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Achtzehntes Kapitel.
»Das hat Gott gefügt!«

Jetzt, Wie die erste mütterliche Freude vorüber war, suchte Valeria eilfertig mit den Augen den Retter ihres Sohnes. Sie gewahrte den Grafen, und weil sie meinte, der müsse es sein, eilte sie hinzu, fiel vor ihm nieder, und wollte seine Kniee umfangen. Aber der Graf ließ es nicht geschehen. »Erhebt euch, edle Frau!« sagte er, indem er Valeria emporrichtete, »ihr verschwendet eure Dankesbezeugungen an einen, der sie nicht im Geringsten verdient hat. Aber ich kenne den Retter eures Kindes. Er ist mein Freund. Vor einigen Minuten hat er sich von hier entfernt. Bei dem Anblicke dieses Kindes regten sich in seinem Innern Gefühle, denen er sich in der Einsamkeit hingeben will. Er erzählte mir mit Wehmuth und Thränen, er habe auch einmal ein Kind gehabt: das müsse jetzt, wenn es noch lebe, in dem Alter dieses holden Knäbleins sein. Und ein liebes braves Weib sei seine Gattin gewesen. Das Unglück und böse Menschen haben sie von einander getrennt. Ein einziges Andenken hat die Gattin dem Gatten zurückgelassen, das liebste, was er auf dieser Erde noch besitzt. Seht her! seht in diesem Bilde drei Herzen voll Eintracht und Liebe. O daß sie sich wieder finden möchten!« –

Mit diesen Worten reichte der Graf der knieenden Frau das Bildniß hin, das ihm Fernando in den Händen gelassen hatte. Kaum daß Valeria es sah, sank sie in stummes Entzücken. Einige Augenblicke hatte sie keine Sprache. Aber ihr unverwandter Blick auf den ihr dargereichten Gegenstand zeigte deutlich, daß sie das Bild alsobald erkannt habe. – »Bei Allem, was euch heilig,« rief sie, indem sie es faßte, und mit unbeschreiblicher Freude an ihre Brust drückte, bei der Seligkeit, die ihr und ich jenseits zu erlangen hoffen; bei dem Mitleid, das ihr dem erschütterten Herzen einer unglücklichen Frau schuldig seid; und bei dem neuen jungen Leben meines geretteten Kindes fleh' ich zu euch! Herr, sagt mir, wie ihr zu diesem Bilde gekommen!«

»Das soll euch,« erwiederte der Graf mit einer Stimme, die vor Freude zitterte: »das soll euch derjenige selbst sagen, der es mir in die Hand gegeben. Ihr werdet ihn hier sehen, bald, recht bald, vielleicht nach Verlauf von wenigen Minuten. Das kann ich euch zu eurem Tröste sagen: er hat Nachricht von dem Leben eures Gemahls. Die Wunde, mit der er dort im Walde beim nächtlichen Feindesüberfalle bewußtlos vom Pferde stürzte, soll ihn nicht getödtet haben. Er hat bei seiner Rückkunft auf das Schloß, das ihr verlassen, dieß Bild gefunden. Dieß Bild und die Hoffnung, euren Aufenthalt zu entdecken, und euch wieder zu sehen, hat ihn noch am Leben erhalten. Sonst, ach! hätt' ihn wohl der Gram und Kummer schon lange zu Grabe getragen. – Aber was verberg' ich euch die ganze frohe Botschaft länger? Ich seh' es, ihr seid gefaßt. Wohlan denn, edle Gräfin de Oliva, gebt mir das Porträt, das ihr in eurer Hand haltet; ich lasse euch dagegen das Bildniß mit den drei Herzen. Und nun hört und freuet euch mit eurer ganzen Seele! Der Mann, dessen schöne blühende Züge hier auf dem Bilde prangen, der ist es selbst, der mir die drei Herzen gegeben; der ist es, der den holden Knaben aus diesen wüthenden Stromesfluthen herausgezogen; der abgeschieden von der ganzen Welt, diese ärmliche Hütte bewohnt, und jahrelang um Gattin und Kind geseufzt und geweint, der ist es, den ihr nach wenigen Minuten in eure Arme drücken, an eurem Herzen hegen werdet – es ist euer Gemahl – es ist der Vater dieses Kindes – es ist Fernando de Oliva!«

Wie der Graf von Kreuz dieß gesprochen hatte, sah ihn Valeria mit der seligsten Freundlichkeit an; doch konnte sie keinen Laut erwiedern. Der Graf aber fuhr fort: »Auch Don Carlos wandert unter diesen Felsen. Ihr werdet euren Bruder sehen, ehe die Sonne niedergeht.« –

Jetzt sank Valeria plötzlich auf ein Knie; auf das andere setzte sie den lockigen Knaben, und schlang ihre Rechte fest um ihn; mit der Linken drückte sie das Bild mit den drei Herzen abwechselnd bald an die Lippen, bald an ihr Herz. Ihre Augen waren starr an den Himmel gerichtet, während die Thränen, die Perlen der vollendetsten Freude, zu Hunderten und Hunderten die Erde suchten. Sie konnte nur stammeln: »Gott! o Gott! mein Herz ist mein Dank! meine Thränen sind mein Dank!« –

Der Graf stand neben ihr, das Porträt Fernando's, das sie ihm gegeben, in der Hand haltend, und betrachtete sie schweigend und in stiller Freude, weil er ihre Empfindungen jetzt mit keinem Worte unterbrechen wollte. Das Völklein vom jenseitigen Ufer aber hatte indessen immer mehr und mehr Valeria umringt, und bald in höhere, bald in tiefere kleine Gruppen auf den vorragenden Felsen herum vertheilt, harrten sie mit Neugierde, was da werden sollte. –

»Er lebt,« rief endlich Valeria, nachdem sie bisher unbeweglich in ihrer Stellung geblieben war: »Mein Gatte lebt! glücklicher Knabe, dein Vater lebt! Auf! wir wollen zu ihm, zu ihm!« Und im Augenblicke wollte sie sich erheben, um ihn aufzusuchen und ihm entgegenzueilen. –

Aber der Graf hielt sie sanft zurück. »Laßt es gut sein, edle Frau,« sagte er: »noch weiß Fernando nicht einmal, daß ich euch gefunden, daß ihr ihm so nahe seid. Noch weiß er nicht, daß der Knabe, den er gerettet, sein eigener Sohn. Die Ueberraschung, so schnell und unvorbereitet, könnte ihn und euch tödten. Ueberlaßt mir das frohe Geschäft, ihn aufzusuchen, ihm die Freude zu hinterbringen, und ihn hieher in eure Arme zu führen. Ihr aber verhaltet euch ruhig. Knieet und betet! und das versammelte Volk soll mit euch beten, bis ich wieder erscheine.« –

Valeria sank in ihre vorige Stellung zurück, und der Graf verließ sie. –

Er wandelte einige hundert Schritte am Felsenufer hinan; da traf er Fernando mit seinen zwei wiedergefundenen Freunden, wie sie Arm in Arm der Hütte zuwandelten. Wie groß die Freude und das Erstaunen des edlen Grafen von Kreuz war bei der Erzählung dessen, was sich mit diesen Dreien inzwischen zugetragen, läßt sich denken. Noch größer und unbeschreiblicher aber war in seinem Innern die Wonne über das, was er nun zu erzählen hatte.

»Gepriesen sei Gott!« sprach er mit feierlicher Stimme: »hochgepriesen sei Gottes Güte, die uns in diese Felsen eingeführt! Gesegnet sei der Tag, an dem wir in diese Felsen traten! – Ein schönes frohes Wiedersehen nach vielen unglücklichen Jahren der Trennung hat Gott aufbewahrt für uns Alle in diesem engen Gebirgsraume. Fernando! freuet euch, und frohlocket! Ich habe frohe Nachricht von eurer Gattin und eurem Kinde!« –

»O, quält mich nicht in meiner Freude!« erwiederte Fernando, und verbarg sein Haupt an Carlos Brust, damit desto freier und ungesehener seine Thräne fließen konnte: »ihr habt mir das Wiederfinden meiner Freunde traurig gemacht.« –

»Ihn euch ein neues Wiedersehen freudiger zurückzugeben,« sagte der Graf mit erhabener Stimme, und hielt ihm das Porträt entgegen: »Seht her, und antwortet mir! Kennt ihr dieses Bild?« –

»Heiliger Gott!« rief Fernando, und erhob sich von der Brust seines Bruders Carlos: »das ist mein eigenes Bild, das ich meiner theuren Valeria am Tage unserer Trauung auf dem Landgute vor Sevilla zum Geschenke gegeben. Ich bitte und beschwöre euch bei unserer Freundschaft, Graf, sprecht! wie seid ihr zu diesem Bild gekommen?« –

»Ich will es euch sagen, wenn ihr gefaßt seid,« versetzte der Graf: »aber versprecht mir, Fernando, daß ihr gefaßt sein wollt!« –

»O gewiß! gewiß!« rief Fernando, und ergriff mit unsäglicher Freude und in sehnlichster Erwartung einer frohen Nachricht des Grafen Hand: »jetzt, seht, bin ich gefaßt! So wahr diese Felsen unerschütterlich stehen für Menschenkraft – ich bin es! – redet! redet!« –

»Der Knabe,« sprach der Graf von Kreuz mit voller und langsamer Stimme: »der Knabe, den ihr gerettet, Fernando! ist euer eigener Sohn!« –

»Mein Sohn!« rief Fernando und fiel auf die Kniee nieder. Seine Stimme zitterte vor Freude: »Mein Sohn? o Himmel, wie dank' ich dir! wie kann ich dir danken? – Ich habe ihn gerettet! es ist mein eigenes Kind! – Aber wo bin ich denn jetzt? warum eil' ich nicht zu ihm? warum drück' ich es nicht an meine Brust? O Valeria, ich habe dein und mein Kind gerettet!« –

»An eurer Hütte,« fuhr der Graf in der nämlichen Stimme fort: »ist das jenseitige Ufervölklein versammelt. Auf einem Nachen haben sie die trostlose Mutter des Knaben gebracht. Jetzt ist sie getröstet. Sie hält ihn segnend in ihren Armen. Sie knieet und betet und wartet frohlockend auf den Vater, daß er auch komme, und seinen Sohn segne. Fernando, es ist – Valeria, eure Gemahlin!« –

»Meine Gemahlin!« rief Fernando. »Meine Schwester!« rief Don Carlos. »Unsere Valeria!« riefen sie Beide in der seligsten Entzückung. »O fort! fort! ihr in ihre Arme! an ihre Brust! – Wenn wir ihr Herz an dem unsrigen schlagen hören, wenn unsere Lippen auf den ihrigen ruhen, wenn wir den Knaben in unsern Armen drücken – dann wollen wir Gott danken, und ihn lobpreisen, und Alles segnen, was mit uns Gott dankt!« –

Der Graf von Kreuz konnte dem Drange dieser allseitigen Freude nicht mehr länger entgegenstehen. Er eilte mit den Dreien, die jetzt keinen Augenblick mehr zurückzuhalten waren, der Hütte zu. Don Carlos und Franzesko führten Fernando in ihrer Mitte, damit er nicht aus Freude zu heftig voreile, und ehe er das Ziel erreicht, erschöpft zusammensinke. –

Mittlerweile harrte Valeria mit ihrem Kinde unter Gebet und Freudenthränen in der nämlichen Stellung, in der der Graf sie verlassen hatte. Das Völklein aber hatte sich an den Felsen herumgelagert, und sang inzwischen mit abwechselnden Stimmen das Lied:

»Nicht ewig dauern die Sorgen –
Die Schmerzen und Leiden vergeh'n;
Es dämmert der freundliche Morgen,
Wo All' wir uns wiederseh'n.« –

»O freundlicher Morgen erscheine
Mit deinem Posaunenschall!
Beglücke die ländlichen Haine,
Und segne dieß stille Thal!« –

»Und führ' uns ein in die Freuden,
Die der Fromme jenseits genießt,
Wo keine Trübsal, kein Leiden,
Und keine Trennung mehr ist!« –

Die Naturstimmen waren noch nicht ganz verklungen – da tönte der Ruf »Valeria!« durch die Reihen der Singenden. Ein Strahl des Entzückens brach durch Valeria's Herz. Sie erkannte die Stimme des Rufenden als die ihres Gemahles aus jenen glücklichen Zeiten. Sie erhob sich plötzlich, nahm den Knaben auf ihren Arm – wandte sich um – und mit dem Freudenausrufe: »Fernando! Carlos!« lag sie bald an dem Herzen ihres Gemahles, bald an dem Herzen ihres Bruders. Keine Feder vermag die gegenseitige Wonne zu schildern. Minuten vergingen – und keine Lippe konnte zur Sprache kommen. Bald schwebte der Knabe auf den Armen des Vaters, bald auf den Armen der Mutter. Jetzt drückte ihn Don Carlos, jetzt Franzesko an die Lippen. Der Graf von Kreuz stand in der seligsten Rührung, und dankte Gott im Stillen, daß er ihn zum Stifter so vieler Freuden unter diesen Felsen erkoren –

»Wo ist unser Vater?« rief endlich Valeria, und ergriff, mit ihrem Blicke Carlos ernste Miene erforschend, ängstlich seine Hand: »Rede mein Bruder, wo ist er?« –

»Sein letztes Wort war: Valeria!« sprach Carlos langsam und traurig, und lehnte das Haupt der theuren Schwester an seine Brust. »Sein letzter Segen war für dich.«

Valeria konnte nichts sagen und – weinte. Aber ihre Thränen machten ihr das Herz so wohl. Sein letzter Segen war ja für sie. –

Eine volle Stunde war nun unter den ersten Gefühlen des Wiedersehens verschwunden. Endlich lagerten sie sich auf das weiche Moos am Felsen, und ein Jedes begann seine Geschichte zu erzählen. – Und wie sie geendet, da sprach Fernando mit feierlicher Stimme: »Das hat Gott gefügt! – Hätte mich auf meiner Flucht der edle Graf von Kreuz nicht so menschenfreundlich aufgenommen, so wäre ich auch hier unter den Felsen vielleicht nie zu diesem frohen Wiedersehen gekommen.« –

»Ja,« fiel Don Carlos seinem Freunde in die Rede: »so ist es auch mir ergangen. In dem Todtengarten vor Sevilla hat sich dieser edle Mann meines Kummers erbarmt. Ihm dank' ich die selige Stunde, da er mich in dieses Thal eingeführt. Sonst wär' ich ein Opfer meines Grames geworden.« –

»Auch das war Fügung Gottes,« sagte Valeria: »daß ich Luziens Bruder gefunden, der mich zwei Jahre gastfreundlich bewirthet, und mich dann in dieses Thal eingeführt, um mich vor den Nachstellungen meiner Feinde zu sichern.« –

»Und ich,« sprach der kleine Fernando, und hüpfte auf den Schooß des Vaters: »ich hätte meinen lieben Vater nie gesehen, wenn ich nicht in den Strom gefallen wäre. Aber da bin ich herausgezogen worden, und man hat die Mutter herübergeholt, und ich habe nun Vater und Mutter!«

»Selbst das lag in dem Willen des Himmels,« versetzte Franzesko: »daß ich in diesem Kloster meinen Aufenthalt nahm, damit ich, der ich ehemals Theilnehmer der Leiden und Freuden auf dem Landgute vor Sevilla war, nun nach vielen traurigen Jahren auch die Stunde des frohesten Wiedersehens mitgenießen könne.« – –

»Eigentlich,« fuhr er nach einer Pause, während welcher eine allgemeine Stille herrschte, zu reden fort: »eigentlich hat sich aus dem traurigsten Ereignisse, daß der kleine Fernando in den Strom gefallen, die Freude dieses Wiederfindens und Wiedererkennens erzeugt. Und so ist, edle Frau, meine Ahnung in Erfüllung gegangen, die ich euch am Tage der Geburt des Knaben dort auf dem Landgute feierlich ausgesprochen: »Der Name Fernando, den der Knabe führt, wird der Mutter Balsam sein auf die Wunden, die der Herr zur Zeit der Prüfung ihr schlägt, und wird dem Vater wie ein Stern der Hoffnung in's niedergebeugte Herz leuchten, wenn die Stürme des Kummers hereingebrochen sind.« –

»Ja, so ist es!« riefen Fernando und Valeria, und umarmten sich auf's Neue, und drückten auf's Neue den Knaben in ihre Arme.

Währenddem hatte sich die Sonne zu den Spitzen der Gebirge geneigt, und die großen Abendschatten der Felsen zogen sich bis über den Strom an das jenseitige Ufer hinüber. Eine feierliche Stille verbreitete sich durch die Reihen der Anwesenden, so daß man das Schlagen der Fische im Strome, und das fernste Geschrei des Adlers in den hohen Gebirgen deutlich vernehmen konnte. –

Da sprach Franzesko: »Kommt, laßt uns hinansteigen zum steinernen Kreuze, wo Fernando manche stille Thräne vergoß, und manche stille Bitte zum Himmel sandte. Die Sonne soll nicht untergehen, ehe wir dem Herrn für die Stunden und Augenblicke dieses glücklichen Tages tausendmal gedankt haben.«

Und sie stiegen die steinernen Treppen hinan. Unmittelbar unter dem Kreuze kniete der kleine Fernando. Er umfing es mit seinen Händchen. Rechts und Links neben ihm knieten Fernando und Valeria; in einiger Entfernung von diesen Don Carlos und Franzesko. Der Graf von Kreuz lehnte verborgen hinter einem Gebüsche an einem Felsenvorsprunge, den Federhut unter dem Arme, um die Schönheit der andächtigen Scene recht ungestört in sein Herz aufnehmen zu können. Das Volk aber kniete schaarenweise an den steinernen Stufen hinan, mit entblößten und gebeugten Häuptern, den Blick nur unverwandt nach dem Kreuze in der Höhe gerichtet. Dazu ertönte in dem Augenblicke von dem Kloster der barmherzigen Brüder das freundliche Zeichen der Glocken zur Vesperandacht.

Und Franzesko betete laut, daß es die Versammelten hörten: »Herr im Himmel, dessen Güte und Macht so groß ist, wie die Ewigkeit! Du siehst in unsere Herzen, du hörst das Stammeln unserer Lippen! du siehst die Thränen fließen aus unsern Blicken, du kennst die Empfindungen unserer Gemüther! du kennst uns Alle! – Nimm hin unsern schwachen Dank für die unsägliche Freude, die du uns unter diesen Felsen bereitet hast! Nimm hin unsern schwachen Dank für diese glückliche Stunde des Wiedersehens! Ein frommes, dir gefälliges Leben sei unser wärmster Dank!« –

»Amen!« antworteten die Versammelten mit Rührung und Feierlichkeit. Und das Echo gab vom andern Felsen: »Amen!« zurück. –

Die Sonne war hinter den Gebirgsspitzen von Alpujarras niedergegangen, und die Glocken des Klosters waren verstummt. Der Abend unter den Felsen gestaltete sich immer geheimnißvoller und lieblicher, je tiefer er sich in das dunkle Kleid der Dämmerung hüllte. Einem Jeden kam es vor, als wäre hier die Heimath des Friedens und seine eigene Heimath. –

»Hier ist gut wohnen!« sagte Carlos zu Fernando: »und mir wäre lieb, wenn ich diesen Ort nimmer verlassen dürfte. Was haben wir auch Gutes zu erwarten, wenn wir nach Sevilla zurückkehren? Der alte Oviedo wird nicht aufhören, uns zu hassen. Sein Anhang ist groß. Die Verfolgung wird auf's Neue beginnen. – Ich will mein Vermögen, das auch euer Vermögen ist, einziehen, und wir wollen uns hier eine Friedensstätte erbauen, und brüderlich und schwesterlich mit einander leben, bis uns der Tod in jenes Leben hinüber ruft. – Ach, ich bedarf ja wohl der Ruhe nach vielen Jahren der unsäglichsten Gewissensmarter und des tiefsten Kummers!«

»Wie edel ist dein Herz geblieben, mein Carlos,« rief Valeria, und drückte ihren Bruder in die Arme: »Gott gab dir den Gedanken in die Seele. Es wäre nicht gut, wenn wir dieses glückliche Thal wieder verlassen wollten. Denn über dieses Thal hat Gott seine Güte offenbar ausgestreut.« –

»Du bist meinem Wunsche zuvorgekommen,« sagte Fernando zu Carlos. »Schon damals, als ich in diese Felsen trat, wo das Schauerliche der Natur so sehr abwechselt mit dem Schönen, hab' ich bei mir das Gelübde gethan, nie mehr aus dieser Einsamkeit in das Getümmel der Menschen hinauszuziehen, wo doch nur Elend und Unglück gesehen und keine wahre Ruhe gefunden wird.«

Franzesko und die Thalbewohner hatten über diesen Entschluß eine unbeschreibliche Freude. – Aber der Graf von Kreuz trocknete sich eine Thräne, und sagte: »Ihr Alle seid nun glücklich. Doch ich muß euch verlassen, um meine Geschäfte als Gesandter am spanischen Hofe zu vollenden, und dann zurückzukehren in mein Vaterland Schweden. Aber ich nehme noch nicht Abschied auf immer. Denn es lebt in mir die süße Hoffnung, wir werden uns wieder sehen. Und wenn mich auch der Tod eher hinüberführt in jenes bessere Land, so stirbt doch die Hoffnung nicht mit mir – die Hoffnung und der Glaube an ein ewiges Wiedersehen!« –

So sprach der edle Graf von Kreuz, und Alle boten ihm traurig die Hände. Das Völklein aber wiederholte, indem es die Nachen bestieg, und auf der dämmernden Fläche des Stromes dem andern Ufer zusteuerte, die letzte Strophe des spanischen Liedes:

»Und führ' uns ein in die Freuden,
Die der Fromme jenseits genießt,
Wo keine Trübsal, kein Leiden,
Und keine Trennung mehr ist!«


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