Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Buch.


1. Ingeld und Starkadh.

Dem Frôdhi folgte sein Sohn Ingeld. Sein, dem Ehrbaren abgewandter Geist verschmähte das Beispiel der Ahnen, und ergab sich ganz dem Dienste seiner Lüste. Vom Guten und Rechten abgewendet, das Leben höher als die Tüchtigkeit schätzend, zerreissend die Bande der Enthaltsamkeit, alle Pflichten eines Königes vernachlässigend, ward er zu einem schmutzigen Knechte aller Ausschweifungen. Wahrlich, er übte alles, was geordneten Sitten zuwider war. Den Ruhm des Vaters und Grossvaters befleckte er durch Ausübung der schnödesten Lüste, und den strahlenden Glanz der Vorfahren umnachtete er durch die finstersten Schandthaten; so sehr war er der Schwelgerei und Wollust ergeben, dass er nicht daran dachte, weder seinen Vater zu rächen, noch die Beleidigungen der Feinde zurückzuweisen. Nichts galt ihm Ehrbarkeit und Enthaltsamkeit, wenn er nur seinem Bauche dienen konnte. Seinen glänzenden Stammbaum schändete er durch Müssiggang und Trägheit, führte ein haltloses und üppiges Leben, und es ergetzte ihn, seinen entarteten und ganz aus der Bahn der Vorfahren gewichenen Geist in die Abgründe alles Schmutzes zu versenken. Wurstmacher, Köche, Bratpfannen, mannigfache Werkstätten, um seinen Gaumen zu kitzeln, die Anstellung einer Menge Künstler im Kochen und Backen, alles diess galt ihm höher als der Ruhm; die Waffenführung aber und die Kriegskunst wollte weder er selbst lernen, noch duldete er, dass Andere dadurch sich Ruhm erwürben. So wies er jede männliche Beschäftigung von sich ab, trieb weibliche Dinge, da ihn einmal das unaufhörliche Jucken seines Gaumens für jeden Duft der Küche entzündet hatte. Immer berauscht, jeder Nüchternheit feind, rülpste er die unverdaute Mast seines Bauches aus durch den stinkenden Athem seines Mundes. Kurz, er war nicht minder gräulich durch seine Schwelgerei, als Frôdhi berühmt durch seine Kriegsthaten. Starkadh fand sich daher bald veranlasst, Ingeld's Umgang zu meiden, weil ihn dessen Unmässigkeit anekelte; er gieng daher, die Beschäftigung dem Müssiggange vorziehend, zu Halfdan, dem Könige der Schweden. Bald darauf gaben die Söhne Swerting's, aus Furcht, dass Ingeld den Tod seines Vaters rächen könnte, ihre Schwester ihm zur Gattin. Sie gebar ihm vier Söhne, den Frôdhi, Fridlêf, Ingeld und Ôlâf; doch behaupteten Einige in alter Zeit, dass er den letzten mit seiner eigenen Schwester erzeugt habe. Des Königes Schwester Helga hatte ein Goldschmied dunkler Herkunft, der sich auf Schmeicheleien und allerhand Liebedienereien, wodurch ein weibliches Gemüth leicht eingenommen wird, wohl verstund, durch verliebtes Betragen zur Ehe verlockt. Denn nach dem Tode des Königes war Niemand da, der die Verdienste des Vaters in dem Gemüthe der Tochter lebendig erhielt, und so war sie ohne Hut und ohne Beschützer. Als diess Starkadh durch wiederholte Erzählungen der Wanderer erfahren hatte, wollte er des Goldschmiedes Uebermuth nicht unbestraft lassen; denn wie er stets bereit war, empfangener Wohlthaten zu gedenken, so war er auch stets bei der Hand, wo es galt, eine Unverschämtheit zu züchtigen. So eilte er auch jetzt einen so unerhörten Uebermuth zu bestrafen, und vergalt an der Verwaisten die alten Wohlthaten Frôdhi's. So betrat er denn, nachdem er Schweden durchwandert hatte, das Haus des Goldschmiedes, und nahm seinen Stand zunächst der Thürschwelle; sein Haupt jedoch hatte er in einen bergenden Hut versteckt, auf dass er nicht erkannt würde. Der Goldschmied aber, der nicht wusste, dass zuweilen starke Hände unter schlechtem Gewande sich verbergen, jagte ihn mit Schimpfen schnell aus dem Hause, indem er ihm befahl, sich mit den Ueberbleibseln der Speisen unter der Menge anderer Bettler zu begnügen. Aber der Greis schöpfte Geduld aus der ihm eingepflanzten Mässigung, war aber dennoch bemüht seinen Ort zu behaupten, um nach und nach den Muthwillen seines Wirthes näher kennen zu lernen. Denn seine Vernunft war stärker als seine Aufregung, und so bändigte er den Ausbruch seines Zornes. Jetzt aber griff der Goldschmied mit offener Frechheit das Mädchen an, warf sein Haupt in ihren Schooss und bot ihren jungfräulichen Händen sein Haar zum Auskämmen dar. Darauf zog er seine Hosen aus und liess sich von ihr die Flöhe ablesen, und setzte es durch, dass diese Jungfrau aus dem glänzendsten Geschlechte ihre zarten Finger in seine schmutzigen Hosen steckte; darauf wagte er es, zu seinem Vergnügen seine geilen Hände unter ihr Kleid zu stecken und seine zitternden Finger ihrer Brust zu nähern. Sie jedoch, die durch genaueren Anblick den ihr einst bekannten Greis wiedererkannte, empfand Scham, wies die Frechheit der wollüstigen Berührung ab und stiess die unkeuschen Hände zurück, indem sie ihn ermahnte, von dem frechen Spiele abzustehen und lieber nach den Waffen zu greifen. Als dieses Starkadh sah, hatte der Zorn bereits ihn so bewältigt, dass er, unfähig seine Hand zurückzuhalten, schnell den Hut vom Haupte stiess und die Rechte an das Schwert legte, um es zu ziehen. Sogleich wandte sich der Goldschmied, der nichts als Ueppigkeit im Sinne trug, von plötzlicher Furcht befallen, da er sah, dass es jetzt Ernst gelte, jede Hoffnung der Vertheidigung aufgebend, zur Flucht, darin das einzige Schutzmittel erkennend. Aber es war eben so schwer, durch die Thüre zu entschlüpfen, da der Feind den Austritt verwehrte, als innerhalb des Hauses dem Rächer entgegenzutreten. Endlich machte die Notwendigkeit seinem Zaudern ein Ende, und er wähnte, in gewisser und offenbarer Gefahr sei derjenige Entscheid der wünschbarere, der nur einige Hoffnung der Rettung darbiete. So griff er denn zur Flucht, obwohl sie ihre Gefahr und Schwierigkeit hatte, denn sie schien die Rettung doch immerhin möglich zu machen. Aber indem er die Schwelle überschritt, ward ihm von dem Greise, der vor der Thüre sass, der Hintere mitten durchgehauen und er fiel halbtodt zu Boden. Der Alte glaubte nämlich, es gebühre ihm nicht, die berühmten Hände durch die Tödtung eines Aschenbläsers zu beflecken, und er meinte, dass eine frevelhafte Liebe schwerer durch Schmach bestraft werde. Von Einigen wird in der That der Entstellte für schwerer bestraft erachtet, als der Getödtete. Hierdurch geschah es, dass das Mädchen, welches der Aufsicht der Eltern ermangelt hatte, die gesitteteste Frau ward, indem sie gegen sich selbst das Amt eines aufmerksamen Beschützers versah. Als nun Starkadh warnahm, dass das überall verachtete Geschlecht durch den plötzlichen Verlust des Goldschmiedes schmerzlich berührt ward, so sann er darauf, wie er die Schmach des Verwundeten durch Beschimpfung steigern könne, und begann also:

Was staunet das Haus in stummer Trauer,
und was schmollt ihr, Schmerzbefangene?
Der Weibersüchtige, wo weilt er jetzt,
dem mein Kampfschwert den Kitzel stillte?

Hei! pranget er noch, träger Pracht ergeben,
oder glühet er noch in Gluth der Liebe?
Käm' er doch her, wir kos'ten freundlich,
mit herzlicher Rede den Hass versöhnend!

Die Halle beleb' er mit heiteren Blicken,
nicht mit Wehgestöhn' er die Wohnung fülle;
nicht trotz' er uns mit Trauermienen,
nein, fröhlichen Herzens er freundlich scherze!

Sehen ihn wollt ich, der, siech vor Liebe,
mein holdes Herzkind heimlich minnet;
drum liess ich den Hut mein Haupt verhüllen,
dass mich Keiner erkennen möge!

Da tänzelte her mit Tauberschritten
jener schmierige Schmied auf schmächtigen Beinen;
die Schenkel er wiegte im Schaukelgange,
und blickte herum mit blinzelnden Augen.

Ein pelzverbrämtes, perlgesticktes
Wams ihm seinen Wanst umhüllte;
von leuchtenden Steinen lohten die Schuhe,
und sein Mantel bezeugte die Macht des Goldes.

Lichtes Gebände hielt sein Lockenhaar,
und steingeziertes Stirnband ihm die Stirne schmückte;
so erwuchs in dem Schwächling die Schwulst des Geistes,
und Gold ihm galt für Güte der Abkunft.

Nach dem Reichthum er den Rang bestimmte,
doch das Blut nichts galt dem blöden Prasser;
so der Stolz ihn beschlich und der Stirne Hochmuth,
dass er den Adel übel schätzte.

Der Niedere gern, wenn der Nachbar ihn lobt,
sich ein Hoher dünkt, und das Herz ihm aufschwillt;
und edel dünkt sich der Aschenbläser,
der mit den Händen den Heerdstein reinigt;

Der mit Lederbälgen die Lüfte treibt,
und durch häufigen Zug den Hauch belebet,
der mit Ledersack den Luftzug auffängt
und erfacht mit dem Fächer Feuers Gluthen.

In des Mädchens Schooss er dann matt sich hinstreckt.
Holde, beginnt er, das Haar mir kämme!
und die flinken Flöhe dein Finger greife,
und was die Haut mir brennt, deine Hand entferne.

Auf schwellendem Sitze die schweissigen Arme
mit Gold er umspannet, dann geil er sich stützt
auf das Armgelenk, der eitle Pracher,
Und schwingt das Gewand wie den Schwanz das Hündlein.


Mich erkennend sie suchte den Kecken zu zähmen,
und die frechen Hände fern zu halten.
»Fort die Finger! rief sie, der Fürst des Kampfes
sitzt dort an der Schwelle, ihn zu sühnen strebe!

Zu Leide die Lustfahrt die Leute glauben;
Starkadh kam, mit steifen Augen
forscht er, was du fingerst; zu fürchten ist er,
denn zur Rache treibt ihn rasche Zorngluth.«

»Fürchte du nicht, sprach er, den feigen Raben,
den ärmlichen Alten; jener Edeling nimmer,
den du scheu'st, so scheussliche Schau dir bietet,
denn in reichem Gewande der Recke pranget.«

Die Hülle da warf ich vom Haupte nieder,
Schwang mein Schwert auf, und des Schwätzers Schamglied
weg ich ihm schlug, dass der Wanst ihm gähnte,
und die Eingeweide zur Erde fielen.

Auf ich sprang, und der eitlen Jungfrau
Nase mit der Faust ich niederbeugte,
dass das Blut ihr netzte das bleiche Kinne;
ihr Mund da nicht mehr munter lachte.

Zähren ihr über die zuckenden Wangen
rannen hinab, geröthet vom Blute;
die blinde Liebe da büsste traun
der zärtlichen Augen Zauberblicke.

Du Schwache schwärmtest, schweiftest geblendet
von Lustgier abseits, der Lockung folgend
gleich stürmischer Stute; in den Staub du hinwarfst
die Schönheit scheulos, dein Geschick verdüsternd.

Fremdem Herren solltest freudlos als Magd du
den Mühlstein drehen, um gemünztes Gold
im Kauf erworben, wenn mit Keckheit nicht
vom Trüger dich, Maid, ich betrogen wüsste.

Doch das Blut, entdrückt den Brüsten, dich spricht
der Mangel der Milch, dich, Mägdlein, ledig,
der Bezichtung frei; drum zage du nicht,
denn schuldlos weiss ich mein Schoosskind ja.

Den Argwahn jedoch du mit Eifer meide,
den düstern Verdacht und die dunkle Rede;
denn zischelnde Zungen bezichten leicht,
den Ruf dir trübend, der rein soll glänzen.

Geschwätz Viele schwärzet, ein schwaches Wörtlein
verletzt oft tödtlich und die Lüge mordet;
die Ahnen ehre, der Eltern gedenke,
und des Stammes Ruhm dich mit Stolz erfülle!

Welch ein Wahn ergriff dich, Weichling, schnöder,
welch Verhängniss hiess dich die hochgeborne
Maid zu locken in den Minnetaumel,
deinen Lüsten ihren Leib zu bieten?

Und wer, o Maid, wer vermochte dich wohl,
der Könige Kind, dich, keusch wie du warst,
der Schmach zu fröhnen, des Schmiedes Mund
mit den Rosenlippen rein zu küssen?

Die knorrichte Faust an der knospenden Brust,
der russigen Rechte Reiz zu dulden?
Um deine Hüften die Händ' er schlinget,
die kunstgerecht sonst Kohlen schürten.

Die weichen Wangen, o Wonnegefühl,
wenn die Finger sie streicheln, die voll der Schwielen,
von der Zang' erzeugt und dem Zuge des Hammers,
den er schwang, begierig das Gold zu strecken.

O Wonnegenuss, wenn den Wulst des Haares,
das Asche bedeckt, mit emsigen Fingern
du zu glätten ihm suchst, und mit glänzenden Armen
sein Bullenhaupt an den Busen drückest!

Ich weiss, dass Schmied sich von Schmiede scheidet,
einst schlug mich einer; es umschliesset zwar
ein Name alle, doch immer trennet
sie Geist und Muth, die guten und bösen.

Als die ersten ich achte, die das Eisen wandeln
in Schwert und Schwunggeer mit Schweiss und Mühe
den Kämpen zum Kampfe, durch Kunstgebilde
ihren Muth bewähren und sich mannhaft zeigen.

Andere kenn' ich, die das Erz gestalten
durch die Kraft der Hände zu Krügen und Schüsseln,
mit Goldgeschmeide sie ganz bedeckend,
und dem Silber sichern durch Sud den Glanzstrahl.

Doch mit weichem Herzen, wankendem Muthe
sie der Schöpfer schuf. Die da Schönes bildet,
die Hand ist kraftlos zu Heldenthaten,
denn Furcht erfüllt ihre feige Seele.

Dem Trug ergeben trügen oft sie,
dickes Erz bedeckend mit dünnem Golde;
sie rüsten es so, dass den Raub des Goldes
kaum erkennen mag, dem der Kunstgriff fremd ist.

Diese Strophe ist höchst wahrscheinlich ein Zusatz Saxo's; sie stimmt nicht recht zum Ganzen. Ist er vielleicht einmal mit einem solchen Kunstwerke betrogen worden?

So sprach Starkadh, und er schöpfte aus seinem Gedichte nicht geringeres Wohlbehagen, als ihm seine That gewährt hatte. Er gieng hierauf zu Halfdan zurück, schloss sich seiner Streitmacht auf das engste an und entschlug sich keines Krieges, so dass er seinen allen Vergnügungen abholden Geist durch unausgesetzte Waffenübung stählte.

Ingeld hatte aber zwei Schwestern, Helga und Asa, von welchen Helga völlig mannbar, Âsa jedoch, jünger von Jahren, noch nicht ehefähig war. Zu dieser Zeit bestieg Helgi, der Norweger, sein Schiff, angetrieben von dem Verlangen die Helga als Gattin heimzuführen. Sein Schiff hatte er mit solcher Verschwendung ausgerüstet, dass er sich goldgestickter Segel bediente, welche durch purpurne Rahen, welche an vergoldeten Masten hiengen, festgehalten wurden. Dem Ankömmling sagte Ingeld, seinem Wunsche solle genügt werden, wenn er es wage, um die Wahrheit seines Rufes zu beweisen, die ihm entgegengestellten Kämpfer zu bekämpfen. Durch diese Bedingung ward Helgi nicht abgeschreckt, er sagte vielmehr, dass er mit Vergnügen diesen Vertrag eingehe. So ward die künftige Vermählung durch feierliche Verlobung geweihet. Damals lebte auf der Insel Seeland ein Häuptling, der neun Söhne hatte, welche überaus stark und kühn waren. Der älteste derselben war als Bewerber um dieselbe Jungfrau aufgetreten; da nun ihm die dem Helgi zugesagte Braut verweigert ward, so forderte er diesen zum Kampfe heraus, um seine Kränkung mit dem Schwerte zu rächen. Helgi nahm den Kampf an, und der Tag seiner Vermählung sollte nach beider Wunsche der Tag des Kampfes sein. Es verfiel aber damals allgemeiner Verachtung, wer, zum Kampfe herausgefordert, den Kampf ablehnte. Daher bedrückte den Helgi auf der einen Seite die Scham, den Kampf hinauszuziehen, auf der anderen die Furcht ihn auszufechten. Dazu wähnte er sich, gegen das allgemeine Recht der Herausforderung, durch ungleiche Macht bedrängt, weil er allein gegen neune den Kampf zugesagt hatte. Da er dennoch nicht zurücktreten wollte, so sagte seine Verlobte, er bedürfe jedenfalls der Hülfe, wenn er nicht abstehe von einem Kampfe, in welchem er nichts als Tod oder Schmach gewinnen werde, zumal da er die Zahl derjenigen, gegen welche er kämpfen sollte, nicht genau festgesetzt hätte; daher sollte er der Gefahr aus dem Wege gehen und den Starkadh, der jetzt unter den Schweden sich aufhalte, seines Heiles wegen zu Rathe ziehen und ihn nach Dänemark holen; er pflege den Bedrängten beizustehen und traurige Lagen durch glückliche Dazwischenkunft meist zu wenden. Dem Helgi gefiel dieser Rath; er gieng also mit geringer Begleitung nach Schweden; als er aber zu der berühmtesten Stadt dieses Landes, Uppsala, gekommen war, enthielt er sich des Eintrittes und sandte einen seiner Begleiter, dass er den Starkadh begrüsse und zur Vermählung der Tochter Frôdhi's einlade. Durch diese Freundlichkeit fühlte sich aber Starkadh gleichwie durch eine Beleidigung gereizt und erwiderte, er würde sich den jungen Mann genauer ansehen und ihn wegen einer so abgeschmackten Botschaft zur Strafe ziehen, wenn er nicht seines theuersten Freundes, Frôdhi's, in seiner Einladung erwähnt hätte, weil er zu glauben scheine, dass er wie ein Narr oder Speichellecker feinerer Speisen wegen nach dem Dufte einer fremden Küche laufe. Nachdem Helgi von seinem Boten diesen Bescheid vernommen hatte, gieng er in die königliche Burg, um den Greis im Namen der Tochter Frôdhi's zu begrüssen, und bat ihn in dem zugesagten Streite sein Kampfgenosse zu werden; er glaube nämlich diesem Kampfe deshalb weniger genügen zu können, weil er die Zahl der Kämpfer, wider die er kämpfen solle, unbestimmt gelassen habe. Starkadh nahm nun den Bittenden wohl auf, sagte ihm, nachdem er Ort und Zeit des Kampfes erfahren hatte, seinen Beistand zu, und hiess ihn nach Dänemark zurückkehren, indem er ihm die Versicherung gab, er werde auf einem heimlichen Wege zu ihm zu gelangen wissen. Als Helgi fortgezogen war, liess Starkadh einige Tage verstreichen, bevor er den Weg unter die Füsse nahm; aber nun soll er, wenn man der Sage glauben darf, durch die Schnelligkeit seiner Schritte täglich einen so grossen Raum durchmessen haben, welchen die Vorausgehenden kaum in zwölf Tagen durcheilen konnten, dass endlich beide zusammentrafen und zur gleichen Stunde Ingeld's Haus betraten. Als hier Starkadh nach der Sitte der Dienstmänner an den von den Gästen besetzten Tischen vorübergieng, hörte er, wie die neun Jünglinge unter schrecklichen Geberden, Zähneknirschen und mit trotzigen Worten sich zum Kampfe durch gegenseitige Ermahnungen anfeuerten. Einige behaupten sogar, dass sie dem eintretenden Kämpen wie wüthende Hunde entgegengebellt hätten. Die neun Jünglinge werden hier ganz wie Berserke geschildert; diese knirschen, wenn sie in ihre Wuth gerathen, mit den Zähnen, heulen wie Wölfe oder bellen wie Hunde.

Starkadh beschalt sie, dass sie durch Verziehung des Mundes sich ein lächerliches Ansehen gäben, mit aufgesperrten Mäulern Uebermuth trieben, und sagte ihnen voraus, dass die schlaffe Weichheit so weibischer Männer gewiss ihren masslosen Uebermuth büssen würde. Als sie ihn nun fragten, ob er denn Muth zum Kampfe habe, entgegnete er, nicht mit Einem nur wolle er es aufnehmen, er habe Kräfte genug so Viele zu bekämpfen, als man ihm entgegenstelle. Als die neune diess hörten, merkten sie wohl, das sei der Mann, welcher, wie sie vernommen hatten, aus der Ferne dem Helgi zu Hülfe kommen werde. Damit er nun das Schlafgemach der Braut mit aufmerksamerer Wache schirme, nahm Starkadh freiwillig die Nachtwache auf sich, verschluss die zugezogenen Thüren des Schlafgemaches statt des Riegels mit seinem Schwerte und verschaffte durch sein Wachestehen den Neuvermählten Sicherheit und Ruhe. Als Helgi erwachte, schüttelte er den Taumel des Schlafes ab, erinnerte sich an sein Versprechen und umgürtete seinen Leib mit den Waffen. Als er aber bemerkte, dass die Finsterniss der Nacht die Erde noch decke, wollte er die Zeit der Morgendämmerung erwarten; aber während er im Geiste die Entscheidung des ihm bald bevorstehenden Kampfes erwog, überschlich ihn heimlich die Süssigkeit des Schlafes, und er legte sich im Taumel des Schlummers wieder in das Bett. Als Starkadh mit der Morgenröthe in das Zimmer trat und den in den Armen der Gattin Schlafenden erblickte, wollte er ihn nicht des bevorstehenden Kampfes wegen aus der Ruhe reissen, auf dass er nicht aus Trägheit das Amt des Weckers zu üben scheine, und die Süssigkeit einer so neuen Verbindung unterbreche. Er hielt es daher für schöner, allein die Gefahr auf sich zu nehmen, als durch Störung fremden Behagens einen Begleiter sich zu suchen. Schweigend lenkte er also den Fuss zurück, schritt nach der Ebene, welche Roliung genannt wird, und bot mit Verachtung der Gegner, nachdem er unter einem Felsen sich niedergelassen hatte, dem Sturme und Schnee seinen Leib dar. Dann, gleich als ob ihn ein Lüftchen des Frühlings anwehe, zog er sein Kleid aus und fieng Flöhe. Auch das Purpurgewand, womit ihn vor Kurzem Helga beschenkt hatte, warf er auf einen Dornstrauch, auf dass er nicht gegen die wüthenden Geschosse des Hagels sich umhüllt zu haben scheine. Darauf erschienen die feindlichen Kämpen, bestiegen den Fels von der entgegengesetzten Seite, suchten einen vor den Winden geschützten Sitz und zündeten ein Feuer an, um die Kälte zu vertreiben. Da sie den Starkadh nicht erblickten, schickten sie Einen auf den Gipfel des Felsens, der gleichsam wie von einer Warte seine Ankunft erspähen sollte. Als dieser den Berggipfel erstiegen hatte, erblickte er unten am Abhange den Greis, dessen Schultern mit Schneeflocken bedeckt waren. Er fragte ihn also, ob er der sei, welcher den zugesagten Kampf zu bestehen gedenke. Als nun Starkadh sagte, er sei es, traten die Uebrigen heran und fragten ihn, ob er es mit Jedem einzeln, oder mit Allen zugleich aufnehmen wolle. Jener entgegnete: »So oft mir eine Schaar bissiger Hunde entgegenbellt, pflege ich sie alle zugleich und nicht einen nach dem andern fortzujagen.« Damit meinte er, dass er lieber mit Allen zugleich, als mit Jedem einzeln kämpfen wolle. Gleich im Beginn des Kampfes schlug er sechs derselben zu Boden, ohne auch nur eine einzige Wunde zu erhalten; die übrigen drei jedoch, obgleich er siebenzehn Wunden von ihnen dergestalt empfangen hatte, dass der grössere Theil der Eingeweide aus dem Bauche herausfiel, erschlug er ebenso wie ihre Brüder. Als er darauf, beraubt der Eingeweide und bei geschwächten Kräften, von einem heftigen Durste bedrängt ward, so suchte er, getrieben durch das Verlangen nach einem Trunke, einen in der Nähe fliessenden Bach zu erreichen. Als er ihn durch Blut verunreinigt fand, enthielt er sich des Trunkes, da ihm vor dem Wasser ekelte. Angantyr nämlich war in den Bach gefallen und hatte das Wasser desselben so mit seinem Blute vermengt, dass seine Wellen roth dahin strömten. Da es nun aber mit seiner Kraft fast zu Ende gieng, so bewegte er sich auf den Knieen nach einem nahen Felsen und legte sich hin, indem er sich an das Gestein anlehnte; noch heute erblickt man die ausgehöhlte Oberfläche desselben, als ob die Last des liegenden Leibes den sichtbaren Eindruck hervorgebracht hätte.

Als nun ein Landmann zu Wagen an Starkadh vorüberfuhr, und seinen fast ganz zerhauenen Leib erblickte, ward er zugleich durch Schreck und Bewunderung bewegt, näherte sich dem Orte und fragte, womit er lohne, wenn er seine Wunden heile. Aber Starkadh wollte lieber durch den Schmerz der Wunden gequält sein, als den Dienst eines Mannes niederen Standes annehmen, und fragte ihn nach Geschlecht und Beschäftigung. Als dieser nun sich einen Ausrufer nannte, begnügte er sich nicht damit, seine Hülfe zu verschmähen, sondern überhäufte ihn noch mit Tadel, dass er, jede ehrbare Beschäftigung meidend, das Amt eines Possenreissers versehe, dass er sein ganzes Leben durch schlechten Ruf schände, aus dem Verluste der Armen Gewinn ziehe, Niemand für unschuldig halte, Alle stets auf ungerechte Weise anzuklagen bereit sei, und dass er dann besonders sich freue, wenn Einen ein Unglück betreffe, indem er stets eifrigst darauf ausgehe, dass er Aller Handlungen hinterlistig erforsche und die Unschuld des Truges beschuldige. Als dieser Mann nun sich entfernt hatte, kam ein anderer und verhiess ihm Hülfe und Heilung; er ward aber gleich dem früheren aufgefordert, seine Verhältnisse kund zu thun. Er gestand, dass er die unfreie Magd eines Mannes zur Ehe habe, und dass er dem Herren derselben, um seiner Gattin die Freiheit zu verschaffen, als Ackerknecht diene. Starkadh wies seine Hülfe zurück, weil er in schimpflicher Ehe mit einer Unfreien lebe. Wenn er etwas taugte, so würde er wenigstens die enge Verbindung mit einer Unfreien verschmähet und eine Freie zur Gattin gewählt haben. Wie sehr muss man die Grösse dieses Mannes anerkennen, der bei höchster Lebensgefahr sich eben so gross in Abweisung der Hülfe zeigte, wie er bei dem Empfange der Wunden sich erwiesen hatte. Indem der Mann seines Weges gieng, näherte sich dem Greise eine Frau. Als sie an ihn herangetreten war, um seine Wunden zu verbinden, befahl er ihr zunächst zu sagen, aus welchem Geschlechte sie stamme und welche Beschäftigung sie treibe; sie sagte, sie sei eine Magd und habe die Handmühle zu besorgen. Starkadh fragte sie hierauf, ob sie ein Kind habe, und als er vernommen hatte, dass ihr eine Tochter lebe, hiess er sie heimgehen und der weinenden Tochter die Brust reichen, indem er es für sehr schimpflich hielt, von einem so niedrigen Weibe einen Dienst anzunehmen. Es gezieme ihr mehr, ihr eigenes Blut mit Milch zu ernähren, als fremde Wunden zu heilen. Nach ihr kam ein Jüngling auf einem Wagen daher; als dieser nun dem erblickten Greise beistehen wollte, ward er gefragt, wer er sei; er sagte, er sei der Sohn eines Bauern und mit ländlichen Arbeiten beschäftigt. Starkadh rühmte seine Herkunft und sagte, seine Beschäftigung sei aller Ehren werth, weil von Leuten dieser Art das zum Leben Nothwendige durch gerechte Arbeit erworben würde, und weil sie von keinem Gewinn etwas wüssten, ausser dem, den sie sich durch Vergiessung ihres Schweisses verschafften. Und dass er den Jüngling nicht unbeschenkt von sich lasse, gab er ihm den Mantel, welchen er auf den Dornstrauch geworfen hatte, als Anerkennung seines Werthes. Der Sohn des Bauern näherte sich darauf, brachte die aus dem Bauche getretenen Eingeweide wieder an ihre Stelle und schloss die Wunde mit Bast. Darauf nahm er den Greis auf seinen Wagen und fuhr ihn achtungsvoll bis zum Hause des Königes.

Indessen hatte Helga ihren Gatten mit Worten, welche eine grosse Bürgschaft in sich trugen, unterrichtet; sie wisse, sagte sie, dass Starkadh, sobald er von der Besiegung der Kämpen zurückkehre, ihn für seine Abwesenheit züchtigen werde, indem er ohne Zweifel glaube, dass er mehr der Trägheit und der Lust nachgehe, anstatt den verheissenen Kampf zu bestehen. Um so tapferer müsse man ihm widerstehen, weil er der Tapferen zu schonen, die Trägen zu hassen pflege. Helgi folgte ihrem Rathe und stärkte Leib und Geist durch den Entschluss, sich tapfer zu beweisen. Als Starkadh zum Hause des Königes gebracht worden war, achtete er nicht auf den Schmerz der Wunden, sprang schnell von dem Wagen herab, und als ob er am ganzen Leibe unverletzt wäre, stürmte er in das Brautgemach, indem er mit der Faust die Thür zertrümmerte. Da sprang Helgi sogleich von seinem Lager und schlug sein Schwert in die Stirne des Greises, indem er dem Rathe seiner Gattin nachkam. Als er ihm aber eine zweite Wunde beibringen wollte, sprang Helga eiligst vom Lager und schützte den Greis vor dem drohenden Tode, indem sie mit einem ergriffenen Schilde zwischen Beide trat. Dieser Schild ward nun von Helgi durch einen kräftigen Schwertschlag mittendurch zerspalten. So kam die löbliche und bedachte Frau ihrem Freunde zu Hülfe; den sie durch ihren Rath verletzt hatte, den beschützte sie mit der Hand, und wie ihren Gatten durch den Rath, so vertheidigte sie den Greis durch die That. Dieser Umstand bestimmte den Starkadh, den Helgi unverletzt zu lassen, indem er sagte, desjenigen müsse man schonen, der seine Tapferkeit durch so eben bewiesenen Muth ausser Zweifel gesetzt habe.

Er kehrte darauf, noch ehe seine Wunden geheilt waren und bevor noch die Vernarbung stattgefunden hatte, da Halfdan von Nebenbuhlern erschlagen worden war, nach Schweden zurück und setzte dessen Sohn Sigward, nachdem er den Aufruhr Einiger unterdrückt hatte, zum Erben der väterlichen Herschaft, ein. Bei diesem verweilte er nun längere Zeit, weil er durch das Gerücht vernommen hatte, dass Ingeld, der Sohn des hinterlistig umgebrachten Frôdhi, durch seinen verkehrten Geist angetrieben, den Mördern des Vaters Milde und Freundschaft erweise, statt sie zu bestrafen. Ueber ein so schreckliches Betragen empfand er den höchsten Unwillen und, er ertrug es nur mit Schmerz, dass ein Jüngling von so grossen Geistesgaben sich nicht als Sohn eines berühmten Vaters benehme; er nahm daher eine grosse Bürde Kohlen auf seine Schultern und gieng nach Dänemark. Von den Begegnenden befragt, warum er eine so ungewohnte Last trage, antwortete er, er wolle mit den Kohlen die Stumpfheit Ingeld's zur Schärfe bringen. So gieng er auf dem kürzesten Wege und gleichsam in Einem Athem mit grösster Schnelligkeit seinem Ziele zu, und als er endlich in Ingeld's Halle eingetreten war, nahm er sofort einen der für die Häuptlinge bestimmten Sitze ein. Als die Königin den beschmutzten Mann in unreiner und bäuerischer Kleidung erblickte, zeigte sie sich als eine sehr wenig umsichtige Schätzerin des Gastes, beschuldigte den Mann, den sie nach seinem Kleide beurtheilte, der Tolldreistigkeit, weil er die Häuptlinge am Niederlassen hindere und einen Sitz eingenommen habe, der einem Bauer nicht gebühre, und hiess ihn sofort den Sitz räumen, auf dass er nicht die Kissen durch sein schmutziges Gewand verunreinige. Der muthige Greis gehorchte, und obgleich ihn die Zurückweisung schmerzte, sah er doch in seiner Geistesgrösse über die seiner Tapferkeit unverschuldeter Weise angethane Schmach hinweg und liess weder ein Wort noch einen Seufzer vernehmen, Doch die Bitterkeit des Schmerzes gänzlich zu verbergen vermochte er nicht; denn aufstehend und in den untersten Theil der Halle sich zurückziehend, erschütterte er durch Niederlassung seines Leibes die Balken der Wände dergestalt, dass das Dach beinahe herabgestürzt wäre.

Als Ingeld, von der Jagd heimgekehrt, ihn mit schärferen Augen betrachtete, und er wahrnahm, dass er weder heiter blicke, noch sich vor ihm, dem Ankommenden, zur Begrüssung erhob, erkannte er sofort an seiner trotzigen Stirne, dass es Starkadh sei. Denn als er dessen durch Kriegsthaten abgehärtete Hände, seine vorn an der Brust empfangenen Wunden und die scharfe Kraft seiner Augen betrachtete, so erkannte er, dass derjenige, dessen Leib so grosse Wunden zierten, keinesweges an Geiste kraftlos sei. Er beschalt also seine Gattin und ermahnte sie dringend, dass sie ihren Hochmuth ablege und denjenigen, den sie durch Beschimpfung gekränkt hätte, durch Schmeicheleien besänftige und durch freundliches Betragen versöhne; nachdem sie ihn durch Speise und Trank gestärkt hätte, solle sie ihn durch freundliche Ansprache erfreuen, denn er sei ihm einst von seinem Vater zum Beschützer gegeben worden, und er sei der nachsichtigste Pfleger seiner Kindheit gewesen. So erkannte sie denn freilich zu spät den Geist des Greises, verwandelte ihre Rauhheit in Freundlichkeit, und den sie durch Verweisung gekränkt, durch bitteren Tadel verletzt hatte, den ehrte sie nun durch eifrige Dienstbereitschaft und entpuppte sich aus einer unwilligen Wirthin zu der unterwürfigsten Schmeichlerin. Ihre Sorgfalt sollte nun ihren Zorn vergessen machen, so dass sie durch ihren Irrthum desto minder schuldig erschiene, je rascher sie ihn getadelt hatte. Doch nicht geringe Strafe wog er ihr zu, da sie denjenigen Ort, an welchem sie dem Greise den Sitz verweigert hatte, bald nachher durch das Blut ihrer Brüder bespritzt sehen musste.

Als aber Ingeld mit Swerting's Söhnen zur Nacht das Mahl einnahm, liess er die Tische mit den ausgesuchtesten Speisen verschwenderisch besetzen und hielt den Greis durch vertrauliche Einladung ab, auf dass er sich nicht allzufrüh dem Gelage entziehe, gleich als hätten die Ergötzlichkeiten kostbarer Speisen die gediegene Strenge des Greises abzuschwächen vermocht. Als Starkadh seine Augen daraufgeworfen hatte, verschmähte er das üppige Mahl, und bändigte sein Verlangen nach solchen Leckerbissen durch seine grosse Mässigkeit, auf dass er nicht einem äusseren Gebrauche sich allzu nachgiebig erweise; er wollte einmal nicht seinen Kriegsruhm durch die Verlockungen des Gelages schädigen. Als er daher wahrnahm, dass die alte Enthaltsamkeit und der ganze Brauch der alten Zeit durch die neue Ueppigkeit und Pracht der Lebensart verletzt werde, so griff er nach rauherer Speise und verschmähte die leckeren Gerichte. Uebrigens nahm er es unwillig auf, dass gebratenes und gesottenes Fleisch zu einer und derselben Mahlzeit verwendet ward; jede Speise erschien ihm ungewöhnlich, welche, durch den Brodem der Küche gewürzt, der Fleiss des Koches mit Anwendung verschiedener Zubereitungsart hergerichtet hatte. Ingeld dagegen verschmähte die Lebensweise der Vorfahren, änderte die Tafelordnung und sah sich mehr nach, als die väterliche Sitte erlaubte. Nachdem er einmal deutschen Brauch angenommen hatte, erröthete er nicht, der weibischen Ueppigkeit jenes Landes sich zu ergeben. Aber die Königin glaubte den Zorn des Greises am besten durch Geschenke zu wenden, sie nahm, ihrem Vorsatze getreu, eine kostbare Binde vom eigenen Haupte, legte sie in den Schooss des Essenden und suchte so das Wohlwollen desselben zu erkaufen, da sie seine Strenge abzuschwächen nicht vermocht hatte; jedoch, der die Bitterkeit der Beleidigung noch nicht bezwungen hatte, warf ihr die Binde ins Gesicht und schien mehr Spott als Verehrung in dieser Gabe zu erblicken. Er handelte klug, dass er sein mit Wunden bedecktes und des Helmes gewohntes Haupt nicht mit einer ungewöhnlichen Zierde weibischer Ueppigkeit schmücken wollte, indem er wohl wusste, dass männlichen Haaren weiblicher Hauptschmuck schlecht anstehe. So rächte er Zurückweisung durch Zurückweisung, und zeigte sich fast eben so gross in der Bestrafung der ihm zugefügten Schmach, als er sich in der Ertragung derselben gross erwiesen hatte. Aber der Geist des alten Kriegers, der mit unauflösbaren Banden der Freundschaft an Frôdhi hieng, der sich durch so viele und so grosse Beweise königlicher Gunst zu ihm hingezogen fühlte, konnte durch keine Schmeichelei verlockt werden, seinen Vorsatz, ihn zu rächen, aufzugeben, auf dass er ihm auch nach seinem Tode den schuldigen Dank erweise. Er trug also die traurige Erinnerung an den Tod Frôdhi's so tief im Herzen, dass sie nie aus seinem Gedächtnisse getilgt werden konnte, und so glaubte er nicht, wegen eines eben jetzt empfangenen Geschenkes das Recht der alten Freundschaft kränken zu dürfen; übrigens konnte die spätere Dienstwilligkeit keine Verzeihung der früheren Schmach hervorrufen, da er die Erinnerung daran zu tilgen nicht vermochte. Uebrigens folgte er auch ganz und gar nicht dem Brauche jener, welche, so lange ihre Freunde im Glücke sind, zu ihnen halten, im Unglücke jedoch sie verlassen, und die das Glück höher schätzen als die Liebe, mehr bedacht auf den eigenen Vortheil als auf das Wohlwollen Anderer. Als nun aber die in ihrem Vorsatze feste Frau merkte, dass auch so dem Greise keine dem Gelage angemessene Heiterkeit abzugewinnen war, beschloss sie die Schmeicheleien durch freiere Zutraulichkeit zu ersetzen. Auf dass sie also dem Gaste grössere Ehre erweise, gebot sie einem Flötenbläser, sich hören zu lassen, indem sie wünschte, durch süsse Töne der Kunst die ihm angeborene Härte zu mildern. Aber die Verlockung der Flöte und der Saiten vermochte wenig über den Trotz des Mannes; denn er merkte es wohl, dass alle ihm erwiesene Achtung mehr ein Trug, als eine Frucht der Liebe sei. So kam es denn, dass der in seiner Meinung von sich gekränkte Künstler mehr einer Bildsäule als einem Menschen etwas vorzublasen schien, und er daraus abnehmen konnte, dass ein strenges Gemüth vergeblich durch Scherze der Possenreisser bestürmt werde, und dass durch einen nichtigen Hauch des Mundes die Last einer wichtigen Sache nicht beseitigt werden könne. Denn so tief hatte Starkadh den Mienen seines Gesichtes den Trotz des Unwillens eingeprägt, dass es stets den gleichen Einst, die gleiche Strenge zeigte; denn die den Gelübden gebührende Ungeschmeidigkeit konnte weder durch den Gesang der Flöte, noch durch den Kitzel des Gaumens geschmeidigt werden, und so wog ihm der kühne und mannhafte Vorsatz schwerer als die Genüsse der Ohren oder der Zunge. Er warf daher den Knochen, von dem er das Fleisch abgeschält hatte, dem Gesichtschneider in's Antlitz, und befreite die von der Luft angeschwellten Backen durch gewaltsame Auspressung derselben von ihrer Füllung. Hierdurch zeigte er, wie sehr sein Ernst alle Lachen erregenden Geberden verabscheute; und so blieben auch seine Ohren jeder Einwirkung schmeichelnder Klänge verschlossen. Der Sänger wusste aber nicht, ob er klangreicher sänge oder weine, und er bezeugte durch Vergiessung bitterer Thränen, dass in üppigen Herzen Tapferkeit selten Platz habe; denn der sich ganz dem Vergnügen geweiht hatte, hatte nicht gelernt, ein Ungemach auch nur Ein Mal zu ertragen. Seine Verwundung deutete die künftigen Niederlagen gleichsam in voraus an; aber wohl hatte der ernste Rächer, indem er durch den schimpflichen Wurf des Knochens einen ihm unangenehmen Dienst vergalt, gezeigt, dass er mehr der Asche seines tapferen Freundes, als den verächtlichen Sitten seines schmachvollen Zöglinges Rücksicht zu tragen gewillt sei. Die Königin aber bewunderte hinfort staunend dieses Mannes Tüchtigkeit, die sie zu schwächen nicht vermocht hatte, und den sie vergebens durch Gunstbeweisungen für sich zu gewinnen suchte.

Als aber Starkadh sah, dass diejenigen, welche den Frôdhi umgebracht hatten, bei dem Könige in höchster Gunst stunden, so zeigte er durch den scharfen Blick seiner Augen die Grösse seines Grimmes, und gab seine innere Bewegung durch die Mienen seines Gesichtes kund. Endlich, als ihn Ingeld durch königliche Leckerbissen zu besänftigen suchte, wies er die Schüssel zurück, weil er mit gemeiner Nahrung zufrieden sei und keiner aus der Fremde hergeholten Leckereien begehre. Als man ihn fragte, warum er mit so bewölkter Stirne alle Huldbezeigungen des Königs zurückweise, antwortete er, er sei nach Dänemark gekommen, um Frôdhi's Sohn zu finden, nicht aber einen Mann, welcher die Gefrässigkeit eines lüsternen Magens durch Menge der Speisen stille. So konnte er denn nun Ingeld's Sitten nicht unangefochten lassen, sondern er wälzte auf sein Haupt alle Bitterkeit des Tadels; er beschuldigte ihn der Pflichtvergessenheit, weil er aus allzugrosser Sattheit den Mund aufsperre und die durch Essen erzeugte Ueberfülle mit hässlichem Aufstossen aushauche. Seit er der Ueppigkeit der Sachsen sich ergeben habe, habe er aller Nüchternheit entsagt, und er sei so baar aller Tugend, dass er auch nicht dem geringsten Schatten derselben nachstrebe. Am meisten aber gereiche ihm zur Schande, dass er, ein angehender Krieger, uneingedenk der Vaterrache, mit Vernachlässigung des ersten Gesetzes, die Mörder seines Vaters mit Wohlwollen aufgenommen habe, und er habe diejenigen, die er auf das strengste hätte bestrafen sollen, nicht allein unbestraft gelassen, sondern auch seines Umganges und Tisches würdig erklärt. Dazu soll er folgendes Gedicht gesprochen haben:

Die grüne Jugend dem Greise weiche
ehrend die Jahre des alten Mannes;
Niemand tadle des tapferen Greises
          Tage, die vielen.

Ob den Greisen auch graue das Haupthaar,
ihr Werth verbleibt den würdigen Alten;
mindern nicht mag die Macht der Zeit den
          Muth in dem Herzen.

Ein Süssling mich vom Sitze wegtrieb,
der seinen Adel entedelt durch Laster,
der Gurgel fröhnend Gold verwirft, um
          Gaumen zu kitzeln.

Als man Frôdhi's Freund mich nannte,
unter den Edlen immer sass ich
hehr in der Halle; der Häuptlinge ersten
hört ich mich rühmen.

Doch ich gelte nicht mehr was ich galt vor Zeiten,
man faucht mich an; einem Fische gleich' ich,
der, im Strome treibend, nach Verstecken ausspäht,
          still sich zu bergen.

In früheren Jahren da freilich war
ich gewohnt zu ruhen auf weicherem Sitze;
jetzt bellt man mich an und gebeut mir bei den
          Bettlern zu rasten.

Aus der Halle wohl gar man hiesse mich gehn,
erschütterte nicht meine Schulter die Wand,
und versperreten nicht die Sparren des Daches
          spöttisch den Ausgang.

Des Hofvolks Gelächter verhöhnet mich,
dem Ankömmling wird kein ehrender Gruss,
mich stechen bittere Stachelreden
          stichelnder Mäuler.

Was da raunet das Gerücht und flüstert,
den Lauf der Dinge, des Landes Zustand:
diess zu erforschen fand ich aus der
          Ferne mich hier ein!


Warum denn, Ingeld, Unbedachter,
verschiebst du des Vaters Fall zu rächen?
Trägst du so leicht des Tugendreichen
          Tod in dem Herzen?

Was fröhnst du Gelagen in frevler Musse,
wie Weiber weichlich und den Wanst nur füllend?
Ermuntert dich nichts des gemeuchelten Vaters
          Mord zu bestrafen?

Als, Frôdhi, zuletzt ich fort von dir gieng,
da sagte das Herbe mein Herz voraus mir,
dass Feinde dich würden fällen, aller
          Fürsten den ersten!

Als ich, ein Wanderer, weithin streifte,
da ahnt' ich es seufzend im innersten Herzen,
dass in Wôdan's Saal nur, Werther, einst dich
          Wieder ich sähe.

Weh', dass ich damals so weit von ihm, ach!
In fernster Ferne die Völker bekriegte,
als mit Truglist treuloser Gastfreund
          trog den Gebieter.

Ich hätte des Fürsten Fall gerochen
oder geleitet den Landbeschirmer
durch Feuers Gluth zu Fiölni's Halle Fiölnir ist ein Beiname Ôdhin's, Fiölni's Halle demnach Walhall.,
          froh der Bestattung.

Nicht den Gaumen ich kam als Gast zu kitzeln,
(streng solch Gelüst ich zu strafen suche!);
nicht des Felles pfleg' ich, noch mit feisten Bissen
          füll' ich den Bauch mir.

Kein Mensch noch mich, der ich mitten unter
hohen Herschern sass, an das Hausthor setzte,
mich, der sich freute in der Freunde Kreisse
          froheren Sitzes.

Aus Schweden kam ich; schweifend ich durchmass
weite Strecken; hoffte werth zu sein hier,
wenn ich meines freundlichen Frôdhi's Sprössling
          fand' in der Halle!

Doch statt schlichten Jünglings einen Schlemmer fand ich
schnöden Lüsten lebend statt nach Lob zu streben,
Ungebühr zu üben seinen Eifer antreibt
          ekele Lustsucht.

Traun, hohe Wahrheit ist Halfdan's Ausspruch,
der uns kürzlich ist kund geworden:
dass weiser Vater gewöhnlich erzeuge
          witzlosen Sprössling.

Doch ob aus der Art auch schlug der Erbe des Königs,
nicht leid' ich's länger, dass Lottergesindel
den Reichthum Frôdhi's rastlos vergeude,
          räuberisch stehle!


Bei diesem Liede erbebte die Königin, nahm das kostbare Gebände, welches ihr Haar zierte, vom Haupte und bot es dem ergrimmten Greise, gleichsam um seinen Zorn damit zu besänftigen. Aber Starkadh wies es mit Unwillen zurück und fuhr fort mit lauter Stimme:

Weg sie nimm, die weibische Kopfzier,
hafte mit ihr deines Hauptes Locken;
Kämpen nicht ziemt was die Königin zieret,
          künstlicher Haarschmuck!

Hohn es erweckt, wenn das Haar umfahen
mit Gewinde von Golde die Waffenträger;
nur der Weiber weichliche Schaaren
          winden in's Haar Gold.

Besser deinem Gatten deinen Goldreif beutst du:
dem gefällt der Flitter, und der Finger juckt ihm,
wenn am Bürzel er stochert, den Bauch durchneust dem
          bräunlichen Vogel einer Schnepfe etwa..

Ihn zum Lotterleben zu verlocken weisst du;
sächsische Sitten sieht man hier nur;
eifrigst du darbeutst, arges Weib, ihm
          üppige Schüsseln.

Mit guten Bissen ihm den Gaumen du schmeichelst,
erweckst ihm Freude an fremder Nahrung;
du brennst zu belasten mit Leckereien
          langhin die Tafel.

Wein dem Gatten, gewürzten, beutst du
mit Vorbedachte, dass voll er werde;
Gesottenes heissest du sorglich braten,
          saftiger rösten.

Gleich einem Farche Farch = porcus; das Junge heisset Ferkel. du den Fürsten mästest,
geile Metze, die zum Minnespiele
stets du bereit bist, stündlich drauf bedacht, den
          Stumpfen zu reizen.

Höhnisch, übermüthig, heftig in den Lüsten,
frech und frevelgierig übst, du fremde Bräuche,
unsere Einfalt dient zum Aergernisse,
          üppiges Weib, dir.

Auf schmucker Schüssel geschmorte Rübchen,
Küchlein, in süssem Safte duftend,
nebst der Musceln Menge dem Magen beutst du,
          mächtig ihn reizend Saxo entnahm seine Beschreibung einer üppigen Tafel wohl seiner Zeit; in dem Gedichte des alten Starkadh fand er schwerlich dergleichen Dinge erwähnt..

Nie sah ich, dass Frôdhi, der frömmste der Herscher Das alte fromm bedeutet thatkräftig.,
an die Fasern der Vögel die Finger legte,
noch Hahnes Bürzel mit gehobenem Daumen
          hastig zerklaubte.

Welcher der Fürsten erfand zuerst es,
der Vögel duftige Därme zu leeren
und zu durchstochern den Sterz des Geflügels, am
          Stank sich erlabend?

Rauh ist die Nahrung reisiger Männer;
nicht bedürfen, denk' ich, duftender Schüsseln,
die das Herz zu hartem Heerstreit antreibt,
          Helden von Kühnheit.

Besser mit Bissen den Bart des Feindes
verstümmeln oder stutzen wirst du,
als mit dem Munde, Milch einschlürfend,
      melken die Brüste.

Wir fliehen der künstlichen Küche Gerichte,
mit herber Nahrung den Hunger stillend;
gewürzte Brühen Wenige schlürften,
          wähn' ich, vor Zeiten.

Nicht dampfte der Tisch Düfte der Kräuter,
nur Fleisch von Farren und Farchen trug er;
Mass im Genuss den Mann einst zierte,
          masslos war Niemand.

Der du nun züngelst nach zartem Fette,
männlichen Muth, du Männlein, fasse;
sei Frôdhi's eingedenk, den Frevel rächend
          Frecher Ermordung.

Es verderbe der Schuft mit dem scheelen Blicke,
nicht schone des Scheuen des Schicksals Ruthe,
ob dunkle Schlucht auch, düst're Höhle
          decke den Mörder.

Einst wir waren eilf der Kämpen,
die wir in Hâkon's Hause lebten;
beim heiteren Mahle sass Helgi Gêgadh
          her vor den Andern.

Zu stumpfen den stärksten Stachel des Hungers
diente ein Mundvoll magerer Hamme;
den Brand des Magens dann Brotes Menge
          brachte zur Ruhe.

Leckere Bissen verlangte Keiner,
mundrecht war Allen die gemeine Nahrung,
einfach war bei den Ersten des Volkes
          immer die Mahlzeit.

Fremd blieb das Volk der fremden Nahrung,
auch die Häuptlinge hielten hoch die Schlichtheit,
selbst der König wollte, dass Kunst nicht seine
          Küche behersche.

Des Honigtrankes enthielt er sich,
er trank nur Bier aus gebräunter Gerste;
im Brauch ihm war gebrühtes Fleisch, die
          Braten verschmäht' er.

Bei seinen Mahlen Mass stets herschte,
ein Salzfass nur sauber strahlte;
von fremder Sitte frei man sah die
          fröhliche Vorzeit.

Nicht schaute man Schaalen, nicht schöne Krüge
auf festlicher Tafel; dem Fässlein entzapfte
der Schenke den Schaumtrank; Schüsseln mit Bildern
          schätzte da Niemand.

Kein Freund jemals der früheren Zeiten
gehöhlten Stauf zu den Humpen fügte;
die Schüssel behäufte kein schöngeschmückter
          Schaffner mit Braten.


Mit Muschelgeschirre sein Mahl verzierte,
mit Hortgefässen ein Hauswirth niemals;
nun aber neigt sich neuen Bräuchen
          nichtige Prahlsucht.

Wer hätte vermocht den Mord des Vaters
um Gold zu vergessen? wer Gaben genommen,
um ungerochen des edlen Erzeugers
          Ende zu lassen?

Welcher Erbe von Kraft, welch' ein ehrenhafter
Sohn wohl gesetzt sich zur Seite des Mörders?
Grausen erzeugt und Grimm erweckt solch
          gräuliches Bündniss.

Drum, wenn man kündet der Könige Ruhmthat,
und die Sänger singen die Siege der Fürsten,
hüll' ich mein Haupt in herbe Scham vor
          heftigem Schmerze.

Wo sieht man deine Siegdenkmale?
rühmen von dir welche Buhmthat kann man?
Frôdhi's Erben mit Freuden nie den
          Frommen man beizählt.

Was beschuldigst du mich mit scheelen Augen,
der du deines Vaters Feind verehrest?
Durch braune Brühen, mit Braten nur kannst du,
          Bröder, dich rächen!

Wenn man des Unrechts Ahnder rühmet,
dass nicht dein Herz sich der Höhnung schäme,
der Ohren Taubheit, Tugendloser,
          täglich dir wünsche!

Den straffe Männer meist strenge richten,
auf schuldige Häupter Schande häufend;
aber Anderer Ehren oft bekränken
          üble Gewissen.

Ob der Osten dich hegt, ob der Erde Mitte,
ob im Westen du weilst, oder weit im Süden,
ob der Norden dich birgt in der Nebelhüllen
          nächtlichem Dunkel:

Die Scham von dir doch scheide nimmer,
treibe das Blut dir in die bleichen Wangen,
wenn hoher Herscher Herz sich erfreut an
          heiteren Spielen.


Da Schande dich deckt und Scheu dich forttreibt,
musst du edlen Männern immer fern stehn;
verworfen weilst du, wo du weilst, sei's
          weit oder nahe.

Wie im Segler sickernde Jauche
sich im Kielraum sammelt, so, wie kund es ward,
aller Laster Unflath in Ingeld's Herzen
          auf sich gestaut hat.

So zwinget dich Scham und Schande zugleich
in traurigem Winkel träge zu liegen
mit Schmutze bedeckt, nicht zerschmetternd den Feind im
          Schmucke der Waffen.

Den Bart du wirst schütteln ob bösem Loosse,
durch der kecken Kebse Künste gebändigt,
wenn das Unweib dir das Ohr behäuft mit
          albernen Klagen.

Da kalte Zagheit dir zügelt die Seele,
und du dich fürchtest, den Vater zu rächen,
ganz entartet du bist und ähnlich traun nur
          eitelem Gecken.

Du lassest dich leiten mit leichter Mühe,
wie man ergriffenen Geissbock tödtet
oder zartes Zicklein zur Bank hin
          zieht, es zu schlachten.

Sieh, Swerting's Sohn, des schweren Zwingherrn,
wird nach dir einst Danland beherschen,
dessen Schwester du dich mit schwerem Frevel
          schwurest zum Gatten.

Dieweil du umgaukelst die Goldgeschmückte,
im Herzen sie hegst, dich ihr hold erzeigest,
brennt uns der Schimpf, und die Schande drückt uns
          schuldlos darnieder.

Dieweil dich Lustgier zu lottern antreibt,
erweckt uns Wehmuth gewesener Zeiten
Erinnerung oft, und zu eiteler Klage
          Alle sie reizet.

Denn mehr als dich uns der Mord betrübet,
der Feinde Frevel, die du feig verehrest;
drum weckt in Allen, die das Einst noch kennen,
          Ekel das Heute.


Nichts würde mich, traun, mehr erfreuen,
als säh' ich, Frôdhi, die frechen Mörder,
die deiner Brust die Brandgluth schürten,
          brennen am Galgen.

Durch seine Ermahnung und Anreizung erweckte er in der kraftlosen und frostigen Seele Ingeld's gleichsam wie aus einem Kiesel das lohendste Feuer der Tapferkeit. Zuerst hatte der König dem Liede ohne Aufmerksamkeit zugehört; dann aber, aufgeregt durch die eindringliche Ermahnung seines Erziehers, fasste er plötzlich den Vorsatz seinen Vater zu rächen, entsagte der Wonne eines freundlichen Wirthes und zeigte sich als Feind. Eifrig sprang er von seinem Sitze empor und ergoss die Fluth seines Zornes auf seine Tischgenossen, so dass er das Schwert gegen Swerting's Söhne in grausem Grimme entblösste, und mit dem Stahle den Hals derjenigen suchte, deren Gaumen er durch die Genüsse des Tisches ergetzt hatte. Als er diese sofort umgebracht und den Tisch mit dem verhassten Blute befleckt hatte, zerriss er das schwache Band der Gastfreundschaft und ward aus dem verworfensten Sklaven seiner Lüste der schrecklichste Diener der Rache. Der Aufruf des Ermahners hatte dem weichen Gemüthe des Jünglinges feurigen Muth eingehaucht, und seine Kühnheit aus ihrem Verstecke hervorgezogen, so dass er den Urhebern des grausen Mordes eine der That entsprechende Strafe auferlegte, denn die Thatkraft des Jünglinges war nur betäubt, nicht vernichtet; die Aufforderung des Greises hatte sie erweckt, und so war ihre Erscheinung um so grossartiger, je später sie an das Licht trat, und er hielt es für viel schöner, die Becher mit Blute statt mit Weine anzufüllen. Auch dem eifrigen Greise können wir unsern Beifall nicht versagen, der durch seine eindringliche Ermahnung die schnöde Schlaffheit des jungen Königes tilgte und statt ihrer, indem er die Wälle der Nichtswürdigkeit durchbrach, den wirksamsten Samen der Tapferkeit ausstreute. Er zeigte nicht nur, dass Mannhaftigkeit sein eigenes Gemüth belebe, er rief diese auch in fremder Brust in's Dasein, in welcher sie bereits erstorben zu sein schien. Als Alles vorüber war, begann er also:

Heil dir, Ingeld, Herscher, Warst du schweigsam, schwächlich,
deine That aus Tugend stumpf selbst bis zur Stunde:
keimte kühner Seele; deine Weichheit wogst du
Muth dir im Gemüthe und dein Zögern, Zaudern
lebt, man sah ihn leuchten, auf durch edle Thatkraft,
deiner Brust gebrach es schleunigst alle Schlaffheit
nicht an raschem Rathe bannend aus dem Busen
        reifer Mannheit. bieder thatst du.

Kämpfen lass uns, König,
fällen alle Feinde,
keiner darf entkommen;
streng die Schuld bestrafe:
auf den Stifter stürze
seines frechen Frevels
Folg', es soll der Falsche
      voll uns büssen.

Auf den Karren Knechte
laden dann die Leiber,
führen sie zur Ferne ;
unbestattet alle
liegen, frei den Lüften,
denn kein Brand sie brenne,
und kein Hügel hülle
      hehr die Todten.

Wolfes Zahn zerwühle
ihren Leib; mit lautem
Rufe komm' der Rabe
sich am Mahl zu mästen;
dort mit üblem Dufte
Angers Oede füllend
feuchten sie mit Fäulniss
      fern den Rasen.

Bist du klug, o König,
schickst du heim das herbe
Weib, die wüste Buhlin,
dass die Wölfin werfe
Junge nicht, ihr ähnlich,
dass kein Wolf, erwachsen
dir aus deinem Blute,
      dich zerreisse.

Sag' es, Hrôdhi, sag' es,
der du Zage züchtigst
immer sonder Aufschub:
haben voll nicht Frôdhin
reichlich wir gerochen,
die wir sieben senkten,
ihn, den einen, rächend
      uns zur Sühne?

Sieh', man trägt die Trüger
her auf harter Bahre,
die zum Scheine schalten
hier man fand als Fürsten;
die dein Reich beriethen
trügerisch und treulos,
frech auf Frevel sinnend
      freundlich lachten.

Doch ich hegt' im Herzen
mir zum Trost in Trauer
hehre Hoffnung immer,
weil der Edlen Abspross
artet nach den Ahnen,
wandelnd auf dem Wege,
dem die Väter folgten
      fest und sicher.

Würdiger dich nun weiss ich,
Ingeld, als voreinst traun,
Hleidhra's Herr zu heissen
und der Dienste Danlands;
denn die Feinde fühlten
deines Armes Obmacht,
der des Vaters Fall du
      voll vergaltest.–

Seit ich Hâkon's Helden
jung noch zu mich zählte,
schlug ihm seine Schlachten,
hasst' ich jede Halbheit;
Leckerei, wie Leichtsinn
mied ich um die Mannheit;
kannte nichts als Kämpfe,
      kühne Thaten.

Geist und Leib im Geerkampf
und im Schwung des Schwertes
übt' ich alle Tage,
beugte vor dem Bauchdienst;
Gaumenkitzel galt mir
nichts, und neue Trachten
keinen Wunsch mir weckten,
      wisst es Alle!

Rauh Gewand der Recke
trug vor Zeiten, Tracht er
leicht erwerbbar liebte;
selten ruht' er, suchte
spät das Bett, sich sputend
früh schon, froh des Morgens,
tüchtig seine Thatkraft
      täglich mehrend.

Jetzt ist's anders, eitle
Gier den Geist umnebelt;
Frasssucht, blind und freudlos,
manchen Mann entmuthet;
reich Gewand umrauscht oft
fluchtgewohnten Flaumbart,
der auf raschem Rosse
      rasselnd hinfleugt.

And're wieder eifrig
um Gewinnchen werben,
Trost für träges Leben
ist es diesen Eulen.
Mit Gewalt auch wirft man
Rechte nieder, raubet
frisch, jedweden Frevel
      frech belachend.

And're Unzucht üben
dingend freche Dirnen;
gaumenkitzelnd Gastmahl
lockt zum Luder Viele;
Zechgelage ziehen
an so manche Mäuler,
wo mit spitzem Spotte
      Spass sie machen.

Doch es fällt der Feige,
schwang er auch kein Schwert je;
Keinen schirmt ein Schilddach,
der zu fallen fürchtet,
schläft er im verschlossnen
Zimmer auch, der Zage.
Hin zu ihrem Hause
      Hel zieht Alle!

Mich, der ich den Erdkreiss
füllte mit Gefechten,
sendet sanft ein Schwert mich
einst in Ôdhin's Halle?
sendet Siechthum einst mich
hin zur Hel, der harten?
Lauf es, wie es laufe:
      lachend scheid' ich! Nach dem Glauben der alten Skandinavier nahm die Kampftodten, Edlen und Freien Ôdhin in Walhalla auf; alle an Krankheiten Sterbenden kamen zur Hel. Später nahm man an, dass sich Ôdhin und Freyja in die Kampftodten theilen, alle Knechte aber, als Landbebauer, zu Thôr, dem Gotte des Landbaues kommen.


 << zurück weiter >>