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2. Erzählung von Helgi.

Schlecht ergeht's den schlimmen Rangen,
aber Huld wird Heil empfangen.

Ein König hiess Nordhri; er herschte über einen Theil Englands, seine Tochter hiess Ögn. Hrôar war lange bei Nordhri, dem Könige, half ihm das Land vertheidigen und war mit ihm in der grössten Freundschaft. Später nahm er Ögn zum Weibe und liess sich nieder im Reiche bei König Nordhri, seinem Schwäher; aber Helgi herschte über Dänemark, ihr Vatererbe. Der Iarl Sæwil und seine Gattin Signy walteten ihres Landes, und sie hatten einen Sohn, der Hrôk hiess; König Helgi war aber unbeweibt. Regin ward krank und starb. Viele deuchte das ein grosser Schade, denn er war sehr freundlich gegen Alle.

Ueber Sachsland herschte zu dieser Zeit eine Königin, welche Ôlöf hiess; sie lebte nach Art der Heerkönige und fuhr mit Schild und Brünne, umgürtet mit dem Schwerte, und den Helm auf dem Haupte. Es war mit ihr so beschaffen: sie war schön dem Aussehen nach, aber grimm von Herzen und hochmüthig. Das war die Rede der Männer, dass sie zu jener Zeit in den Nordlanden die beste Wahl wäre, von der die Männer Kunde hatten; sie wollte jedoch keinen Mann haben. König Helgi erfuhr nun von dieser übermüthigen Königin, und er glaubte, es würde ihm von grossem Nutzen sein, wenn er sich mit dieser Jungfrau vermähle, gleichviel, wäre es ihr nach Wunsche oder nicht, und so fuhr er eines Tages dahin mit grossem Heere. Er kam in das Land, worüber diese mächtige Königin herschte, und er kam dahin unvermuthet. Er sandte seine Mannen zur Halle der Jungfrau, und liess der Königin Ôlöf melden, dass er und sein Volk hin zu Gaste kommen wolle. Die Boten sagten diess der Königin; es kam ihr unerwartet, aber sie hatte keine Zeit ihr Volk zu sammeln. Sie machte daher gute Miene zum bösen Spiele, und entbot den König Helgi nebst seinem Volke zum Gelage. König Helgi kam, und er nahm den Hochsitz neben der Königin ein. Sie tranken nun beide mit einander diesen Abend und es mangelte da nichts, und er fand keine Unfreundlichkeit an der Königin Ôlöf. König Helgi sagte da zur Königin: »So ist es bestellt, dass ich will, dass wir diesen Abend unsere Brautlauft trinken; es ist hier genug Volkes dazu versammelt, und wir sollen beide Ein Lager diese Nacht haben.« Sie erwiderte: »Diess scheint mir allzurasch gefahren, Herr; aber kein anderer Mann dünkt mich höflicher als du, wenn ich das auf mich nehmen soll, dass ich mich einem Gatten unterordne; überdiess erwarte ich, dass ihr diess nicht mit Kränkung meiner Ehre thun werdet.« Der König erwiderte, das gebühre ihr wegen ihrer Hochfahrt und Grossthuerei, »dass wir beide nun eine Stunde zusammen zubringen, wie es mir gefällt.« Sie sagte darauf: »Wir wollen hier mehrere unserer Freunde auswählen, und diese werden das Schickliche für uns thun.« Es ward nun den Abend hindurch und bis tief in die Nacht hinein tüchtig getrunken, und die Königin war sehr fröhlich; Niemand merkte etwas Anderes an ihr, als sie sei mit der Heirath sehr wohl zufrieden. Als man später ihn zum Lager geleitete, war sie schon dort; der König aber hatte so viel getrunken, dass er sogleich in Schlaf fiel. Die Königin machte sich das zu Nutzen, und stach in ihn einen Schlafdorn. Unter Schlafdorn versteht man den Dorn eines Strauches, der die Kraft hat, jeden, der damit gestochen wird, in Schlaf zu versetzen. Als alle Männer hinweggegangen waren, erhub sich die Königin vom Lager, schnitt ihm alles Haar ab und warf es in Theer; hierauf nahm sie einen Ledersack und that hinein einige Kleider; sodann nahm sie den König und steckte ihn auch in diesen Sack; zuletzt rief sie einige ihrer Leute und liess ihn auf sein Schiff befördern. Nun erst weckte sie seine Mannen und sagte ihnen, dass ihr König bereits an Bord gegangen sei und segeln wolle, weil sich guter Wind eingestellt habe.

Sie sprangen auf, jeder so schnell er konnte, und waren trunken, und wussten nicht, was sie vorhatten. So kamen sie auf die Schiffe. Hier sahen sie nirgends den König, aber wohl einen hässlichen Ledersack. Sie wollten sich nun erkundigen, was darin sei, und warteten so des Königs in der Erwartung, er werde wohl bald kommen. Als er nicht kam, und sie den Sack nun auflösten, fanden sie darin ihren schimpflich zugerichteten König. Als sie ihn herausnahmen, sprang der Schlafdorn ab, und der König erwachte aus keinem guten Traume. Er war nun auf die Königin sehr erzürnt. Auf der andern Seite ist zu sagen, dass Ôlöf, die Königin, noch während der Nacht Volk sammelte, und es kam eine grosse Menge, und König Helgi sah sich also nicht in der Lage sich zu rächen. Sie hörten nun das Land auf und ab Hörnerklang und Heergeräusch, und der König erkannte wohl, dass es am besten sein werde, so bald als möglich abzusegeln. Da der Wind günstig war, segelte Helgi nun heim in sein Reich mit Schimpf und Schande, und er war sehr übelgelaunt und dachte oft, wie er sich an der Königin rächen könnte.

Königin Ôlöf sass nun in ihrem Reiche eine Zeit lang, und ihr Hochmuth war nie grösser gewesen. Sie hatte aber bei sich eine starke Wache seit dem Gelage, das sie dem König Helgi gegeben hatte. Die Kunde von dieser Begebenheit verbreitete sich nun weit über die Lande, und es dünkte Alle die grösste Unziemlichkeit, dass sie einen solchen König so spöttisch behandelt hatte. Bald darauf segelte Helgi wieder ab seinem Lande, und kam mit seinem Schiffe in das Land der Sachsen, wo die Königin Ôlöf ihren Sitz hatte; und sie hatte da eine grosse Menge Volkes um sich. Er legte sein Schiff in eine versteckte Bucht, und sagte seinen Leuten, dass sie sein hier warten sollten bis zur dritten Sonne, aber wenn er bis dahin nicht zurück sei, sollten sie ihres Weges fahren. Er legte schlechte Kleider an, nahm zwei Kisten voll von Gold und Silber, schlug den Weg nach dem Walde ein, versteckte daselbst sein Gut und begab sich in die Nähe der Halle der Königin. Hier traf er auf einen Knecht derselben, und fragte ihn um Nachrichten aus dem Lande; der Knecht grüsste ihn und fragte, wer er wäre. Helgi sagte, er wäre ein Bettler: »und doch ist mir hier im Walde ein grosser Schatz in die Hände gefallen, und es scheint mir rathsam dir zu zeigen, wo das Geld ist.« Sie giengen hierauf in den Wald, und er zeigte ihm den Schatz; und es däuchte den Knecht gross das Glück, das ihn aufgesucht hatte. »Liebt etwa euere Königin das Geld?« fragte der Bettler. Der Knecht erwiderte, sie wäre die geldgierigste aller Frauen. »Da wird es ihr gefallen, sagte der Bettler, und sie wird meinen, das Geld, das ich hier fand, sei ihr Eigenthum, weil dieses Land ihr gehört. Man soll sein Glück nicht zu seinem Unglücke machen; ich will also diesen Schatz nicht verläugnen, und die Königin soll mir nach ihrem Gutdünken einen Theil des Schatzes zuweisen. Das wird das Beste für mich sein, oder wie? wird sie vielleicht es thun, und das Geld hier in Empfang nehmen?« »Das denke ich wohl, antwortete der Knecht, wenn es in der Stille geschehen kann.« »Hier sind Münzen und ein Ring, den will ich dir geben, sagte der Bettler, wenn du mit ihr allein hieher in den Wald kommest; aber ich muss mich da vorsehen, wenn sie dir nicht trauen sollte.« So beriethen sie sich, und wurden einig. Der Knecht gieng nun heim, und sagte der Königin, dass er im Walde einen grossen Schatz gefunden habe zum Heile für die Menschen, und er bat sie, eilig mit ihm nach dem Gelde zu gehen. Sie erwiderte: »Wenn das wahr ist, was du sagst, so soll dir grosser Lohn werden, wenn nicht, so gilt es deinem Haupte. Ich habe dich jedoch früher für einen wahrhaften Mann gehalten, und so will ich dem trauen, was du sagest.« So zeigte sie ihre Geldgier, und gieng mit ihm heimlich zur Nacht in den Wald, so dass Niemand sonst etwas davon wusste. Und als sie in den Wald kamen, war Helgi schon hier; er ergriff sie und sagte, dass ihre Zusammenkunft ihm die beste Gelegenheit biete, seine Schmach zu rächen. Die Königin sagte, dass sie wider ihn übel gethan habe, »und ich will diess alles dir büssen, sorge nur, dass unsere Brautlauft geziemend sei.« »Nein, sagte er, nicht so soll es dir ergehen; du sollst mit mir auf die Schiffe und daselbst bleiben, so lange es mir gefällt; denn ich habe nicht Geringes an dir zu rächen, da du so übel und höhnisch mich behandelt hast.« »Ihr werdet diessmal zu bestimmen haben«, sagte sie. Der König ruhete bei ihr manche Nächte, und darauf liess er sie heimziehen. Er hatte sich nun an ihr gerochen, aber sie zürnte sehr über seine Handlungsweise.

Hierauf gieng König Helgi auf Heerfahrt, und er war ein angesehener Mann. Und als die Zeit gekommen war, gebar Ôlöf ein Mädchen, und sie liess dieses Kind alles Unheil entgelten. Sie hatte einen Hund, der Yrsa hiess, und nach dem benannte sie das Mädchen. Es war schön von Antlitz, und als es zwölf Winter alt war, musste es die Heerde hüten, und es sollte nichts Anderes wissen, als sie wäre die Tochter eines Bauers und einer Bäuerin; denn die Königin hatte ihr Begegniss so verheimlicht, dass wenige Menschen um die Geburt dieses Kindes wussten. Als das Mädchen dreizehn Winter alt war, traf es sich, dass König Helgi in das Land kam, und er war begierig, Nachricht von der Königin zu erhalten. Er trug Bettlerkleidung; im Walde sah er nun eine grosse Heerde, und sie hütete ein junges und so schönes Mädchen, dass er kein schöneres gesehen zu haben glaubte. Er fragte sie, wie sie heisse, oder welches Geschlechtes sie sei. Sie antwortete: »Ich bin eines Bauern Tochter und heisse Yrsa.« »Nicht bäuerische Augen hast du«, sagte er, und er fasste sogleich Liebe zu ihr, und sagte, es wäre ganz schicklich, dass ein Bettler sie hätte, da sie eines Bauern Tochter wäre. Sie bat ihn, das nicht zu thun, aber er nahm sie mit sich auf das Schiff und segelte darauf heim in sein Reich. Königin Ôlöf lachte darüber heimtückisch und nicht wohlgesinnt, als sie es erfuhr; sie that, als ob sie nicht wisse, was geschehen sei, und sie freute sich darüber, dass diess dem Könige Helgi zu Harm und Schmach gereichen würde, aber weder zu Nutzen noch zu Freude. König Helgi hielt nun Brautlauft mit Yrsa, und er liebte sie sehr.

König Helgi hatte einen Ring, der sehr schön war, und beide Brüder wollten ihn haben, und auch Signy, ihre Schwester. König Hrôar kam einst in das Reich Helgi's, seines Bruders, und Helgi rüstete ein prächtiges Gastmahl zu seinem Empfange. König Hrôar sagte: »Du bist von uns beiden der grössere Mann, aber weil ich mich in Nordhumberland niedergelassen habe, so gönne ich dir wohl dieses Reich, das uns beiden gehört, wenn du mir einige fahrende Habe überlassen willst. Ich will haben den Ring, das beste Stück deines Eigenthums, und welches wir beide begehren.« Helgi sagte: »Nicht anders ziemt es sich, Freund, und du sollst den Ring wahrlich haben.« Beide waren dieser Uebereinkunft froh, und Helgi gab dem Könige Hrôar, seinem Bruder, den Ring. Hrôar fuhr nun heim in sein Reich, und sass in Ruhe.

Da kam es, dass Sæwil, ihr Verwandter, starb, und Hrôk, sein Sohn, nahm das Reich nach ihm. Er war ein grimmiger und sehr gieriger Mann. Seine Mutter sagte ihm viel von dem Ringe, »und es däucht mich, sagte sie, nicht unwahrscheinlich, dass die Brüder uns verkürzten am Reiche, obgleich wir sie unterstützten in der Rache für unsern Vater, und sie sind des nicht eingedenk gewesen, weder gegen deinen Vater noch gegen mich.« Hrôk erwiderte: »Was du sagst, ist klar wie der Tag, und es ist solches wundersam; und nun will ich doch einmal nachsehen, welche Ehre sie uns dafür erweisen wollen.« Er fuhr darauf zu König Helgi und forderte den dritten Theil von Dänemark oder den guten Ring, denn er wusste nicht, dass Hrôar ihn hatte. Der König erwiderte: »Ihr sprechet sehr frech an, und sehr stürmisch und übermüthig; wir gewannen das Reich durch Muth, so dass wir unser Leben einsetzten, allerdings mit Unterstützung deines Vaters und Regin's, meines Erziehers, und anderer guter Männer, die uns helfen wollten. Nun wollen wir dir wahrlich lohnen, wenn du es annehmen magst, wegen unserer Freundschaft; aber das Reich kommt mich so theuer zu stehen, dass ich es unter keiner Bedingung missen will; den Ring jedoch hat nun König Hrôar an sich genommen, und ich glaube nicht, dass er für dich zu haben sei.« Mit diesem Bescheide fuhr Hrôk hinweg, und er war sehr zornig darüber. Er fuhr also zu König Hrôar, der ihn freundlich und ehrenvoll aufnahm, und er weilte bei ihm eine Zeit lang. Als sie nun einst vom Lande abfuhren und in einer Bucht beilegten, da sagte Hrôk: »Das dünkte mir dein würdig, Freund, dass du den guten Ring in meine Gewalt gäbest, und gedächtest so unserer Freundschaft.« Der König erwiderte: »Ich habe so viel daran gesetzt, um diesen Ring zu erhalten, dass ich ihn auf keine Weise lassen mag.« Hrôk sagte: »So wirst du mir doch erlauben, den Ring zu sehen, denn ich bin sehr begierig zu wissen, ob er ein solches Kleinod ist, wie man sagt.« »Das ist sehr bescheiden von dir, sagte Hrôar, und das zu untersuchen mag ich dir billig überlassen.« Und er gab ihm den Ring. Hrôk betrachtete denselben nun eine Zeit lang und sagte, dass er die Uebertreibung nicht verbreiten möge, »und doch habe ich kein ähnliches Kleinod gesehen, und es ist das die grösste Entschuldigung, dass euch der Ring so wohl gefällt. Am besten jedoch wird es sein, dass Keiner von uns ihn habe und auch kein Anderer.« Hierauf schleuderte er den Ring hinaus in die See, so weit er konnte. König Hrôar sagte: »Du bist ein grundböser Mann!« und er liess ihm darauf einen Fuss abhauen und so in sein Reich zurückschaffen. Er ward jedoch bald ein heiler Mann, da sein Stumpf verwuchs. Er sammelte hierauf Volk, um seine Schmach zu rächen, und kam mit einem grossen Heere unerwartet nach Nordhumberland, als gerade König Hrôar bei einem Gastmahle war, nur von wenigen Männern begleitet. Hrôk griff sogleich an, und es entstund ein harter Kampf. König Hrôar fiel hier, Hrôk aber legte das Land unter sich, nahm den Königsnamen an und warb um Ögn, die Tochter des Königs Nordhri, welche früher König Hrôar, sein Mage, gehabt hatte. König Nordhri war der Meinung, dass damit eine schwere Forderung an ihn ergangen sei, denn er war ein alter Mann und wenig geneigt, in Kampf zu gehen. Er sagte daher Ögn, seiner Tochter, wohin es gekommen sei, und dass er nicht wolle den Kampf ablehnen, obgleich er alt wäre, wenn diese Verbindung ihr zuwider wäre. Sie sagte mit grossem Schmerze: »Sie ist mir wahrlich zuwider, aber ich sehe, dass dein Leben auf der Waage steht, und so will ich ihn nicht abweisen; aber Frist muss er mir gewähren, und das Versprechen muss er mir im Voraus geben, denn ich gehe mit einem Kinde von König Hrôar.« Diese Rede ward Hrôke hinterbracht, und er will die Frist bewilligen, wenn er dadurch leichter zum Reiche und zur Ehe gelangen könne. Hrôk glaubte übrigens auf dieser Fahrt viel errungen zu haben, da er einen so berühmten König gefällt hatte. Unterdessen sandte Ögn Boten zu König Helgi und liess ihm sagen, dass sie nicht in Hrôk's Bette gehen würde, wenn sie selbst über sich zu bestimmen hätte, und keinen Zwang litte, weil sie mit einem Kinde Hrôar's gehe. Die Boten fuhren und richteten ihren Auftrag aus. König Helgi gab den Bescheid: »Sie hat verständig über sich gesprochen, denn rächen will ich meinen Bruder Hrôar.« Hrôk jedoch fasste keinen Verdacht.

Königin Ögn gebar nun einen Sohn, der Agnar genannt ward; er war bald gross und vielversprechend. Als König Helgi davon Nachricht erhielt, warb er Volk und fuhr wider Hrôk. Hrôk ward im Kampfe gefangen; da sagte König Helgi: »Du bist ein sehr schlimmer Häuptling, aber ich will dich nicht tödten, weil es dir grössere Schande sein wird, mit Qual und als ein Krüppel zu leben.« Darauf liess er ihm Beine und Arme zerbrechen und sandte ihn so in sein Reich zurück, dass er zu nichts mehr fähig war. Als aber Agnar, Hrôar's Sohn, zwölf Winter alt war, meinten die Männer noch nie einen solchen Mann gesehen zu haben, und er war tüchtiger denn andere Männer; er ward ein so grosser und berühmter Heermann, dass von ihm in alten Sagen gerühmt wird, er wäre in alter und neuer Zeit der grösseste Kämpe gewesen. Zunächst nun spürte er nach der Bucht, wo Hrôk den Bing über Bord geschleudert hatte. Schon Viele hatten mit allerhand Listen nach ihm getrachtet, aber sie hatten ihn nicht erlangt. Nun fuhr Agnar mit seinem Schiffe in diese Bucht, und sagte, es wäre wohl leicht nach dem Ringe zu suchen, wenn man hier scharfsichtige Männer hätte. Man sagte ihm da, wo er in die See geworfen worden sei. Darauf bereitete sich Agnar und tauchte in die Tiefe; aber er kam wieder herauf und hatte den Ring nicht. Er tauchte wiederum hinab, allein abermals vergebens; und als er heraufkam, sagte er: »Das heisst schlecht gesucht«, und er fuhr zum dritten Mal nieder und kam mit dem Ringe zurück. Hierdurch ward er sehr berühmt, weit berühmter als sein Vater. Jeden Winter sass er nun in seinem Reiche, aber im Sommer gieng er auf Wîkingfahrt, ward ein namhafter Mann und grösser als sein Vater. König Helgi und Yrsa jedoch liebten einander sehr, und sie hatten einen Sohn, der Hrôlf hiess, und er ward seitdem ein sehr ausgezeichneter Mann.

Königin Ôlöf hörte, dass Helgi und Yrsa einander sehr liebten und mit ihrem Geschicke wohl zufrieden waren. Das behagte ihr schlecht, und sie fuhr zu ihnen. Als sie in das Land kam, sandte sie Botschaft an Königin Yrsa. Als sie nun zusammenkamen, entbot Yrsa sie mit sich heim zur Halle; Ôlöf aber lehnte das ab und sagte, sie habe dem Könige Helgi keine Ehre zu danken. Yrsa sagte da: »Du behandeltest mich unwürdig, als ich bei dir war; aber kannst du mir nichts über mein Geschlecht sagen, welcher Art das ist? Denn mich ahnet, dass es nicht so sei, wie man mir gesagt hat, dass ich wäre die Tochter eines Bauern und einer Bäuerin.« Ôlöf antwortete: »Du hast dich nicht getäuscht, ich kann dir etwas davon sagen, und es war diess der Hauptgrund, weshalb ich hieher kam, dass ich dir das künden wollte; aber du bist doch wohlzufrieden mit deiner Ehe?« »Ja, sagte sie, und ich darf wohl damit zufrieden sein, weil ich den angesehensten und berühmtesten König zum Gatten habe.« »Du hast dich gar nicht darüber zu freuen, wie du meinst, sagte Ôlöf, denn er ist dein Vater, aber du bist meine Tochter.« Yrsa sagte: »Nun glaube ich, dass meine Mutter das schlimmste und grimmigste Weib sei; denn das sind Unwürdigkeiten, die man niemals vergessen wird.« »Dem Helgi habe ich damit vergolten, sagte Ôlöf, und meinen Zorn gerächt; aber nun will ich dich zu mir entbieten mit Ehre und Achtung, und dich behandeln, so gut ich nur immer kann.« Yrsa entgegnete: »Ich weiss nicht, welchen Ausgang das nehmen wird; aber hier will ich nicht mehr sein, da ich weiss, welche Schmach an mir haftet.« Sie gieng darauf zu König Helgi und sagte ihm, wie Schweres sie betroffen habe. Der König sagte: »Eine sehr grimme Mutter hast du, aber ich wollte ja, dass es so ergienge.« Sie sagte aber, es dürfe nicht sein, dass sie fortan noch beisammen lebten. So fuhr nun Yrsa mit der Königin Ôlöf, und lebte eine Zeit lang im Lande der Sachsen. Aber den König Helgi schmerzte es so, dass er sich in das Bett legte und sehr betrübt war. Keine andere Ehe däuchte ihn besser, als die mit Yrsa, dennoch aber zauderte der König um sie zu werben, und doch glaubte man, Helgi würde nach ihr kommen, und es würde ihm sehr missfallen, wenn sie mit einem Andern vermählt wäre.

Adhels hiess ein reicher, aber geiziger König; er herschte über Swîthiodh und sass in der Hauptstadt Uppsala. Er erkundigte sich nach Yrsa, rüstete dann sein Schiff, und fuhr nach dem Lande der Sachsen. Ôlöf gab ihm ein Gastmahl und nahm ihn schlau mit aller Freundlichkeit auf. Er warb sogleich um die Königin Yrsa. Ôlöf antwortete ihm: »Du wirst wissen, wie es um sie steht, und wir sitzen hier nicht mit ihrem Rathe.« Ihre Unterredung ward der Yrsa hinterbracht. Sie sagte darauf: »Man behauptet, man solle nicht mit dem Gute tauschen, denn du bist ein unbeliebter König.« Dennoch nahm die Sache ihren Fortgang, mochte sie nun mehr oder weniger dagegen sagen, und Adhels fuhr mit ihr von dannen, ohne dem Könige Helgi deshalb ein Wort gegönnt zu haben, denn Adhels däuchte sich der mächtigere König von ihnen. König Helgi erfuhr nichts davon, bevor sie heim nach Swîthiodh gekommen waren. König Adhels hielt nun stattliche Brautlauft mit ihr, und nun erst erfuhr es König Helgi, und er ward noch einmal so zornig als vorher. Er schlief allein in einem abgelegenen Gemache und hatte Niemand bei sich; von Ôlöf aber ist nun nicht weiter in der Sage die Rede.

An einem Julabend Das Fest der Wintersonnenwende; es fiel auf den 23. December nach unserer Zeitbestimmung. nun geschah es, als König Helgi in sein Bett gegangen war, und es war sehr schlimmes Wetter draussen, dass Etwas an die Thüre kam, und es schien sehr schwach. Ihm kam nun zu Sinne, es wäre unköniglich, dass er ein unglückliches Wesen draussen liesse, wenn er es bergen könne. Er sprang daher auf und öffnete die Thüre. Da sah er, dass ein ärmliches, in Lumpen gehülltes Wesen vor der Thüre stund, das sprach also: »Wohlgethan hast du nun, König«, und es schlüpfte sogleich in das Gemach. Der König sagte: »Leg' dich hier auf das Stroh und nimm das Bärenfell, dass dich nicht friere.« »Nein, sagte das Wesen, gestatte mir dein Bett, Herr, ich will bei dir ruhen, denn mein Leben steht zu Pfande.« »Der König erwiderte: »Mein Herz wendet sich dir zu, und wenn es ist, wie du sagst, so lieg du hier am Brette in deinen Kleidern, es wird mir nicht schaden.« Sie that nun so, der König aber wandte sich von ihr ab. Ein Licht brannte im Gemache, und als eine Zeit vergangen war, blickte er über die Schulter nach ihr hin. Da sah er, dass ein so schönes Weib bei ihm liege, dass er nie ein schöneres gesehen zu haben glaubte, und sie lag da in einem seidenen Gewande, und er wandte sich da schnell und freudig zu ihr. »Nun will ich von dannen, sagte sie, und du hast mich aus grossen Nöthen erlöst; denn das hatte mir meine Stiefmutter angethan, und ich habe manche Könige heimgesucht. Aber erniederige mich nicht durch Schändung, ich will nun hier nicht länger sein.« »Nein, sagte der König, du sollst nicht so schnell von dannen, und wir wollen uns so nicht trennen, und ich will nun mit dir Eilbrautlauft haben, denn du gefällst mir wohl.« »Ihr habt zu gebieten, Herr,« sagte sie, und so ruheten sie diese Nacht. Als aber der Morgen kam, sagte sie: »Nun hast du mit mir deine Lust gehabt, aber das sollst du wissen, dass wir ein Kind haben werden; thue nun, wie ich sage, König, besuche unser Kind im zweiten Winter um dieselbe Zeit in deinem Schiffstadel, oder du wirst es büssen, wenn du nicht so thust.«

Hierauf fuhr sie hinweg. König Helgi war nun etwas heiterer als vorher; die Zeit schritt vor, und er hatte keine Acht mehr auf diese Begebenheit. Als aber drei Winter vergangen waren, geschah es, dass drei Männer zu dem Hause geritten kamen, in welchem der König schlief, und es war gegen Mitternacht. Sie führten ein Mädchen mit sich, und setzten es am Hause nieder. Das Weib, welches mit dem Kinde war, rief da: »Das sollst du wissen, König, dass deine Nachkommen es büssen werden, dass du nicht beachtetest, was ich dir gebot; aber auch du selbst geniessest dessen nicht, dass du mich aus Nöthen erlöstest; und wisse, dieses Mädchen heisset Skuld, und sie ist unsere Tochter.« Hierauf ritt sie mit den Männern hinweg. Diess Weib war aber eine Elfin, und der König ward von ihr seitdem nichts mehr gewahr. Skuld wuchs heran und war sehr grimmherzig. Hierauf rüstete einmal der König Helgi, und er glaubte so seine Harmgedanken los zu werden. Hrôlf, sein Sohn von der Yrsa, blieb daheim, er selbst heerete weithin und vollbrachte manche Grossthaten.

König Adhels sass nun zu Uppsala. Er hatte zwölf Berserke und sie stunden ihm bei in der Landvertheidigung, im Kriege und in jeder Gefahr. König Helgi rüstete nun seine Fahrt gen Uppsala und fuhr zur Yrsa. Er landete dort, und als König Adhels diess erfuhr, fragte er die Königin Yrsa, wie sie den König Helgi wolle begrüssen lassen. Sie sagte: »Das bedenke du, und du weisst das lange schon, dass mir kein Mann näher verwandt ist.« Da beschloss König Adhels ihn zu einem Gelage einzuladen, und er meinte nicht, dass das ohne hinterlistige Nachstellung verlaufen solle. König Helgi nahm an und fuhr mit hundert Männern zum Gelage, aber eine grössere Anzahl war unter Deck verborgen. König Adhels empfieng ihn mit offenen Armen, und Königin Yrsa trachtete die Könige zu versöhnen, und sie benahm sich würdig gegen König Helgi, und das freute ihn so, das er alles Andere an sich vorüber gehn liess. Alle Zeit will er nur mit ihr sprechen und beim Gelage neben ihr sitzen. Da geschah es, dass König Adhels' Berserke heim kamen, und sobald sie an das Land gestiegen waren, gieng er sie zu treffen, ohne dass Andere es wussten. Er befahl ihnen sich in dem Walde zu lagern, der zwischen der Burg und den Schiffen Helgi's lag, und von da aus diesen anzufallen, wenn er zu seinen Schiffen gienge. »Und ich will euch Leute zu Hülfe senden, und die sollen jenen in den Rücken fallen, sobald sie zwischen Thüre und Angel sind; denn ich will nun sicher verhindern, dass König Helgi entkomme, da ich erkenne, dass er gegen die Königin Liebe trägt, und ich will es nicht auf seine Handlungsweise ankommen lassen.« König Helgi sass nun beim Gelage, und sowohl ihm als auch der Königin blieb dieser verrätherische Anschlag verborgen. Als nun Helgi aufbrechen wollte, verlangte Königin Yrsa, dass Adhels ihm grossmüthig Gaben gebe, Gold und Kleinode. Er verhiess diess zu thun und nahm es sich selbst in Wirklichkeit vor. König Helgi fuhr nun damit von dannen, und König Adhels und die Königin geleiteten ihn zur Strasse, und hier trennten sie sich sehr freundlich. Aber nicht lange nachher, als König Adhels zurückgekehrt war, wurden Helgi und die Seinen des Verrathes gewahr, und der Kampf brach sofort aus. König Helgi schritt kühn voran und schlug sich männlich, aber er erlag der Uebermacht, die ihm entgegenstund, und fiel rühmlichst mit vielen und grossen Wunden. Jetzt kam einiges Volk Helgi's Leuten in den Rücken, und so geriethen sie zwischen Amboss und Hammer. Königin Yrsa erfuhr von dieser Begebenheit nichts, bevor König Helgi gefallen und der Kampf beendigt war. Mit Helgi fiel all das Volk, das an das Land gegangen war; die Anderen aber entkamen heim nach Dänemark mit grossem Harme, und das Volk erhob Helgi's Sohn Hrôlf zum Könige.

König Adhels rühmte sich dieses Sieges und glaubte grossen Ruhm erlangt zu haben, weil er einen so ausgezeichneten und weitberühmten König, wie Helgi war, besiegt hatte; Königin Yrsa aber sagte: »Es ist unverständig so zu prahlen, wenn du auch den Mann, der mir der nächste Mag war, und den ich am meisten liebte, überlistet hast; und ich werde dir nie mehr hold, wenn du es also hältst wider die Verwandten König Helgi's. Deinen Berserken aber rathe ich den Tod, sobald ich mag, wenn es noch so kühne Männer giebt, die das meinetwegen und aus Tapferkeit thun wollen.« König Adhels bat sie hierauf nichts wider ihn und seine Berserke zu geloben, »denn das wird dir nicht taugen; aber ich will dir den Tod des Vaters büssen mit grossen Gaben und guten Kleinoden, wenn du sie anzunehmen vermagst.« Die Königin beruhigte sich hierauf und nahm die Gaben des Königes; doch war sie seitdem nie mehr freundlich, und oft sass sie und sann, wie sie den Berserken Uebles und Verachtung erweisen könnte. Niemand sah die Königin heiter seit dem Tode Helgi's, und es ward das Missbehagen in der Halle grösser, als es vorher war, und nie wollte die Königin sich mit dem Könige befreunden, soweit es auf sie ankam. König Adhels wähnte nun sehr berühmt zu sein, und jeder Mann gewann an Ansehen, der mit ihm und seinen Kämpen Umgang hatte. Er sass ruhig in seinem Reiche, und wähnte, dass Niemand wider ihn und seine Berserke den Schild heben würde, und er war der eifrigste Blôtmann und dem Zauber überaus ergeben.– Hier endet die Erzählung von König Helgi.


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