Alexander Dumas
Lady Hamilton
Alexander Dumas

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86. Kapitel.

Gegen fünf Uhr sprang der Wind um, man machte sich segelfertig und lichtete den Anker um sieben Uhr. Dann brach man auf, von der Fregatte »Minerva« und zehn bis zwölf Handels- oder Transportschiffen begleitet. Aber kaum waren wir an Capri vorüber, so wurden wir von einem heftigen Sturm erfaßt. Es war, als ob das Meer, ebenso untreu wie das Land, den König auch verraten wollte. Der ganze Montag ging in Kämpfen gegen den Sturm hin. Die Nacht war furchtbar; die drei Bramstangen und der Bugspriet zerbrachen. Zwanzigmal dachten wir, das Schiff würde auseinandergehen, so schrecklich war das Krachen. Man wird sich schwerlich eine Idee von dem Zustande machen, in dem sich die königliche Familie befand. Der vom Schrecken niedergeschmetterte König befahl sich allen Heiligen und besonders dem heiligen Franziskus von Paula, dem er ganz besonders zu vertrauen schien und dem er, wenn er ihn rettete, eine ebenso schöne Kirche wie die Peterskirche zu Rom versprach. Von seiner Familie sprach er dabei gar nicht; ohne Zweifel aber war diese mit darunter verstanden. Die kleinen Prinzessinnen waren vor Hunger und Seekrankheit dem Tode nahe; der Kronprinz schien ebenso niedergeschlagen zu sein wie sein Vater; die Prinzessin Clementine lächelte, ihre Tochter in den Armen haltend, melancholisch den Himmel an. Die Königin war düster und in Gedanken versunken. Von Zeit zu Zeit kam Nelson, der auf dem Verdeck blieb, um über die Sicherheit seiner erlauchten Passagiere zu wachen, herab, um uns ein Wort der Ermutigung zu sagen, welches ich nur mit einer Bewegung der Hand oder mit einem Blick beantwortete, und da es hauptsächlich dieser Blick, dieses Zeichen mit der Hand war, was er sich holen wollte, so stieg er dann zufrieden wieder hinauf. Gegen Morgen hellte sich der Himmel ein wenig auf. Nelson sagte uns, er glaube, es werde nun zwei Stunden Ruhe sein, und wenn wir einen Augenblick auf das Verdeck steigen wollten, so würden wir uns wohlfühlen. Man würde übrigens diesen Augenblick zugleich benützen, um die Kajüten etwas in Ordnung zu bringen. Der König, der den größten Teil der Nacht auf den Knien im Gebet verbracht, atmete wieder auf und ging uns mit gutem Beispiel voran, indem er den einzigen Arm Nelsons ergriff, und mit diesem auf das Verdeck stieg. Die Königin folgte ihm. Als sie sich allein und wankend der Treppe näherte, sprang ich auf Sie zu, um sie zu stützen. Nelson kam wieder mit dem Kapitän Hardy herunter, um der Kronprinzessin und den jungen Prinzessinnen den Arm zu geben. Was den Kronprinzen betrifft, so war dieser erschöpfter und niedergeschlagener als irgendeiner von uns. Der jüngste der Söhne der Königin blieb, unfähig sich zu bewegen, in seiner Hängematte liegen.

Das Verdeck des »Vanguard« bot ein Schauspiel von Verwirrung dar, die nicht weniger groß war, als die unserer Kajüte. Die Matrosen benutzten den Augenblick Ruhe, den ihnen der Sturm gewährte, um die zerbrochenen Stangen durch neue zu ersetzen, und machten sich auf den Wiederbeginn des Sturmes gefaßt. Der König, der sich auf die Schanze des Schiffes gestützt hatte, blickte mit neidischen Augen auf die Fregatte des Admirals Caracciolo, die zu unserer Linken hinsegelte und ein bezaubertes Schiff zu sein schien. Nichts von seinem Tauwerke, nichts von seinem Tafelwerke war beschädigt, und es schien gänzlich verschont zu bleiben von den ungeheuren Wellenschlägen, in deren Folge wir mit einer Bewegung dahinrollten, die der eines Pferdes glich, welches sein Reiter galoppieren läßt. »Sehen Sie dort, Madame!« sagte der König zu Karoline. Und er zeigte ihr die »Minerva«. »Nun?« fragte ihn die Königin. – »Nun, Sie sind schuld, daß ich auf diesem Schiff und nicht auf jenem bin.« – »Es sich sehr glücklich,« antwortete die Königin, »daß der Admiral nicht italienisch versteht.« – »Und warum?« – »Weil es meiner Meinung nach schon genug ist, daß er einen feigen König führt, ohne daß Sie ihm noch beweisen, daß er es mit einem undankbaren König zu tun hat.« Und sie drehte ihm den Rücken zu. »Nennen Sie mich so undankbar, wie Sie wollen,« sagte der König, ohne das erste Prädikat zu rügen; »deswegen ist es nicht weniger wahr, daß ich lieber auf der Fregatte Caracciolos als auf dem ›Vanguard‹ sein möchte.«

Man hatte mir soeben gesagt, daß der kleine Prinz, der in seiner Hängematte liegen geblieben, nach mir verlange. Ich beeilte mich, hinunter zu gehen. Es war ein Kind von sechs Jahren, was man den Prinzen Albert nannte. Er wurde von der Königin nicht sonderlich geliebt, denn wahre Zuneigung besaß sie bloß für ihren zweiten, neun Jahre alten Sohn Leopold. Die Folge davon war, daß der arme kleine Albert, der diese Vernachlässigung instinktartig fühlte, sich an mich angeschlossen hatte, mich seine »kleine Mama« nannte und allemal in meine Arme eilte, wenn er einer Strafe entgehen oder eine Gnade erlangen wollte.

Das arme Kind befand sich etwas wohler und bat mich, ihn auf das Verdeck zu führen. Trotz der Bewegung des Schiffes nahm ich ihn auf meine Arme und trug ihn hinauf.

Während der Stunde, die soeben verflossen war, hatte sich der Himmel von neuem bedeckt und der Wind war nach Südwest umgesprungen, so daß der »Vanguard« genötigt war, dicht bei dem Winde zu segeln. Was die »Minerva« betraf, so war es, als ob ihr alles gleichgültig wäre und selbst der widrige Wind ihr Flügel liehe.

Übrigens war es nicht schwer, zu sehen, daß ein neuer Sturm herankam. Dunkle, feuchte, grauweiße Wollen sanken schnell herab und schienen auf den Mastspitzen des »Vanguard« zu ruhen. Starke Stöße einer lauwarmen, entnervenden Luft gingen an uns, einen faden Geschmack zurücklassend, vorüber. Es war dies der lybische Wind, der, welcher den Matrosen des mittelländischen Meeres am meisten zuwider ist. Nelson teilte uns mit, daß die Ruhe, die uns der Sturm vergönnt, zu Ende sei, und daß, wenn wir wieder in unsere Kajüten hinabgehen wollten, er in unserer Abwesenheit dem Sturme die Spitze bieten wolle. Ich warf einen letzten Blick auf die neapolitanische Fregatte, und was für ein Vorurteil ich auch zu Nelsons Gunsten hatte, so war ich doch nicht weniger gezwungen die Vorzüglichkeit ihres Segelns vor dem unsrigen anzuerkennen.

Wir steuerten mit nur wenigen, kurzgerefften Segeln, während die »Minerva« mit vollen Segeln den Sturm herauszufordern schien. Da ihr Vorderteil spitzer war, so teilte sie die Wogen besser, rollte folglich weniger als der »Vanguard« und rechtfertigte den selbstsüchtigen Wunsch des Königs. Zehn Minuten nach dem Rate, den uns Nelson gegeben, waren wir wieder in unsern Kajüten, und der Sturm stürzte sich wieder auf uns herab. So verbrachten wir den Dienstag und den Mittwoch. Der Donnerstag wurde durch ein schreckliches Unglück gekennzeichnet. Gegen vier Uhr nachmittags ward der junge Prinz Albert, mein Liebling, von Krämpfen befallen, die sich immer mehr steigerten. Der Schiffsarzt kam herunter, aber alle seine Hilfe war vergebens. Ich hielt das Kind in meinen Armen an meine Brust gedrückt, und ich fühlte, wie alle seine Glieder sich unter den Schmerzen der Krankheit krümmten. Einige Male wollte ihn die Königin nehmen, aber er klammerte sich an mich und wollte mich nicht verlassen. Der Sturm heulte schrecklicher als je. Die Wogen bedeckten das Verdeck, das Schiff zitterte von den Masten an bis in den Raum, aber ich gestehe, daß ich weiter nichts hörte, als das Wehklagen des armen Kindes, daß ich weiter nichts fühlte, als den Schauer dieses sich im Todeskampfe windenden kleinen Körpers. Endlich gegen sieben Uhr abends stieß er einen herzzerreißenden Schrei aus, erstarrte in meinen Armen, machte eine Anstrengung, um mich zu umarmen, und ein Seufzer hob seine Brust – es war der letzte. »Madame! Madame!« rief ich fast wahnsinnig »der Prinz ist tot!« Die Königin kam zu uns, sah ihren Sohn an, berührte ihn und begnügte sich zu sagen: »Gehe, armes Kind! Du gehst uns so kurze Zeit voraus, daß es nicht nötig ist, dich zu beweinen.« Dann fügte sie, indem sie die Hand mit einer Gebärde ausstreckte, die sie mehr der Medea als der Niobe ähnlich machte, hinzu: »Aber, wenn wir davonkommen, dann sei ruhig, du sollst gerächt werden!« Es war als ob der Sturm nur auf dieses Sühneopfer gewartet hätte, um sich zu beruhigen. Kaum hatte nämlich das königliche Kind den letzten Seufzer ausgehaucht, so legte sich der Wind und der Himmel hellte sich auf.

Ich glaube, diese Besserung in der Atmosphäre mußte erst eintreten, ehe die königliche Familie wirklich bemerkte, daß sie soeben eines ihrer Glieder verloren. Die Prinzessin Marie Clementine schien am meisten ergriffen zu sein. Sie erhob allerdings kein Geschrei, sie ließ kein Zeichen des Schmerzes sehen, aber bei dem Ausrufe, der meinem Munde entschlüpfte: »Der Prinz ist tot!« drückte sie ihre Tochter an ihr Herz und große Tränen rollten über ihre Wangen.

Ich legte den kleinen Prinzen in meine eigene Kajüte, und blieb die Nacht über an seinem Bette sitzen.

Um zwei Uhr morgens hörte ich ein lautes klirrendes Geräusch. Man warf den Anker aus. Wir waren angelangt. Einen Augenblick darauf hörte jede Bewegung des Schiffes auf. Wir hatten fünf Tage auf der schrecklichen Überfahrt zugebracht, denn es war jetzt Freitag, den 26. Dezember. Um fünf Uhr waren alle bereit ans Land zu steigen; aber ich erklärte, daß ich bei dem kleinen Prinzen bleiben würde, bis er zur Erde bestattet wäre.

Der König, die Königin, die Brüder und die Schwestern des Toten verließen sich, ohne mir sonderlich zu widersprechen, in dieser Beziehung auf mich. Man versprach im Laufe des Tages die Leiche abholen zu lassen, um sie in der Kapelle des königlichen Palastes auf dem Paradebette aufzustellen, und Nelson machte sich anheischig, von dem Schiffszimmermann Sarg und Bahre fertigen zu lassen. Die königliche Familie, Acton, Sir William Hamilton und die Minister Castelcicala, Belmonte und Fortinguerra stiegen in die Schaluppen und ließen sich nach der Marina rudern, wo ihre Landung von der auf den Raaen stehenden Mannschaft des »Vanguard« mit lautem Hurra begrüßt ward. Salutschüsse wurden nicht abgefeuert, weil man sich innerhalb des Hafendammes befand. Nelson blieb an Bord. An der Leiche des armen Kindes vertrat ich gewissermaßen die Stelle der Mutter, die mir eine Liebe schwur, welche sie auch niemals verleugnet hat. Um zwei Uhr nachmittags ward die kleine Leiche auf ihre Bahre gelegt, und ein Bote kam, um uns zu melden, daß der Leichenwagen auf dem Kai wartete. Die Matrosen ließen die Leiche in die Admiralsjolle hinab. Nelson und ich nahmen, wie eigentlich der Vater und die Mutter hätten tun sollen, zu beiden Seiten des Sarges Platz und man ruderte nach dem Kai. Der Sarg ward auf den Leichenwagen gehoben; eine Hofequipage stand für uns bereit. Wir stiegen hinein und fuhren langsam hinter der Leiche her. So kamen wir fast durch ganz Palermo, welches durch zwei Hauptstraßen, die Via de Toledo und die Via Maqueda, kreuzweise durchschnitten wird, und gelangten an den königlichen Palast. Die Leiche ward in der byzantinischen Kapelle beigesetzt, wo sie drei Tage bleiben sollte, und nun erst verlangte ich, daß man mich in die Zimmer der Königin führe.

Nelson ließ sich mittlerweile zum König bringen. Er fand denselben sehr beschäftigt, aber nicht mit der Niederlage der Armee oder mit den Fortschritten der Revolution, und ebensowenig mit Berechnung der Zeit, wo die Franzosen wahrscheinlich in Neapel sein wurden, sondern mit zwei andern, weit wichtigeren Fragen. Die erste war: Gab es in der Ficuzza einen guten Wildstand? und die zweite: Wer waren wohl am Abend dieses Tages die Mitspieler, welche die Ehre hatten, mit dem Könige eine Partie Reversi zu machen? – Es waren nun beinahe zwei Monate vergangen, seitdem der König nicht auf der Jagd gewesen, und über acht Tage, daß er keine Partie Reversi gemacht. Allerdings hatte er seine gewöhnlichen Spieler, den Herzog von Ascoli, den Fürsten von Castelcicala und den Fürsten von Belmonte, mit bei sich, aber er liebte auch dann und wann einmal andere Gesichter zu sehen. Ruffo spielte nicht, und übrigens hatte die Königin auch eine solche Antipathie gegen ihn gefaßt, daß der König darauf verzichtet hatte, ihm in dem engern Familienkreise Zutritt zu gestatten. Wenn er über Politik mit ihm zu sprechen und ihn über irgendeine Regierungsmaßregel zu Rate zu ziehen hatte, so schrieb er ein Billett und ließ ihn zu sich kommen. Nun aber gab es gerade in Palermo einen Mann, der ein großer Spieler und auch ein großer Jäger war und dem König Ferdinand sofort die beiden Dinge bieten konnte, welche er suchte, nämlich ein prachtvolles Jagdrevier auf seinem Landgute Illica und einen unermüdlichen Mitspieler am Boston- oder Reversitische.

Dieser Mann war der Präsident Cardillo. Der König war kein sonderlicher Freund der adeligen Beamten, die bedrängten Umstände aber, in welchen er sich für den Augenblick befand, bewogen ihn, diese Antipathie einmal zu überwinden. Er ließ sich demzufolge den Präsidenten Cardillo präsentieren, der ihm seine Wälder, seine Fasane, seine Rehe, seine Wildschweine und seine Hunde sofort zur Verfügung stellte. Der über dieses Anerbieten nicht wenig erfreute König nahm sofort eine Jagd für den nächstfolgenden Tag an und lud den Präsidenten für denselben Abend zu einer Spielpartie ein. Im Laufe des Tages jedoch teilte man dem König mit, daß der Präsident der schlechteste Spieler in ganz Sizilien sei. Der König lachte.

»Mein Himmel,« rief er, »und ich habe bis jetzt immer geglaubt, ich selbst sei der schlechteste Spieler in meinem ganzen Königreich! Ich habe also einen Mann gefunden, der mir in jeder Beziehung die Spitze bieten wird.«

Man kann sich leicht denken, daß man dem Präsidenten Cardillo eine Menge Ratschläge gab. Alle diese Ratschläge ließen sich ihrem Hauptinhalte nach in die Worte zusammenfassen: »Vergessen Sie nicht, daß es der König ist, mit welchem Sie die Ehre haben zu spielen, und mäßigen Sie sich.« Der Präsident gab die schönsten Versprechungen von der Welt und setzte am ersten Abend durch seine Mäßigung die sämtlichen Anwesenden, welche man von seiner Reizbarkeit unterrichtet, förmlich in Erstaunen.

Ein einziges Wort entschlüpfte ihm, welches ihm sofort die Geneigtheit des Königs gewann. Der König, dem man Zornesausbrüche des Präsidenten versprochen, hatte sich darauf gefaßt gemacht, und da er vergebens darauf wartete, so glaubte er sich gewissermaßen getäuscht und um einen Genuß betrogen. Er trieb deshalb den armen Cardillo so in die Enge, daß er selbst nicht recht acht auf das Spiel gab und einen groben Fehler machte. »Himmel Element,« rief der König, »ich bin wirklich ein großer Esel! Ich hätte mein Aß zugeben können und habe es nicht getan.«

»Na,« entgegnete der Präsident, dem sein Bemühen, sich in den Schranken der Mäßigung zu erhalten, ebenfalls die Aufmerksamkeit auf das Spiel geraubt hatte, »ich bin ein noch größerer Esel als Euer Majestät, denn ich hätte den Buben ausspielen können und habe ihn in der Hand behalten.« Der König brach in ein lautes Gelächter aus. Die Antwort des Präsidenten erinnerte ihn an die Freimütigkeit seiner guten Lazzaroni. Der Präsident Cardillo sagte ihm von diesem Augenblick an ganz vortrefflich zu und die Jagden in Illica erwarben ihm seine Gunst vollends im höchsten Grade. Da das Rerversi ein Spiel war, welches seines Ernstes wegen für den frivolen Teil des Hofes, dem ich angehörte, nicht viel Verlockendes hatte, so errichtete man für uns eine Pharobank. Ich hatte das Spiel stets leidenschaftlich geliebt, und da ich jetzt allen meinen Gelüsten ungebundener folgen konnte als je, so gab ich mich ganz dieser Leidenschaft hin.

Nelson spielte niemals, sondern stand, mit seinem einzigen Arme auf meine Stuhllehne gestützt, hinter mir und flüsterte mir leise Beteuerungen seiner Liebe zu, wodurch das Spiel für mich einen doppelten Reiz erhielt. Ach, heute, wo ich oft mit Schmerzen auf das Goldstück warte, welches für unsern wöchentlichen Lebensunterhalt notwendig ist, gedenke ich nicht ohne Gewissensbisse der Zeit, wo ich das Gold mit vollen Händen auf den Spieltisch warf. In bezug auf den Mann, welcher bei diesen Gelegenheiten die Bank hielt – es war dies der Herzog von S. – muß ich meinen Bekenntnissen, die ich vollständig zu machen versprochen, eine kleine Einzelheit einschalten.

Der Herzog von S. war eine Art Casanova, stammte aber aus einer sehr vornehmen und ausgezeichneten Familie Siziliens. Auf dem Kontinent war er sehr bekannt wegen seiner Reisen, wegen seines Tuns und Treibens in den Hauptstädten und durch seine Duelle, welche ihren Grund fast alle in seinem außerordentlichen Glück am Spieltisch gehabt hatten. In dem vorliegenden Falle ist jedoch hiervon nicht die Rede. Ob der Herzog von S. als Bankier seine zweiundfünfzig Karten immer redlich und gewissenhaft handhabte, weiß ich nicht, wohl aber weiß ich, daß er jeden Tag sich mit einer neuen Nadel in seinem Hemd oder einem neuen Diamant an seinem Finger zeigte. Ich war Weib und dieser Diamant verlockte mich. Ich verlangte denselben genauer anzusehen, ich steckte ihn an meinen Finger oder an meinen Hals, ich bat den Herzog, mir ihn abzulassen. Er bot ihn mir mit der Gewißheit, daß ich ihn zurückweisen, daß aber mein Wunsch entweder von der Königin oder von Sir William oder von Nelson erfüllt werden würde. In der Tat war ich auch sicher, den von mir am Abend gewünschten Gegenstand am nächstfolgenden Morgen auf meiner Toilette zu finden. Wer hatte mir ihn geschenkt? Darnach fragte ich nicht einmal. Was kam bei diesem verschwenderischen Leben, wo man sich förmlich in Gold wälzte, und sich sehr wenig darum kümmerte, woher es kam oder wohin es ging, auf zwei- oder dreihundert Louisdor mehr oder weniger an? Und dennoch kam, wie ich später wohl einsah, jedes dieser Goldstücke vom Volke und es klebte dessen Schweiß, wo nicht dessen Blut daran. Auf alle Fälle weiß ich gewiß, daß der Herzog von S. dadurch, daß er sich seines Juwelenvorrats Stück für Stück zu meinen Gunsten entäußerte, keine schlechten Geschäfte machte.


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