Swîthiodh zu ziehen und den König Eirik um seine Tochter zu bitten, wie du früher einmal riethest?« Ketil erwiderte: »Dein Gemüth ist doch wundersam. Was man dir saget, das lässest du erst an dir vorübergehn und achtest nicht darauf, obgleich es dir in das Herz drang. Später erinnerst du dich daran und thust, als ob man es eben erst gesagt habe, obgleich viele Winter seitdem verstrichen sind. Aber ich denke über diese Sache gerade noch so, wie damals, und sie ist nicht aufzuschieben, wenn du einmal daran gehn willst.« »Hast du, fragte der König da, noch etwas Näheres über jene Jungfrau erfahren?« »Nichts anderes, antwortete Ketil, als was ich dir früher gesagt habe.« »So habe ich vernommen, sagte König Hrôlf, dass sie zwar beides, klug und schön sei, aber auch hochfahrend und stolz. Sie wolle nicht, dass irgend ein Mann sie für ein Weib halte, und sie sei König über den dritten Theil von Swîthiodh. Ihr Sitz sei auf dem Ullaracker, und sie halte sich dort ein Gefolge wie andere Könige. Auch habe ich gehöret, dass viele Könige um sie geworben haben, und sie habe lassen einige tödten, andere auf irgend eine Weise verstümmeln: blenden, entmannen, der Hände oder Füsse berauben, und ihre Worte seien immer voll von Hohn und Verachtung. Damit bezwecke sie, alle Freier abzuschrecken. So sehe ich denn, dass diese Fahrt uns entweder Gewinn und Ruhm oder Schande und Schmach bringen wird, wenn wir sie unternehmen.«
Ketil erwiderte: »Ihr seid doch manche schmalbrüstig Stärker als: Manche von euch sind etc.; denn in dem Ihr ist Hrôlf mit eingeschlossen., obgleich ihr dick und fest seid, und ihr verdienet billig Spott, da ihr es kaum waget, ein Gesuch an ein Weib zu richten! Ich glaube jedoch, je grösseren Uebermuth sie ausgeübt habe, desto matter werde ihr Trotz werden, sobald die Zeit gekommen ist, dass ihr Unwesen ein Ende haben soll.« König Hrôlf sagte: »Nun, da du deine Gedanken über diese Fahrt frei aussprichst, so will ich dich nach Dänemark senden nach meinem Fôstbruder Ingiald, denn ich will, dass er diese Fahrt mit mir fahre.«
Hiemit endeten sie ihr Gespräch, und Ketil rüstete sich zur Fahrt nach Dänemark. Ingiald brach schnell auf und fuhr nach Gautland zu König Hrôlf. Der König empfieng ihn freudig und sagte ihm, was er beabsichtige. Ingiald nahm es wohl auf und meinte, dass wohl alles, wenn anders der König Glück habe, nach Wunsche enden werde, wenn es auch nicht gerade rasch gehn sollte. König Hrôlf sagte nun zu Ketil, dass er daheim bleiben und das Reich bewahren solle. Ketil, der darüber erstaunte, sagte: »Du hast zu bestimmen, König; aber ich wundere mich, dass du mich für so unmännlich hältst und unwürdig eurer Fahrtgenossenschaft.« »Nicht also sollst du es ansehen, sagte Hrôlf; dann, Bruder, sollst du diese Fahrt fahren, wenn wir eine schwierige Unternehmung vor uns haben; aber wir werden es jetzt zuerst mit Sanftmuth und guter Geduld versuchen, wenn die Umstände es erheischen.« Ketil gab sich ungern zufrieden und sagte, dass sie einen übeln Erfolg haben würden. So begann der König Hrôlf seine Fahrt und ritt mit sechszig Mannen von Hause fort. Es war eine auserwählte Schaar, mit prächtigen Kleidern und Waffen ausgerüstet. Sie ritten ihres Weges ohne zu rasten, bis sie nach Uppsala kamen.
Nun haben wir uns zunächst nach König Eirik umzusehen. Er hatte eine kluge und schöne Königin; sie ward oft von Träumen heimgesucht und hiess Ingigerdh. In einer Nacht erwachte die Königin in ihrem Bette, rief den König Eirik wach und sagte: »Ich werde mich im Schlafe übel gebärdet haben.« »So ist es, sagte der König; aber was hat dir geträumt?« »Mir träumte, erwiderte sie, dass ich draussen stund und mich umschaute, und da geschah es, dass ich über ganz Swîthiodh hin sah, und noch viel weiter. Ich sah hin nach Gautland und so genau, dass ich von dort her eine grosse Schaar Wölfe rennen sah, und sie schienen mir hieher nach Swîthiodh zu streben. Aber vor den Wölfen lief das furchtlose Thier Das furchtlose Thier (hit ôarga dŷr) bezeichnet den Löwen; ursprünglich jedoch wohl den Bären. und das war sehr gross. Hinter ihm kam ein weisser Bär Eisbär. Den ersten, der nach Deutschland kam, brachte dem Kaiser Heinrich III. der isländische Bischof Îsleif zum Geschenke im Jahre 1049. Hungrvaka 61, 14. und der war rothkinnig; beide Thiere däuchten mich glattfellig und sanftmüthig und sie gebärdeten sich gar nicht grimm. Aber wundersam däuchte es mich, wie rasch die Thiere hieher kamen, und wie deutlich ich das alles sah, und es schienen mir im ganzen nicht weniger als sechszig zu sein. Auch däuchte mich zu sehen, wie sie hieher nach Uppsala strebten; ich rief dich an und wollte dir das sagen, da erwachte ich.« »Frau antwortete der König, was meinest du, dass diess bedeute?« Sie erwiderte: »Was ich als Wölfe sah, das sind Fylgjen von Männern S. oben S. 419., und das furchtlose Thier, das voraus sprang, ist die Fylgje eines Königes, und der mag ihr Anführer sein. Da ein Eisbär neben ihm gieng, so wird dieser König wohl einen Kämpen oder Königssohn im Gefolge haben; denn der Bär ist stark und er bezeichnet starken Beistand. Ich meine demnach, dass uns ein mächtiger und angesehener König heimsuchen werde, denn diess Thier war weit grösser und stärker, als eines der Art, wie ich glaube, werden kann.« »Woher fragte König Eirik, meinest du wohl, dass dieser König komme, oder glaubest du, dass diess unserem Reiche Schaden bringen werde?« »Soll ich sagen, was ich denke antwortete sie, so glaube ich, dass dieser König in keiner feindlichen Absicht diess Mal komme; denn alle Thiere waren sanftmüthig; soll ich jedoch Näheres angeben, so ist meine Ansicht, dass das grosse furchtlose Thier war die Fylgje des Königes Hrôlf von Gautland, des Sohnes Gautrek's; denn von daher kamen die Thiere. Aber der Eisbär, denke ich, war die Fylgje Ingiald's, seines Fôstbruders.« »Nun, was wird König Hrôlf hier von uns wollen?« fragte Eirik. »Man muss diess alles, da es einmal so ist, als ein Räthsel betrachten, sagte die Königin; aber weil die Thiere sanft von Gebärde waren, so meine ich, dass jene kommen in Friede und mit guter Gesinnung gegen uns. Fast möchte ich wähnen, dass König Hrôlf dasselbe Geschäft hier habe, das schon viele andere früher hatten, nämlich um Thôrbiörg, unsere Tochter, zu werben; denn sie ist nun doch das berühmteste Weib hier in den Nordlanden.« Der König sagte hierauf: »Eine solche Einbildung kann ich Hrôlfe nicht zutrauen, noch einem anderen Könige, der über ein so kleines Reich gebietet, da Könige um sie bereits geworben haben, welche andere Schatzkönige Steuerpflichtige Könige. unter sich hatten; und, Frau, komm mir nicht mit solchen Traumgesichten!« »Niemand erwiderte sie, greift zu solchen Vermuthungen, wie ich sie ausgesprochen habe, wenn er nicht dazu genöthigt wird.« »Nun sagte der König, soll ich dem Könige Hrôlf entgegen gehn, wenn er hieher kommt, und soll ich seine Rede anhören, wenn er solche Botschaft bringet?« Sie erwiderte: »Wohl sollst du den König Hrôlf aufnehmen, wenn er dich heimsuchet, und ihm die grösseste Freude darüber zeigen; denn er ist durch viele Dinge ein sehr hervorragender Mann, und es ist sehr ungewiss, ob deine Tochter einen berühmteren Mann bekomme, als er ist, wie mir gesagt ward.« Die Gabe, Traumgesichte zu haben und zu deuten, war als eine hervorstechende Eigenschaft der Frauen in der ganzen germanischen Welt einst anerkannt. Schon Tacitus sagt: iis aliquid divini inesse putant. Damit endeten sie ihr Gespräch.
Einige Tage später ward dem Könige Eirik angesaget, dass König Hrôlf, Gautrek's Sohn, mit einem Gefolge von sechszig Mannen angekommen sei, und er sandte Männer, ihn zum Gelage in seine Halle zu entbieten. Auf diese Einladung hin gieng Hrôlf zu dem Könige und er ward wohl und geziemend empfangen, aber nicht mit Freude und Freundlichkeit. Ihm ward zwar der Ehrensitz, aber an der niederen Bank angewiesen, vielleicht weil sie spät am Tage angekommen waren. Die Tische und Nahrungsmittel waren bereits abgetragen und das Getränke herein gebracht worden, und als sie eine Zeit lang getrunken hatten, wurden manche sehr heiter; König Hrôlf jedoch war sehr still und schweigsam. Da begann König Eirik zu ihm zu reden und er fragte nach Neuigkeiten aus Gautland oder welche er sonst woher vernommen hätte. König Hrôlf erwiderte ihm, dass in Gautland kein Ereigniss von Bedeutung vorgekommen sei. »Aber welch ein Gesuch habet ihr an uns hier in Swîthiodh, fragte König Eirik, da ihr im Hochwinter mit so zahlreichem Geleite hieher geritten kommt?« König Hrôlf entgegnete: »Wir haben unsere Fahrt hieher nach eigenem Gutdünken eingerichtet, so wie es auch hinsichtlich der Wegreise von hier der Fall sein wird, mögen wir nun auf Schiffen oder Hengsten geritten sein Das Schiff hiess auch Meerross, und so sagte man auch auf Schiffen reiten. In der Schweiz höret man auch noch: ich bin auf dem Wagen geritten.. Was aber unser Gesuch anbelanget, so gedachten wir es bei besserer Gelegenheit vorzutragen; aber nun, da du selbst danach fragest, so meine ich, wir dürfen es nicht länger verschieben, denn wahr ist was man sagt: auf den Abend wartet eine schlechte Sache Wohl weil man des Abends oft trunken war und folglich nicht beschlussfähig.. Mein Gesuch aber ist, dass ich die Schwiegerschaft mit dir begehre, aber die Ehe mit Thôrbiörg deiner Tochter, und wir wünschen nun bald reine Antwort auf unsere Anfrage zu hören.« König Eirik erwiderte darauf: »Ich weiss, dass ihr Gauten gern Scherzreden führet und dass, wenn ihr trinket, ihr manchen Schwank vorbringet, und man kann nicht immer alles das verstehn. Aber ich werde wohl euch Gauten und euer Gesuch so ziemlich zu errathen vermögen. Man hat mir gesaget, dass unter euch Gauten grosser Hunger hersche. Der Grund ist, weil Gautland klein ist und gering an Ertrage, aber eine grosse Menschenmenge hat. Ihr füttert immer ein grosses Heer auf euere Kosten und seid mildthätig und freigebig von dem Eueren, so lange etwas da ist. Nun meine ich zu wissen, dass du meinen wirst, du müssest den Gurt etwas enger schnallen, und darum werdet ihr von daheim fort geritten sein, weil es euch übel ankommt Hunger und Noth zu leiden. Es ist auch sehr zu entschuldigen, dass es solche Männer, wie ihr seid, in grosse Verlegenheit bringet, wenn sie in eine Lage kommen, dass z. B. du deine Macht nicht zu erhalten vermagst. Es war daher ein sehr weiser Entschluss, hier Hülfe zu suchen, wie es am geeignetsten erschien, lieber, als sich im Elend herum zu wälzen. Ich will dir das zum Verdienste anrechnen, obgleich du auf einige Hülfe von uns hier Anspruch machest, und ich will dir bald zeigen, welche Unterstützung ihr in unserem Reiche erhalten sollet. Wir erlauben euch für einen Monat in unserem Reiche umher zu ziehen, wenn ihr dieses Verweilen im Lande mit Dank annehmen wollet; und wenn ein anderer König euch gleiche Hülfe gewähret, so steht sicher zu erwarten, dass du heim kommest, bevor das Volk, das dich begleitet, umgekommen ist. Aber lass das Geschwätz, dass ihr um eine Maid werbet, weder um meine Tochter, noch um eine andere; denn solche Offenherzigkeit frommet euch sicher nicht, so lange Mangel und Hunger euch aus den Augen sieht. Aber wenn diese Zeit vorüber ist, so will ich noch etwas verbrennen Er verheisset wohl zum Spotte ein Opfer zu bringen? wenn nokkut fyrirbrenna solches bedeuten kann., dass ihr heim kommet; lasset euch aber deshalb nicht das Herze beklemmen, da es nun einmal nicht anders ist.« König Hrôlf merkte wohl auf die Worte des Königes, und als dieser seine Rede schloss, erwiderte ihm Hrôlf: »Herr, das ist nicht wahr, dass es uns in unserem Lande an Nahrung gebreche, oder dass wir Anderer Almosen bedürfen zur Ernährung unserer Mannen. Und wenn auch solch ein Bedrängniss über uns kommen sollte, da würden wir zuvor Andere heimsuchen als euch. Völlig unnöthig ist also dieses Geschrei gegen uns.«
Die Männer erkannten hieraus, dass König Hrôlf höchlichst erzürnet sei, obgleich er nur wenige Worte darüber sprach. So trennten sich jetzt die Könige, und die Mannen suchten ihr Lager. Man geleitete Hrôlf und die Seinen in ein Gemach, wo man ihnen das Nachtlager gerüstet hatte. Auch König Eirik begab sich zur Ruhe, und er fand die Königin bereits im Zimmer. Sie begannen sich zu unterreden und sie fragte, ob König Hrôlf angekommen sei? »Ganz gewiss«, sagte der König. »Nun, wie gefällt dir König Hrôlf?« fragte sie. »Das ist bald gesagt, erwiderte er; nie habe ich einen Mann gesehen, der grösser und stärker, in Allem schöner und höfischer wäre, wenn ich auf sein Aeusseres Rücksicht nehme; kurz ich kenne keinen, der ihm gliche.« Die Königin sagte: »So ist es auch mir gesaget worden. Aber hast du auch mit ihm gesprochen und seine Klugheit erfahren?« Der König theilte ihr darauf ihre ganze Unterredung mit, wie sie zwischen ihnen ergangen war; »und das glaube ich, sagte er, dass er die meisten Männer bei weitem übertrifft, beides an Verstand und an Kunstfertigkeiten und auch an Ertragfähigkeit.« »Da hast du denn fehlgegriffen, dass du einem solchen Manne, wie König Hrôlf nun ist, so übel begegnet bist; und dafür magst du und dein Reich gewärtig sein grosser und langer Feindschaft von ihm; denn das ist meine Ansicht, obgleich du glaubest, er habe nur ein kleines Reich, dass seine Tapferkeit und Kühnheit nebst seiner Herschergabe mehr vermöge als die Volksmenge irgend eines Königes hierin den Nordlanden; denn er übertrifft, wie du ja auch selbst sagest, alle anderen Könige.« »Freilich thut er das, erwiderte der König, und folglich findest du Wunder was an diesem Könige; aber was ist nun zu beschliessen?« »Mein Rath ist bald gegeben«, sagte da die Königin. »Ich will, dass du mit König Hrôlf freundlich redest; denn ich sage es dir in Wahrheit, dass es dir würde schwer werden wider ihn zu streiten und ihm zu trotzen, denn der Dänenkönig Hring, sein Ziehvater, mit welchem er alles beräth, unterstützet ihn.« »Es mag sein, dass wir diess Mal gefehlt haben; aber wie soll ich nun reden oder thun, dass es ihm wohl gefalle?« Die Königin sagte ohne Zaudern: »Ich rathe dir, dass, wenn sie morgen auf die Bänke kommen und ihr eine Weile getrunken habet, du mit freundlichen Worten König Hrôlf anredest und dich nach den rühmlichen Thaten erkundigest, die er verrichtet hat. Aber ich fürchte, dass er verschlossen sein werde, und deine Reden werden ihm noch im Gedächtnisse haften. Darauf sollst du fragen nach seinem Gesuche und dich so erwartungsvoll stellen, als ob er des dir gegenüber noch gar nicht erwähnt habe; weichet er jedoch aus, oder spricht er nur einige Worte darüber, da sage du, dass du dich nicht erinnerst irgend etwas darüber gesprochen zu haben, ausser Gutes und Freundschaftliches, und wenn es etwas Anderes gewesen sei, so wolltest du gern es nicht gesagt haben. Kommt er nun wieder zu der Werbung, da wünschte ich, dass du ihm eine gute Antwort gäbest und ihn nicht abwiesest, unter der Bedingung jedoch, dass er von der Jungfrau das Jawort darauf er-hielte. Sei nur fröhlich und mache in dieser Sache keine unnöthige Schwierigkeit, so hoffe ich, dass ihr mit einander wohl auskommen werdet. Ich glaube nicht, dass das Wort der Jungfrau so leicht zu erhalten sein werde, wenn ihr beide auch darüber euch geeiniget habet.« Hierauf schliefen sie die Nacht hindurch.
Am nächsten Morgen, als die Männer an die Trinktische kamen, war König Eirik überaus heiter und er gebärdete sich überaus fröhlich gegen Hrôlf's Mannen. König Hrôlf hörte das wohl, aber er horchte still zu und sagte nichts. Als König Eirik diess sah, sagte er: »Da du auf meine Einladung in meine Halle gekommen bist, König Hrôlf, mir aber es scheinet, dass du nicht so froh bist, wie so theuere Häuptlinge sonst bei Gelagen es sind, so wünsche ich, dass du mir sagest, welches die Ursache solches Missmuthes sei, auf dass ich in den Stand gesetzet werde, dich durch die Erfüllung deiner Wünsche in heitere Stimmung zu bringen. Alles was ich thun kann, dich zufrieden zu stellen, soll gern von mir gethan werden. Dagegen wünschen wir alle mit Freuden von dir die Erzählung deiner Kriegsthaten zu vernehmen, die man täglich deiner kampfbewährten Tapferkeit nachrühmet; viel haben wir schon von Anderen davon vernommen.« König Hrôlf erwiderte: »Das wird wohl wie Anderes, was mich betrifft, euch Schweden gering und nicht der Rede werth dünken.« König Eirik jedoch liess nicht nach, sondern sagte: »Viel ist uns von deiner Anmuth und Tüchtigkeit bereits gesaget worden, aber wir meinen, dass keine Erzählung deinen Tugenden völlig zu genügen vermöge. Aber wie alt bist du denn eigentlich, Hrôlf?»
»Ich bin nun achtzehn Winter alt.«
»Du bist ein ausgezeichneter Mann«, sagte da der König. »Aber wohin gedenket ihr zu reiten, oder was habet ihr für ein Gewerbe, da ihr hierher gekommen seid?«
Hrôlf wunderte sich nicht wenig, dass der König danach fragte, und er glaubte, der König suche Gelegenheit seine unfreundlichen Worte zu erneuern. Er sagte daher: »Unser Gesuch ward dir bereits kund gethan, und ich glaube nicht, dass es uns Gauten aus dem Gedächtnisse entschwunden sei, welchen Bescheid wir darauf von dir empfangen haben.« »Ich erinnere mich doch nicht, erwiderte hierauf der König, dass ihr ein Gesuch uns zu Ohren gebracht habet. Es geziemet unserer königlichen Würde nicht, etwas anders als auf freundliche Weise zu einem so würdigen Häuptling, wie du bist, zu sagen; und sollte ich etwas gesaget haben, das euch missfällig gewesen wäre, da würde sich nur wieder einmal das Sprichwort erwahren, dass das Bier ein anderer Mann sei dass man im Rausche anders spreche als man denke, oder vielmehr als angemessen sei.. Ich nehme daher alles zurück, und wir wollen es ungesprochen sein lassen. Wenn ich auf meine Worte gehörig Acht zu geben im Stande bin, werde ich euer Gesuch auch gebührend beantworten. Davon sollet ihr euch bald überzeugen.«
König Hrôlf sah, dass König Eirik's Gesinnung geändert war, und er brachte seine Werbung nochmals wohl und mannhaft vor. Als er seine Rede geendet hatte, sagte König Eirik: »Auf solches Gesuch kann ich nur günstigen Bescheid geben; denn es ist wohl völlig sicher, dass mich nie ein tüchtigerer König um Schwiegerschaft angehn wird, als du bist. Aber du wirst vernommen haben, dass meine Tochter nicht hier ist. Ich habe ihr den dritten Theil meines Reiches übergeben, und sie herschet wie ein König darüber. Sie ist mächtig und hochfahrend, und sie hat um sich eine Hirdh wie ein König. Viele Könige und Königssöhne haben bereits um sie geworben; sie hat alle mit höhnenden Worten abgewiesen, ja einige hat sie sogar verstümmeln lassen. Mir behaget solches Gebahren gar nicht, denn sie treibet grossen Uebermuth, und kein Mann darf es wagen sie anders als mit dem Königsnamen anzureden, will er sich nicht harter Züchtigung von ihr aussetzen. Nun denn, willst du diese Jungfrau dir erwerben, sei es in Minne oder mit Gewalt, von meiner Seite gebe ich dir dazu die Erlaubniss; dafür jedoch fordre ich für meine Mannen und für mein ganzes Reich Ruhe und Frieden, wenn du dich genöthigt sehen solltest deshalb zu den Waffen zu greifen; aber auch ich will ihr wider dich keine Hülfe leisten und bei allen eueren Händeln ruhig sitzen bleiben.«
König Hrôlf sagte, dass er von ihm, dem Könige, nichts weiter verlange, und sie gaben einander darüber gegenseitige Gelübde. Hierauf tranken sie heiter und froh, und König Eirik zeigte sich als den mannhaftesten Wirt.
Nach Verlauf dreier Tage rüstete sich Hrôlf zur Abreise, und die Könige schieden von einander fröhlich und in Freundschaft. König Hrôlf ritt mit seinem Gefolge ohne irgendwo Halt zu machen, bis er auf den Ullaracker kam, wo Thôrbiörg herschte. Sie kamen früh am Tage hier an, und es ward ihnen gesaget, dass der König mit seiner ganzen Hirdh bei Tische sässe. Der König Hrôlf erwählte zwölf von seinen Männern, die er als die tapfersten kannte, und bat sie ihm mit gezogenen Schwertern in die Halle zu folgen; die anderen sollten draussen bei den gerüsteten Hengsten stehn bleiben. Bevor sie nun eintraten, sagte König Hrôlf zu seinen Mannen: »Wir sollen uns so schaaren, dass ich und Ingiald zuvorderst gehn, und darauf die Anderen Paar um Paar, und werden wir angegriffen, dann wehret euch auf das beste, und es gehe derjenige zuerst wieder hinaus, der zuletzt eintrat. Auf, bezeigen wir uns kühn!«
So giengen sie denn in die Halle, und als sie eingetreten waren, sahen sie die Hirdhmänner auf beiden Bänken an den Tischen sitzen, und es war die Halle wohl ausgerüstet. Niemand begrüsste sie, und alle verstummten bei ihrem Eintritte. König Hrôlf trat vor den Hochsitz und sah, dass darauf ein kräftiger Mann in königlichem Schmucke sass. Dieser Mann war schön von Angesicht. Alle Männer, die in der Halle sassen, bewunderten den Wuchs und die Schönheit Hrôlfs, aber Niemand sprach ein Wort weder zu ihm noch zu den Seinen. Da nahm König Hrôlf den Helm vom Haupte und verneigte sich vor dem Könige, stemmte dann sein Schwert auf den Tisch und sagte: »Heil dir, Herr, und all dein Reich möge in Frieden sein!« Der König antwortete mit keinem Worte auf diesen Gruss und sah auch nicht auf. Als Hrôlf den grossen Widerwillen des Königes sah, sagte er: »Ich bin zu dir gekommen, Herr, nach dem Rathe und Gutdünken König Eirik's, deines Vaters, dir zur Ehre und mir zum Heile, um mit dir einen holden Liebesbund zu schliessen, wie ihn jedes von uns dem andern leisten soll nach dem Gebote der Natur, ohne alle Betrübniss oder Unruhe.« Der König blickte hierauf ihn an und sagte: »Du magst hierher zu uns gekommen sein wie ein Narr, nach welchem Range du dich auch benennest. Da du sonder Zweifel ein Landfahrer bist, so meine ich, dass der holde Liebesbund, den du von mir verlangest, wohl nichts anderes als Speise und Trank besagen wolle. Nun, keines von beiden will ich sparen an einem Manne, der des bedürftig ist und es von mir annehmen will. Damit möget ihr wohl euer Begehren als befriediget betrachten, dass wir diese Last auf uns nehmen, und verschonet uns mit weiterer Forderung, denn ich will keines Mannes Haushälterin oder Dienstmagd sein, weder deine noch Anderer, und hebe dich du nebst deinen Knaben bald an die Stelle, wo du deinen Hunger und Durst stillen kannst, und lass mich und alle meine Dienstholden in Ruhe mit deiner Forderung!« König Hrôlf erwiderte: »Es ist nicht wahr, dass wir jetzt von dir Speise und Trank heischen, denn daran haben wir keinen Mangel. Aber da ich weiss, dass du bist mehr die Tochter als der Sohn des Königes von Swîthiodh, so will ich denn nun mit deutlichen Worten mein Gesuch vorbringen, und zwar mit Vorwissen und Zustimmung deines Vaters, und dich mir zur Gattin werben zu Aeufnung und Verwaltung meines Reiches, zu Erhaltung und Förderung aller unserer Nachkommenschaft, die wir etwa haben werden.«
Als König Thôrberg diese Worte König Hrôlfs hörte, überfiel ihn Zorn und Wuth dergestalt, dass er kaum wusste, was er beginnen sollte. Er gebot sogleich allen seinen Mannen in der Halle sich zu waffnen und diesen Narren zu ergreifen und zu binden, der sich erfreche mit solcher Höhnung hier aufzutreten, und es wage ihn selbst zu lästern und zu beschimpfen. Noch nie sei es bis jetzt vorgekommen, dass gleich schmachvolle Worte zu einem Könige und zu einer Kämpin, die ihre Waffen führen könne, gesprochen wurden. Man solle ihm diess vergelten und solchen Kleinkönigen es verleiden, ihn und den König, seinen Vater, mit Hohn und Spott zu überhäufen.
König Thôrberg und alle seine Mannen sassen vollgerüstet in der Halle, und er ergriff die Waffen zuerst und die anderen folgten ihm nach; so brach denn nun in der Halle ein grosses Getümmel aus, und einer reizte den andern an. Als König Hrôlf dieses Getümmel sah, setzte er sich den Helm auf das Haupt und gebot seinen Mannen die Halle zu verlassen. So gieng denn der zuerst hinaus, der zuletzt eingetreten war, aber die ganze Hirdh, wie sie ankommen konnten, stürzte sich mit Kampfgrimm auf König Hrôlf. Er wich zurück aus der Halle, hielt den Schild vor sich und schlug mit dem Schwerte, wohin er langen konnte. Man sagt, er habe zwölf Männer in der Halle getödtet. Als er hinaus kam, sah er, dass wegen der Menge des Volkes keine Aussicht sich zu halten sei, und so beschloss man denn für diess Mal von dannen zu reiten. Es fehlte nicht an Gebrüll und Anreizung, als die Burgmänner ihnen nachstürmten, jeder vor dem anderen. König Hrôlf hiess die Seinen wacker zureiten, und so schieden sie diess Mal von einander; denn die Burgmannen hatten nicht ihre Hengste zum Nachritte zur Hand. Die Mannen König Hrôlf's wurden zum grössesten Theile froh, dass sie so hinwegkamen. Von ihrem Heimritte weiss man nichts weiter zu erzählen; sie kamen nach Gautland heim, waren aber mit dieser ihrer Brautfahrt sehr wenig zufrieden.
Als die Burgmannen von der Verfolgung zurück kamen, liess der König die Halle reinigen und die Gefallenen hinweg tragen. Weit hin verbreitete sich die Kunde von Hrôlf's Brautfahrt, und man spottete sehr darüber. Als König Thôrberg nun wieder bei seiner Hirdh sass, fragte er, ob Niemand den Mann kenne, der sie also genarret habe? Sie erwiderten, er heisse Hrôlf und sei der König von Gautland. »Er ist leicht zu erkennen, sagten sie, an seiner Gestalt und Schönheit.« Der König erwiderte darauf: »Ich erkannte ihn wohl nach den Schilderungen der Leute, und er ist demnach ein ausgezeichneter Mann, und er wird wohl auch klug und ausdauernd sein; auch zeigte er sich als ein entschlussfester Mann, und ich möchte vermuthen, dass er nicht raschzornig, wohl aber standhaft sei, nach dem wie er hier vorschritt, und so mögen wir uns nur darauf rüsten, dass er noch öfter uns besuchen wird. Wir wollen uns also nach Baumeistern umsehen und ein sehr starkes und festes Werk rings um unseren Wohnsitz errichten lassen, und zwar mit solcher listigen Kunst, dass man uns weder mit Waffen noch mit Feuer beikommen könne; denn ich bin überzeuget, dieser König hat es auf mich abgesehen.«
Als nun alles diess nach des Königes Willen und Gebot hergerichtet war, liess er darin herrichten beides Bleiden und Mangen Gerüste, um Steine oder Feuer auf die Feinde zu schleudern., und es war diess Vertheidigungswerk so zuverlässig errichtet, dass man seine Bezwingung für unwahrscheinlich hielt, wenn tapfere Männer dasselbe vertheidigten. So glaubte der König hier nun ohne Bedenken weilen zu können, und so erwartete er heiter und froh mit seinen Mannen, was die Zukunft bringen werde. Niemand kann nun ohne seine Erlaubniss zu ihm hinein kommen.
Als König Hrôlf höchst unzufrieden mit dem Ergebnisse seiner Fahrt heim kam, gieng ihm sein Bruder Ketil entgegen und fragte, wie es ihm ergangen wäre. Hrôlf gab ihm über alles Bescheid, und Ketil meinte, es sei eine grosse Schmach, von einem Weibe sich forttreiben zu lassen wie ein Gaul in einem Gestütte oder ein Hund im Stadel. »Ich weiss gewiss, sagte er, wenn ich dabei gewesen wäre, die Brautfahrt wäre nicht so schimpflich abgelaufen; eher hätten wir da alle fallen sollen, jeder quer über den andern, als so zu fliehen wie zage Geissen vor dem Wolfe. Du wirst wohl darauf denken, solches nicht lange ungerochen zu lassen, und du wirst wohl sofort all dein Volk sammeln, das dir, wie du meinest, zu folgen bereit ist.« Hrôlf erwiderte: »Bleib mir doch fern mit deiner Hast und deiner Rücksichtlosigkeit; unsere Fahrt hätte ein noch weit schlechteres Ende genommen, wenn wir deinem Ungestüme und deiner Tollkühnkeit gemäss vorgeschritten wären. Verlass dich darauf, ich werde mein Heer sammeln; in diesem Sommer jedoch gedenke ich nicht nach Swîthiodh zu ziehen.« Ketil sagte: »Das Schlimmste ist, dass die Schweden dich alles Muthes beraubt haben, so dass du nicht wagest dich zu rächen.« Der König erwiderte darauf, dass er sich nicht um seinen Wassersturz und die Bespritzung daher bekümmere, und er werde nur nach eigenem Beschlusse handeln. Der König blieb nun hierüber schweigsam, so wie über vieles andere, mochte es ihm nun wohl oder übel gefallen.
So verstrich der Winter, und als der Lenz kam, rüstete sich der König zu einer Fahrt ausser Landes. Er lag hierauf den Sommer hindurch einem Seekriege ob, und hatte fünf Schiffe, alle gross und wohlgerüstet. Mit ihm waren beide, Ketil und Ingiald. Sie heereten weit hin um die Westlande, Hialtland, die Sudereyen, Orkneyen und Schottland Westlande, Britannien und Frankreich; Hialtland? Sudereyen, die Hebriden; Orkneyen, Orkaden.. Sie machten grosse Beute, und als der Sommer vorüber war, gedachten sie heim zu fahren. In einer Nacht legten sie an einem Eilande bei und zelteten über ihren Schiffen Ueber den Schiffen zelten heisset die Schiffe für das Nachtlager, überhaupt für friedlichen Aufenthalt einrichten.. Als sie sich eingerichtet hatten, gieng König Hrôlf mit einigen Männern quer über das Eiland: da sahen sie an der anderen Seite desselben neun Schiffe liegen, und es waren Wîkingsschiffe. Der König kehrte sogleich auf seine Schiffe zurück und hiess seinen Bruder Ketil ein Boot in die See lassen, um zu erforschen, wer der Führer der Schiffe sei. Er nahm ein Boot, ruderte nach den Schiffen hin, rief sie an, um seinem Auftrage nachzukommen. Ein Mann stund oben auf dem Hintergransen eines der Schiffe, und er war gross und schön. Er nahm das Wort: »Wenn du nach dem Führer dieser Schiffe fragest, der heisset Âsmund und ist der Sohn König Ôlâfs von Schottland Ein nordischer Häuptling dieses Namens, ags. Anlâf, sass als König um das Jahr 938 zu Dublin. Er ward von dem westsächsischen Könige Ädhelstân bei Brunanburg geschlagen.; aber wer hat dich gesandt?« Ketil antwortete: »Mich sandte zu euch König Hrôlf, Gautrek's Sohn, euch anzusagen, dass er morgen hieher kommen werde, und er will euer Gut und eure Schiffe haben und euch den Wölfen zum Frasse geben, wenn ihr nicht alles, was ihr mit euch führet, in seine Gewalt gebet.« Âsmund sagte darauf: »Wir wissen, dass König Hrôlf ein Mann ist von grossem Ruhme, den er sich durch Heerfahrten erworben hat; da ich jedoch ein Königssohn bin und Volkes genug habe, so sage dem Könige, dass wir uns nicht zu ergeben gedenken. Wir wollen uns an einander versuchen und ich werde fünf Schiffe gegen eure fünf Schiffe stellen, und wir wollen den Kampf ohne Zauberkünste kämpfen.«
Mit diesem Bescheide fuhr Ketil zurück, und er sagte dem Könige, was beredet worden sei, und er fügte hinzu, Âsmund sei der schönste Mann und der beste Kämpe. Gegen Morgen rüstete man sich auf beiden Seiten, Âsmund aber liess vier seiner Schiffe ungerüstet liegen. Sie begannen hierauf den Kampf, und er war hart, lang und heftig. Âsmund griff mit grosser Kühnheit an, so dass Hrôlf meinte nie mit kühneren Männern es zu thun gehabt zu haben, und viele fielen auf beiden Seiten. König Hrôlf sah da, dass zart thun nicht fromme, und er gebot Âsmund's Schiff zu entern. Da fiel eine grosse Menge Volkes, denn Âsmund reizte seine Leute kräftig an und war selbst immer zu vorderst. Da trat ihm König Hrôlf entgegen, und sie wechselten schwere Schläge; denn jeder stritt mit ganzer Kraft. Hrôlf gestattete nicht, dass Jemand sie schiede, und Âsmund ward schwer verwundet. Da nun Hrôlf sah, dass er nichts desto weniger mit kühnem Herzen stritt, rief er ihm zu: »Ich wünsche, dass wir uns unterreden und inzwischen ruhen!« Âsmund willigte ein, und da begann Hrôlf also: »Schon so manche Sommer war ich auf Heerfahrt, aber nie fand ich einen Mann, der dir an Muth gleich kam. Da nun dein Volk zum Theil wund, zum Theil todt ist, so schlage ich dir Folgendes vor: entweder du bemannst auf's neue deine Schiffe mit unverwundeten Streitern, wenn du den Kampf fortsetzen willst, und wir kämpfen dann, bis einer von uns genug hat; oder wir schliessen Friede, und da biete ich dir Fôstbruderschaft an, dass wir dadurch unsere Freundschaft befestigen.« Âsmund erwiderte: »Ich nehme den Frieden an unter der Bedingung, dass ihr weder mir noch meinen Leuten einen Tadel anheftet.« Hrôlf betheuerte darauf, nie wackrere Männer gefunden zu haben, und befahl dem Kampfe ein Ende zu machen. Sofort ward der Friedeschild aufgezogen, beide Theile legten darauf an der Insel an und verbanden ihre Wunden. Âsmund hatte zwei Schiffe, Hrôlf eines überwältiget. Hierauf schwur einer dem anderen den Eid der Treue und dass sie sich nie trennen wollten ohne Zustimmung des anderen.
Âsmund theilte nun sein Volk, das übrig war; mit dem einen Theile bemannte er stattlich ein Schiff, den anderen Theil sandte er heim nach Schottland; so folgte er dem Könige Hrôlf nach Gautland und erwies sich da bald als der tapferste und kühnste Mann. In allen Tüchtigkeiten kam er dem Könige am nächsten, und doch mangelte ihm noch vieles. Sie sassen nun den Winter hindurch in Gautland mit Freuden und in gutem Frieden. Unausgesetzt ermahnte er ihn, die königliche Jungfrau aus Swîthiodh heimzuholen, und stets trieb er ihn zu dieser Fahrt an. Der König verhielt sich jedoch immer schweigsam dabei, obgleich auch sein Bruder Ketil ihn mit Eifer anreizte. Als jedoch der Frühling kam, rüstete sich Hrôlf zu einer Fahrt, und er hatte sieben wohl bewaffnete Schiffe und das ausgezeichnetste Kriegsvolk. Jetzt erst verkündete er seinen Leuten, dass er nach Swîthiodh zu ziehen gedenke. Diess Mal hiess er seinen Bruder nicht zu Hause bleiben, und auch alle seine Fôstbrüder geleiteten ihn auf dieser Fahrt. So fuhren sie denn munter nach Swîthiodh hin.
In der Nacht, bevor sie nach Swîthiodh kamen, hatte die Königin Ingigerdh wieder einen Traum und sie erzählte ihn ihrem Gatten, dem Könige Eirik. »Ich stund, begann sie, wiederum draussen und hatte wieder weiten Ausblick. Ich sah zur See und nahm wahr, dass nicht wenige Schiffe an das Land gekommen waren, und von den Schiffen sprang eine Menge Wölfe auf das Land, aber vor ihnen gieng das furchtlose Thier nebst zweien sehr grossen und schönen Eisbären. Alle diese Thiere strebten in gleicher Weise vorwärts, aber an der anderen Seite des furchtlosen Thieres lief ein Eber. Er schien mir minder gross als kampfgierig; niemals habe ich solch ein Thier gesehen. Er zerwühlte jeden Hügel gleich als wollte er ihn umwälzen, und jede Borste an ihm starrte empor. Er schien alles anfallen und hauen zu wollen, was ihm nahe kam.– Nun meine ich wieder, das furchtlose Thier sei die Fylgje Hrôlf's, wie ich sie früher sah, doch blickte sie jetzt weit finsterer und zorniger als damals, überhaupt waren alle Thiere viel grimmiger und sie sprangen sogleich landeinwärts und hieher nach Uppsala.« König Eirik sagte darauf: »Aber was meinest du, wessen Fylgje mag dieser schlimme Eber sein, den du sahest; denn sie war damals nicht bei der Schaar, und auch nur ein Eisbär zeigte sich da?« Die Königin entgegnete: »Man hat mir gesaget, dass König Hrôlf einen Bruder habe, der Ketil heisse; er sei der kleinste der Männer, aber auch der schnellbereiteste, voll von Ungestüm und Tolldreistigkeit und der keckste bei jedem Angriffe, und so vermuthe ich, dass dieser Eber seine Fylgje sei, denn er war damals nicht bei König Hrôlf, seinem Bruder. Und da jetzt zween Eisbären sich zeigten, so denke ich, König Hrôlf werde irgend einen ausgezeichneten Mann zur Folge bewogen haben, einen König oder Königssohn. Darum lass jetzt Klugheit walten, Herr, und halt deine Uebereinkunft mit König Hrôlf; er wird sich jetzt das Jawort der Jungfrau holen wollen: mancher würde wohl schon früher sich für die ihm angethane Schmach gerächt haben. Wir haben es ja gehört, wie es auf dem Ullaracker ihm ergangen ist, und wenn es dir angelegen war, ihm damals zu Willen zu sein, so muss dir jetzt es noch viel angelegener sein; denn er wäre auf das schmählichste gedemüthiget, wenn die Verbindung, nach welcher er strebt, nicht zu Stande käme.« Der König versprach ihrem Rathe nachzukommen.
Am Tage darauf sagte man dem Könige an, dass König Hrôlf in sein Land gekommen sei. König Eirik entbot ihn nebst einem Hundert seiner Mannen zu einem prächtigen Gelage, und König Hrôlf nahm die Einladung an. Eirik, der König von Swîthiodh, gieng ihm mit grosser Freude und gefolget von seiner ganzen Hirdh entgegen. So sassen sie denn hier einige Nächte in grossen Ehren und König Eirik bewirtete sie mit der grössesten Zuvorkommenheit. Eines Tages, als sie beim Trunke sassen, fragte König Eirik, ob König Hrôlf nun etwa gedächte das Jawort der Jungfrau sich zu holen, und ihm ward der Bescheid, dass das allerdings sein Wille sei, es möge ergehn wie es wolle. Da sagte König Eirik: »Es wird nun sicher ergehn, wie ich dir früher sagte; du wirst diess Mal beides, Rath, Kühnheit und Ausdauer nöthig haben, wenn du einige Fortschritte machen willst. Ich habe vernommen, dass König Thôrberg für starke Befestigung Sorge getragen habe. Die Maid hat das stärkste Bollwerk errichten lassen mit grosser Kunst und mit schlauen Einrichtungen mancher Art. Ich denke, dass es nicht eben leicht zu gewinnen sein werde. Nun will ich aber alles das dir leisten, was ich einst dir verheissen habe, und dir die erbetene Ehe zugestehn, und ich will dir, König Hrôlf, den Theil meines Reiches übertragen, den ich in ihre Gewalt einst gab, für so lange als ich lebe, und nach meinem Tode sollst du diess ganze Reich beherschen, wenn du die Maid zu gewinnen im Stande warest.« König Hrôlf dankte dem Könige Eirik für seine grossmüthige Entscheidung und sagte, dass er von seiner Hand nichts weiter begehre.
Bald nachher rüsteten sie sich hinweg zu fahren, und sie legten nirgends an, bevor sie an den Ullaracker kamen. Aber ihrer Fahrt war die sicherste Kunde vorausgegangen und König Thôrberg hatte das Bollwerk stark verwahren lassen, so dass man auf keine Weise hineinkommen konnte, und als König Hrôlf mit seinem Heere ankam, gebrach es nicht an Getöse und Waffengeräusch in dem Baue, dessen sie nun ansichtig wurden. König Hrôlf gebot alsbald seinen Mannen die Heerzelte aufzuschlagen, und er hiess sie so einrichten, dass man hier eine lange Zeit weilen könnte. Dann zeigte er nach dem Bollwerke hin, und hiess seinen Bruder Ketil dasselbe durch Anläufe und Wortschwall einnehmen. Ketil ward hierüber zornig und sagte, er gedenke nicht minder herzhaft daran zu gehn als irgend einer seiner Mannen. Sie schliefen darauf die Nacht hindurch, und als der Morgen kam, verlangte König Hrôlf mit dem Könige Thôrberg zu sprechen und er liess ihn bitten herauszukommen auf das Bollwerk, dass jeder des anderen Worte hören könne. Man sagte diess dem Könige, und er gieng mit seiner ganzen Hirdh auf das Bollwerk. Sobald Hrôlf ihn erblickte, sagte er: »Ich bitte dich, Herr, zuzuhören und auf meine Worte zu achten. Du wirst dich erinnern, dass ich einst zu dir kam und welch eine Werbung ich hatte, und wie schnöde und schmachvoll du mich damals behandeltest. Erhalte ich jetzt nicht bessere Antwort als damals, so will ich diese Gebäude hier verbrennen und alle, die darinnen sind, tödten oder, wenn es anders ergehn soll, hier sterben.« Als König Thôrberg diese Worte vernommen hatte, sagte er: »Eher wirst du Geisshirt in Gautland werden als dieser Stätte hier mächtig oder eines andern Dinges, das mir zugehöret. Zeuch heim mit allem deinem Volke und sei froh, dass du ohne Schaden davon kommest.« Hierauf schlug der König an seinen Schild und sagte, er wolle nichts mehr hören, was auch König Hrôlf sage, und das Gleiche thaten auch alle seine Mannen.
Wie nun König Hrôlf sah, dass keine Vermittelung da mehr stattfinde, gebot er seinen Mannen sich zu waffnen und mannhaft anzugreifen. Sie thaten wie der König gebot, und rückten schnell heran, konnten aber nichts ausrichten. Sie mochten beginnen was sie wollten, immer trat der List List entgegen. Sie trugen Feuer herbei; da floss Wasser aus den Baumstämmen, welche der Wand des Bollwerkes entlang eingerammet waren. Sie versuchten das Werk zu untergraben; da gossen die Schweden brennendes Pech und siedendes Wasser auf sie herab. Zugleich wurden grosse Steine von oben auf sie herabgeworfen, die alles, was sie trafen, zermalmten, denn es mangelte keinesweges an Menschen auf den Befestigungen. So manche der Stürmenden fielen, aber eine noch grössere Menge ward verstümmelt. Ermüdet und wund mussten die Gauten den Sturm aufgeben.
Unter den Gauten erhub sich übles Murren und sie glaubten ein böses Geschäft vor sich zu haben; die Schweden aber traten auf das Bollwerk, verspotteten sie, lachten über sie und sprachen ihnen den Muth ab. Sie trugen Sammet und Seide herbei und Kleinode mancher Art, und zeigten sie ihnen und forderten sie auf sie zu holen.
König Hrôlf fragte da seinen Bruder Ketil, wie ihm das Ding vorkomme? Er antwortete: er finde, dass sie nur Mühsal hätten, »und der Schwedenherscher harnet, dünket mich, sehr heiss.« Der König sagte darauf, es möge wohl sein, dass man hier mehr bedürfe als nur Wortgeräusch.
Sie lagerten nun bereits einen halben Monat hier und das Volk ward immer unzufriedener. Da sagte einst Âsmund zu Hrôlf: »Wir haben diess Nest nun schon lange bestürmet und haben jeden Tag grosse Beschwerde gehabt und sind doch unserem Zwecke nicht näher gekommen. Wir haben viele Leute verloren, und sehr viele sind verwundet. Das Volk verlanget, dass du nun zu einem Mittel greifest, das da wirksam sei, sonst wollen deine Mannen von dannen ziehen, denn wir haben nur Hohn und Spott für unsere Mühe.« Hrôlf antwortete ihm: »Ich weiss keinen sicheren Rath diese Feste zu gewinnen, doch wollen wir noch einen Versuch machen. Wir wollen in den Wald gehn, uns grosse Bürden binden, daraus Dächer machen und diese auf Balken stützen. Dann sollen wir diese Dächer so hoch tragen, dass Männer wohl darunter stehn mögen, und dazu will ich die stärksten unserer Leute auswählen. Einige sollen dann Hacken und Schaufeln nehmen und damit uns eine Spalte in den Wall graben, durch die wir auf das Bollwerk kommen können.« Das schien allen wohl ersonnen, und als sie alles fertig gemacht hatten, trugen sie die Gerüste unter das Bollwerk, und sie waren so stark, dass denen, die darunter stunden, weder Stein noch Pech schadete. So hatten sie in kurzer Zeit eine Oeffnung in den Wall gegraben.
Als König Thôrberg dessen gewahr ward, sprang er nebst allen seinen Mannen in einen heimlichen Gang im Innern des Bollwerkes hinab und fort in den Wald; König Hrôlf aber drang nun mit seinem Volke in das Bollwerk: Als sie hinein kamen, fanden sie keinen Menschen mehr da. Es wunderte sie sehr, dass sie, als sie in die Wohnräume kamen, keinen Menschen daselbst antrafen; aber Speise und Trank stund da in jeglichem Gemache bereit, und Kleider nebst Schmucksachen waren in Menge da. Bei solchem Anblicke sagte Ketil: »Dieser König war doch ein Zagling, da er so viele gute Dinge hier im Stiche liess und dazu noch seinen Feinden Speise und Trank auftischte. Wir sind nach unseren Mühsalen dem Glücke recht in's Haus gefallen; jetzt wollen wir einmal essen und trinken, dann aber uns an die Theilung der Beute machen!« Als König Hrôlf solche Rede hörte, sagte er unwillig: »Nun hast du an dem dir bestimmten Köder angebissen: du willst also mehr darauf denken deinen Magen zu füllen als den König zu fangen. Aber Niemand soll sich jetzt hier verweilen und dadurch dem Könige die Flucht ermöglichen; wir sollen vielmehr die ganze Stätte durchforschen, ob wir etwa das Erdhaus finden, wodurch man hinaus kommt.«
Sie thaten nach den Worten des Königes und fanden den Niedergang in das Bollwerk. König Hrôlf war der Erste der hinabgieng, und die anderen Mann für Mann folgten. Sie schritten vorwärts bis sie zum Aufgang kamen, und da waren sie in den Wald gekommen. Da stund denn König Thôrberg mit seiner ganzen Hirdh, und es kam zum Kampfe. König Hrôlf drang kühn und mannhaft vor, und so thaten auch seine Fôstbrüder. Thôrberg schlug sich wacker, und nicht minder alle seine Mannen; denn das Volk, das ihm folgte, war ein nach der Tapferkeit ausgewähltes und auch an Anzahl war es bei weitem stärker. Als sie nun alle gleichmässig zum Kampfe antraten, da giengen die Fôstbrüder und ihre Leute muthig vor und fällten so manche Männer. Der König der Schweden feuerte seine Mannen eifrig an und rief, ihr Schutz sei eine Seifenblase, wenn sie nicht die Kleinkönige ihr vom Halse hielten, und er schlug sich mit keckem Muthe und fällte manchen Mann mit seinen Kämpen, dennoch ward auf Seiten der Schweden der Kampf schwach und schwächer. König Hrôlf sagte da zu Ketil seinem Bruder: »Auf! wende dich wider den König der Schweden und nimm ihn, wenn du es vermagst, aber schwing nicht das Schwert auf ihn, denn es ist die grösseste Schmach ein Weib mit Waffen zu verwunden!« Ketil erwiderte, dass er das thun wolle, wenn er es vermöge. Schon begannen die Schweden zu fliehen, und Ketil war da ihrem Könige so nahe gekommen, dass er ihn mit flachem Schwerte an die Lenden schlug. Er ergriff ihn, indem er ausrief: »Frau, so vertreiben wir euch den Lendenkitzel, und das nenne ich einen Schimpfschlag!« »Dieser Schlag, entgegnete Thôrberg, soll dir keinen Ruhm bringen«; und er schlug Ketiln mit der Streitaxt unter das Ohr, so dass er seine Füsse gegen den Himmel aufstreckte. »So schlagen wir, höhnte er weiter, unsere Hunde, wenn wir finden, dass sie toll werden.« Ketil sprang schnell auf, und schickte sich gerade an sich zu rächen, als König Hrôlf herantrat und den König ergriff, indem er sagte: »Lege dein Schwert nieder, denn du bist nun in meiner Gewalt. Ich will dir und allen deinen Mannen Friede geben, wenn du in deines Vaters Beschluss einwilligen willst.« Thôrberg erwiderte darauf: »Das steht nun freilich zu erwarten, König Hrôlf, dass du glauben wirst über mich und alle meine Mannen Gewalt zu haben; aber es wird dir zu geringer Ehre gereichen, wenn du mich dazu drängest, was ich freiwillig zu thun mich weigere.« König Hrôlf sagte: »Um uns beide steht es nun so, dass ich dir in allem Ehre erweisen will, und über das Verhältniss zwischen uns beiden soll dein Vater nach seiner Weisheit entscheiden, und es soll gelten, dass, wenn dein Vater zwischen uns eine Bestimmung trifft, du derselben in allen Ehren nachkommest.« »Du bist in der That ein weiser und geduldiger Mann, erwiderte Thôrberg, denn mancher, wäre er in deiner Lage, würde meines Gebahrens wegen zu dem mich zu drängen suchen, dessen Zustandekommen du wünschest. Nun aber, da wir, ich und meine Mannen, in deine Gewalt gekommen sind, will ich darein willigen und uns so zunächst aus der Gefangenschaft lösen. So will ich denn, König Hrôlf, thun, wie höfische Männer zu thun pflegen, wenn sie besieget und überwunden werden, und ich lade dich samt deiner ganzen Schaar ein hier zu weilen und ehrenvolle Bewirtung anzunehmen, zum Lohne dafür, dass du meinen Mannen Frieden giebst; ich aber will auf der Stelle nach Uppsala reiten mit allen meinen Dienstmannen, die noch am Leben sind, und meinen Vater, König Eirik, aufsuchen, um mit ihm das Beste zu berathen; denn es geziemet mir seinem Beschlusse mich zu fügen.«
Beide Könige gelobten einander dem Vertrage nachzuleben, und König Hrôlf zog in die eroberte Burg zurück, um sich hier drei Nächte hindurch an einem Gelage zu ergetzen; aber Thôrberg ritt mit seiner ganzen Schaar gen Uppsala. Gleich nach seiner Ankunft trat er vor König Eirik, legte seinen Schild zu dessen Füssen nieder, nahm den Helm vom Haupte, verneigte sich grüssend und sagte: »Mein lieber Vater! ich komme flüchtig aus dem Reiche, das du in meine Gewalt gabest, dieweil ich von starken Kriegsmännern überwunden ward. Da bitte ich denn, dass du über mich dasjenige beschliessest, was dir nun das Beste dünket.« Der König entgegnete: »Ich freue mich, dass dieser Uebermuth ein Ende fand, und ich will, dass du weibliches Betragen annehmest und dich in's Frauenhaus zu deiner Mutter begebest. Dann will ich dich vermählen dem Könige Hrôlf, dem Sohne Gautrek's, denn ich kenne keinen Mann hier in den Nordlanden, der ihm gleich komme.« Die Tochter des Königes erwiderte darauf: »Es wäre von Uebel, wenn ich hieher zu dir um Rath gekommen wäre und nun nicht deinem Wohlmeinen mich fügen wollte.« Hierauf übergab sie dem Könige Eirik die Waffen, die sie getragen hatte, gieng in das Frauengemach und setzte sich zu ihrer Mutter an die Näharbeit, und sie war schöner und sittiger denn jede andere Maid, so dass man in den Nordlanden keine fand, die ihr gleich kam. Dazu war sie klug, freundlich, wortgewandt, umsichtig und hochgesinnt.
Darauf sandte König Eirik Boten zu König Hrôlf und entbot ihn und seine Leute zu einem Gelage. Er brach sogleich auf und zog gen Uppsala. Und als König Eirik seine Ankunft vernahm, gieng er ihm mit seiner ganzen Hirdh entgegen und führte ihn auf den Hochsitz in der Halle neben sich und wies auch seinen Fôstbrüdern geziemende Sitze an, und so tranken sie denn froh und heiter. Hierauf besprachen sie den Heirathsvertrag und sie kamen über alles auf das beste überein. Sofort liess nun König Eirik seine Tochter in die Halle rufen. Auf diesen Ruf hin kleidete sie sich mit der grössesten Pracht und gieng mit ihrer Mutter zur Halle, begleitet von vielen höfischen Frauen. Wie König Eirik seine Tochter eintreten sah, stund er auf, gieng ihr entgegen und geleitete sie nebst der Königin auf den Sitz zu seiner andern Hand. Als nun die Könige eine Zeit lang getrunken hatten, erhub König Hrôlf seine Werbung, so dass die Jungfrau sie hörte, und es braucht nicht viele Worte darüber, dass die Vermählung vollzogen ward. Das Gelage ward verlängert und dazu entboten eine grosse Anzahl angesehener Männer aus ganz Swîthiodh. Die Brautlauft ward ansehnlich und währte einen halben Monat. Beim Schlusse gab König Eirik froh und freundlich allen Häuptlingen kostbare Gaben, und darauf fuhr jeder in seine Heimat. Ketil ward nach Gautland gesandt, das Reich zu verwalten, Ingiald fuhr heim nach Dänemark zu seinem Vater; Âsmund aber blieb bei König Hrôlfe. Dieser sass nun in Swîithiodh und beherschte das Reich, das die Tochter des Königes früher verwaltet hatte. Er lebte mit seiner Hausfrau in bester Eintracht und ihre Liebe wuchs von Tage zu Tage.