Alexander Dumas
Lady Hamilton
Alexander Dumas

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66. Kapitel.

Wenn jemals ein Gesicht seinen Eigentümer zu einem kriechenden Schurken stempelte, wie die Königin gesagt hatte, so war dies gewiß das Gesicht Basilio Palmieris. Er trat bis auf die Erde gebückt ein; wenn er von der Türe bis zur Königin hätte kriechen können, so hätte er es getan. Die Königin empfing ihn stehend. Der Herr Fiskalprokurator versuchte es anfangs, sich zu entschuldigen, beim Tribunal so wenig ausgerichtet zu haben. Er hätte dreißig Köpfe gefordert, allein es wäre nicht seine Schuld, daß ihm nur drei bewilligt worden, er hätte die Tortur verlangt, es wäre nicht seine Schuld, daß man diese Forderung zurückgewiesen.

»Es ist gut, mein Herr,« erwiderte Karoline kalt, »Sie sind vielleicht ein anderes Mal glücklicher.«

«Ich lege der Königin meine demütigen Huldigungen zu Füßen und frage Ew. Majestät, ob ich vielleicht in irgendeiner Weise nützen kann.«

»Sie können mir zwei Dienste erweisen, mein Herr,« erwidert die Königin.

»Ich!« rief der Fiskalprokurator erstaunt aus, »ich könnte Ew. Majestät zwei Dienste erweisen? Sie wollen sagen, Madame, Befehle empfangen!«

»Sie können,« fuhr die Königin fort, »mir sagen, welcher von den drei Verurteilten dem königlichen Palaste am nächsten wohnt.« – »Das ist der junge Emanuele de Deo, Madame,« erwiderte der Fiskalprokurator, der eine solche Frage nicht begreifen konnte. – »Hat er noch Eltern?« hob die Königin wieder an. – »Nur noch den Vater.« – »Wissen Sie seine Adresse?« – »Ja, Madame.« – »Geben Sie mir diese.« – »Giuseppe de Deo in der Brigittenstraße, nahe bei dem Getreidehändler, ziemlich in der Mitte der Straße.« – »Ich danke, mein Herr. Schreibe diese Adresse auf, Emma.« – Ich zog ein paar kleine Elfenbeintäfelchen aus der Tasche und schrieb eifrig die von dem Fiskalprokurator gegebene Adresse darauf. Die Königin sah nach mir hin, bis ich die Adresse vollständig aufgeschrieben, als ob sie den Mann nicht anblicken wollte, den sie erst, als die höchste Zeit war, zu sich beschieden. Endlich wendete sie sich wieder an ihn und sagte: »Jetzt sagen Sie mir, wo die Verurteilten gefangensitzen.« – »In der Vicaria, Madame.« – »Hier ist Papier, Tinte und eine Feder, schreiben Sie, mein Herr.« – Die Königin zeigte dem Fiskalprokurator einen Tisch, auf welchem die von ihr genannten Gegenstände lagen. Don Basilio Palmieri, der sich in Gegenwart der Königin nicht zu setzen wagte, beugte ein Knie zur Erde, nahm die Feder zur Hand und war zu schreiben bereit. – »Sind Sie bereit, mein Herr?« fragte die Königin. – »Ja, Madame.« – Die Königin diktierte: »Der Oberkerkermeister der Vicaria wird allen Befehlen, die ihm die Person, welche dieses Billett vorzeigt, geben wird, blindlings Gehorsam leisten.« – »Ich bin fertig, Madame.« – »Nun gut, dann schreiben Sie das Datum und Ihren Namen darunter, und benachrichtigen Sie Ihren Oberkerkermeister, daß Sie einen Befehl für ihn gegeben hätten.« – »Und soll ich ihm sagen, welche erhabene Person –« »Sie sollen ihm nichts sagen, mein Herr, denn Sie wissen meine Absichten nicht, und ich wünsche, daß Sie dieselben auch nicht zu erfahren suchen.« – »Haben Ew. Majestät noch weitere Befehle für mich?« – »Nein, mein Herr.« – »Dann habe ich die Ehre, mich Euer Majestät zu empfehlen und Ihnen meine tiefste Hochachtung zu Füßen zu legen.« – Die Königin neigte das Haupt ein wenig und der Fiskalprokurator verließ rückwärtsgehend das Zimmer. Die Tür schloß sich hinter ihm.

»Was soll ich denn mit dieser Adresse machen, Madame?« fragte ich. – »Behalte sie. Wenn der Augenblick gekommen sein wird, wo ich sie benutzen will, werde ich dir weitere Anweisungen geben.« Was den Befehl betraf, den sie sich für den Oberkerkermeister der Vicaria hatte geben lassen, so las sie denselben noch einmal durch, um zu sehen, ob er auch so geschrieben, wie sie ihn diktiert, dann faltete sie ihn, überzeugt, daß keine Silbe mehr und keine Silbe weniger darin sei, sorgfältig zusammen und steckte ihn in ein kleines Portefeuille, welches sie gewöhnlich bei sich trug. Ich folgte allen ihren Bewegungen mit den Augen und suchte ihre Gedanken zu lesen. »Ich sehe mit Freude, Madame,« sagte ich, »daß der König wahrscheinlich keine unnütze Vorsicht angewendet hat, indem er Ihnen den Schlüssel zum königlichen Siegel zurückgelassen.« – »Ich habe noch keinen bestimmten Entschluß gefaßt, es wird alles von den Verurteilten selbst abhängen,« erwiderte die Königin. »Auf alle Fälle habe ich dir eine Rolle in der Lösung der Umstände, welche diese nun auch sein mag, vorbehalten, bereite dich also auf diese Rolle vor.« – »Und welche Vorbereitungen soll ich denn treffen?« – »Du mußt heute abend um acht Uhr mit einem schwarzen Kleide und einem schwarzen Mantel hier sein.« – »O, Madame, schwarz hat eine schlimme Vorbedeutung!« – »Sei ruhig, man soll uns in der Nacht nur nicht sehen.« – »Wir werden also heute nacht zusammen ausgehen, Madame?« – »Vielleicht beide, vielleicht mußt du auch allein gehen.« – »Wozu wollen Sie mich denn machen?« – »Dazu, wozu dich Gott bereits gemacht hat, ohne mich erst zu fragen, zu einer Gesandtin.« – Ich wollte fragen, die Königin legte mir aber die Hand auf den Mund. »Mit der Zeit wirst du alles erfahren, schöne Freundin, ich werde dir nichts verheimlichen. So gedulde dich denn ruhig bis heute abend.« – »Dann verlasse ich Sie, Madame, denn ich würde nicht den Mut besitzen, bei Ihnen zu bleiben, ohne Sie zu fragen.« – »Das ist allerdings das beste, was du tun kannst, denn deine Fragen würden doch nur nutzlos sein.« – »Sie sind heute wirklich grausam!« – »Was schadet es denn, wenn meine Grausamkeit sich auf dich allein erstreckt und der Blitz durch diesen Blitzableiter von deinen Schützlingen abgelenkt wird?« – »O, unter dieser Bedingung überliefere ich mich Ihnen. Hier ist mein Arm, beißen Sie mich bis aufs Blut.« – Sie faßte meinen Arm, als ob sie mich wirklich beißen wollte, allein sie berührte ihn nur mit den Lippen. »Meiner Treu, nein,« sagte sie, indem sie den beabsichtigten Biß in einen Kuß verwandelte, »das würde schade sein! Überdies weiß man ja nicht, ob dein Arm Fleisch oder Marmor ist, und ich fürchte meine Zähne daran zu zerbrechen. Geh und versäume ja nicht, heute abend Punkt acht Uhr hier zu sein.« – »O, seien Sie unbesorgt, Madame, ich werde nicht auf mich warten lassen.« – Und Punkt acht Uhr trat ich ganz schwarz gekleidet in das Zimmer der Königin. Sie erwartete mich in demselben Kostüm. – »O,« sagte sie, als sie mich erblickte, »heute sehe ich dich zum ersten Male schwarz gekleidet. Weißt du, daß schwarz dich wundervoll kleidet und du entzückend schön bist?« – »Sie sind es ebenfalls, Madame; ich möchte Sie aber dennoch lieber anders gekleidet sehen; wir sehen wie zwei Witwen aus.« – »Meinst du denn, daß dies das größte Unglück wäre, welches uns treffen könnte?« – »Ja, was mich betrifft, so schwöre ich es Ihnen! Ich liebe den guten Sir William sehr!« – »So, daß du ihm ein Grabmal errichten lassen würdest, wie die Königin Artemisia es getan,« erwiderte lachend die Königin, »nur daß du dich nicht mit auf seinem Scheiterhaufen verbrennen ließest.«

»Ich schwöre Ihnen, daß, wenn ich in Malabar geboren wäre –«

»Ja, du bist aber, glaube ich, in dem Fürstentums Wales geboren, so daß ich vollkommen beruhigt bin. Jetzt handelt es sich aber um das alles nicht. Ich habe dir bereits gesagt, daß ich dir heute abend eine Rolle als Gesandtin übertragen würde; bist du bereit dazu?«

»Ich erwarte die Befehle Ew. Majestät.« – »Du hast doch die Adresse, die dir Don Basilio gegeben?« – »Wenn ich sie auch nicht hätte, so erinnerte ich mich doch derselben. Es war die Brigittenstraße, nahe bei dem Getreidehändler, ungefähr in der Mitte der Straße.« – »Und der Vater des Verurteilten?« – »Giuseppo de Deo.« – »Gut. Du wirst in einem Wagen ohne Wappen und Namenszug, den ich für dich habe anspannen lassen, in die Brigittenstraße fahren, Giuseppo de Deo abholen und mit hierher zu mir bringen.«

»Wie, Madame,« rief ich hoch erfreut, »Sie wollen mit dem Vater des unglücklichen jungen Mannes sprechen?«

»Ja, es ist eine Grille von mir.« – »Dann ist er ja aber gerettet!« – »Noch nicht.« – »Und ich soll ihn holen?« – »Ja, du müßtest dich denn weigern.« – »Ich sollte mich weigern, der rettende Engel eines unglücklichen Verurteilten, der Himmelsbote einer unglücklichen Familie zu sein!«

»Nun, wenn du deine Aufgabe für eine Wohltat hältst, so verliere keine Zeit, dieselbe auszuführen.«

»O, ich eile, Madame! Mein Mantel! mein Mantel!«

Ich hatte denselben bei meinem Eintritte in das Zimmer auf einen Sessel geworfen. Die Königin ergriff ihn und legte mir ihn um.

»Und jetzt geh', du Taube der Arche,« sagte sie, »möchtest du einen Olivenzweig zurückbringen!«

Ich flog leicht wie der Vogel, dessen Namen die Königin mir beigelegt, die Treppe hinunter, ließ den Wagen vorfahren und sprang hinein, indem ich dem Kutscher zurief: »In die Brigittenstraße!«


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