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Anm. 1: In dieser Sage giebt Saxo eine Umgestaltung des berühmten Mythus von Balder's Tode durch seinen Bruder Hödh auf Anstiftung des Verderbenstifters Loki. Es wird zweckdienlich sein, die kurze Erzählung der jüngeren Edda von diesem Ereignisse mitzutheilen; denn alsdann erst lässt sich Saxo's Darstellung richtig beurtheilen, und wir werden erkennen, dass so manche einzelne Züge bei dem Dänen dennoch dem alten Mythus angehören, wenn die Edda auch nichts davon weiss. Es ist hier wie bei anderen Mythen: die meisten wohl waren einst in verschiedenen Gestaltungen vorhanden. Eine ganz willkührliche, mit dem Baldermythus in keinem Zusammenhange stehende Einschaltung Saxo's ist jedoch, was er von Ôdhin's zweiter Verbannung und der Erhebung Ull's zum Könige der Götter erzählt. Es mag sein, dass irgendwo im Norden einmal der Dienst Ôdhin's der Verehrung Ull's für eine Zeit weichen musste, wie er ja auch hie und da durch die Verehrung Frey's beeinträchtigt ward, in Folge der leicht erklärlichen Bemühungen und Umtriebe der Götten (Priester), und dass man zu Saxo's Zeit davon noch Kunde hatte, und dass er diese benutzte, um sich nach seiner Weise über die alten Götter selbst lustig zu machen.– Die jüngere Edda aber giebt uns den Mythus von Balder wie folgt: Balder, der Sohn Ôdhin's und der Frigg, ist der beste und mildeste aller Asen, der Liebling der Götter und Menschen und aller Geschöpfe. Er ist so schön und licht von Antlitz, dass leuchtender Glanz von ihm ausstrahlt. Seine Wohnung heisst Licht, der Leuchtende, wird des Namens Bedeutung sein. Man vergl. das slawische bel, bial, in belbog, lichter Gott, und das keltische Bel, Sonnengott, Belisana, Mondgöttin. Das angelsächsische baldor ist abstract und bedeutet »Herr«. Vgl. das deutsche Frô (= Frey) Herr.
Breidablik (breiter Glanz); seine Gattin ist Nanna (deutsch Nanda, die unablässig schaffende, die Blüthengöttin) die Tochter Hnepp's (Blumenknopf), die mit ihrem Blüthenteppich die Erde schmückt, nachdem Thôr sie wohnlich gemacht und Balder die grauen Nebel verscheucht und den düster gebundenen Sinn der Menschen geöffnet hat. Aber das Leben in Licht und Reinheit hat nirgends Dauer, nicht bei den Menschen, nicht bei den Göttern, und die Nacht folgt immer dem Tage, der düstere, trübe Winter dem hellen, heiteren Sommer, gleich wie auch im Geistigen Licht und Finsterniss abwechseln. So träumt denn auch einst Balder, dass der Tod ihm bevorstehe; er wird traurig und mit ihm alle Götter; denn sie ahnen, dass Balder's Tod der Vorläufer ihres eigenen Unterganges (ragnarök, Götterauflösung, oder ragnarökr, Götterdämmerung) sei. Diess Unheil suchen sie abzuwenden, denn da sie entstandene Wesen sind, sind sie auch dem Vergängniss unterworfen, und Frigg nimmt alle Dinge auf Erden, Thiere, Menschen, Pflanzen, Erze, Steine, Feuer, Wasser, Gifte und Krankheiten in Eid, dass sie Balder nicht schaden wollen; nur den schwachen Mistelzweig übersieht sie. Die Götter belustigen sich nun damit, dass sie mit allerhand Dingen auf Balder schlagen und werfen, um auch ihn, da nichts ihn schädigt, zu erheitern. Da bringt Loki den Mistelzweig herbei, den er abgerissen hat, nachdem er durch Schlauheit von der Frigg selbst erfahren hatte, dass er nicht beeidigt sei, und reicht ihn dem blinden Hödh mit der Aufforderung, ihn auf Balder zu werfen. Hödh Kampf, Streit, blinde Heftigkeit; ahd. hadu, angelsächs. hadhu; vgl. Hader, hadern., der bis jetzt sich jeder Theilnahme am Spiele enthielt, lässt sich überreden, wirft, und Balder sinkt todt nieder. Schreck und dann Trauer ergreift alle Asen. Hermôd, Ödhin's Sohn, reitet in die Unterwelt hinab, um der Hel für Balder Lösegeld zu bieten. Unterdess legen die Asen den todten Balder in sein Schiff Hringhorni, um ihn zu verbrennen. Das Schiff gieng nicht von der Stelle, bis die Riesin Hyrrokkin, die herbei geholt ward, es vorstiess, dass Feuer aus den unterlegten Walzen sprühete und die Erde erbebte. Als Nanna das sah, zersprang sie vor Harm, und ihre Leiche ward mit auf den Scheiterhaufen gelegt. Als er brannte, trat Thôr hinzu und weihete ihn mit seinen Hammer Auch Bräute wurden zur Ehe geweiht, indem man ihnen den Hammer in die Schooss legte.. Vor seinen Füssen lief der Zwerg Lit (Farbe) und Thôr stiess ihn mit dem Fusse in das Feuer Mit dem Lichtgotte gehn auch Blumen (Farbe) und Fruchtbarkeit zu Grunde.. Auch Balder's Ross ward mit verbrannt. Alle Asen und viele Thursen und Bergriesen waren zugegen. Zuletzt legte Ôdhin noch den Goldring Draupni auf den Brand.
Hermôd ritt neun Nächte durch tiefe, dunkle Thäler, sprengte über die Giallarbrücke, und trieb den Sleipni zum Sprunge über das Gitter der Hel Vgl. oben die Sage von Hadding, S. 17 u 18.. Balder sass neben ihr auf dem Hochsitze. Hel willigte ein, Balder zurückzugeben, wenn alle Dinge in der Welt ihn beweinten; weine jedoch eines nicht, so müsse er bei ihr bleiben. Balder geleitete den heimkehrenden Hermôd aus der Halle und gab ihm den Ring Draupni, um ihn Ôdhin wieder zuzustellen, und Nanna sandte der Frigg ihr Blüthenkleid und der Fulla einen Goldring (Fruchtbarkeit und Blüthe, wie sie sich im Lichte entwickelt haben, sollen nicht sofort verschwinden; Balder's Tod ist nur Vorbote des Erdunterganges; darum die Zurücksendung der Ringe und des Blüthenkleides).
Als Hermôd den Bescheid überbracht hatte, sandten die Götter Boten in alle Welt und befahlen, dass Alles um Balder weine, und alle Wesen weinten. Auf dem Heimwege trafen die Boten aber die Riesin Döck in einer Höle: diese weigerte sich zu weinen und sagte :
Dürre Zähren Döck soll weinen
um Balder's Brandfahrt;
nichts sein Leben mir gab, nichts sein Sterben:
Hel behalte was sie hat!
So musste denn Balder bei Hel bleiben. Die Riesin aber, meint man, sei Loki gewesen.
Diess ist die Erzählung der Edda, und hier ist keine Spur von einer Feindschaft zwischen Balder und Hödh, wegen der Nanna. Hat diese Feindschaft nun und ihre Ursache Saxo geradezu erfunden, weil sie für seine Heldensage, in die jedoch die Götter noch sehr bedeutsam eingreifen, ihm dienlich war? Ich glaube nicht, wie eine willkührliche Erfindung sieht die Sache keineswegs aus; vielmehr haben wir wohl nur eine andere Gestaltung des Mythus vor uns. Leider erfahren wir sehr wenig über Hödh in den Edden, fast nichts weiter, als dass er blind und sehr stark sei; dass die Götter wünschen möchten, dass man ihn nie nenne, weil Götter und Menschen lange an das Werk seiner Hände (den Tod Balder's) denken werden; endlich dass er nach Ragnarökr zugleich mit Balder aus den Sälen der Hel auf die verjüngte Erde zurückkehren werde. Klar ist es, dass er zu Balder einen Gegensatz bildet, und ist dieser ein sommerlicher Lichtgott, so wird er ein dunkler Wintergott sein. Darauf weist auch seine Blindheit hin, von der Saxo freilich nichts weiss. Dagegen hat dieser andere Züge, die dahin zu deuten sind, z. B. sein Hirschgespann, ursprünglich wohl Rennthiere, sein zeitweiliges Hausen auf dem eisigen Gebirge und seine von dort geholte Waffe, mit welcher er endlich Balder tödtet. Es ist zu bedauern, dass wir über seine Abkunft in der Edda nirgends etwas erfahren. Nur einmal wird er Ôdhin's Sohn genannt; allein wer war seine Mutter? Keine der bekannten Frauen Ôdhin's wird als Hödh's Mutter genannt, und so wird sie eine Riesin gewesen sein, gleich der Rinda, d. h. der Erde in winterlichem Zustande. Stehn nun aber die vielen schönen Eigenschaften, die Saxo an dem Jünglinge Hödh zu rühmen weiss, nicht im Widerspruche mit seiner Blindheit, mit seiner winterlich-finsteren Gottheit? Ich meine nicht; denn gerade in den langen Winternächten kann man im Norden geistige Bildung und Fertigkeit in den Künsten sich erwerben; seine Blindheit war ihm aber wohl nur in seiner frühesten Jugend eigen: er ist eben blind geboren, wie alle reissenden Thiere, und manche berühmten Helden; man erinnere sich nur der »blinden Hessen«.
Dass beide, Hödh und Balder, um Nanna werben und deshalb unter ihnen Hass und Feindschaft entsteht, ist in dieser Gestalt des Mythus ganz in der Ordnung; sie kann während des Sommers Balder's Gattin sein; durch den Frost des Winters geräth sie in Hödh's Gewalt; nur ihre Liebe zu diesem ist sehr auffallend, hier stattet offenbar eine Verirrung des Mythus, wenn nicht vielleicht nur Saxo ihre Liebe zu Balder in eine Liebe zu Hödh umgewandelt hat. Denn wie Riesen nach Freyja und Idhun trachten, so darf auch Hödh um Nanna werben; aber lieben kann Nanna ihn nicht, so wenig Freyja und Idhun die Riesen liebt.
Hödh, der Bruder Athisil's und Ziehsohn des Königes Gewar, dessen ich schon gedacht habe, nahm nach Hiartwar's Tode die Herschaft über beide Reiche. Seines Lebens Geschichte wird sich angemessener darstellen lassen, wenn ich mit seiner frühesten Jugend beginne; denn seine letzten Lebensjahre treten in ein helleres Licht, wenn die ersten nicht mit Stillschweigen übergangen werden.
Als Hödhbrodd durch Helgi gefallen war, verlebte sein Sohn Hödh seine Knabenjahre unter dem Schutze Gewar's, des Königes. Als Jüngling übertraf er alle Altersgenossen an Leibes Stärke, und auch sein Geist war durch Erlernung manigfaltiger Künste bereichert. Er war geübt im Schwimmen, Bogenschiessen, dem Faustkampfe; auch durch Gelenkigkeit und Raschheit zeichnete er sich aus: kurz, er hatte nicht nur Kräfte, sondern, die mehr vermögen, geübte Kräfte. Niemand verstund besser die Rotte ein Saiteninstrument. oder die Harfe zu spielen; aller Saitspiele war er kundig, und so lockte er in den Gemüthern der Menschen durch seine Weisen alle Regungen hervor, die er hervorlocken wollte. Mit Freude, Trauer, Mitleid, Zorn wusste er die Herzen der Sterblichen zu erfüllen, und so pflegte er durch ohrschmeichelnde oder durch grauserregende Klänge aller Gefühl zu umstricken.
Durch so grosse Kunstfertigkeit des Jünglinges eingenommen, entbrannte Nanna, die Tochter Gewar's, in Liebe zu ihm. Nicht selten macht ja der Jünglinge Tüchtigkeit die Jungfrauen erglühen; und wessen Gestalt weniger Beifall finden dürfte, der kann durch Biederkeit Gunst erwerben. Vielfältige Thüren zum Herzen hat die Liebe; bald bahnet ihr die Schönheit des Gesichtes, bald die Hoheit des Geistes, bald Kunstfertigkeit den Weg. Nicht leichtere Wunden pfleget die Tapferkeit den Jungfrauen zu schlagen als die Schönheit.
Nun ereignete es sich aber, dass Ôdhin's Sohn Balder von heftiger Liebe zur Nanna ergriffen ward, da er einst zufällig die Jungfrau im Bade belauscht hatte. Ihre Schönheit hatte ihn sofort bezaubert. Er beschloss daher, Hödh, der seinen Wünschen, wie er glaubte, am meisten im Wege stund, durch das Schwert zu beseitigen, auf dass er sobald als möglich sich des Besitzes der Geliebten erfreuen könnte.
Durch Zufall ereignete es sich zur selben Zeit, dass Hödh auf einer Jagd in Folge eines dichten Nebels vom rechten Wege abkam und in die Wohnung der Waldfrauen Die Waldfrauen, zu denen Hödh kommt, sind Walkyrien, wie schon aus ihrer Antwort hervorgeht. gerieth. Sie begrüssten ihn, mit seinem Namen ihn nennend, worauf er sie fragte, wer sie seien. Sie antworteten ihm, dass unter ihrer Leitung und Obwaltung zumeist der Ausgang der Kriege und das Geschick der Streiter stünde; denn oft wären sie, keinem sichtbar, bei den Kämpfen gegenwärtig und gewährten ihren Freunden durch heimlichen Beistand den gewünschten Erfolg. Sie könnten nach Belieben Sieg oder Niederlage geben; Die Walkyrien behaupten hier zu viel; eigentlich haben sie nur Ôdhins Beschlüsse über die Kämpfer an diesen zu vollziehen. Erlauben sie sich ungehorsam zu sein, so werden sie von Ôdhin bestraft, wie wir an Sigurdrîfa (Brunhild) sehen können., und sie sagten ihm auch, wie Balder seine Milchschwester Nanna beim Baden gesehen hätte und in Liebe zu ihr entbrannt wäre; zugleich warnten sie ihn, dass er ihn ja nicht mit Waffen bestünde, obgleich er seines grimmigsten Hasses werth wäre; denn er wäre ein Halbgott Halbgott war Balder nicht, da Ôdhin sein Vater, Frigg seine Mutter war. Ueberhaupt kennt die nordische Mythologie keine Halbgötter im Sinn der griechischen. Der »Halbgott« wird wohl nur von Saxo herrühren., der Sohn eines der höchsten Götter. Kaum hatte Hödh diess vernommen, als das Haus verschwand und er sich unter freiem Himmel sah. Noch mehr aber setzte ihn die rasche Flucht der Jungfrauen in Staunen, als die trügerische und wandelbare Beschaffenheit des Hauses. Er wusste nicht, wie ihm geschah, und wähnte, ein Trug oder irgend eine Vorspiegelung der Sinne hätte ihn getäuscht.
Heimgekehrt, erzählte er Gewarn alles, was ihm begegnet war, und hielt sogleich um seine Tochter an. Gewar gab ihm den Bescheid, dass er seine Wünsche sehr gern begünstigen würde, müsste er nicht befürchten, dass eine Abweisung Balder's ihm dessen Zorn zuziehen würde, da auch dieser bereits um die Jungfrau geworben und seine Zusage erhalten habe. Balder's Leib, fügte er hinzu, das wisse er, sei jedem Eisen unverletzbar; doch kenne er ein Schwert, womit man ihn tödten könne, aber das sei überaus sicher verwahrt und verborgen. Es sei im Besitze Mimringes, eines Waldschrates
Dergleichen Wunderschwerter kommen in vielen Sagen vor, aber der Name des Waldgeistes, d. i. Bergriesens, der in dessen Besitze ist, ist auffällig. Man sollte in Mimring eher den Namen des Schwertes vermuthen, als den des Bergriesens. Und in der That heisst in den dänischen Heldenliedern Widrik's Schwert Mimring, das in deutschen Sagen Miming heisst, wie Nagelring neben Nägling vorkommt. Widrik sagt selbst in dem Gedichte, das seinen Kampf mit dem Riesen Langbein erzählt:
Skimming heisst mein edles Ross,
erzeugt im wilden Stut;
Mimring nennet man mein Schwert;
es taucht in Helden Blut.
Oder wäre an den aus dänischen Volksliedern bekannten Zwerg Memering Tand zu denken, der ein gewaltiger Kämpe ist?. Derselbe habe auch einen Armring, dessen wunderbare und heimliche Tugend den Reichthum dessen vermehre, der sein gewaltig sei
Der Reichthum gewährende Ring ist hier rein überflüssige Zugabe. Uebrigens gleicht er in dieser seiner Eigenschaft dem Draupni Ôdhin's und dem Andwaranaut der Niflungasaga.. Aber der Zugang zu ihm und seinen Kleinoden sei unwegsam und durch allerhand Hindernisse beschwerlich; so leicht könne kein Mensch dahin gelangen. Auf dem grösseren Theile des Weges dahin hersche unausgesetzt die grimmigste Kälte
Der Bergriese ist also ein Hrimthurse, der im Eise haust. Gehörte er vielleicht zu den mütterlichen Sippen Hödh's?; daher rathe er ihm, wenn er die Fahrt zu wagen gedenke, Hirsche vor seinen Wagen zu spannen; durch deren Raschheit nur werde es ihm gelingen, den von Eise starrenden Rücken des Gebirges zu übersteigen. Wenn er in Mimringes Bereich gelangt sei, so solle er sein Zelt der Sonne abgewandt so aufschlagen, dass er den Schatten der Höhle, worin Mimring hause, aufnehme, er aber nicht jenes Höhle beschatte, auf dass er nicht den Waldschrat durch das ungewohnte Dunkel vom Ausgehn abhalte. So werde er den Ring und das Schwert erlangen und durch den einen Reichthum, durch das andere den Sieg im Kampfe. Beide müssten also für ihn den grössten Werth haben und wären ein würdiger Lohn seiner Mühen.
Hödh war nicht lässig; er that genau so, wie ihm gerathen war, schlug sein Zelt in der angegebenen Weise auf, beschäftigte sich während der Nacht mit seinen Sorgen, während des Tages aber gieng er auf die Jagd. Beide Zeiten verbrachte er wachsam und ohne zu schlafen: die Nacht verwandte er zum Bedenken der Unternehmung, und wie er sie am besten ausführe, den Tag benützte er, um den nöthigen Lebensunterhalt zu erwerben. Als er nun einst während einer Nacht in seinen sorglichen Gedanken dalag, sah er plötzlich den Waldschrat auf sein Zelt zukommen. Sogleich trat er ihm entgegen, griff ihn mit dem Geere an, streckte ihn durch den Stoss zu Boden, und da er nicht zu fliehen vermochte, fesselte er ihn. Mit grimmigen Worten ihm den Tod drohend, begehrte er als Hauptes Lösung Schwert und Armring. Der Waldschrat bewilligte ihm sofort beides, und Hödh kehrte in seine Heimath zurück, zufrieden mit der geringen, aber ausgezeichneten Beute und froh, dass er sie erworben hatte.
Als Geldar, der König der Sachsen, hörte, dass Hödh sich dieser Kleinode bemächtigt habe, reizte er seine Kämpen durch häufige Mahnungen auf, ihm eine so glänzende Beute zu entreissen. Sie gehorchten dem Könige und rüsteten eilig die Flotte. Gewar aber hatte das vorausgesehen, denn er war sehr geschickt in der Voraussicht künftiger Dinge; er rief also Hödh und sagte ihm, er solle die Wurfgeere Geldar's, wenn er ihn angreifen werde, ruhig empfangen und nicht eher die seinen werfen, als bis er sehe, dass der Feind keine mehr habe Vgl. oben die Sage von Frôdhi und Hadding.; zugleich solle er spitzige Haken bereit halten, womit man die Schiffe verletzen und den Kriegern Helme und Schilde entreissen könne. Hödh folgte diesem seinem Rathe und erfreute sich des besten Erfolges. Er befahl den Seinen den ersten Anfällen Geldar's ruhig Stand zu halten und ihren Leib mit dem Schilde zu decken; den Sieg in diesem Kampfe, sagte er, müsse man durch ruhiges, mannhaftes Ausharren erringen. Als der Feind nun wahrnahm, dass der Gegner sich aller Würfe enthalte, obgleich er selbst im Eifer des Kampfes ihn mit Wurfgeschossen überschüttete, so begann er um so eifriger Geere und andere Wurfgeschosse zu werfen, je geduldiger Hödh sich anliess sie aufzunehmen. Sie hafteten theils in den Schilden, theils in den Balken der Schiffe und verwundeten nur selten einen; die meisten waren schadlos und vergebens geworfen. Da Hödh's Krieger nun gehorsam dem Gebote des Königes die Menge der geschleuderten Wurfgeschosse durch das Dach der dicht zusammengehaltenen Schilde abwandten, so fielen nicht wenige derselben, abprallend von den Buckeln der Schilde, in die Wogen. Als demnach aber Geldar alles Wurfgeschosses ledig war und sah, dass der Gegner sie aufraffte und nun um so heftiger auf ihn zurückwarf, liess er einen weissen Saxo hat hier roth statt weiss; aber roth war nicht Farbe des Friedens, sondern des feindlichen Hasses. Vgl. oben die Sage von Hrôdhulf am Ende. Schild an dem Maste empor hissen, welches ein Friedezeichen war, und suchte sein Heil in der Ergebung. Hödh empfieng ihn mit freundlichster Miene und den gütigsten Worten und besiegte ihn so nicht minder durch Milde als durch List.
Zur selben Zeit warb Helgi, der König von Hâlogaland, um Thôra, die Tochter Cuso's, des Fürsten der Finnen und Biarmier. Er sandte eine zahlreiche Botschaft, denn wer an sich minder mächtig ist, bedarf Anderer. Zu seiner Zeit nämlich war es Brauch, dass die Jünglinge mit eigenem Munde um die Bräute warben; Helgi stotterte aber so, dass es nicht nur den Ohren Fremder, sondern auch denen seiner Hausgenossen schreckhaft war. Cuso wies seine Boten ab, indem er sagte, der Braut sei der unwürdig, der so wenig von eigener Tüchtigkeit unterstützt werde, dass er Andere zu Brautwerbern miethen müsse. Auf diese Antwort hin wandte sich Helgi an Hödh, den er als sehr redefertig kannte, bat ihn, ihn bei seiner Werbung zu unterstützen, und gelobte ihm, er werde alles mit Eifer vollbringen, was auch er ihm auftrage. Hödh ward durch die flehendliche Bitte des Jünglings bewegt und gieng mit bewaffneter Flotte nach Norwegen, um mit Gewalt zu erringen, was er durch Worte nicht erwerben könne. Da er nun für Helgi mit süssester Rede diese Sache führte, sagte ihm Cuso, er wolle die Gesinnung seiner Tochter erforschen, dass er nicht durch väterliche Strenge das zu erzwingen scheine, was sie nicht freiwillig thue. Sie ward herbeigerufen und gefragt, ob der Freier ihr gefalle; da sie nun das sofort bejahete, so ward sie dem Helgi verlobt. So wusste Hödh durch die Gewandtheit seines Mundes sich Cuso's Ohren zu öffnen.
Indem diess in Hâlogaland sich ereignete, gieng Balder bewaffnet zu Gewar, um Nanna zu fordern. Gewar wies ihn an die Jungfrau, um ihre Meinung über sein Begehren kennen zu lernen. Mit den ausgesuchtesten Schmeicheleien wandte er sich an Nanna, und da er merkte, dass er nichts erreiche, so drängte er sie, ihm den Grund ihrer Weigerung zu sagen. Sie anwortete ihm: »Ein Sohn des Himmels dürfe sich nicht mit einer Tochter der Erde vermählen, weil der unermessliche Unterschied ihrer Wesenheit jede solche Verbindung unstatthaft mache. Auch die Götter lösten zuweilen geschlossene Verträge und würfen plötzlich Bande ab, die zwischen Ungleichen geknüpft worden wären. Kein stätiges Band bestehe zwischen Ungleichen, da bei den Hohen das Glück der Niederen sich immer trübe. Ueberfluss und Dürftigkeit hätten verschiedene Haushaltung, und zwischen des Reichthums glänzenden Gütern und der Armuth düsterm Mangel bestünde keine feste Verbindung. Die Wesenheit der Dinge selbst bedinge es also schon, dass zwischen Göttern und Menschen eheliche Gemeinschaft nicht Statt finde. « Mit dieser höhnenden Antwort wies sie die Werbung Balder's zurück, indem sie klug die Gründe verknüpfte, die sie die Ehe auszuschlagen bestimmten. Als diess alles Hödh durch Gewar erfuhr, beklagte er sich bitter bei Helgi über die Frechheit Balder's. Beide waren unschlüssig, was zu thun sei; der Eine rieth diess, der Andere jenes. Während sie noch diesen oder jenen Vorschlag erwägen, werden sie in Folge schnellen Angriffes in einem Seetreffen mit Balder handgemein. Götter und Menschen stunden einander im Kampfe gegenüber; denn Ôdhin und Thôr und der Götter heilige Schaaren stritten für Balder. Aber Hödh, der ein Streithemde trug, das aller Schwerter spottete, brach in den dicht gedrängten Keil der Götter ein und wüthete, wie nur immer ein Mensch gegen Götter wüthen kann. Allein auch Thôr, der eine ungeheure Keule schwang, zertrümmerte alle Schilde und rief eben so laut die Feinde an, sich wider ihn zu wenden, als die Götter, Schutz bei ihm zu suchen. Es gab keine Rüstung, die seinem Schlage widerstanden hätte; Niemand vermochte ihm gegenüber Stand zu halten. Was seine Keule traf, zermalmte sie. Weder Schilde noch Helme ertrugen seine Kraft; keinem frommte seines Leibes Stärke oder Grösse. So wäre denn der Sieg den Göttern zu Theil geworden, wenn nicht Hödh, da die Reihe der Seinen bereits zu wanken begann, herbeigeeilt wäre und die Keule Thôr's, indem er sie dicht beim Griffe durchhieb, unbrauchbar gemacht hätte. Kaum sahen die Götter, dass diese Waffe gebrochen sei, als sie eiligst die Flucht ergriffen. Diese Schlacht gegen die gesammten Götter ist unstreitig die Ursache, weshalb Saxo Hödh erst den Sachsen Geldar besiegen und dann Helgi durch einen Freundschaftsdienst sich verbinden lässt. Den Göttern gegenüber bedurfte er streitbarer Hülfe.– Die dicht am Griffe durchhauene Keule Thôr's ist sein Hammer Miölni, der bekanntlich zu kurzen Handgriff hatte, aber schon von der Schmiede her.
Baldern rettete nur die Flucht, der er sich denn auch mit den behendesten Schritten hingab. Seine Schiffe zertrümmern die Sieger entweder mit Beilen oder sie versenken sie in die Fluthen. Nicht zufrieden, die Götter besiegt zu haben, greifen sie, was von der Flotte noch übrig ist, mit Wuth an und stillen ihre verderbliche Kampfbegierde durch die Vernichtung desselben. Balder's Hafen, wo diese Schlacht geschlagen ward, erinnert durch seinen Namen an Balder's Flucht
Dieser Kampf soll auf Seeland bei Roskelda stattgefunden haben. Die alte dänische Reimkronik kennt gleichfalls diese Schlacht, doch nennt sie keinen »Balder's Hafen«, sondern einen »Balder's Brunnen« und »Balder's Sund« (
mare balticum); auch weicht sie darin von Saxo ab, dass Balder nicht durch die Flucht sich rettet, sondern von Hödh in den Sund versenkt wird. Sie führt die alten Könige selbst redend ein, und so sagt denn Hödh:
Da ich beherschte Danmarks Reich,
drei kühne Kämpen da lebten zugleich,
der eine hiess Ôthen, der andere Thôr,
als dritter sich Balder thät hervor.
Der sagte, er hätte Gottes Macht,
doch gab ich darauf wenig Acht.
Bei Balder's Brunnen ihr Volk ich schlug,
gab ihnen der Todeswunden genug.
Er floh daselbst gar lästerlich,
von Gottheit hatt' er nichts in sich,.
Seit schlug ich Baldern in Balder's Sund
und senkt' ihn nieder auf den Grund.
Ganz das Gleiche wiederholt dann der nach Hödh redend eingeführte Balder ;
Da König Hödh das hatte erspürt,
dass sie (die Seeländer) mich zum Könige hatten erkürt,
da schlug er mich in Balder's Sund
und senkte mich nieder auf Meeres Grund;
davon empfieng der Sund den Namen.
Es ergiebt sich hieraus zum mindesten mit Sicherheit so viel, dass der Mythus von Balder und Hödh in verschiedener Gestaltung den Skandinaviern bekannt war..
Aber auch Geldar, der König der Sachsen, war in diesem Kampfe gefallen. Hödh liess aus den Schiffen einen gewaltigen Scheiterhaufen errichten, legte darauf die Leichen der gefallenen Ruderer und zu oberst auf sie den König, und zeichnete ihn durch so prächtige Bestattung vor allen Andern aus. Ueber seiner Asche errichtete er nicht nur einen gewaltigen Haug Haug ist die heidnische Benennung des Grabhügels., sondern ehrte ihn auch durch das feierlichste Begängniss. Darauf kehrte er in die Heimath zurück, und vermählte sich mit Nanna. Gegen Helgi und Thôra erwies er sich höchst grossmüthig; er führte die Neuvermählte nach Schweden und war dort allen durch seinen Sieg eben so achtbar, als Balder durch seine Flucht lächerlich Dass Hödh mit Nanna sich vermählt, ist eine sehr bedeutsame Abweichung von der Edda, welche sie aus Schmerz über Balder's Tod sterben lässt. Es ist aber nur ein anderes Bild für die gleiche Sache. Da Hödh eine Wintergottheit ist, so kann er den Lichtgott des Sommers, Baldern, begreiflich nur dann besiegen, wann die Zeit seiner Macht und Balder's Schwäche herannahet, also im Spätherbste. Zu dieser Zeit aber verschwindet auch der Schmuck der Blüthen, die Fruchtbarkeit der Erde hört auf. Das kann man nun nach Belieben ausdrücken durch: »Nanna stirbt aus Schmerz über Balder's Tod«, oder auch: »Nanna kommt unter die Gewalt Hödh's, sie vermählt sich mit ihm«..
Zur selben Zeit, da die schwedischen Häuptlinge den Zins nach Danland brachten, machte Hödh die Erfahrung, dass des Glückes Schmeichelei trügerisch sei. Wegen der grossen Verdienste seines Vaters hatten die Dänen ihn zum Könige erwählt: jetzt ward er von Balder, den er vor kurzem besiegt hatte, in einer Schlacht überwunden und genöthigt zu Gewar hinabzusegeln. So verlor er jetzt Sieg und Reich. Nach dem Treffen litten Balder's Krieger schwer an Durst. Da eröffnete der Sieger, um seine Leute zu erquicken, neue Quellen im Boden, indem er die Erde tiefer durchfurchte. Gierig tranken die Durstenden das heraufsprudelnde Wasser. Die Spuren dieser Quellen, die man mit einem bleibenden Namen belegt hat, sind nicht gänzlich aus der Erinnerung der Leute verschwunden, obwohl ihre Strömung bedeutend nachgelassen hat Da die Jahreszeiten wechseln, so kehrt der im Herbste besiegte Balder im Frühlinge mit frischer Kraft und deshalb siegreich zurück, und jetzt muss ihm der winterliche Hödh weichen. Zu bedauern ist nur, dass der Name Gewar, wie bei Saxo der Nanna Vater heisst, der Hödh erzog und zu dem er in jeder Bedrängniss zurückkehrt, aller Deutung widerstrebt. Das altnordische Gaur, Riese, und Gor, der Bruder Nor's und der Gôi, der Sohn Thorri's (dürrkalter Winter), der ein Sohn Snær's (Schnee) war, führen nicht weiter, obgleich sie mit Gewar vielleicht irgendwie zusammenhangen. Eben so wenig der mythische König der Westsachsen Gewis, nach dem die Westsachsen einst sogar Gevissae genannt wurden. Der Mythus hüllt sich für uns eben in Dunkel.– Der hier von Balder nach seinem Siege gegrabene Brunnen ist eben der in der dänischen Reimkronik erwähnte »Balder's Brunnen«. Seine Krieger litten Durst, weil der Sommer naht, wenn er Hödh besiegt, und so sorgt er für einen Quell, sie zu laben. Dieser Zug kehrt in vielen Sagen wieder, z. B. in der von der Zerstörung der Eresburg in Sachsen durch Karl den Grossen..
Balder jedoch ward allnächtlich durch Gespenster, welche die Gestalt der Nanna annahmen, so aufgeregt, dass er gefährlich erkrankte und auf keinem Fusse mehr stehen konnte; daher er sich fortan auf seinen Reisen eines Wagens zu bedienen begann. Mit solcher Gewalt hatte die Liebe sein Herz ergriffen, dass er an seinem Leben zu verzagen anhub. Nichts habe der Sieg ihm gegeben, wähnte er, da er nicht Nanna ihm gegeben hatte
Der Wagen wird nur den grössesten und mächtigsten Göttern, z. B. dem Thôr, oder Göttinnen, z. B. der Freyja beigelegt. Auch Ôdhin hat seinen Wagen, den Himmelswagen, das Siebengestirn, obwohl er gewöhnlich reitet. Nur Thôr reitet nie. Bezeichnend sagt daher das angelsächsische Runenlied von Ing, dem Stammvater der Ingäven, d. h. der Nordgermanen:
Ing zuerst ward bei den Ostdänen
gesehen, dem Siegvolke; seit er ostwärts
über die Wogen entwich: sein Wagen lief nach.
So die Hardinge (Die Hardinge sind die nordischen Haddinge, folglich Dänen.) diesen Held benannten..
Inzwischen hatte Frey, ein Statthalter der Götter, seinen Sitz unfern von Upsala genommen, wo er die alte, so vielen Völkern und Jahrhunderten gemeinsame Verehrung der Götter durch einen traurigen und abscheulichen Dienst ersetzte; denn er begann Menschen zu opfern Der Streit zwischen den Verehrern Ôdhin's und Frey's scheint in Schweden besonders heftig hervorgetreten zu sein. Im Heiligthume zu Upsala stunden die Bildsäulen von Ôdhin, Thôr und Frigg. Die Priesterschaft daselbst war mächtig; daher mochten die Verehrer der Wanengötter Frey und Freyja grosse Mühe haben, Raum für ihren Dienst zu gewinnen. Zuweilen und für eine Zeit jedoch mochte es doch gelingen. Die Menschenopfer gehören aber gar nicht ausschliesslich zur Verehrung Frey's; doch scheinen diesem Gotte öfter dergleichen dargebracht worden zu sein, als dem Ôdhin und den andern Asen. Darauf deutet allerdings die Bemerkung Saxo's hin..
Jetzt brachte Hödh in Erfahrung, dass die schwedischen Häuptlinge Danland verlassen hätten, und Hiartwar schnell für die Ermordung Hrôdhulf's gestraft worden sei. Was also zu erlangen er keine Hoffnung mehr gehabt habe, das habe ihm, wie er sagte, der Zufall gegeben. Denn es wäre seine Pflicht gewesen, auch Hrôdhulfen zu tödten, weil sein Vater von dessen Vater erschlagen worden sei; jetzt habe dieser durch fremde Hand gebüsset, und ihm eröffne sich unerwartet die Aussicht, dass er sich Danlands bemächtigen könne Die Blutrache war bei allen germanischen Stämmen Gesetz. Das Wergeld für Erschlagene ist spätere Einführung, um die ununterbrochenen Fehden mit einander der Blutrache wegen in Feindschaft stehender Geschlechter auszugleichen. Seine Annahme konnte daher auch immer verweigert werden. Erst als das Volk ruhiger geworden und zu höherer Bildung fortgeschritten war, als sich die Macht der Könige und mit ihr der Staat mehr ausgebildet hatte, ward die Annahme des Wergeldes allgemein gesetzlich.. Von seinen Ahnen her habe er rechtliche Ansprüche auf dieses Reich, wenn man die Geschlechtsreihen der Vorfahren nach Gebühr in Erwägung ziehe. So lief er denn mit einer gewaltigen Flotte in Isora Wohl der Isefiord.den Hafen Seelands, ein und bemächtigte sich desselben, das sich ihm darbietende Glück ergreifend. Hier ward er von dem ihm entgegeneilenden Volke der Dänen zum Könige erwählt und bald darauf gewann er auch das schwedische Reich, da sein Bruder Athisil, welchen er den Schweden zum Gebieter gegeben hatte, gestorben war. Uebrigens hatte Athisiln ein schimpflicher Tod dahin gerafft. Bei dem Todtenmahle nämlich, das er zu Hrôdhulf's Ehren anstellte, trank er in der unmässigen Heiterkeit seines Geistes zu gierig, verschluckte sich und büsste so seine unflätige Völlerei. Indem er also über den Tod eines Anderen allzusehr sich freute, verfiel er dem eigenen.
Aber auch Balder gieng mit seiner Flotte nach Seeland, und da er sowohl durch seine Kriege berühmt als auch von königlicher Gestalt war, so erlangte er durch die bereitwilligste Zustimmung der Dänen, da Hödh gerade Schweden besetzt hatte, was er in Bezug auf die Königswürde begehrte. So hin und her schwankend war die Meinung unserer Vorfahren. Hödh jedoch kehrte aus Schweden eiligst zurück und überzog ihn mit grimmigem Kriege. Der heftigste Kampf entbrannte zwischen den beiden Bewerbern um die Herschaft; doch Hödh's Flucht machte ihm ein Ende. Er gieng nach Jütland und benannte die Stadt, in welcher er sich aufzuhalten pflegte, nach seinem Namen Hadheby, was aber auch Heidhaby genannt wird, heute die Stadt Sleswik (deutsch Schleswig), wird gemeint sein.. Hier brachte er den Winter zu; als die See jedoch wieder offen war, gieng er ohne alles Geleite allein nach Schweden zurück. Hier berief er die Häuptlinge zu einer Versammlung und erklärte ihnen, dass er wegen des unglücklichen Laufes der Dinge, da Balder zweimal ihn besiegt habe, der Sonne und des Lebens überdrüssig sei. Hierauf grüsste er alle, zog sich auf ungangbarem Wege in einen schwer zugänglichen Ort zurück, und hielt sich fern von allem menschlichen Umgange. Er war aber gewohnt gewesen auf dem Scheitel eines bekannten Berges dem ihn um Rath fragenden Volke Anweisungen zu ertheilen; daher beklagten sich jetzt die Ankommenden über die Trägheit des sich verbergenden Königes, und seine Abwesenheit erregte die höchste Unzufriedenheit Aller Hödh zieht sich abermals in das Gebirge zurück , weil er im Sommer gegen Balder nichts vermag. Merkwürdig ist die Hindeutung Saxo's auf Hödh als Orakelgott. Dergleichen sind im Norden sonst unbekannt..
Aber Hödh durchstreifte inzwischen unwegsame Gegenden, durchschritt einen von Menschen nie betretenen Wald und fand durch Zufall die von den unbekannten Jungfrauen bewohnte Höhle. Er ward bald inne, dass es dieselben wären, die ihn einst mit einem unverletzbaren Heerkleide beschenkt hatten Dieses Streithemdes wird zwar gedacht bei Gelegenheit des ersten Kampfes zwischen Hödh und Balder; doch als Hödh die Walkyrien zum ersten Male traf, sagt Saxo nicht, dass sie ihm dieses Streitgewand gaben. Das erfahren wir erst hier.. Sie fragten ihn, weshalb er zu ihnen komme, und er sagte ihnen darauf, welches Unglück er im Kriege gehabt habe. Er schalt den Glauben an ihr Wort Saxo widerspricht sich hier; die Jungfrauen hatten ihm vielmehr abgerathen, sich mit Balder in einen Kampf einzulassen. Auch gaben sie ihm damals kein Streithemd, was übrigens auch nicht nöthig war, denn er trägt eines, welches im Winter unverletzbar ist, nämlich das Eis. Als Wintergott bedarf er also keines Streithemdes von Walkyrienhand. Nur menschliche Helden bedürfen und erhalten auch solche. Aber Saxo fasste seinen Hödh nicht mehr als Gott, sondern als menschlichen Helden auf, und daher mag er denn auch dieses Walkyrienstreithemd ganz passend gefunden haben. und begann sein Missgeschick bitterlichst zu beklagen; anders sei es ihm ergangen, als sie ihm verheissen hätten. Da meinten jedoch die Jungfrauen, er habe doch, obwohl er selten Sieger gewesen sei, den Feinden gleiches Verderben bereitet und ihnen nicht geringeren Schaden zugefüget, als sein Widersacher ihm. Er werde übrigens sofort den Sieg erlangen, wenn er jenes Nahrungsmittels von ungewöhnlicher Süsse, wodurch Balder seine Kräfte vermehre, zum voraus sich bemächtigen könne. Alles werde ihm leicht ausführbar werden, sobald er im Besitze desselben sei, und auf diese Weise dem Feinde das Mittel, seine Kraft zu vermehren, entzogen habe Unter diesem Nahrungsmittel Balder's ist wahrscheinlich nur das Wasser gedacht, als Urquell aller Fruchtbarkeit..
Auf diese Verheissung hin beschloss Hödh getrosten Muthes Baldern zu bekriegen, obgleich es für irdische Kräfte ein schweres Unternehmen schien, die Götter mit Waffen anzugreifen. Auch unter seinen Leuten fanden sich einige, welche nicht glaubten, dass er ungefährdet die Götter bekriegen könne; ihm aber liess die Gluth seines Geistes aller Hoheit derselben vergessen. Vielleicht dachte Hödh auch, dass die Macht selbst der ausgezeichnetsten Männer immer etwas unsicheres sei, und dass ein kleiner Erdkloss auch grosse Wagen hemme.
Balder von seiner Seite rief die Dänen zu den Waffen und bot Hödh eine Schlacht an. Auf beiden Seiten fiel eine Menge Volkes, und der Verlust an Streitern war fast gleich gross, als die Nacht das Treffen schied. Gegen die dritte Nachtwache verliess Hödh sein Lager heimlich, um auszuspähen, wie es um die Feinde stehe. Die Sorge wegen der bevorstehenden Entscheidung hatte ihm den Schlaf verscheucht. Als er nun zu dem Lager der Feinde kam, sah er, wie drei Jungfrauen, Trägerinnen eines verdeckten Gerichtes, aus Balder's Lager giengen. In eiligem Laufe folgte er ihnen, deren Flucht auf dem bethauten Grase Spuren hinterliess, und gelangte so bald nach ihnen zu ihrer Wohnung. Er trat ein, und als sie ihn fragten, wer er sei, sagte er, er sei ein Spielmann Es war ganz gewöhnlich, dass Späher als Spielleute in das Lager der Feinde giengen, um die Schwächen auszuspähen. Bekanntlich that diess unter Andern auch Alfred der Grosse.. Sie reichten ihm sofort eine Harfe und hiessen ihn zeigen, dass er die Wahrheit gesprochen habe. Er stimmte darauf ohne Weiterung die Saiten und spielte sogleich eine Aller Ohren entzückende Weise. Jetzt gewahrte er, dass sie drei Schlangen hielten, deren festmachendes Gift sie auf Balder's Nahrung träufeln liessen. Schon floss es aus dem Rachen der Schlangen auf das Mus. Zwo der Jungfrauen wollten Hödh einen Theil dieses Muses aus Mitleiden zukommen lassen, aber die dritte und grösste untersagte es; sie übten Verrath an Balder, meinte sie, wenn sie die Leibeskräfte seines Feindes vermehrten. Da sagte er, er sei nicht Hödh, sondern nur Hödhes Gefährte. Die Jungfrauen schenkten ihm einen glänzenden, den Sieg verleihenden Gürtel Diese drei Jungfrauen, die Balder's Mus zubereiten, sind keine Walkyrien, es sind vielmehr die drei Nornen Urdh, Werdhandi, Skuld. Der Zug, dass zwo derselben sich einem günstig erweisen, die dritte aber die Gunsterweisung hindert oder sie gar in das Gegentheil verkehrt, so dass, was nützen sollte, schaden muss, findet sich fast immer, wo die Nornen auftreten.– Dass die Kraft gebende Flüssigkeit, die wir oben (Erläuterung 18) als das Wasser, den Urquell aller Fruchtbarkeit, deuteten, hier als Geifer der Schlangen erscheint, erklärt sich durch die mythische Beziehung der Schlange auf das Wasser. Noch heute sieht man hie und da an Brunnen eherne oder steinerne Schlangen, aus deren Rachen das Wasser in das Becken strömt. Ich erinnere nur noch daran, dass die Lindwürme (Wogenschlangen) eine Rune, d. h. ein mythisches Bild der das Land verheerenden Sturzwellen sind. Mitgewirkt hat hier bei Saxo freilich vielleicht auch der Aberglaube, der dem Geifer der Schlangen, ihrem Blute, ihrem Herzen allerhand wundersame Kräfte zuschrieb.– Der glänzende, ihm den Sieg über Balder verleihende Gürtel, den die Jungfrauen Hödh schenken, ist der Gürtel von Eis, womit Hödh im Winter alle Triebkräfte der Erde fesselt, so dass ihm Balder dann nicht mehr widerstehn kann, sondern ihm erliegen muss..
Als er nun auf dem alten Wege zurückgieng, begegnete ihm Balder. Er griff ihn an, verwundete ihn an der Seite und streckte ihn halbtodt nieder. Als diess Ereigniss Hödhes Kriegern bekannt ward, erdröhnte das ganze Lager von dem Geschrei der Freude, während die Dänen Balder's Unglück mit offenem Schmerze beklagten. Da Balder fühlte, dass er unzweifelhaft sterben müsse, befahl er, gereizet durch den Schmerz der Wunde, die Schlacht am nächsten Tage zu erneuern. Als der Kampf wüthete, liess er sich auf einer Bahre in den Streit tragen, auf dass er nicht eines unrühmlichen Todes im Zelte stürbe. In der nächsten Nacht erschien ihm Hel, während er schlief; sie trat auf ihn zu und sagte ihm, dass er am folgenden Tage in ihrer Halle sein werde. Diess Gesicht trog nicht; denn nachdem drei Tage vergangen waren, tödtete Baldern der allzuheftige Schmerz der Wunde. Seinen Leib bestattete das Heer mit königlichem Gepränge und erhub den Hügel Nicht gleich dem ersten Angriffe des Winters erliegt der Sommer; Hödh vermag Balder beim ersten Begegnen nur zu verwunden, nicht sofort zu tödten. Aber die erhaltene Wunde schwächt Baldern ; er fühlt selbst, dass sein Ende herannaht; er wehrt sich zwar noch, aber beim nächsten Anfalle erliegt er dem winterlichen Hödh. Die Winterstürme erheben nun ihr Sieggeheul, die dienenden Kräfte des Sommers aber, Balder's Streitgefolge, trauern, da ihr Schirmherr dem Feinde erlegen ist. Die Edda giebt nur ein anderes Bild der Sache. Beim Nahen des Herbstes fühlt Balder, der Sommergott, die Abnahme seiner Kräfte; er wird schwermüthig, versinkt in todahnende Träume. Die Götter, die ja noch die Erde im vollen Schmucke des Sommers sehen, glauben nicht an Balder's Befürchtung; um Baldern zu erheitern, verpflichten sie alle Wesen, Baldern nicht zu schädigen, d. h. in dem Schmucke des Sommers dauernd zu verharren. Sie geloben das, und können es auch geloben; denn so lange Balder noch lebt, belebt auch sie die Kraft des Sommers. Nur die Mistel, die erst im Spätherbst frische Schosse treibt, ward übergangen. Nun kommen die letzten schönen Tage des Spätherbstes, die Götter veranstalten ihre Spiele mit Balder. Alles, was Balder während des Sommers hervorgebracht hat, schädigt ihn nicht; da bringt Loki den jungen Mistelspross, das Mahnzeichen, der Winter nahe; Hödh ist noch blind, eben erst geboren: er wirft den Mistelspross gegen Balder und dieser stürzt todt nieder, seine Herschaft ist zu Ende, die Hödh's beginnt..
Zu unserer Zeit drangen Männer, unter denen Harald der vornehmste war Harald war irgend ein dänischer Häuptling. Da ihn Saxo nicht näher bezeichnet, kann man nichts weiter über ihn sagen., bei Nacht in diesen Hügel, da das Gerücht der alten Bestattung im Volke sich erhalten hatte, in Hoffnung Geld zu finden Angesehenen Männern wurden, wenigstens der Sage nach, Schätze in den Grabhügel mitgegeben, z. B. dem Beówulf nach dem Gedichte, dem Harald Hilditönn, nach der Sage. Man vgl. darüber die Einleitung zu meiner Uebersetzung des Beówulf S. 51 ff., gaben aber wegen eines plötzlichen Schreckes das Unternehmen auf. Von dem Gipfel des durchbrochenen Berges stürzte nämlich plötzlich mit grosser Gewalt ein Bach herab, dessen reissende Wogen im raschesten Laufe die darunter liegenden Fluren überschwemmten und was ihnen entgegenstund verschlangen. Bei diesem Andrange des Wassers warfen die Gräber die Hacken hinweg und ergriffen nach allen Seiten hin die Flucht, indem sie befürchteten, dass die Strudel der heranstürzenden Wellen sie verschlingen würden, wenn sie das begonnene Werk weiter führen wollten. So wandte die von den Göttern, den Beschützern dieses Ortes, den Männern eingegossene Furcht ihre von der Habsucht ergriffenen Gemüther auf die Sorge für ihr Heil, und lehrte sie durch Aufgabe ihres habgierigen Vorsatzes auf ihres Lebens Sicherung bedacht zu sein. Dass dieses hervorbrechende Gewässer aber nur eine durch Zauber hervorgerufene Täuschung, kein wirkliches, in dem Innern der Erde erzeugtes Wasser war, das ist gewiss, da im dürren Sande keine rauschenden Quellen fliessen. Alle Nachkommen, zu denen die Kunde von der Erbrechung dieses Hügels gelangte, liessen ihn fortan unberührt. Daher weiss man nicht, ob er irgend etwas an Kleinoden berge, da Niemand nach Harald den dunkelen Grund desselben aus Furcht zu erforschen gewagt hat Es ist bezeichnend, dass aus Balder's Grabhügel Wasser, das befruchtende Element, hervorbricht und die Frevler verscheucht. Aus Anderer Hügel brachen bei ähnlichen Unternehmungen Feuerlohen..
Aber Ôdhin, obgleich er für den obersten der Götter gehalten ward, so befragte er doch die Götter und Weissager und Andere, welche er als stark in den ausgesuchten Künsten des Vorherwissens kannte, wie der Tod seines Sohnes am besten gerochen werde. Der Finne Rosthiof Rosthiof, Rossdieb oder Rossknecht. Das eine und das andere waren nicht selten Finnen. sagte ihm, dass ihm von der Rinda, der Tochter des Ruthenenköniges, ein anderer Sohn geboren werden solle, der bestimmt sei, den Tod des Bruders zu rächen. Als Ôdhin diess vernommen hatte, bedeckte er sein Antlitz mit dem Hute, auf dass er nicht erkannt würde, und gieng, um bei dem genannten Könige Dienste zu nehmen Einer der vielen Beinamen Ôdhin's ist deshalb sîdhöttr, der mit tief hinabgehendem Hute. Den Vater der Rinda (der winterlich erstarreten Erde, weshalb sie so spröde ist) nennt Saxo nicht, er bezeichnet ihn nur als König der Ruthenen. Im Hâvamâl 94--101, wo Ôdhin selbst ausführlich seine Mühen um die Jungfrau erzählt, ist sie selbst namenlos, ihr Vater jedoch wird Billing genannt. Die Snorraedda weiss gar nichts von Rinda, sie sagt nur: Jördh, die Mutter Thôr's, und Rinda, die Mutter Wali's, werden zu den Asinnen gerechnet. Saxo lässt die Sprödigkeit der Rinda auf die gemeinste Weise sich kund geben, woran man deutlich den Mönch jener Zeit erkennt.. Er ward an die Spitze seines Kriegsheeres gestellt und errang einen glänzenden Sieg über die Feinde. Seiner in diesem Streite bewiesenen Tapferkeit halber machte ihn der König zu seinem vertrautesten Freunde und überhäufte ihn nicht sparsamer mit Geschenken als mit Ehren. Kurz darauf trieb er ganz allein die Reihen der Feinde in die Flucht und kehrte zurück, zugleich der Urheber und der Verkündiger ihrer bewunderungswürdigen Niederlage. Alle staunten darüber, dass ein einzelner Mann eine so grosse Menge der Feinde habe vernichten können. Auf diese Verdienste trauend, bewirbt sich Ôdhin beim Könige ganz im Stillen um die Hand der Tochter. Seine Bewerbung wird sehr günstig aufgenommen; als er aber darauf die Jungfrau um einen Kuss bittet, empfängt er eine Maulschelle. Doch weder diese Schmach noch der Schmerz der Beleidigung brachte ihn von seinem Vorsatze ab.
Im nächsten Jahre kehrte er unter fremdem Kleide in des Königes Haus zurück; denn er wollte nicht schimpflich aufgeben, was er mit Eifer begonnen hatte. Wer ihm auch begegnete, Niemand erkannte ihn, da seine wahren Gesichtszüge ein falscher Bart unkennbar machte, der fast sein ganzes Antlitz bedeckte. Er nannte sich Rœster rœsta bedeutet fegen, glänzend machen; rœstir also Polirer, Schwertfeger. und sagte, dass er ein geschickter Schmied sei. So bildete er denn verschiedene Dinge kunstvoll aus Erz, worauf ihm der König einen grossen Klumpen Goldes gab, und ihm auftrug, Schmuck für die Frauen daraus zu fertigen. Nachdem er eine Menge Schmucksachen dieser Art gefertigt hatte, bildete er mit grösster Kunst einen kostbaren Armring und mehrere Fingerringe und reichte sie der Jungfrau. Aber ihr Unwille ward durch keine Verdienste beseitigt; abermals erhielt er statt eines Kusses eine Ohrfeige: so sehr hangt zuweilen der Werth eines Geschenkes von dem ab, der es darbietet. Die hartnäckige Jungfrau zweifelte nämlich nicht im Geringsten daran, dass der schlaue Alte nur deshalb so freigebig sei, auf dass er sie bethöre. Ausserdem war sie von eben so strengem als sprödem Gemüthe. Sie argwöhnte daher, dass hinter der Gefälligkeit des Schmiedes Truglist, und hinter seinen Gaben böse Begierde sich berge. Als ihr Vater sie nun heftig schalt, dass sie jeder Ehe auszuweichen suche, sagte sie, dass sie keinen Alten zum Gatten wolle; sie sei noch viel zu jung zur Ehe; so wies sie abermals seine Bewerbung ab.
Aber Ôdhin wusste, dass in Dingen der Liebe nichts wirksamer sei denn Beharrlichkeit, und so gieng er zum dritten Male zum Könige. Er liess sich durch die Schmach der zwiefachen Abweisung nicht abhalten, nahm sein früheres Gesicht wieder an und verhiess dem Könige den grössten Eifer im Kriege. Zu solcher Beharrlichkeit bewog ihn aber nicht einzig nur das Verlangen nach der Jungfrau, sondern auch der Wunsch seine Schmach zu tilgen. Er wollte nun einen glänzenden Beweis seiner Tüchtigkeit als Krieger geben, und so sprengte er auf das dreisteste gegen die behendesten Reiter an. Aber auch diese Art des Dienstes vermochte der Strenge der Jungfrau nichts abzugewinnen; denn da er sie, als er den Hof verliess, um einen Kuss bat, stiess sie ihn so gewaltig zurück, dass er wankte und mit dem Kinne die Erde küsste. Jetzt schnitt er in ein Stück Baumrinde Runen Siehe oben Erläut. 7 zu der Sage von Hadding., und da es ihm gelang, dasselbe in die Hände des Mädchens zu bringen, so machte er sie dadurch wahnsinnig und rächte sich so für die oft empfangene Beleidigung.
Und noch gab er es nicht auf, unermüdlich wie er war, sein Ziel zu erreichen. Er nahm das Kleid einer Jungfrau, und begab sich zum vierten Male zu dem Könige. Er ward von diesem freundlich empfangen und zeigte sich sowohl betriebsam als auch anstellig. Da er weiblich gekleidet war, ward er von den meisten auch für ein Weib gehalten. Er nannte sich Wecha, sagte, dass er die Heilkunst verstehe, und bot bereitwilligst seine Dienste an. Er ward endlich unter das Gesinde der Königin aufgenommen, diente der Jungfrau, ihrer Tochter, als Magd und hatte ihr jeden Abend die Füsse zu waschen. Da das Glück nun einmal verschiedenen Schrittes einher wandelt, so gewährte ihm ein Zufall, was er durch keine List zu erlangen vermocht hatte. Es ereignete sich nämlich, dass die Jungfrau sich unwohl fühlte, und nun dieselbe Hand zur Heilung herbei rief, die sie früher zurückgewiesen hatte. Er forschte nach allen Kundgebungen des Schmerzes und entschied dann, dass man, um der Krankheit so rasch als möglich zu begegnen, einen Heiltrank anwenden müsse. Dieser werde jedoch so bitter sein, dass, wenn die Jungfrau sich nicht binden lasse, sie die Kraft des Heilmittels nicht ertragen werde; denn der Stoff der Krankheit müsse aus den innersten Eingeweiden vertrieben werden. Auf diesen Bescheid hin zauderte der König nicht länger, die Jungfrau binden zu lassen, und er ermahnte sie, alles ruhig zu erdulden, was, um sie zu heilen, vorgenommen werden müsse. So bediente sich Ôdhin der Krankheit der Jungfrau, deren Gesundheit sich ihm so feindlich erwiesen hatte. Andere jedoch meinen, der König sei in Ôdhin's Trug eingeweiht gewesen und habe ihn gebilliget, da er nicht gewillt gewesen sei, den um ihn so wohlverdienten seines Lohnes zu berauben. So gebar Rinda denn später einen Sohn, der Bô genannt ward Den Namen Bô (Bôus), wie Saxo diesen Sohn Ôdhin's nennt, kann ich nicht deuten, eben so wenig mit Sicherheit den Namen, den er in der Edda trägt, Wali. So hiess schon ein Sohn Indra's, der von Râma getödtet ward. Die ahd. Form des Namens ist Walo. So hiess z. B. der Vater des H. Aderald. Du Fresne bringt »ex antiqua scheda« bei: Pater S. Aderaldi, nobilium nobilissimus, Walo est dictus, qui lingua Austrasiorum interpretatur »bonus«. Das Sanskritadj. vali bedeutet stark, validus; man vgl. valere; das persische wal, egregius, praestans. Beschränkt man sich auf die germanischen Sprachen, so kann man Wali durch den Erwählten deuten.– Die jüngere Edda nennt ihn aber auch Ali, und das wäre der Ernährer, Erhalter..
(Die Götter jedoch, welche ihren Hauptsitz zu Byzanz hatten, sahen, dass Ôdhin die Würde der Göttlichkeit durch verschiedene Minderungen seines Ansehens befleckt habe, und beschlossen ihn aus ihrem Kreisse zu entfernen. Nicht nur der Oberherschaft beraubten sie ihn, sondern auch seiner häuslichen Ehren und des Dienstes, den man ihm weihete, kurz, sie verbannten ihn, indem sie es für besser erachteten, dass die Macht ihres schandvollen Vorstandes dahinstürze, als dass der Glaube des Volkes entheiliget werde, und sie selbst als Theilhaber an fremder Schuld unschuldig für das Verbrechen des Schuldigen büssen müssten. Sie gewahrten nämlich, dass bei denen, die sie verlockt hatten, ihnen göttliche Ehren zu erweisen, da die Verspottung des obersten Gottes einmal allgemein geworden war, statt der Unterwürfigkeit Verachtung, statt des Glaubens Schamröthe zu finden sei, und dass man die gottesdienstlichen Handlungen für eine Entweihung des Gottesdienstes und die festgesetzten feierlichen Gebräuche für kindische Thorheit halte; so schien auf Aller Häupter die Schuld des Einen zurückzufallen. Diesen also wollten sie, dass er nicht den öffentlichen Glauben zur Auswanderung nöthige, verbannen, und sie erwählten daher einen gewissen Ull nicht nur zum Könige, sondern ernannten ihn auch zum Gotte. Und auf dass sein Ansehen gar keinen Mangel habe, legten sie ihm auch noch den Namen Ôdhin bei, indem sie glaubten, durch den Glanz dieses Namens den Neid gegen Ull's Neuheit zu
beseitigen. Fast zehen Jahre lang stund er dem Kreisse der Götter vor; da endlich meinten sie in Hinblick auf die Härte der Verbannung, Ôdhin habe genug gebüsset, und so erhuben sie ihn wieder zu seinem früheren Range. Einige meinten jedoch, er wäre unwürdig seine frühere Stelle wieder einzunehmen, weil er durch Schauspielerkünste und die Uebernahme der Geschäfte einer Magd dem göttlichen Namen den hässlichsten Schimpf angethan hätte. Man behauptete auch, er habe einige der Götter durch Schmeicheleien, andere durch Geschenke für sich gewonnen und seinen ehemaligen Rang um schweres Geld erkauft. So ward Ull von Ôdhin aus Byzanz vertrieben und wich nach Schweden, wo er, als er hier gleichsam in einer neuen Welt die Denkmäler des Glaubens an ihn wieder herzustellen bemüht war, von den Dänen erschlagen ward. Es geht das Gerücht, er sei in Blendwerken so erfahren gewesen, dass er, wenn er über das Meer wollte, anstatt des Schiffes eines mit schrecklichen Runen bezeichneten Knochens sich bedient, und mit ihm nicht langsamer als mit einem Ruderschiffe die Wogen des Meeres durchschnitten habe
In dem eingeklammerten Stücke wird wiederum eine Empörung gegen Ôdhin erzählt. Diess Mal aber soll Ull, nach der Edda der Sohn der Sif und Stiefsohn Thôr's, an der Spitze der Unzufriedenen gestanden haben. Er war ein guter Bogenschütze und Schneeschuhlaufer, so dass Niemand mit ihm darin wetteifern konnte. Er war schön von Antlitz und kriegerisch. Es war gut, ihn bei Zweikämpfen anzurufen. Aus diesen seinen Eigenschaften ergiebt es sich, dass er allerdings nach einer Seite hin den Ôdhin allenfalls vertreten konnte; aber ihm fehlt durchaus die geistige Seite Ôdhin's, wie er denn überhaupt gegen ihn auch sonst bedeutend zurücksteht. Erfunden wird Saxo diese seine Nachricht schwerlich haben, und so bleibt nur übrig anzunehmen, dass die Götten (Priester) das sinkende Heidenthum dadurch zu stützen suchten, dass sie den bisher am meisten verehrten Gott zurücktreten und seine Stelle durch einen anderen, einen gewisser Maassen noch nicht verbrauchten Gott einnehmen liessen. Ein Wagniss, das begreiflich den Untergang des Heidenthumes nur beschleunigen, nicht aber ihn auf oder gar fern halten konnte.– Mehr über Ull findet man Erläuter. 4. zur Sage von Hrôdhulf.
Nun wird Niemand mehr bezweifeln, dass Saxo einen Mythus, eine alte Göttersage, der Geschichte seiner dänischen Könige einverleibt habe. Unausgemacht aber muss es bleiben, ob erst er den Mythus in Heldensage umgestaltete, oder ob er diese Umgestaltung bereits überkommen hat..
Ôdhin jedoch steigerte, als er den Stand eines Gottes wiedererlangt hatte, den Glanz des Glaubens an ihn so in allen Gegenden der Erde, dass sich ihm alle Völker zuwandten, gleich als wäre er das der Welt zurückgegebene Licht, und es war kein Ort auf der Erde, der nicht seiner göttlichen Macht gehuldigt hätte.)
Als Ôdhin nun erfuhr, dass sein ihm von der Rinda geborener Sohn Bô, obgleich noch jung, sehr kampfbegierig war, rief er ihn zu sich, mahnte ihn, eingedenk des Todes seines Bruders zu sein und lieber an den Mördern Balder's Rache zu üben, als Schuldlose mit den Waffen zu unterdrücken; der Kampf werde ziemlicher und heilsamer erscheinen, wenn ihn die Pflicht gerechter Rache hervorgerufen habe.
Inzwischen ward bekannt, dass Gewar von Gunni, seinem Statthalter, hinterlistig umgebracht worden sei. Seine Ermordung rächte Hödh auf das grimmigste, indem er ihn zu ergreifen, auf einen Scheiterhaufen zu werfen und zu verbrennen befahl, weil auch er den verrätherisch gefangenen Gewar lebendig bei Nacht verbrannt hatte; dessen Söhne Herlet und Gerit setzte er über Norwegen.
Hierauf berief er die Häuptlinge zu einer Versammlung und sagte ihnen, dass er in dem Kampfe, zu welchem ihn Bô entboten habe, fallen werde; das sei keine blosse Vermuthung, sondern er habe es aus den wahrhaften Weissagungen Zukunftkundiger entnommen. Er bat sie darauf, dass sie seinen Sohn Hrôdhrik zum Könige erwählten, dass die Herschaft nicht an fremde und unberühmte Geschlechter käme; sehr werde ihn des Sohnes Nachfolge erfreuen; dann werde der eigene Tod ihm nicht bitter sein. Schnell sah er sein Begehr erfüllt, zog zum Kampfe wider Bô und ward von ihm erschlagen. Aber auch für Bô war der Sieg nicht erfreulich; denn er ward so schwer im Kampfe verwundet, dass er auf einen Schild gelegt und von seinen Kriegern nach Hause getragen werden musste, wo er Tags darauf an seinen Wunden starb. Seinen Leib bestattete das Heer der Ruthenen mit grosser Pracht und errichtete einen grossen Hügel zur Ehre seines Namens, auf dass das Denkmal eines so ausgezeichneten Jünglinges nicht so bald aus der Erinnerung der nachfolgenden Geschlechter schwinde.
Erläuterungen als Fußnoten bzw. Anmerkungen eingepflegt. Re