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Zu der Zeit, wo ich bei meiner Rückkehr von Wien mit Sir William und Lord Nelson, also 1801, durch Deutschland reiste, sah ich den Mann in der Verbannung, welcher 1792 den König Ludwig den Sechzehnten zu dem Entschlusse bewogen, Österreich den Krieg zu erklären. Dieser Mann war Charles François Dumouriez, der zu unserem Unglück Frankreich bei Balmy und Jemappes rettete. Ich hatte am Hofe von Neapel so viel von ihm sprechen hören, daß ich ihn mit der größten Aufmerksamkeit betrachtete und mir kein Wort von dem Gespräch, welches er mit Mylord führte, entgehen ließ. Wenn ich bei dieser Epoche meines Lebens angekommen sein werde, werde ich den Eindruck schildern, den er auf mich machte.
Wir haben gesagt, daß nach dem Schwure, den man der Verfassung geleistet, eine Art Frieden sich zwischen der Versammlung, welche die Nation, und dem König, welcher das göttliche Recht repräsentierte, gebildet hatte, aber wider seinen Willen und den der Königin fortgerissen, hatte der König sich zum Vorkämpfer der revolutionären Prinzipien von 89 gemacht. Wir hätten sagen sollen, es sei ein Waffenstillstand gewesen. Bei der ersten besten Gelegenheit, sollte dieser Waffenstillstand gebrochen werden. Diese Gelegenheit bot sich bei der Entlassung der Minister, welche den Krieg hatten erklären lassen. Zu Ende des Juni erfuhren wir durch einen Brief der Königin Marie Antoinette selbst den Sturm auf die Tuilerien durch die Faubourgs Saint-Antoine und Saint-Marceau, unter der Anführung des berüchtigten Santerre, der, wie Cromwell, erst gewesen, aber, da ihm das Genie des Protektors fehlte, auf dem dritten Teil des Weges, den der Abgesandte der Universität von Cambridge durchlief, innehalten mußte. Dieser Brief war der vorletzte Verzweiflungsschrei Marie Antoinette's. Wir hörten nicht den letzten, den sie am 10. August ausstieß. Vom 1. Juli 1792 an erhielt die Königin Karoline nur indirekte Nachrichten über ihre Schwester und man sah von dem, was in Frankreich vorging, nicht mehr, als wie man zuweilen einen Blitz durch Gewitterwolken hindurchsieht.
Der Brief der Königin Marie Antoinette war lang, er erklärte, wie Ludwig der Sechzehnte in den Krieg mit Österreich eingewilligt und wie er denselben der Nationalversammlung zuerst vorgeschlagen. Marie Karoline vermutete wohl, daß ihr Schwager diesen Schritt nur widerstrebend getan, sie kannte aber nicht genau die Lage, in welcher er sich befand. Der Brief ihrer Schwester schilderte ihr dieselbe in aller ihrer Klarheit. Der König, den die Jakobiner, vor allem Robespierre, beschuldigten, er wolle den Krieg, wollte ihn in Wirklichkeit weniger als sonst jemand. Er hatte allerdings in einem Kriege alles zu verlieren, und die Königin erklärte das sehr gut. Ein Sieg Lafayette's oder irgend eines anderen Generals richtete den Thron nur wieder auf, um ihn unter Vormundschaft zu stellen; auf der anderen Seite erbitterte eine Niederlage ganz Paris, führte Aufruhr in den Straßen herbei und trieb ihn von den Straßen bis in die Tuilerien, wo er noch nicht hingedrungen war, denn natürlich würde der König beschuldigt werden, diese Niederlage vorbereitet zu haben, oder sich doch wenigstens darüber zu freuen. Kurz, wenn der König nicht in dem Sturm unterging, wenn das Königtum von Gottes Gnaden triumphierte, zu wessen Nutzen triumphierte es denn? Zum Nutzen Monsieurs und der Emigration, denn Monsieur verbarg seine Absichten nicht länger. Monsieur wollte die Abdankung Ludwig des Sechzehnten und die Regentschaft bis zur Mündigkeit des Dauphin. Besonders die Königin hatte alles zu fürchten, und obgleich ihr energischer Charakter, der dem Marie Karolinens sehr ähnelte, dazu beitrug, daß sie sich mutig der Gefahr entgegenstellte, verhehlte sie sich doch nicht, daß sie weder in Paris noch im Ausland Freunde hatte.
In Paris hatte man sie abwechselnd Madame Defizit oder Madame Veto genannt und das gesamte Volk war ihr Feind. In Koblenz hatte man beschimpfende Lieder auf sie gedichtet und ihre Todfeinde waren Monsieur und der frühere Minister Calonne, der, nachdem er ihr Diener gewesen, sie jetzt haßte und den Grafen Artois für sich gewonnen hatte, der ihr ehemals freundlich gesinnt gewesen, jetzt aber zu ihren Feinden übergegangen war. So war das siegreiche Frankreich für Marie Antoinette wahrscheinlich die Absetzung. Siegten die Fürsten, so war es noch schlimmer, denn dann blieb ihr nichts übrig, als das Kloster. Der König von Frankreich hatte am 20. April Österreich den Krieg erklärt. Am 28. hatte bei Quiévrain das erste Treffen stattgefunden. Die Revolutionäre waren geschlagen worden, und hatten in einer Scheune den General Theobald Dillon ermordet, den Bruder des schönen Arthur Dillon, den man für den ersten Geliebten Marie Antoinettens ansah. Ja, der Haß gegen die arme Königin von Frankreich war so groß, daß die Soldaten, welche Theobald mit Arthur verwechselten, diesen aus Haß gegen seinen Bruder umbrachten und über Verrat schrien. Der andere war noch unglücklicher; er starb 1794 auf dem Schafott. Unglücklicherweise wußten die Preußen keinen Nutzen aus diesen ersten Siegen zu ziehen. Sie besaßen ein so großes Selbstvertrauen, daß der Herzog von Braunschweig, an den die Königin geschrieben, um ihren Schwager und ihre Schwester zu empfehlen, ihr antwortete: »Eure Majestät möge sich beruhigen. Wir sind im Begriff nicht einen Krieg zu führen, sondern einen militärischen Spaziergang zu machen. Unsere Tagemärsche sind im voraus bezeichnet und ungefähr am 15. September werden wir in Paris sein.« Und wirklich nahm der General Clerfayt am 23. August Longwy nach einem vierundzwanzigstündigen Bombardement und am 2. September nahm der König von Preußen selbst Verdun und rückte gegen Paris. Vor diesen etwas beruhigenden Nachrichten jedoch hatten wir unheilvolle Mitteilungen erhalten. Am 10. August waren die Tuilerien mit Sturm genommen und am 13. der König mit der königlichen Familie in den Temple gebracht worden. Dann kam die Nachricht von dem Blutbad in den Gefängnissen. Im ersten Augenblicke meldete man der Königin, daß alle Gefangenen gemordet worden seien, daß man keine einzige Ausnahme gemacht hätte, und daß der König und die Königin mit den anderen umgekommen seien. Marie Karoline glaubte vor Wut und Schmerz wahnsinnig zu werden. Zugleich aber erhielt man einen Brief von Herrn v. Breteuil, dem Agenten Ludwig des Sechzehnten, und einen anderen von Herrn v. Mercy-Argenteau, welche die Königin von Neapel in bezug auf diesen Punkt beruhigten, indem sie ihr meldeten, daß der König und die Königin noch lebten, daß man aber davon spräche, gegen den König einen Prozeß einleiten zu wollen. Herr von Mercy-Argenteau meldete unter anderem in einem Postskriptum, daß die Vendée sich empört hätte. So hatten die Republikaner das Schwert des Auslandes vor den Augen, den royalistischen Dolch in der Flanke.
Zu gleicher Zeit hörten wir von dem Sieg bei Balmy, von der Proklamation der Republik, der Anklage gegen den König und dem wahrscheinlichen Frieden mit Preußen. Der militärische Spaziergang Seiner Majestät des Königs Friedrich Wilhelm hatte sich nicht über die Grenze des Argonnerwaldes ausgedehnt und im Lager von la Lune Halt gemacht. Jetzt entschloß sich Marie Karoline die neapolitanische Regierung mit ins Treffen zu führen. Das erste Zeichen von Feindseligkeit, welches der König Ferdinand der neuen Republik gab, war die Weigerung, sie in der Person ihres Gesandten, des Bürgers Mackau, anzuerkennen und in Konstantinopel den Bürger Sémonville auf dieselbe Weigerung stoßen zu lassen. Hierauf ließ die Königin durch den General Acton eine Note an Venedig und Sardinien verfassen. Diese Note, welche auf eine italienische Liga hinzielte, war in folgenden Worten abgefaßt:
»In welcher Lage sich die deutschen Truppen am Rhein auch befinden mögen, so ist es doch für Italien sehr wichtig, in den Alpen Kräfte zu haben, die ihm zum Schütze dienen und die Franzosen verhindern, entweder wenn sie an anderen Punkten besiegt werden, eine verzweifelte Diversion zu machen, oder als Sieger bei den Verfolgungen ihrer Feinde die italienischen Staaten zu beunruhigen. Wenn das Königreich Neapel, Sardinien und Venedig sich zu diesem Zwecke verbündeten, würde sich der Papst ganz gewiß der heiligen Sache anschließen, die kleinen Mittelstaaten würden, sie möchten nun wollen oder nicht, der allgemeinen Bewegung folgen und aus diesem Bunde würden eine Menge Kräfte hervorgehen, die fähig wären, Italien zu verteidigen und ihm Einfluß und Gewicht in den Kriegen und Kabinetten Europas zu verleihen. Der Zweck dieser Note ist der, die Gründung einer Konföderation vorzuschlagen, in welcher der König beider Sizilien die größte Verantwortlichkeit übernehmen würde, obgleich er der letzte ist, den die Waffen Frankreichs erreichen können. Er glaubt jedoch die italienischen Fürsten daran erinnern zu müssen, daß die Hoffnung, einzeln der Gefahr eines feindlichen Einfalls zu entschlüpfen, stets der Untergang Italiens gewesen ist.«
Man hatte soeben die Antwort Sardiniens, welches diesen Vorschlag annahm, erhalten und man erwartete die Antwort Venedigs, als am 16. Dezember, als die Minister mit Sir William Rat hielten und ich soeben das Frühstück mit der Königin eingenommen hatte, die am Fenster stand und zerstreut auf den Scheiben trommelte, sie mich plötzlich rief und mir das Meer zwischen dem Pausilippo und Capri ganz mit Schiffen bedeckt zeigte. »Was ist denn das?« fragte sie mich. Ich blickte hin und wußte ebensowenig wie sie. Als das Geschwader aber Neapel in Sicht bekam, hißte man die dreifarbigen Flaggen auf, die in Neapel so verhaßt waren, und man erkannte eine französische Flotte. In diesem Augenblicke vernahmen wir schnelle Schritte im Vorzimmer, die Tür ward heftig aufgerissen, der König kam sehr bleich und aufgeregt hereingestürzt und indem er sich in einen Lehnstuhl warf, sagte er, indem er auf einige Schiffe zeigte, die mit vollen Segeln daherkamen: »Sehen Sie, Madame, das ist Ihr Werk!« Jetzt ward die Königin ebenfalls sehr bleich, aber vor Zorn, ihre Unterlippe verzog sich verächtlich und indem sie ihrem Gemahle ins Gesicht sah, sagte sie mit gerunzelter Stirn: »Wollen Sie mir die Gnade erweisen, sich zu erklären, denn ich verstehe Sie nicht.« – »Zum Teufel!« schrie der König, »ich dächte doch, das wäre leicht zu verstehen! Sie haben mich bewogen, Monsieur Magot nicht zu empfangen,« – der König verunstaltete in seinem neapolitanischen Dialekte, mochte dies nun absichtlich geschehen oder nicht, den Namen des Gesandten der französischen Republik – »Sie haben mich bewogen, an meinen guten Freund, den Sultan zu schreiben, den ich niemals gesehen, dessen Beys von Tunis, von Marokko und von Tripolis meine Untertanen rauben und auf ihren Galeeren rudern lassen; Sie haben mich bewogen, sage ich, an meinen Freund, den Sultan zu schreiben, daß auch er Monsieur Sémonville nicht empfangen sollte, und er hat nicht unterlassen, sich dieses Vergnügens zu berauben; Sie haben mich an die Spitze einer Konföderation der italienischen Fürsten, von welchen die Hälfte mich in der Gefahr sitzen lassen wird, gestellt, um eine Koalition gegen Frankreich zu bilden. Nun, Frankreich ist entrüstet und schickt mir eine Flotte; wozu das, mag Gott wissen! Vielleicht um Neapel zu bombardieren!« – »Und was dann?« fragte die Königin.
»Wie, was dann? Was dann, nachdem Neapel bombardiert worden?« – »Neapel wird bombardiert werden, wenn es sich nicht verteidigt.« – »Im Gegenteile, Madame, es wird bombardiert werden, wenn es sich verteidigt.« – »So wollen Sie die Franzosen also in den Hafen kommen lassen, ohne eine Kanone abzufeuern?« – »Das glaube ich wohl! Erstens taugt das Pulver, welches man in Neapel fabriziert, nichts, da zehnmal mehr Kohle als Salpeter darin enthalten ist. Wenn ich mit neapolitanischem Pulver schießen ließe, so würde kein Drittel der Schüsse treffen, und deshalb lasse ich auch mein Pulver aus England kommen.« – »Dann haben Sie also wohl befohlen –« – »Daß man dem Admiralschiffe entgegengehe, um den Kommandanten der Flotte daran zu erinnern, daß ein alter Vertrag nur sechs französischen Kriegsschiffen die Einfahrt in den Kriegshafen gestattet.« – »Nun, das muß ich sagen!« rief die Königin. – »Warten Sie doch! – Um ihm jedoch zu sagen,« fuhr der König fort, »daß es einmal noch keine Gewohnheit ist, und daß ich ihn bitte, mich, ehe ein Offizier der Flotte ans Land steigt, wissen zu lassen, welchem glücklichen Umstande ich die Ehre seines Besuches zu verdanken habe.« – »Du hörst es, Emma!« rief die Königin ungeduldig, indem sie mit dem Fuße stampfte. Der König tat, als ob er diese Bewegung der Königin nicht bemerkte. »Und,« sagte er, »der Kapitän François Caracciolo wird in der königlichen Jolle meinen Auftrag ausführen.« – »Ich bewundere Sie!« sagte die Königin spottend. »Sie schicken einen Fürsten zu Republikanern.« – »Madame, da ich voraussetze, daß die französische Republik mir das Beste sendet, was sie hat, so schicke ich auch ihr das Beste, was ich besitze. Sehen Sie diese Halunken von Franzosen! Sie fürchten sich vor nichts, diese Teufel von Jakobinern! Dort wirft das Admiralschiff in halber Schußweite vom Kastell d'Uovo Anker. Sie müssen wissen, daß wir schlechtes Pulver haben, sonst würden sie sich nicht der Gefahr aussetzen, in den Grund gebohrt zu werden.« – »Ach nein,« murmelte die Königin, »das wissen sie nicht; sie wissen aber wahrscheinlich etwas anderes.« – »Daß ich unfähig bin, aus ihrer Unklugheit Nutzen zu ziehen?« sagte der König in dem spöttischen Tone, welcher machte, daß man nie erraten konnte, ob er spottete oder im Ernste sprach, ob er geistreich war, oder eine Dummheit sagte. »Sie haben recht, jene lieben Sansculotten! Ah, meiner Treu', da, entfaltet sich ja die ganze Flotte in Schlachtordnung; sie manöverieren wundervoll! Und wenn man bedenkt, daß seit acht oder zehn Jahren mein Marineminister, der General Acton, jährlich acht bis zehn Millionen verschlingt, indem er mir eine Flotte verspricht, die ich niemals erblicke. Mit hundert Millionen sollte ich eine dreifach so große Flotte als diese hier haben. Begeben Sie sich in den Staatsrat, Madame, und teilen Sie diese meine Bemerkung Herrn Jean Acton mit. Dann übt sie vielleicht eine größere Wirkung auf ihn aus, als wenn ich es täte; denn wenn ich, um es kurz zu sagen, eine dreifach so große Flotte als jene dort hätte, so schlecht unser Pulver auch sein möchte, so könnten wir uns verteidigen, während dies rein unmöglich ist, da wir nur schlechtes Pulver und fünf oder sechs armselige Schiffe haben, die hintereinander herfahren!« Die Königin, welche die Absicht des Königs wohl verstand, biß sich auf die Lippen, daß sie beinahe bluteten, denn der König sagte ihr zugleich damit: »Du hast einen Gatten, der ein Feigling, und einen Geliebten, der ein Dieb ist.« – »Sie haben recht, mein Herr,« sagte sie. »Ich werde in den Rat gehen und in dem Sinne sprechen, in welchem Sie es wünschen.« – »O, Sie haben Zeit! Sehen Sie, dort steigt Caracciolo allein an Bord. Sehen Sie nur, wie das gute Volk sich dafür interessiert! Ganz Neapel ist auf den Kais. Das schöne Gemetzel, wenn man sich schlüge! Freilich würde das ganze Gesindel sehr bald Reißaus nehmen.« – »Der unbarmherzige Zyniker!« murmelte die Königin. – »Hörst du ihn? Ich glaube, daß er, wenn er niemanden hätte, über den er spotten könnte, sich selbst verspotten würde.« – »Zum Teufel!« sagte der König, »die Unterredung hat nicht lange gedauert; da steigt Caracciolo schon wieder in seine Jolle. Noch vor zehn Minuten wird er hier sein. Erweisen Sie uns die Ehre, dem Rat beizuwohnen, Madame? Sie wissen, daß Sie das Recht dazu haben, seitdem Sie der Krone einen Erben gegeben. Sie haben selbst Tannucci daraus verstoßen, indem Sie von diesem Ihrem Rechte Gebrauch machten. Er war für die französische Politik, und Sie waren für die österreichische. O, wenn er doch hier wäre; er könnte uns einen guten Rat geben!« – Und der König verließ das Zimmer, indem er den Kopf schüttelte und sagte: »Armer Tannucci!«