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2. Hadding.

Bereits im ersten Jünglingsalter hatte Hadding durch glückliches Wachsthum die höchste männliche Vollkommenheit erlangt; er glühte aber auch, jeder Weichlichkeit und jeder Wollust sich enthaltend, in unausgesetztem Eifer der Waffenübungen, eingedenk, dass er, der Sohn eines kriegerischen Vaters, sein ganzes Leben den ruhmvollen Werken des Kampfes zu weihen habe. Da suchte jedoch Hardgreip, die Tochter Wagnoft's, durch Liebesverlockungen sein mannhaft Gemüth zu verweichlichen und behauptete eifrigst, es sei vor allem seine Pflicht, sich zu vermählen und diejenige zur Gattin zu wählen, die ihn in seiner Kindheit mit Liebe gepflegt und ihm das erste Spielzeug dargeboten habe. Sie begnügte sich nicht, mit schlichten Worten ihn zu ermahnen, nein, auch mit Liedern bestürmte sie ihn. Einmal sang sie ihm zu:

Wie mag behagen Dir, Held, solch hartes Leben?
      Wie magst Du ehlos altern?
Mit durstiger Kehle dachlos streifend,
      sind nur Waffen werth Dir!

Nicht weckt Dir Wünsche Weibes Schönheit,
      noch muntres Mägdlein;
irrsinnig Du Allen dünkest,
      die Minne meidend.

Süsser dünkt Dich des Sieges Taumel
      denn Liebchens Lippen;
Mannes Herzblut Dir holder leuchtet
      denn Weibes Wange.

Hart in der Brust das Herz Dir lieget,
      ein urkalter Eisstein;
nach Ruhe nimmer Du Rauher trachtest;
      den Scherz Du scheuest.

Wunden nur schlägt den Waffenträgern
      Deine Hand, nicht heilt sie;
nie Weibes Leib sie liebend umfasste,
      bei Kusses Kosen.

Fern doch banne die finstre Strenge,
      verscheuche die Scheu doch!
lass mir am Herzen Dein Herz erwarmen,
      den Mund am Munde!

Mit Dir als Kinde kos't' ich freundlich,
      die Brust Dir bot ich;
wie Deiner Mutter mein Du genossest,
      Dir ich immer diente.

Der losen Liebe leises Flüstern,
      wie hold nicht hört sich's!
Deiner Treue Wort, Trauter, beid' uns
      ein' auf immer!


Als er sie zurückwies, weil ihre Grösse menschliche Umarmung unmöglich mache, und ihr rieth, sie solle sich einen Riesen zum Gatten nehmen, denn nur ein solcher Mann sei ihr gemäss, da erwiderte sie ihm: »Lass Dich nicht den Anblick meiner ungewöhnlichen Grösse abschrecken; denn die kann ich ändern.« Da er noch schwankte und ihren Worten keinen Glauben schenken zu wollen schien, da sang sie ihm wiederum Folgendes zu:

Nicht meines Lagers Lust Du scheue,
      Du kühner Kämpe;
denn Leibes Gestaltung leicht ja mag ich
      nach Willen wechseln.

Wenn es mir beliebt, ich verlängern mag
      Gebein' und Bänder,
dehnen und strecken, dünkt mich's rathsam,
      der Adern Aeste.

Doch kürz' ich auch, erkor ich solches,
      gleich die Glieder:
der Adern Aestung ein ich ziehe,
      Gebein' und Bänder.

In die Wolken jetzt, des Wetterers Der Wetterer, der das Wetter macht (Vidrir), ist Ôdhin als Gott des sichtbaren Himmels. Dünste,
      mein Haupt ich hülle,
dieweil mir stehn auf dem Steingerölle
      fest die Füsse.

Zu der Wichtel Wüchse die Wucht der Glieder
      ich nieder neige,
und mein Haupt ich, das den Himmel rührte,
      dann beug' am Boden.

So mag ich leicht den Leib verwandeln,
      Du sahst es selbst ja;
so wandr' ich nach Wunsch in Wechselgestaltung
      vor euren Augen.

So mag ich dem Kleinen klein mich zeigen,
      gross dem Grossen;
Gleich Wachs ich bilde nach Wunsch die Glieder,
      nicht stumm des staune!

Denn Ôdhin auch (Alle wissen's)
      als Wurm sich wälzte;
ein Adler dann er aufwärts flog
      aus Suttungs Saale.

Als Schwäne schweben schweigend Ôdhins
      Maid' um Myrkvid;
als Nuss gar Idhun, der Aepfel Hütrin,
      in Âsgard einfuhr.

Schwamm Loki nicht in Lachsgestalt
      in Frânangers Fluthen!
ward Beut' ihm nicht der Brisinge Gold
      als Floh von Freyja.


Anm. 1: Saxo führt den sich verwandelnden Proteus als Beispiel an. Da man in Skandinavien vom Proteus keine Kunde hatte, so konnte sein Name nicht in dem alten Liede stehn, das Saxo übersetzte. Ich habe dafür aus der Edda bekannte Verwandlungen gewählt, ohne jedoch behaupten zu wollen, dass die von mir gewählten gerade im alten Liede zu lesen waren. -- Ôdhin's Verwandlung in Wurm und Adler bezieht sich auf seine Erwerbung von Kwâsis Blut (den Trank der dichterischen Begeisterung und der Weisheit). Dieser Trank war in der Gewalt des Riesen Suttung, der ihn seiner Tochter Gunnlödh zur Bewahrung übergeben und sie mit ihm in eine Felshöle eingeschlossen hatte. Um den Trank zu erlangen, wandelte sich Ôdhin in den Knecht Bölwerk, gieng zu Suttung und diente ihm. Als Wurm gelangte er in die Höle zur Gunnlödh, trank den Trank aus, verwandelte sich in einen Adler und brachte so seine Beute nach Âsgard zu den Göttern. Der Mythus ist ausführlich erzählt Snorra Edda, cap. 57--58.

Ôdhins Maide, die als Schwäne um Myrkwid (Schwarwald, silva Marciana) schweben, sind die Walkyrien, welche die im Kampfe gefallenen Helden nach Walhalla zu Ôdhin führen.– Idhun, eine Göttin, bewahrt die Aepfel deren Genuss die Götter in ihrer Gestalt und Kraft erhält. Sie gerieth in die Gewalt der Riesen und die Götter alterten sofort. Loki, der sie verrathen hatte, sollte sie wieder zurück holen. Er nahm Falkengestalt an, flog in das Land der Riesen, verwandelte Idhun in eine Nuss, nahm diese in seine Krallen und trug sie also wieder nach Âsgard. Ausführlich erzählt Snorra Edda, cap. 56.– Als Baldr durch Loki's Verrath umgekommen war, floh dieser und um sich zu bergen, verwandelte er sich in einen Lachs und barg sich im Wasserfalle Frânanger. Snorra Edda, cap. 50.– Auf Ôdhins Befehl soll Loki der Freyja ihren Halsschmuck, das Brîsingâ men, rauben. Er verwandelt sich erst in eine Fliege, um in ihr Gemach zu gelangen, wo er sie schlafend findet. Da er ihrer Lage wegen dem Schmucke nicht beikommen kann, verwandelt er sich in einen Floh, und beisset sie in das Kinne. Sie wendet sich, schläft aber fort. Nun kann Loki des Schmuckes sich bemächtigen. S. Beigabe zur Snorra Edda, Um Brîsingâ men (aus der Sage von Ôlâf Tryggwason 2, 17).

So magst auch mich als mehrgestaltig
      Du selber sehen;
der Wechsel meinem Wesen eignet,
      so lang' ich lebe.

Als Riesinn ich die Recken ängste,
      ihre Brust ich breche;
doch in Weibes Wuchse zu erwerben streb' ich
      der Männer Minne.


Hiedurch erlangte sie nun Hadding's Einwilligung und sie entbrannte in so grosser Liebe zu dem Jünglinge, dass, als sie inne ward, er trachte in seine Heimath zurück zu kehren, sie beschloss, auf männliche Weise gekleidet ihm zu folgen, und sie fand ein Vergnügen darin, an seinen Mühsalen und Gefahren Theil zu nehmen. Als sie nun als sein Begleiter sich auf dem Wege befanden, so ereignete es sich, dass sie zufällig in einem Hause übernachten mussten, dessen Herr gestorben war, und man bereitete sich eben zu seiner Bestattung. Da nun suchte sie durch ein Zauberstück über den Willen der Götter sich Aufschluss zu verschaffen, und schnitt zu diesem Zwecke graunvolle Worte in ein Holzstäbchen, welches sie Haddingen dem Todten unter die Zunge legen hiess. Dadurch zwang sie den Geist desselben folgende, Allen Schauder erregende Worte auszusprechen:

Huldlos sei, die aus der Hela
      Halle mich rief her in Staub;
sie verderb' und bald der Düstren
      büsse dort sie solchen Raub.

Wer mich riss aus meiner Ruhe,
mich, den Todesmatten, Müden,
lockte wieder mich zum Lichte:
bald in Nifelheimes Niedrung, Nifelheim, die Heimath der Nebel, die Unterwelt.
an der Slîdhra schlammigen Fluthen, Slîdhra, einer der Flüsse in Nifelheim. Er fliesst aus der Quelle Hwergelmir (strudelnder Kessel).
soll der Hela Haft ihn halten;
dort gerochen wird der Raub.

Wider Wunsch und wider Willen
muss ich Uebles Euch verkünden:
Giengt ihr Gast' aus diesem Gadem Zimmer.,
Wird ein Unhold Euch bedrängen
in des Waldes wirrer Wildniss;
dann büsst die das Dunkle störte, Die Unterwelt.
dann gerochen wird der Raub.

Die mich her zum Lichte lockte,
in des Leibes lästige Hüllen
zwängte mich, und Zwang mir anthat,
her mich zog durch starken Zauber,
mich, den Todten, an den Tag rief:
den sie frech verübt', der Frevel
dann gerochen wird, der Raub.

Huldlos sei, die aus der Hela
      Halle mich rief her in Staub;
sie verderb' und bald der Düstren
      büsse dort sie solchen Raub.

Wenn der Riesensippe rauher
Grimm mit grausem Griff sie fasste,
ihr die Knochen alle knickte,
aus ihr riss das Eingeweide;
wenn die Hand mit harten Klauen
fort sie fegte, sie zerfetzte,
dann gerochen ward der Raub.

Dich nicht, Hadding, fällt der Hassgrimm,
lächeln soll Dir noch das Leben;
wirst noch lang im Lichte wandeln,
steigst nach Nifelheim nicht nieder;
nicht der Hela Haus Du grüssest,
Gehst nicht über der Gella Die Heulende, der erste Fluss vor den Gittern der Unterwelt. Brücke,
denn gerochen ist der Raub.

Doch das Weib (die Wucht des Frevels
reisst sie hin) erliegt dem Rächer;
mich, den Todten, durch den Tod nur
sühnen wird sie (solches sag' ich),
Schatten dort im Schattenreiche;
weil zum Lichte sie mich lockte,
wird gerochen so der Raub.

Huldlos sei, die aus der Hela
      Halle mich rief her in Staub;
sie verderb' und bald der Düstren
      büsse dort sie solchen Raub!

Als sie nun in dem angedeuteten Walde unter einem aus Aesten gefertigten Dache die Nacht zubrachten, so erblickten sie plötzlich eine Hand von ungeheurer Grösse, welche den ganzen Raum der Hütte durchgriff. Durch dieses Ungethüm erschreckt, rief Hadding seine Begleiterin um Hülfe an. Da dehnte Hardgreip ihre Glieder aus, und eine unerhörte Grösse annehmend ergriff sie fest die Hand und bot sie ihrem Zöglinge zum Abhauen dar. Aus den scheuslichen Wunden derselben floss mehr des Eiters als des Blutes. Sogleich jedoch musste sie dieser That entgelten, da sie von ihren eignen Sippen zerrissen ward: weder die Beschaffenheit ihres Wesens noch auch ihres Leibes Grösse frommte ihr; sie erlag den Krallen der ergrimmten Feinde.

Den seiner Amme beraubten Hadding brachte ein einäugiger Greis Das ist Ôdhin. der für den Vereinsamten Mitleid empfand, mit dem Liser, einem Seeräuber, zusammen Die Seeräuber (vîkingar) waren im Alterthum nicht verachtet. und sie schlossen auf die feierlichste Weise ihren Bund. Wenn nämlich die Alten einen Bund schlossen, so träufelten sie in ihre Fussspur wechselseitig ihr Blut, und befestigten so der Freundschaft Gelübde durch die Vermischung ihres Blutes. Hierauf überzogen Liser und Hadding, durch das engste Band der Genossschaft vereinigt, Loker, den Beherscher der Kuren, mit Kriege. Nach deren Besiegung entführte der oben genannte Greis den fliehenden Hadding auf seinem Rosse zu seinem Hause Hadding hatte zwar im Kampfe gesiegt, konnte aber das Land nicht behaupten; Ôdhin entführt ihn also auf seinem Rosse, dem achtfüssigen Sleipni., erfrischte ihn daselbst durch einen wohlschmeckenden Trank und sagte ihm, dass er dadurch fortan weit kräftiger sein würde Das nordische Alterthum kennt Tränke, die bald leibliche, bald geistige Kraft geben. Deshalb trinkt Regin Fafnis Herzblut, und Sigurdh lernt dadurch die Sprache der Vögel verstehn. Man kannte einen Trank der Erinnerung und einen Trank der Vergessenheit. Den letzten tranken erst Sigurdh und dann auch Gudhrun. Hier ist Ôdhin selbst der Schenke.. Diese Weissagung beglaubigte er noch durch folgendes Lied:

Der Feldflucht Dich die Feinde zeihen,
      hegt mein Haus Dich;
Dein, Fürst, sie fanden Eines fanden, einem nachspüren (mit Unrecht fahnden geschrieben, ahd. fantôn)., mit Fesseln Dich
      sie binden, mit Banden.

Dem Bären sie Dich zur Beute sprechen
      aus Groll, dem Grimmen;
das Gebein Dir soll sein Biss zermalmen,
      sein Zahn Dich zausen.

Die Wächter Du mit Worten kirre,
      mit Mähren die Männer;
der Rede Reiz auch rauher Gesellen
      Ohren öffnet.

Wenn der Schlaf beschlich nach Schlundes Füllung,
      nach dem Mahl die Männer;
die den Arm Dir haften, die Eisenbande,
      die Fesseln Du fälle.

Dann frisch an das Werk, wenn die Frist Dir ward,
      Deine Kraft dann künde;
auf den harten Feind, der Haine Schrecken,
      mit Wucht Du wirf Dich!

Das um Leichen lüstern schnüffelt,
      sie wälzt und wendet,
mit der Arme Kraft das Ungethüm
      zu Boden Du beuge!

Zwischen den Branken die Brust ihm öffne
      mit Stahles Stärke;
Dein Mund dann trinke (mahnen lass Dich)
      die warmen Wellen.

Das wird des Kriegers Kraft erhöhen,
      die Macht Dir mehren;
ich selbst sie schlinge, des Schlafes Bande,
      Held, Deinen Hütern!


Und nach diesen Worten brachte er den entrückten Jüngling an den früheren Ort zurück. Damals, als Hadding aus Neugier durch die Spalten des Mantels, mit welchem der Greis ihn verhüllte, hervorblickte, bemerkte er, dass das Ross über des Meeres Wogen dahin trabte. Aber verhindert an der Betrachtung einer Sache, die er nicht sehen sollte, wandte er seinen staunenden Geist von der schreckhaften Erwägung seiner Reise ab.

Als er darauf, von Loker gefangen, die Erfüllung der ganzen Weissagung erlebt hatte, wandte er sich bei der Stadt Duna wider Andwân, einen König des Oeresundes, der sich mit unersteigbaren Mauern umgeben hatte, und durch diese, nicht durch Feldschlacht, Widerstand leistete. Da die Höhe derselben eine Erstürmung nicht ermöglichte, so liess er Vögel verschiedener Gattung, die ihre Nester daselbst hatten, durch des Vogelfanges kundige Männer einfangen und unter ihre Fittiche brennenden Erdschwamm binden; diese nun erfüllten, zu ihren Nestern zurückkehrend, die Stadt mit Feuers Gluthen. Als die Bürger nun herbei liefen, den Brand zu leschen, so entblössten sie die Thore ihrer Vertheidiger. So drang Hadding in die Stadt, nahm Andwân gefangen, gestattete ihm jedoch zu seines Hauptes Lösung seinen Leib mit Golde aufzuwägen Eine in den nordischen Sagen oft vorkommende Art der Lösung des Hauptes. Auch deutsche Sagen kennen sie. Eine andere Art im Norden, sein Haupt zu lösen, wenn man etwa einen getödtet hatte, war, dass man den Todten ganz mit Golde bedeckte, so dass nichts mehr von ihm zu sehen war. So lösen sich die Âsen von Hreidmâr, als Loki dessen Sohn Ottar getödtet hatte. Aus diesem Golde entstund der Nibelunge Hort. Auch in Deutschland war diese Art der Lösung bekannt. Als ein Herzog von Lüneburg vom Erzbischof von Magdeburg gefangen worden war und sich durch schweres Geld gelöst hatte, fragte er, ob er nun frei sei? Als der Erzbischof diess bejahte, lachte er laut auf und sagte, das rechte Lösegeld für ihn wäre gewesen, dass er, in voller Rüstung zu Rosse sitzend und den Speer gerade empor haltend, so mit Golde bedeckt worden wäre, dass man weder von dem Rosse noch von ihm noch von seinem Speere etwas mehr gesehen hätte (Haupts Zeitschrift 7).. Er konnte den Feind tödten, wollte aber lieber, dass er lebe, und mässigte so seinen Grimm durch Milde.

Da er nun so die Kraft der Bewohner des Oeresundes gebrochen hatte, wandte er sich nach Schweden zurück, und besiegte im Kampfe bei Gudland den König Swipdag, der ihm mit einer grossen Flotte entgegen gegangen war. So hub er seinen Ruhm nicht nur durch die an Fremden gewonnene Beute, sondern auch durch die für den Vater und den Bruder genommene Rache auf den höchsten Gipfel, und vertauschte die Verbannung gegen die Herschaft. Nur als Herscher sollte er in die Heimath zurückkehren.

Zu dieser Zeit ward Ôdhin zwar in ganz Europa fälschlich für einen Gott gehalten, doch pflegte er am häufigsten zu Upsala zu wohnen, angezogen, sei es durch die Dummheit der Umwohner, sei es durch den Reiz der Umgebungen. Da nun die nordischen Könige dessen Gottheit mit innigerer Verehrung zu verherlichen trachteten, so sandten sie eine goldene Bildsäule von ihm zum Beweise seiner Verehrung unter grösster Heuchelei des Glaubens an ihn nach Byzantium Byzanz, Griechenland, auch wohl Asien, galt in den letzten Zeiten des Heidenthumes für die Urheimath der nordischen Götter: daher wohnt hier Ôdhin in Byzanz., deren Arme mit schweren Goldringen geschmückt waren; er aber, erfreut über seinen so grossen Ruhm, bewunderte die Liebe der Absender. Allein seine Gattin Frigg wünschte geschmückter einher zu gehn, und so liess sie Schmiede holen und befahl ihnen, das Gold dem Bilde abzunehmen. Ôdhin aber ergrimmte darüber, liess die Schmiede henken, das Bild jedoch stellte er auf einen Felsstein und bewirkte durch bewundernswerthe Kunst, dass dasselbe bei menschlicher Berührung Laute von sich gab. Aber nichts destoweniger erachtete Frigg den Glanz ihres Schmuckes für wichtiger denn die göttlichen Ehren ihres Gemahles; sie überliess sich daher einem ihrer Hausgenossen, mit dessen listigem Beistande sie das Bild des Gottes zerstörte und das dem öffentlichen Aberglauben geweihete Gold in ein Werkzeuge ihrer prachtsüchtigen Ueppigkeit umwandelte. Sie trug kein Bedenken der Unkeuschheit sich zu bedienen, um desto schneller ihre Habsucht zu stillen. Sie war unwürdig, eines Gottes Gattin zu sein. Was soll ich weiter sagen, als dass dieser Gott dieser Gattin würdig gewesen sei? Ôdhin also, durch die zwiefache Beleidigung durch seine Gemahlin gereizt, beklagte nicht minder die Entwürdigung seines Bildes denn die Schande seines Bettes. Von dieser zwiefachen Schmach bedeckt und aufgeregt, wählte er freiwillige Selbstverbannung, indem er glaubte, dass er dadurch die Flecken der Schande tilgen könne.

Nach seiner Entweichung ergriff ein gewisser Mitôdhin, berühmt durch Blendwerke, zugleich durch die Gunst des Himmels ermuntert, die Gelegenheit göttlicher Würde sich anzumassen, und verleitete die rohen, von neuen Dünsten des Truges umnebelten Gemüther durch den Ruf seiner Täuschungen, seinem Namen göttliche Ehren zu erweisen. Er leugnete, dass der Zorn der Götter oder deren Kränkung durch vereinigte und allen gemeinsame Darbringung geweiheter Gaben gesühnt würde; daher verbot er, dass man ihnen gemeinsam Gelübde thue und setzte für jeden der Götter besondere Dienste fest. Als er in Folge der Rückkehr Ôdhin's, verzichtend auf die Hülfe der Täuschungen, um sich zu bergen nach Fünen gegangen war, ward er bei einem Aufruhr der Einwohner erschlagen. Aber auch nach seinem Tode noch übte er Schandthaten aus; denn wer sich seinem Grabhügel näherte, ward durch plötzlichen Tod dahingerafft, und er erzeugte nach seinem Tode so schwere Seuchen, dass er fast schlimmere Denkmäler seines Todes denn seines Lebens hinterlassen zu haben schien; also nahm er für seinen Tod an den Schuldigen Rache. Die mit solchem Unheile überschütteten Einwohner rissen die Leiche aus dem Grabe, enthaupteten sie und trieben einen spitzen Pfahl durch seine Brust. Diess half dem Volke.

Ôdhin erlangte darauf durch den Tod seiner Gemahlin sein früheres Ansehen wieder, und da er seine Schmach durch die Rückkehr aus seiner Selbstverbannung gleichsam gesühnt hatte, so zwang er alle, die während seiner Abwesendheit auf göttliche Ehren Ansprüche erhoben hatten, dieselben aufzugeben, und zersprengte die nach und nach entstandenen Vereinigungen der Zauberer gleichsam als Verfinsterungen durch den über sie kommenden Glanz seiner Gottheit. Er befahl ihnen nicht nur sich ihrer Göttlichkeit abzuthun, sondern auch ihr Vaterland zu verlassen, indem er mit Recht annahm, dass diejenigen aus der Heimath zu stossen seien, die sich so frevelhaft in den Himmel eingedrängt hatten. Das von Saxo hier Gesagte gehört nicht zur Sage von Hadding, es ist ein willkürliches Einschiebsel von Saxo. Die altnordischen Quellen wissen von der ganzen Geschichte nichts. Sie ist, wenn nicht gar alles von Christen aufgebracht ward, zum wenigsten eine sehr entstellte Ueberlieferung aus dem Heidenthume. Es scheint, Frigg sei mit Freyja verwechselt, wie später wohl geschah, und Ôdhin mit Ôdh, dem Gemahle der Freyja, der sie verliess. Weshalb freilich er sie verlassen habe, wird uns in den Quellen nicht gesagt. Die Handlungsweise, die hier der Frigg beigelegt wird, widerspricht dem Wesen derselben, steht aber wohl mit dem der Freyja im Einklange. Freyja entspricht der Venus, wie Frigg der Juno. Von beiden, Ôdhin und Ôdh, werden ›weite Wanderungen‹ erwähnt, und auch darin liesse sich ein Grund der Verwechselung finden. Ueber den sogenannten Mitôdhin ist gar nichts weiter bekannt. Er scheint der Gott, der die Verehrung Ôdhins zeitlich oder örtlich verdrängte, und das wäre Frey, der Bruder der Freyja. Nannte man ihn Mitôdhin (der zugleich Ôdhin ist?), um die Verehrer Ôdhins zu versöhnen und anzulocken?

Inzwischen erfuhr Âsmund, der Sohn Swipdag's, der, um seinen Vater zu rächen, den König Hadding bekriegte, dass sein Sohn Heinrich kein altnordischer Name, so viel ich weiss., der ihm lieber war denn sein eigenes Leben, tapfer kämpfend gefallen sei. Todbegierig und das Licht hassend sprach er folgendes Lied:

Wer der Kämpen wagt' es, unser Kampfgeräthe
      kühn zu tragen?
Nichts ja hilfet jemals scheuem Hälbling lichten
      Helmes Schirmdach,
und ein Spott ist's Allen, wenn gespangte Brünne
      Spindel Weib, weibischer Mann, wie Hälbling halber Mann, schwacher Mann. decket.
Uns in Waffen soll man schaun, des werthen Sohnes
      Wunden rächend:
seines Falles sollen unsrer Feinde Schaaren
      voll entgelten.
Meines Lebens mag ich, da die Lieb' es heischet,
      leicht entrathen;
will mit beiden Händen nun den Beinzerschroter
      bordlos schwingen schildlos das Schwert schwingen.!
Fort mit Schildes Wölbung! sonder Schirm der Feinde
      Schäft' ich lache.
Ueben Kampf wir also! stolzen Kämpen biet' ich
      kühn die Stirne.
Unsers Fehdegrimmes Ruhm in Volkes Munde
      fernhin schalle!
Auf! zertreten denn wir kühn den Trotz der Feinde
      treu dem Worte!
Nicht die Last der Waffen soll uns lang' ermüden,
      leicht wir's enden,
und in kurzer Stunde unsers Kampfgrimms Brand wir
      kühlen mögen.
Unsers Sturmes Drange soll der Stolze nimmer
      Stand, traun, halten!


Nach diesen Worten umfasste er mit beiden Händen den Griff des Schwertes, und ohne Rücksicht auf die Gefahr, den Schild auf den Rücken geworfen, schlug er eine grosse Menge der Feinde nieder. Als hierauf Hadding die ihm vertrauten Mächte um Schutz anrief, so kam flugs Wagnoft herbei und stellte sich an die Spitze seines Heeres. Âsmund sah dessen einwärts gebogenes Schwert, und rief da laut diese Worte:

Was reizest Du mich mit rückgekrümmtem
      Schwerte, Du Schwätzer?
      Der Stahl Dich stürzen wird!
Den Feind, den die Faust Dir fällen sollte,
      mit Liedern zu letzen,
      mit Trug, getraust Du Dich? Die Lieder, die Wagnoft singet, sind Zaubersprüche, die den Feind zum Weichen zwingen sollen; das wird auch durch das rückgebogene Schwert angedeutet.
Mit Worten Dich mehr denn mit Waffen mühend,
      Hülfe dem Herscher
      zu bringen, brichst Du vor!
Was stössest Du mich mit starrer Buckel
      rückwärts, Du Rammler,
      mit kühnem Kampfgeer dräu'nd?
Dich Frevelbegier, Dich frechen schändet
      grolzendes Grossmaul;
      Du stinkst: verstumme denn!

Indem er also sprach, durchbohrte ihn Hadding mit geschwungenem Wurfgeere. Aber auch im Tode ermangelte Âsmund nicht des Trostes; denn da er seinen Erleger am Fusse verwundet und so für das ganze Leben gelähmt hatte, so machte er seinen Tod durch diese kleine Rache denkwürdig. Sein Leichnam ward bei Upsala mit königlichen Ehren bestattet. Gundhild seine Gattin wollte ihn nicht überleben, sie tödtete sich mit einem Dolche, indem sie dem Gatten durch den Tod lieber folgen als ihn durch das Leben verlassen wollte. Die Freunde bestatteten ihren Leib bei der Asche ihres Gemahles; denn sie hielten dafür, sie verdiene in dem Hügel dessen bestattet zu werden, dessen Liebe sie dem Leben vorgezogen hatte. So ruhet Gundhild fast noch schöner im Grabe an des Gatten Seite als lebend auf dem Lager.

Während nun aber Hadding als Sieger Schweden plündernd durchzog, setzte Uffo, Âsmund's Sohn, da er keine Schlacht zu schlagen sich getrauete, sein Heer nach Danland über. Er hielt für gerathener, in der Feinde Häuser einzubrechen als die seines Volkes zu beschützen, und für gute Abwehr der Beleidigungen, dem Feinde Gleiches mit Gleichem zu vergelten. So wurden die Dänen genöthigt zur Vertheidigung ihrer Häuser heimzukehren. Sie zogen den Schutz der Heimath der Herschaft über Fremde vor, und Hadding gieng nach Danland hinüber, um sein Reich von den feindlichen Waffen zu befreien.

Bei seiner Heimkehr aber fand er sein Schatzhaus, worin er die in den Kriegen gemachte Beute zu bewahren gewohnt war, erbrochen und beraubt. Sogleich liess er den Hüter desselben, Glum, henken, und schlau bekannt machen, dass, wenn einer der Schuldigen das Geraubte zurückbrächte, er Glum's Amt erhalten sollte. Diese Zusage bewog denn auch einen derselben, der begieriger war die Stelle zu erhalten als sein Verbrechen zu verheimlichen, das Geld dem Könige wieder einzuhändigen. Seine Genossen wähnten nun, er habe wirklich des Fürsten Freundschaft erlangt und sei eben so reich als treu belohnt worden; sie brachten also in Erwartung eines gleichen Lohnes den Raub zurück und bekannten ihr Verbrechen. Ihr Bekenntniss ward zuerst durch Ehren und Auszeichnungen belohnt, bald darauf aber mit dem Tode bestraft, zum Beweise, dass man Leichtgläubigkeit zu meiden habe. Mit Recht büssten sie die verletzte Heimlichkeit am Galgen, sie, die Verschwiegenheit gesichert hätte, der Rede Thorheit aber verderbte.

Hierauf gieng Hadding, der während des Winters auf neue und stattlichste Rüstung zum Kriege bedacht war, als des Frühlings Sonne des Eises Fesseln brach, nach Schweden zurück und brachte daselbst fünf Jahre mit Kriegen zu. Sein Heer jedoch kam in grosse Bedrängniss; die Lebensmittel wurden durch die täglichen Unternehmungen aufgezehrt, es trat Mangel ein, und die Krieger begannen bereits durch Waldschwämme ihren Hunger zu stillen. Bald waren auch diese verbraucht, und nun wurden die Rosse getödtet und verzehrt; endlich musste man sich mit den Aesern der umgekommenen Hunde sättigen, ja selbst vor menschlichen Gliedern scheute man nicht zurück. Da hörten die fast zur Verzweiflung gebrachten Dänen während einer Nacht im Lager folgenden Zuruf, den Rufer aber vermochten sie nicht zu entdecken:

Mit herbem Heile Heil, Zeichen sowohl des Glückes als auch des Unglückes. das Heervolk liess
      Danlands Dünen;
die Schwerter schwingend der Schweden Land
      wüsten wollt ihr?
Sagt, welch ein Wahnsinn den Wunsch in Euch
      rasch erregte;
welch trübes Traumbild betrog Euch doch
      so die Sinne,
dass Land und Leute so leicht ihr wähnt
      Böser Beute?
Der Schweden Schwertkraft beschwichten wird,
      traun, den Trotz Euch ;
vor Fremder Frevel befriedet sie
      Land und Leute;
doch eurer Arme vereinte Macht,
      bald sie beugt sich,
wenn keck mit Kühnren den Kampf sie wagt,
      härtren Helden !
Wie Wassers Wellen am Wallgestein
      brandend brechen;
so stürzt ihr Stolzen vor stärkrer Hand
      bald zu Boden.
Wenn, flink zur Flucht, ihr zu fliehen strebt,
      wirr, euch wendet,
dann Schlag auf Schlag euch der Schlachtgrimm kerbt
      kühnres Kampfschmids.
So Rach' ihm raubt, der den Rücken beut,
      Leib und Leben;
denn gellenden Geerwurf ja gar versäumt
      Feiger feige, dem Tode verfallen. Furchtangst.

Diese Androhung erfüllte der nächste Tag durch eine grosse Niederlage der Dänen. In der Nacht darauf vernahm die schwedische Jugend folgenden Ruf, dessen Urheber gleichfalls unentdeckt blieb:

Was fordert Uffo mich heraus
      durch argen Aufruhr?
Er soll der frevelhaften That
      nie froh sich freuen!
Ihm soll des Todes Hand darum
      die Tage tilgen;
er soll durchstochen fühlen sich
      von starren Stacheln;
den grünen Rasen soll sein Blut
      zur Rache röthen.
Ich selbst verkünd' ihm seinen Fall,
      wird Kampf er kiesen.
Ja, wird er stramm erheben sich
      zu strengem Streite:
so sollen spalten seinen Leib
      der Spiesse Spitzen;
der rothen Wellen Mund ihm soll
      nie Weib umwickeln,
noch seiner Herzburg die Brust. Spalten soll
      je Hand ihm heilen!


Als nun in derselben Nacht noch die beiden feindlichen Heere handgemein wurden, so zeigten sich plötzlich zween Greise scheusslicher Gestalt. Haarlos waren ihre Häupter und bei dem Blinken der Gestirne gewährte ihre Kahlheit einen schauerigen Anblick. Mit entgegengesetztem Eifer der Wünsche theilten sie ihre ungeheuerlichen Bemühungen; denn wie der Eine die Dänen zu schützen suchte, so nahm sich der Andere der Schweden an Die beiden ungeheuerlichen Wesen, die zuerst warnen, das eine die Dänen, das andere die Schweden, und dann das eine Heer wider das andere schützen, gehören nicht zu den hohen Göttern, sie sind vielmehr die landvættir Danmarkar ok Svîarîkis, die Schutzgeister Danlands und Schwedens. Die vættir bilden eine untere Reihe göttlicher Wesen: Æsir, Alfar, Vanir, Vættir, Iötnar, Dvergar, Dîsir..

Hadding ward besiegt. Er wich in den Gau der Helsinge, hier aber bekam er es mit einem Meerungeheuer zu thun. Als er nämlich seinen von der Gluth der Sonne durchhitzten Leib in den kühlen Wogen des Meeres badete, fiel ihn ein Thier unerhörter Gattung an. Der Kampf war hart, doch erlegte er dasselbe endlich durch häufige Schwertschläge und darauf liess er das getödtete Ungethüm in das Lager tragen. Bei seinem siegprangenden Einzuge trat ihm ein Weib entgegen und sprach also zu ihm:

Magst den grünen Grund der Erde
treten du mit trotzigem Fusse;
magst zur See du Segel spannen,
und des Windes Winken trauen:
ohne Gunst der Götter ziehst du,
Feinde sind dem Fürsten alle;
auf der Erde Umkreiss zeigen
dir sich abhold alle Wesen.
Auf dem Felde fallen wirst du,
auf dem Wasser Wind dich schüttelt,
und den unstät Irr'nden fasset
Wirbelsturm und wälzt dich rastlos.
Deine Spieren splittern, brechen,
deine Balken bersten, spalten,
durch die Segel saust der Windstoss.
Nimmer deckt ein Dach den Müden,
Sturm zerstösst es, stürzt es nieder,
soll es Schutz und Schirm dir geben,
und das Vieh, es fällt dem starren
Froste, wird zum Frass den Wölfen
statt dir Nahrung neu zu bieten.
Wie die Flechten fliehn dich alle,
meiden dich wie Miselsücht'gen Aussätzigen.,
grimme Seuche sie dich nennen,
denn Verderben dünkt dein Anblick.
Solche strenge Strafe hat dir
aller Mächte Mund gesprochen;
denn es gab der Götter einem,
den es freut' in fremdem Leibe
mit der Wogen Wucht zu spielen,
deine freche frevelkühne
Hand den Tod in tollem Wüthen.
Mörder eines mächtigen Gottes
stehst du hier: der Sturm doch rächt ihn,
wagtest du des Wellenrosses
Treue zu vertrauen dich erst.
Nordwind wird sich neidgrimm heben,
seine Wuth der West entzügelt,
rauh von Osten braust der Eissturm,
und des Südwinds Saus erdröhnet:
alle sich vereinen werden,
Stoss auf Stoss sie stürmen hassvoll
auf dich ein, sie all' im Bunde;
wühlen auf der Wogen Tiefe,
reissen dich im Ringeltoben
in die Schlünde, schleudern aufwärts
hoch dich in des Himmels Wolken
grollend, bis den Grimm der Hohen
du versühnst, besänftigst ihren
Zorn, wie sich es ziemt, für deinen
Frevel Busse botst; ich sprach's.

Hadding erlebte alles, was ihm angedroht war; jede Ruhe störte er durch seine Ankunft. Als er abgesegelt war, schichtete sich düsteres Gewölk empor, und ein ungeheuerer Sturm vernichtete seine Flotte. Den Schiffbrüchigen und gastliche Aufnahme suchenden empfieng in der Heimath plötzlicher Aufruhr und Mord, und keine Abwehr des Unheiles fand er, bevor er seinen Frevel durch Weihgaben gebüsst und sich mit den Göttern gesühnt hatte. So bestimmte er, um der Götter Gunst sich wieder zu erwerben, dem Gotte Frô schwarze Thiere zu Weihgaben, welchen heilbringenden Gebrauch er jährlich an bestimmten Feiertagen zu wiederholen gebot und den Nachkommen zu gleichem Begängnisse hinterliess Das Weib, welches Haddinge seinen Frevel und seine Busse verkündet, ist eine Vala. Die Völur stammten theils von den Riesen, theils von den Alfen, theils von den Menschen ab. Wir erfahren weder zu welcher Gattung diese gehörte, noch welch ein Gott es war, der in Gestalt eines Seethieres in den Wellen sich erlustigte und von Hadding getödtet ward. Da zur Sühnung Freys Dienst in Schweden eingeführt wird, mag er zu Freys Gefolge gehört haben.. Die Schweden nennen ihn Fröblôt Dem Gotte Frô (altnord. Frey) dargebrachtes Opfer..

Als er nun vernahm, dass ein Riese mit Regnhild, der Tochter Hâquin's, des Königes der Nidhrer Ein Volkstamm in Norwegen., sich verlobt habe, so verabscheute er diese unwürdige Verbindung, und kam aus freiem Entschlusse der Vermählung zuvor, indem er nach Norwegen zog und den scheuslichen Bewerber um die Jungfrau mit dem Schwerte erlegte. Denn er zog so sehr mannhafte That der Musse vor, dass er, obwohl es ihm vergönnt war königlicher Kurzweil nachzugehn, dennoch lieber von ihm selbst oder von andern zu erleidende Unbilden abweisen, als sich den Vergnügungen hingeben wollte. Diesen ihren Beschützer, der von dem Riesen viele Wunden empfangen hatte, heilte die Jungfrau, ohne ihn zu erkennen. Auf dass aber der Geheilte ihr zu allen Zeiten kenntlich sei, verschloss sie in eine der Wunden seines Schenkels einen Fingerring. Als sie nun bald darauf von ihrem Vater die freie Wahl ihres Gatten erhielt, entbot sie die jungen Männer zu einem Gelage, erforschte sie durch sorgfältige Berührung ihrer Leiber, untersuchte auch die zuvor abgelegten Kennzeichen, umarmte dann, alle verschmähend, Haddingen, den sie an dem verborgenen Ringe erkannte, und wählte ihn zum Gatten, der nicht geduldet hatte, dass der Riese sich ihrer bemächtigte Die freie Gattenwahl der Jungfrauen gehört zu den Seltenheiten; gewöhnlich vermählte der Vater die Tochter, nach dessen Tode der Bruder die Schwester, nachdem der Bräutigam sie gekauft oder sonst wie, z. B. durch Kampf erworben hatte. Jedes Weib war in der Mund (dem Schutze) der Männer. Diese Pflicht des Schutzes aber beschloss zugleich das Recht, dass diese Mund abgelöst werden musste..

Als Hadding bei ihr verweilte, trat ein wundersames Ereigniss ein. Als er nämlich beim Mahle sass, ward ein Weib von ihm erblickt, welches Schierling trug, neben ihrem Kochgeschirre ihr Haupt aus der Erde emporstreckte und mit vorgebeugter Brust sich umzusehen schien, in welchem Erdwinkel so frische Kräuter zu Winterszeit entsprossen seien. Der König wünschte zu erfahren, was sie triebe; er gieng auf sie zu: da hüllte sie ihn plötzlich in ihren Mantel und führte ihn mit sich unter die Erde. Das hatten, wie ich glaube, die unterirdischen Götter also bestimmt, auf dass er lebend diejenigen Orte sähe, welche er nach dem Tode zu betreten hätte. Zuerst durchschritten sie ein Gewölke dunstiger Finsterniss, und erblickten, auf einem durch tägliche Schritte ausgetretenen Wege dahin wandelnd, einige vornehme in Purpurgewänder gekleidete Männer. Als diese vorüber gegangen waren, gelangten sie an heitere Orte, wo solche Kräuter wuchsen, wie das Weib in der Hand trug. Vorwärts schreitend stiessen sie auf einen Strom eiligen Laufes und bläulichen Gewässers, welcher Geere verschiedener Art in rasendem Strudel wälzte, aber durch eine Brücke überschreitbar war. Als sie hinüber waren, gewahrten sie zwo Heerschaaren, die gegen einander kämpften. Hadding fragte das Weib, welche Bewandniss es mit diesen Männern habe? und erhielt den Bescheid: »Das sind Männer, die durch Waffen umkamen, und die Art und Weise ihres Falles durch unausgesetzte Darstellung zur Anschauung bringen. Durch diese Kampfspiele ahmen sie die Thaten ihres vergangenen Lebens nach.« Wie sie nun weiter giengen, kamen sie zu einer schwer zu übersteigenden Mauer; schon der Zugang zu ihr war schwierig. Vergebens bemühte sich das Weib sie zu überspringen, da ihr selbst die angenommene Kleinheit ihres zusammen geschmogenen Leibes nichts frommte. Sie hatte jedoch einen Hahn bei sich, dem riss sie das Haupt ab und warf dasselbe über die Mauer: sogleich bezeugte der Vogel durch lautes Krähen, dass er neu belebt sei Ich bin sehr geneigt, die ganze Erzählung von Haddings Fahrt in die Unterwelt für eine Erfindung Saxo's zu halten. Sie hat einmal keinen Grund, denn der angegebene ist nichtig, da die echten Helden nach dem Tode nicht zur Hela sondern zu Ôdhin nach Walhalla kommen. Die ganze Erzählung scheint mir Virgils Erzählung von des Aeneas Fahrt in die Unterwelt nachgebildet, nur ist diese bei weitem besser begründet. Auch stimmt Saxos Schilderung der Unterwelt nicht ganz mit den Angaben der beiden Edden überein. Zu Saxo's Zeiten kamen manigfache Schilderungen solcher Fahrten in die Unterwelt zum Vorschein, und so mochte er es denn ganz schicklich finden, seinen Helden auch diese Fahrt bestehn zu lassen. Heidnisch ist sie kaum..

Zurückgekehrt beschloss Hadding mit seiner Gattin in seine Heimath zu ziehen ; die Nachstellungen, mit welchen ihn Seeräuber bedrohten , vereitelte er durch die Schnellheit seiner Fahrt; denn obgleich sie mit fast demselben Winde segelten, so konnten sie ihn doch, da er den Vorlauf hatte, mit gleichen Segeln nicht erreichen.

Unterdessen hatte Uffo, der sich einer überaus schönen Tochter erfreute, öffentlich ausrufen lassen, dass, wer Haddingen erlege, sie zur Gattin erhalten solle. Durch diese Verheissung ward Thuning bewogen die Streitmacht der Biarmer die Permier, Anwohner am weissen Meere. aufzurufen, eifrig bemüht den Preis zu erwerben. Als Hadding, um ihn aufzusuchen, mit der Flotte an Norwegens Küste dahin segelte, bemerkte er am Strande einen Greis, der durch häufige Schwingung seines Mantels anzeigte, dass man anlanden solle. Obgleich nun die Gefährten Hadding's widerstrebten und sagten, dass solche Abweichung von ihrem Wege verderblich sei, ward der Greis dennoch in das Schiff eingenommen. Er lehrte Haddingen, als er darauf mit den Biarmern zusammentraf, eine neue Schaarung des Heeres. Indem er bei der Aufstellung der Schlachtreihen mit grösserer Umsicht zu Werke gieng, bestimmte er, dass zween Männer die erste, vier die andere, acht die dritte zu bilden hätten; immer müsste die nächste Reihe die zwiefache Zahl der Männer enthalten Es ist der Keil oder der Schweinsrüssel, eine bekannte Aufstellung zur Schlacht. Sie wird hier von Ôdhin hergeleitet, denn der ist der von Hadding in das Schiff aufgenommene Greis.. Ebenso stellte er die Schleuderer auf den äussersten Flügeln auf und vereinigte mit ihnen die Bogenschützen. Als er so das Heervolk in einen Keil gereihet hatte, nahm er seine Stelle hinter demselben, zog aus dem Lederbeutel, den er auf dem Rücken trug, ein Wurfgeschütz, welches erst klein erschien, bald aber seinen Bogen weit ausspannte, legte je zehen Pfeile an den Strang, welche, durch kräftigeren Schwung gleichmässig gegen die Feinde getrieben, eben so viele Wunden hervorbrachten. Da vertauschten die Biarmer die Waffen gegen Zauberkünste, lösten den Himmel durch Lieder in Nebeldünste auf und liessen sie Regengüsse herabströmen. Der Greis von seiner Seite trieb aber auch eine Wolke den Regenwolken entgegen und hemmte dadurch den Sturz des Wassers. Nach dem Siege verliess derselbe Haddingen, sagte ihm, er werde nicht durch Feindes Macht, sondern durch freiwilligen Tod sein Leben enden, und empfahl ihm, den Ruhm der Kriege dunklem Leben vorzuziehen und das Entfernte dem Nahen nachzusetzen.

Hierauf ward Hadding von Uffo unter dem Vorwande einer Besprechung nach Upsala berufen. Hier verlor er durch Verrath seine Begleiter, er selbst jedoch entkam unter dem Schutze der Nacht. Denn in dem Gebäude, in welchem sich die Dänen zu einem ihnen verheissenen Trinkgelage versammelt hatten, war eine Thüre angebracht, welche jedem, der hinausgehn wollte, indem er sich bücken musste, durch ein Eisen das vorgestreckte Haupt abschlug. Diesen Verrath zu ahnden, erneuerte Hadding den Krieg und erlegte Uffo'n in einem Treffen; den Gefallenen bestattete er jedoch, da sein Hass gestillt war, auf das feierlichste und errichtete ihm einen ansehnlichen Grabhügel, den Adel des Feindes durch solche Auszeichnung anerkennend. Und dass er die Gemüther des besiegten Volkes sich geneigt mache, setzte er Uffo's Bruder Hunding zum Herscher über dasselbe ein, so dass die Gewalt nicht auf Fremde übergegangen, sondern bei Âsmundes Geschlechte geblieben zu sein schien.

Nach der Vertilgung des Nebenbuhlers enthielt er sich nun eine Reihe von Jahren der Waffenführung und brachte seine Zeit in Musse zu; endlich aber fand er die tägliche Beschäftigung mit der Bestellung der Aecker seines Ruhmes unwürdig, und den Krieg für süsser denn den Frieden erachtend, klagte er sich selbst in folgendem Liede der Trägheit und des Verliegens an:

Was denn weil' ich in Waldes Dunkel,
      eingeklemmt in Klippen?
Was führ' ich frisch nicht nach früherm Brauche
      zur See die Segelrosse?

Den Schleier zerschlitzt des Schlafes mir
      der Wölfe Wuthgeheul;
des Bären Brummen, das Gebell der Füchse
      das Auge hält mir offen.

Trübe Gedanken, Trauer weckt mir
      des Waldgebirges Wüste,
sie drückt mich um so dranger, je dreister mir
      Herz und Hand sich heben.

Des Gesteines Starrheit stösst zurücke
      den Mann den meergewohnten;
mich schrecket ab so schroff ein Weg,
      engt mir ein den Athem.

Am Borde gebieten mich besser dünkt;
      das Rudervolk zu rüsten,
durch der Fluthen Gefilde Furchen ziehen,
      den Muth mir mehr erfreute.

Höher es hebt das Herz des Mannes,
      um Kaufgut kühn zu werben,
mit Beute zu füllen den Bord des Schiffes,
      Schrank und Schrein zu leeren:

Als heissaushauchend Holperwege
      steif zu steigen,
oder in Waldes wüsten Schluchten
      weilend zu wohnen.


Seine Gattin aber, die am Leben auf dem Lande mehr Behagen fand und den Morgengesang der Seevögel hasste, sprach es in folgendem Liede aus, welch grosses Vergnügen ihr der Aufenthalt in waldigen Gegenden gewähre:

Wohn' am Ufer ich, so ängstet mich des Singschwans arg Geschrei;
möcht' ich schlummern, und ich hör'ihn, mit dem Schlaf ist's flugs vorbei.

Auch des Meeres wild Gewoge, wenn den Wellenbraus man hört,
scheucht den Schlummer mir vom Auge, allen Schlaf es mir zerstört.

Mir der Taucher raubt die Ruhe durch den Tummelruf bei Nacht:
zarten Ohren Unliebsames wird von ihm oft dargebracht.

Wenn der Schlaf mich will beschleichen, mit Geschnatter er mich weckt,
sein Geschrei, sein rauhes Schrillen jeden aus dem Schlummer schreckt.

Sanfter in den sichern Wäldern ruht man und auch süsser viel,
denn im Wellenhaus' im Wanken, ist's der wilden Wogen Spiel.

Nichts beraubt uns mehr der Ruhe, nichts entreisst uns jeder Rast
öfter, als der Wogen Grollen, Sturmes Wüthen um den Mast.


Anm. 10: Man darf wohl fragen, ob die beiden Hadding und seiner Gattin in den Mund gelegten Lieder in der That Lieder sind, die dem Saxo vorlagen und die er nur seiner Weise gemäss lateinisch wiedergab. Beide könnten auch nur von ihm gedichtete und den Umständen angepasste Erweiterung der Wechselrede zwischen Niörđ und Skađi sein, die Snorra Edda 23 stehn. Niörđ hatte sich mit Skađi, der Tochter des Jötuns Thiassi, der im Gebirge Thrymheim hauste, vermählt und das Abkommen getroffen, dass sie je neun Tage auf Thrymheim und darauf drei Tage in Nôatun, der Wohnung Niördhs am Seestrande, wohnen wollten. Aber als nun Niördh nach Nôatun zurückkam, sprach er:

Leid sind mir die Berge; war nicht länger dort,
          neun der Nächte nur.
Der Wölfe Geheul mich widerlich däuchte
          neben dem Sang der Schwäne.

Worauf Skađi sagte:

Schlafen ich nicht konnte an der See Gestade
          vor der Vögel Geschrei.
Denn mich erweckt, von der Woge schrillend,
          jeden Morgen die Möve.

Worauf die Gatten sich wieder trennten.


Zur selben Zeit machte sich Tosto, ein Jüte von niederer Herkunft, durch Trotz und Wildheit bemerkbar. Höchst übermüthig behandelte er die gemeinen Leute, verbreitete weithin den Ruf seiner Grausamkeit und ward durch seine Bosheit so verrufen, dass er den Zunamen des Schrecklichen erhielt. Aber auch der Frevelthaten gegen Fremde enthielt er sich nicht; nachdem er seine Heimath mit scheußlichen Drangsalen überhäuft hatte, wandte er sich gegen der Sachsen Volk. Als nun Sigufrid, der Herzog der Sachsen, da sein Heer im Kampfe nicht bestund, um Friede bat, so versprach er diesen ihm zu gewähren, wenn er sich mit ihm zum Kriege wider Hadding verbünden wollte. Da jener dies ablehnte und diese Bedingung anzunehmen sich scheute, so drängte er ihn durch allerhand Drohungen zur Annahme dessen, was er wünschte. In einer Landschlacht ward nun Hadding von Tosto besiegt; fliehend aber stiess er auf die Flotte des Siegers, machte sie durch Durchbohrung der Seiten das Meer zu halten untauglich, und entwich in einem der Schiffe auf die hohe See. Tosto wähnte ihn erschlagen. Da er ihn aber unter den Leichen der Gefallenen lange nicht finden konnte, so wandte er sich zu seiner Flotte und bemerkte nun in der Ferne ein leichtes Raubschiff mitten auf den Wogen des Meeres dahin schwimmend. Schnell brachte er seine Schiffe in das Meer und suchte das Raubschiff einzuholen, ward jedoch bald inne, dass seine Segler zu sinken droheten, und kehrte unwillig an den Strand zurück. Hier raffte er die unverletzten zusammen und gieng wiederum in See. Als Hadding sich verfolgt sah, fragte er seinen Begleiter, ob er schwimmen könne. Dieser verneinte das, worauf Hadding, die Flucht unmöglich erachtend, nebst dem Gefährten sich an die hohlen Seiten des mit Absicht umgestürzten Fahrzeuges anklammerte, und so bei den Verfolgern den Glauben erweckte, er sei umgekommen. Tosto fühlte nun sich sicher. Fern davon an eine List zu denken, warf er sich um so begieriger auf die Beute. Hadding jedoch überfiel ihn unvermuthet, zersprengte sein Heer, zwang ihn die Beute fahren zu lassen, und rächte seine Flucht dadurch, dass er ihn zu fliehen nöthigte.

Aber Tosto'n gebrach es nicht an Muth zur Rache. Da er wegen der Grösse der empfangenen Wunde keine Möglichkeit sah, in der Heimath geheilt zu werden, so gieng er unter dem Namen eines Gesandten nach Engelland. Auf dieser Fahrt verlockte er seine Begleiter aus Muthwillen zum Würfelspiele und reizte sie dann den Streit, der über die Würfe sich erhub, durch traurigen Mord zu beenden. So erfüllte ein friedliches Spiel das ganze Schiff mit Zwietracht, und der in einen Streit ausgeartete Scherz erzeugte blutigen Kampf. Auf dass er nun aber auch einigen Gewinn habe durch den Untergang Anderer, so bemächtigte er sich des Geldes der Erschlagenen und nahm einen gewissen Koll, einen zu jener Zeit berühmten Seeräuber, zu seinem Gesellen an. Mit diesem kehrte er bald nachher in seine Heimath zurück und forderte Haddingen zum Kampfe heraus. Dieser, der lieber sein eigenes als seiner Krieger Glück auf die Wage legen wollte, nahm gern die Forderung an, und es gelang ihm, den Gegner zu erlegen. Die tapferen Heerführer der alten Zeit wollten nicht durch das Wagniss Aller erlangen, was durch Wenige erreicht werden konnte.

Bald nach diesem Ereignisse suchte Haddingen seine verstorbene Gattin in einer Nacht heim Die Möglichkeit, dass die Geister Verstorbener wiederkehren, ward von den alten Skandinaviern geglaubt. Bekannt ist aus der Edda die Wiederkehr Helgi's zu seiner Gattin Swâwa. und sang ihr also zu :

Ein Wolf dir erwuchs, der die Wuth bezähmt,
      der Eber Ingrimm;
der mit zackichtem Zahne zausen wird
      die wilden Wölfe.

Aber sogleich darauf fügte sie hinzu:

Doch wahre dich, Fürst, dir ein Vogel entspross,
      ein arger Uhu
an schwarzer Gall', und ein Schwan zugleich
      an süssem Sange.

Am nächsten Morgen legte der König diese Sache einem Mann vor, der solche Dinge zu deuten wusste. Dieser deutete den Wolf auf den Sohn, der ein kühner Held werden sollte, durch den Schwan aber werde seine Tochter bezeichnet. Jener werde den Feinden verderblich sein, diese dem Vater hinterlistig nachstellen. Der Erfolg bestätigte diese Weissagung. Denn Ulfhild, Hadding's Tochter, die an Guthorm, einen Bauer, verheirathet war, bewogen entweder durch die Unwürdigkeit dieser Ehe oder durch den Stolz auf ihre Abstammung, reizte ohne Erbarmen ihren Gatten zur Ermordung ihres Vaters auf und sagte, sie wolle lieber Königin als Königes Tochter heissen. Ihre Anreizung will ich nur mit denselben Worten geben, deren sie sich aus Hochmuth bediente; sie sprach aber also: »Beklagenswerth ist die Tochter eines Königes, die ein schlaffer Vater in entwürdigende und verächtliche Umarmungen trieb! unglücklich das Kind einer Mutter, dessen Glück das eheliche Lager vernichtet, dessen Adel der Stand des Gatten mindert! Aber wenn du Leben und Regsamkeit hast, wenn Muth dein Herz erfüllt, wenn du dich für einen würdigen Eidam des Königes hältst, so entreisse dem Schwäher die Gewalt, so erwirb den Adel durch Tüchtigkeit, den Mangel an Ahnen ersetze durch Tapferkeit, die Niedre des Blutes wäge durch Muth auf! Süsser ist Ehre durch Kühnheit als durch Erbschaft erworben; besser wird der Gipfel durch Tapferkeit als durch das Recht der Nachfolge erstiegen. Und ist es denn ein Frevel, das Greisenalter niederzuwerfen, das, durch eigene Last gebeugt, zum Sturze neiget? Dem Schwäher kann eine so lange Herschaft genügen; die Herschaft des Greises kommt dir entgegen: wenn du sie dir entgehn lässest, wird sie einem Andern zufallen. Er hat genug geherscht: möge es dir einmal schicklich dünken, der Erste zu sein! In der That, ich wünsche mehr, dass mein Gemahl hersche, als dass mein Vater des Reiches walte. Ich will lieber die Gattin als die Tochter eines Königs sein. Besser ist es, einen Fürsten im Hause zu umarmen als einen draussen zu ehren. Selbst auch musst du den Herscherstab dir mehr gönnen als dem Schwäher. Jeder ist sich ja selbst der Nächste. Die Ausführung wird nicht fehlen, wenn nur erst der Wille zur That da ist; denn Nichts giebt es, was nicht die Schlauheit ermöglichte. Ein Gastgebot ist zu erlassen, ein Trinkgelage zu rüsten, das Nöthige anzuschaffen, der Schwäher einzuladen. Den Weg zum Truge wird geheuchelte Liebe bahnen. Unter keinem Namen bergen sich Nachstellungen besser, als unter dem der Verwandtschaft. Sobald der König, der seines Hauptes zu pflegen in Brauche hat, alten Mähren sein Gemüth, dem Barte die Hand zuwendet und den Wirrwarr der Haare mit einer Haarnadel oder mit einem Kamme schlichtet, fühle er den Stahl in seinen Eingeweiden. Beschäftigte achten wenig auf Sicherheit. Deine Rechte sei die Rächerin so vieler Frevelthaten. Es ist den Göttern wohlgefällig, die Hand zur Rache der Elenden zu erheben.« Trotz der Versicherung Saxo's, die Rede der Ulfhild ›fast wörtlich‹ wiedergeben zu wollen, scheint mir doch der römische Rhetoriker überall aus den Worten hervor zu tönen. Schon die gehäuften, von mir aber weggelassenen Klagerufe zu Anfange sind nicht nach Art und Weise nordischer Frauen. Sie fassen sich auf jeden Fall kürzer und drücken sich auch nicht so geziert aus. Der Inhalt der Rede mag echt sein, die Form ist Saxo's Werk, trotz seiner Versicherung.

Mit solchen Worten trieb Ulfhild ihren Gatten zum Morde. Der Mann liess sich durch ihre Mahnungen gewinnen und verhiess den Meuchelmord in's Werk zu setzen. Inzwischen ward Hadding, der, wie wir bereits wissen, durch ein Gesicht vor seinem Eidam gewarnt war, zu dem Gelage eingeladet, welches seine Tochter, wie sie heuchelte, ihm zu Ehren veranstaltet hatte. Er erschien, hatte aber zuvor unweit vom Hause Schutzwachen heimlich aufgestellt, deren er sich bedienen wollte, wenn es die Sache also erheischen würde. Als er speiste, stellte sich ein Diener, der zum Morde gedungen war, in seiner Nähe auf. Er hatte einen Dolch unter seinem Gewande verborgen und erwartete schweigend die für die Schandthat als geeignet ihm bezeichnete Zeit. Als der König diess wahrnahm, gab er den in der Nähe aufgestellten Männern durch ein Horn das verabredete Zeichen, und da sie ihm schnell zu Hülfe kamen, so musste der Urheber seines Verrathes entgelten.–

Indessen hatte Hunding, der König der Schweden, durch eine falsche Nachricht von dem Tode Haddinges Kunde erhalten. Er veranstaltete ein feierliches Todtenmahl, zu welchem er alle Häuptlinge des Volkes entbot, liess einen Kessel von ungewöhnlicher Grösse mit Bier füllen, welches für etwas köstliches galt, und denselben in der Mitte der Trinkgenossen aufstellen. Und auf dass der Feierlichkeit nichts gebreche, so wollte er selbst das Amt des Schenken verwalten. Als er nun den Obliegenheiten dieses Amtes nachkommend die Halle durchschritt, stiess er mit dem Fusse an und fiel mitten in den Kessel. Von dem Biere überfluthet kam er darin um. Als Hadding von diesem Unfalle Kunde erhielt, so wollte er seinem Verehrer sich vollkommen dankbar erweisen. Er ertrug es nicht, den Todten zu überleben, und erhenkte sich freiwillig vor den Augen des Volkes Hadding, indem er sich henkt, weihet sich dem Ôdhin. Das hat Saxo aus guten Gründen nicht gesagt, und so schiebt er denn auch Haddinge einen anderen und zwar spasshaften Beweggrund zu seinem Tode unter. Auch hat er sich gehütet mitzutheilen, dass sich Hadding hangend mit einem Schwerte verwunden liess, was ohne Zweifel geschehen ist; denn also ihnen zu thun befahlen die sich dem Ôdhin durch freiwilligen Tod weihenden. Das verschaffte ihnen den Eintritt in Walhalla ebenso so wohl, als wenn sie in einem Kampfe gefallen wären. Hadding ist übrigens ein in nordischen Sagen, auch in den Liedern der Edda, gefeierter Held; vermuthlich war er ein Seekönig, d. h. ein Wiking von Ruf..


Erläuterungen als Fußnoten bzw. Anmerkungen eingepflegt. Re


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