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Mittlerweile näherten sich die beiden Flotten einander. In diesem feierlichen Augenblicke, welcher einem der furchtbarsten Kämpfe voranging, deren Schauplatz jemals das Meer gewesen, gab jeder Kommandant seinen Tagesbefehl. Der französische Admiral sagte zu seinen Kapitänen: »Man darf nicht auf die Signale des Admirals warten, die in der Verwirrung des Kampfes nicht gesehen werden können. Es muß vielmehr ein jeder auf die Stimme der Ehre hören und sich dahin begeben, wo die Gefahr am größten ist. Jeder Kapitän ist auf seinem Posten, wenn er im Feuer ist.« Von Seiten der Engländer waren aller Augen auf das Admiralsschiff geheftet, um den Tagesbefehl zu lesen, der an Bord des verbündeten Geschwaders schon verteilt war. Es dauerte nicht lange, so sah man an der Spitze des großen Mastes des »Victory« einen Zettel, auf welchem die lakonische Anrede geschrieben stand: »England erwartet, daß ein jeder seine Pflicht tue.«
Nelsons guter Genius, der kleine glückverkündende Vogel, war nicht zum Vorschein gekommen. Und nun verleihe Gott mir Kraft, zu schreiben, was mir noch zu erzählen übrig bleibt. Es war ein Uhr nachmittags und man befand sich auf der Höhe des Kaps Trafalgar, als das Feuer begann. Nelson trug einen blauen Rock und auf der Brust den Bath-Orden, den Ferdinands-Orden, den Verdienst-Orden, den Joachims-Orden, das Maltheserkreuz und den ottomanischen Halbmond. Diese Dekorationen mußten ihn natürlich zum Zielpunkt aller Schüsse machen und der Kapitän Hardy wollte ihm durchaus einen andern Rock anziehen. »Es ist zu spät,« sagte Nelson. »Man hat mich nun schon in diesem gesehen.« Der Kampf war furchtbar und vier Schiffe, der »Victory«, der »Formidable«, der »Bucentaurus« und der »Téméraire« schossen aus nächster Nähe auf einander. Der erste Mann, der an Bord des »Victory« fiel, war Nelsons Sekretär. Er ward von einer Kugel zerrissen, während er mit dem Kapitän Hardy sprach. Da Nelson diesen jungen Mann sehr liebte, so ließ Hardy seine Leiche sofort beseitigen, damit ihr Anblick den Admiral nicht betrüben möchte. Beinahe in demselben Augenblicke warfen zwei Kettenkugeln acht Mann, mitten durchgerissen, auf das Deck herab, »O, o,« sagte Nelson, »dieses Feuer ist zu lebhaft, als daß es lange dauern könnte.«
Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so schnitt der Luftdruck einer an seinem Munde vorüberfliegenden Kanonenkugel ihm den Atem ab, so daß er beinahe erstickt wäre. Er klammerte sich an die Arme eines seiner Leutnants, taumelte eine Minute mühsam nach Luft schnappend hin und her und sagte dann, sich wieder ermannend: »Es ist nichts, es ist nichts!« Dieses Feuer hatte ungefähr seit zwanzig Minuten gedauert, als Nelson plötzlich wie vom Blitze getroffen auf das Deck niederstürzte. Es war genau ein Viertel auf zwei. Eine aus dem Besanmastkorbe des »Formidable« abgefeuerte Kugel hatte ihn von oben getroffen, war, ohne durch die Epaulette matt gemacht zu werden, durch die linke Schulter gegangen und hatte das Rückgrat zerschmettert. Er stand gerade an derselben Stelle, wo sein Sekretär getroffen worden, und stürzte mit dem Gesichte in dessen Blut. Er versuchte, auf die linke Hand gestützt, sich wieder auf ein Knie emporzurichten. Hardy, der nur zwei Schritte von ihm entfernt stand, sprang hinzu und stellte ihn, von zwei Matrosen und dem Sergeant Seeter unterstützt, wieder auf die Füße. »Ich hoffe, Mylord,« sagte er, »daß Sie nicht gefährlich verwundet sind.« Nelson aber antwortete: »Diesmal, Hardy, hat man mir den Rest gegeben.« – »O, das will ich nicht hoffen!« rief der Kapitän. – »Dennoch ist es so,« sagte Nelson. »An der Erschütterung meines ganzen Körpers fühle ich, daß das Rückgrat getroffen ist.«
Hardy gab sogleich Befehl, den Admiral nach dem Posten der Verwundeten zu tragen. Während die Matrosen ihn dorthin trugen, bemerkte er, daß die Taue, mittels deren man das Steuerruder handhabt, durch den Kugelhagel zerrissen waren. Er machte den Kapitän Hardy darauf aufmerksam und befahl einem Kadetten, die zerrissenen Taue durch neue zu ersetzen. Nachdem er diese Befehle erteilt, zog er sein Tuch aus der Tasche und bedeckte sich Gesicht und Orden, damit die Matrosen ihn nicht erkennen möchten und soviel als möglich niemand erfahre, daß er verwundet sei. Als man ihn in das Zwischendeck hinabgeschafft hatte, kam Mr. Beatty, der Schiffschirurg, herbeigeeilt, um ihm Beistand zu leisten. »Ach, mein Lieber Beatty,« sagte Nelson, »wie groß auch Ihre Wissenschaft sei, so können Sie doch jetzt nichts mehr für mich tun. Das Rückgrat ist mir zerschossen.« – »Ich hoffe, daß, die Wunde nicht so schwer sei, wie Sie glauben, Mylord,« sagte der Wundarzt. In diesem Augenblicke näherte sich Mr. Scott, der Schiffskaplan. Der Admiral erkannte ihn und rief mit vor Schmerz bebender, aber dennoch kräftiger Stimmt: »Ehrwürdiger Herr, grüßen Sie Lady Hamilton grüßen Sie Horatia, grüßen Sie alle meine Freunde von mir. Sagen Sie ihnen, daß ich mein Testament gemacht, und daß ich meinem Vaterland aufgetragen, für Lady Hamilton und meine Tochter Horatia zu sorgen. Merken Sie wohl, was ich Ihnen in dieser Stunde sage, und vergessen Sie es niemals.«
Nelson ward auf ein Bett getragen. Mit großer Mühe zog man ihm seinen Rock aus und bedeckte ihn mit einem Tuche. Während man auf diese Weise mit ihm beschäftigt war, sagte er zu dem Kaplan: »Doktor, ich bin verloren! Doktor, ich bin ein Kind des Todes!« Der Arzt untersuchte die Wunde. Er versicherte Nelson, daß er sie sondieren könne, ohne ihm großen Schmerz zu verursachen. Er sondierte sie auch wirklich und ermittelte, daß die Kugel in die Brust eingedrungen und im Rückgrat steckengeblieben war. »Ich bin überzeugt,« sagte Nelson, während man ihn sondierte, »daß die Kugel durch und durch gegangen ist.« Der Arzt untersuchte den Rücken, derselbe war unversehrt. »Sie irren sich Mylord,« sagte er. »Versuchen Sie aber, mir zu erklären, was Sie empfinden.« – »Es ist mir,« antwortete der Verwundete, »als ob mit jedem Atemzuge ein Blutstrom in mir aufstiege. Der untere Teil meines Körpers ist schon wie tot. Ich atme nur mit Mühe, und obschon Sie das Gegenteil sagen, so behaupte ich doch, daß das Rückgrat entzwei ist.« Diese Symptome verrieten dem Arzt, daß keine Hoffnung auf Rettung mehr möglich sei; dennoch wußte davon, daß die Wunde tödlich war, niemand an Bord etwas als der Arzt, der Kapitän Hardy, der Kaplan und die beiden Hilfschirurgen.
Die Tränen treten mir in die Augen und hindern mich weiter zu schreiben. In den neun Jahren, welche seit diesem Ereignis vergangen sind, habe ich diesen ruhmreichen Tod oft in allen seinen Einzelheiten erzählt, aber es ist jetzt das erste Mal, daß ich ihn niederschreibe. Ich werde fortfahren, sobald ich mich wieder stark genug fühle.