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Der nächstfolgende Tag verging, ohne daß wir auch nur ein einziges Segel gewahrten. Das Wetter war schön, der Wind gut, wir passierten die Inseln und Montags am 24., bei Tagesanbruch, begegneten wir einer neapolitanischen Sloop, welche uns bat, ihr Wasser zu geben. Eine Stunde später sahen wir eine Brigg auf uns zukommen, in welcher Nelson die englische Brigg »Mutine« erkannte. Er ließ signalisieren, daß er mit ihr zu sprechen wünsche. Die Schaluppe der Brigg ward ausgesetzt, kam auf uns zu und der Kapitän Hoste stieg an Bord des »Donnerers«. Der Kapitän Hoste war Überbringer eines Vertrages, welcher zwischen dem Kardinal Ruffo, dem General der türkischen Truppen, dem Kapitän Foot vom »Seahorse«, den Franzosen im Kastell San Elmo und dem Rebellen im Castello Nuovo und dem Castello d'Uovo abgeschlossen worden. Als Nelson hörte, daß mit den Rebellen ein Vertrag geschlossen worden, was doch den Befehlen der sizilianischen Majestäten geradezu entgegen war, ward er bleich vor Zorn. Er sendete sofort ein kleines Fahrzeug mit dem Vertrag nach Palermo und schrieb dem König, er kehre sich nicht an diesen Traktat, sondern betrachte denselben als einen Akt des Verrats, der nicht aufrecht erhalten werden dürfe. Nachdem er aus dem Munde des Kapitäns Hoste alle weiteren Einzelheiten vernommen, welche dieser ihm über dieses Ereignis liefern konnte, befahl er ihm, sich auf sein Schiff zurückzubegeben und mit ihm nach Neapel zu kommen. Man machte sich wieder auf den Weg.
Da der Wind gut war, so kam man bald in Sicht von Capri und steuerte mit vollen Segeln weiter nach Neapel. Nelson war mit Sir William in seine Kajüte hinuntergegangen und ließ ihn auf französisch, einer Sprache, welche der Kardinal Ruffo sehr gut verstand, den folgenden Brief an denselben schreiben.
»An Bord des ›Donnerer‹, 25. Juni 1799.
Eminenz!
Mylord Nelson bittet mich, Euer Eminenz zu melden, daß er von dem Kapitän Foot, dem Kommandanten der Fregatte ›The Seahorse‹, die Abschrift der Kapitulation erhalten, welche Ew. Eminenz angemessen gefunden, mit dem Kommandanten des Castells San Elmo, des Castello Nuovo und des Castello d'Uovo abzuschließen, daß er diese Kapitulation vollständig mißbilligt und daß er fest entschlossen ist, mit der respektablen Streitmacht, welche er die Ehre hat zu kommandieren, nicht neutral zu bleiben. Mylord hat die Kapitäne Truebridge und Wall, Kommandanten der Kriegsschiffe ›Culloden‹ und ›Alexander‹, zu Euer Eminenz abgesendet. Diese Kapitäne sind von seinen Absichten vollständig unterrichtet, und werden die Ehre haben, dieselben Ew. Eminenz auseinanderzusetzen. Mylord hofft, daß Ew. Eminenz ganz seiner Meinung sein werden und daß er morgen mit Tagesanbruch in Übereinstimmung mit Ihnen verfahren können wird.
Ich habe die Ehre zu sein
W. Hamilton.«
Während Sir Hamilton diesen Brief schrieb, hatte das Schiff einen ziemlichen Weg zurückgelegt, so daß man jetzt nur noch zwei bis drei Meilen von der Bai entfernt war. Die Folge hiervon war, daß, als Nelson wieder auf das Verdeck heraufkam, er etwas sah, was er vorher wegen der Entfernung nicht hatte sehen können, nämlich die auf den von den Franzosen und den Rebellen besetzten Castellen und auf dem englischen Kriegsschiff »The Seahorse« wehenden Parlamentärfahnen. Dieser Anblick steigerte seinen Zorn bis zur Wut. Er rief sofort den »Culloden« und den »Alexander« heran, ließ die Kapitäne Truebridge und Ball an Bord kommen, übergab ihnen Sir Williams Brief und befahl ihnen, in ein Boot zu steigen, und sich nach der Magdalenenbrücke rudern zu lassen, um die Depesche dem Kardinal Ruffo zuzustellen. Von zwölf kräftigen Ruderern in Bewegung gesetzt, erreichte das Boot das Land sehr bald, und die beiden Offiziere fanden, daß der Kardinal Ruffo sie bereits erwartete. Mit Hilfe eines Fernrohrs war er allen Bewegungen des »Donnerers« gefolgt und hatte das Boot von dem Schiff abstoßen und nach dem Lande rudern sehen.
Die Offiziere entledigten sich des ihnen erteilten Auftrags. Ruffo nahm Kenntnis von der Depesche und glaubte, Nelson mißbillige die Kapitulation bloß aus dem Grunde, weil Neapel angegriffen worden, ohne daß man, wie verabredet worden, die Ankunft des englischen Geschwaders abgewartet, wo dann der Kronprinz bei diesem Angriff den Oberbefehl führen sollte. Er glaubte nun, ein persönlicher Besuch an Bord des »Donnerers«, wobei er dem Admiral die dringenden Beweggründe, welche ihn zum Angriff auf Neapel getrieben, auseinandersetzen wollte, würde alles wieder ins Gleiche bringen. Er stieg daher in das Boot der Kapitäne Truebridge und Ball und ließ sich nach dem »Donnerer« rudern, wo seine Ankunft mit dreizehn Kanonenschüssen begrüßt ward. Nelson erwartete ihn oben an der Treppe mit Sir William, welcher, da er französisch ebenso gut sprach als italienisch, Ruffo empfing, die Honneurs des Schiffes machte und ihn in die Kajüte führte, in welcher ich zurückgeblieben war. Als der Kardinal mich erblickte, machte er eine Bewegung. Er wußte, daß die Königin ihn nicht liebte, und daß ich alle Gefühle der Königin, Antipathien ebenso wie Sympathien, teilte.
Ich grüßte kalt. Man tauschte die hergebrachten Komplimente aus, und der Kardinal begann in vortrefflichem Französisch die Ereignisse des 13. und 14. Juni zu erzählen, durch welche die Kapitulation herbeigeführt worden. Nelson sagte, er könne in dem Traktat nur einen Waffenstillstand sehen. Ruffo besprach jedoch sämtliche Artikel einen nach dem andern und bewies, daß es sich hier nicht um eine einstweilige Einstellung der Feindseligkeiten, sondern um einen wirklichen Vertrag handle, der weder durch die Ankunft der französischen, noch durch die Ankunft der englischen Flotte gebrochen werden könne. Dies beruhte alles auf so vollkommener Wahrheit, daß beim ersten Anblick die Patrioten – dies war der Name, welchen der Kardinal den Rebellen gab – weil sie die englische Flotte für die französisch-spanische angesehen, sich gefragt hatten, ob die Ankunft dieses Beistandes etwas an der Kapitulation ändere, und daß sie beinahe einstimmig ihre Entscheidung dahin abgegeben, die Unterschriften blieben gültig und der Vertrag müsse aufrecht erhalten werden. Sir William übersetzte, sowie Ruffo sprach, dessen Worte dem englischen Admiral, welcher ungeduldig zuhörte, und als er vernahm, daß eine loyal geschlossene Kapitulation auch loyal ausgeführt werden müsse, auf englisch ausrief: »Aber, Sir, Monarchen unterhandeln nicht mit ihren Untertanen!«
»Allerdings, Mylord,« antwortete der Kardinal, »allerdings ist es besser für sie, wenn sie nicht kapitulieren; von dem Augenblicke an aber, wo sie es getan, sind sie an die Verträge gebunden.«
Dann wendete er sich zu meinem Gemahl und fragte: »Ist das nicht auch Ihre Meinung, Sir?« Sir William verneinte, indem er erklärte, er teile vielmehr Nelsons Ansicht, und der Kardinal sah, daß die Sache ernster stand, als er anfangs geglaubt. Er erhob sich nun und sagte, da die Russen und die Türken auch mit bei dem Vertrag beteiligt wären, so könnte er den vom Lord Nelson erhobenen Einwand nicht allein beantworten. Mit diesen Worten nahm er Abschied und ließ sich wieder ans Land bringen. Als er wieder in sein Quartier zurückgekehrt war, ließ er, wie wir später erfuhren, den Minister Micheroux, den Kommandanten Baillie und den Kapitän Foot zu sich rufen. Letzteren hatte Nelson jedoch Sorge getragen zu entfernen, indem er ihn nach Procida geschickt. Der von dem Kardinal zusammengerufene Kriegsrat entschied nicht bloß, daß man die Kapitulation aufrecht erhalten, sondern auch, daß man, wenn Nelson dabei bliebe, sie nicht anzuerkennen, alle Mittel versuchen würde, um die Rebellen zu retten. Der Abend, die Nacht und der Morgen des 26. Juni vergingen mit fortwährenden Hin- und Herfahrten vom Hauptquartier nach dem »Donnerer« und von dem »Donnerer« nach dem Hauptquartier, ohne daß die Frage einen Schritt weiter vorrückte, weil jeder fest bei seinem Willen beharrte. Am Morgen des 27. Juni erließ Nelson folgende an die Jakobiner im Castello Nuovo und im Castello d'Uovo gerichtete Erklärung: »Der Kontreadmiral Lord Nelson, Kommandant der britischen Flotte in der Bai von Neapel, benachrichtigt die in dem Castello Nuovo und in dem Castello d'Uovo eingeschlossenen rebellischen Untertanen Sr. sizilischen Majestät, daß er ihnen ebensowenig erlaubt, diese Plätze zu verlassen, als sich einzuschiffen. Sie müssen sich vielmehr einfach ihrem Könige auf Gnade und Ungnade ergeben.«
Um diese Erklärung zu proklamieren, näherte sich ein Boot dem Castello d'Uovo, worauf sie dann laut vorgelesen ward. Der Kommandant des Castells stieg jedoch auf die Mauer und rief dem Herold zu: »Fort, schnell fort, oder ich lasse auf Euch schießen! Es besteht ein Vertrag und dieser Vertrag muß gehalten werden.«
Auf die Meldung dieses Aufrufes, welchen Nelson an die Republikaner erlassen, glaubte der Kardinal Ruffo nun seinerseits eine entschlossene Haltung annehmen zu müssen.
Demzufolge schrieb er folgendes Billett an den Admiral:
»Wenn Lord Nelson die Kapitulation der Castelle von Neapel, an welcher unter den andern Kontrahenten auch ein englischer, Großbritannien repräsentierender Offizier teilgenommen, nicht anerkennen will, so wälzt der Kardinal die ganze Verantwortlichkeit dafür ihm zu und wird sich genötigt sehen, den Feind wieder in den Stand zu setzen, in welchem er sich vor Unterzeichnung des Traktats befand. Das heißt, die Truppen des Kardinals werden die Positionen, welche sie jetzt einnehmen, aufgeben, und sich in ein verschanztes Lager zurückziehen, um die Engländer den Kampf gegen die Republikaner mit ihrer eigenen Streitmacht aufnehmen zu lassen.« Nachdem Nelson dieses Billett, welches die Frage in ein so klares Licht stellte, gelesen, zog er sich mit Sir William in seine Kajüte zurück, aus welcher er dann mit der folgenden Note in der Hand wieder heraustrat. Der Bote des Kardinals empfing gleichzeitig das englische Original und die von Sir William gefertigte Übersetzung:
»Da der Kontreadmiral Lord Nelson,« so lautete die Note, »am 24. Juni in der Bai von Neapel angelangt ist und einen mit den Rebellen abgeschlossenen Traktat unterzeichnet vorgefunden hat, so ist seine Meinung die, daß dieser Traktat nicht ohne Zustimmung Sr. sizilischen Majestät in Ausführung gebracht werden kann.«
Der Kardinal antwortete hierauf, daß, wenn den nächstfolgenden Tag die Patrioten oder die Rebellen, wie es Nelson beliebe sie zu nennen, von ihm nicht ermächtigt würden, sich einzuschiffen, er die ausgesprochene Drohung ins Werk setzen und sich mit seiner ganzen Armee zurückziehen würde. Diese Drohung war eine sehr ernste, denn Ruffo, der sich durch Nelsons Weigerung sehr verletzt fühlte, war ganz der Mann, sie auszuführen, und Nelson, dem es an Landungstruppen fehlte, wäre dann genötigt gewesen, Neapel zu bombardieren.
Demzufolge antwortete Sir William:
»Eminenz!
Mylord Nelson ersucht mich, Euer Eminenz zu versichern, daß er entschlossen ist, nichts zu tun, was den von Euer Eminenz den Kastellen von Neapel bewilligten Waffenstillstand unterbrechen könnte. Ich habe die Ehre zu sein usw. usw.
W. Hamilton.«
Diese Antwort ward dem Kardinal durch die Kapitäne Truebridge und Ball überbracht, welche ihm auch den Protest des Admirals überreicht. Da Sir William Hamiltons Antwort nichts eigentlich Positives enthielt, so befragte der Kardinal die beiden Offiziere, welche den Brief dahin erklärten, daß der Admiral sich der Einschiffung der Republikaner nicht widersetzen würde. Der Kardinal fragte sie hierauf, ob sie ermächtigt seien, ihm das, was sie soeben gesagt, schriftlich zu geben, nämlich daß Nelson verspräche, sich der Einschiffung der Republikaner nicht zu widersetzen. Die beiden Offiziere berieten sich miteinander und antworteten nach einigen Minuten, daß sie kein Hindernis sähen, den Wunsch des Kardinals zu erfüllen.
Truebridge nahm zugleich ein Blatt Papier, und schrieb mit seiner Hand darauf:
»Die Kapitäne Truebridge und Ball sind autorisiert, im Namen Mylord Nelsons Sr. Eminenz zu erklären, daß Mylord sich der Einschiffung der Rebellen von der Mannschaft, welche die Garnison der Castelle Nuovo und d'Uovo ausmacht, nicht widersetzen wird.«
Dann überreichten sie diese Erklärung dem Kardinal.
»Nun, meine Herren,« sagte dieser, »haben Sie die Güte dieses Papier auch mit Ihren Namen zu unterzeichnen.« – »Ich bitte um Verzeihung, Eminenz,« antwortete Truebridge, »wir haben wohl Vollmacht für die militärischen Angelegenheiten, aber nicht für die diplomatischen. Da jedoch diese Note, obschon nicht unterzeichnet, von unserer Hand geschrieben ist, so bitten wir Sie, ihr Glauben beizumessen.« Ruffo bestand weiter nicht auf seinem Verlangen, sei es nun, daß es ihm selbst lieb war, sich auf diese Weise aus der Affäre zu ziehen, sei es, daß er die beiden Offiziere zu verletzen fürchtete. Truebridge und Ball kehrten an Bord des Admiralschiffes zurück, erzählten, was sie getan, und Nelson sowohl als Sir William erklärten sich damit einverstanden.