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Zweites Kapitel.
Das häusliche Glück.

Dem jungen Paare war nun schon ein halbes Jahr auf dem Landgute bei Sevilla geräuschlos und einsam entschwunden. Denn es war von keinem der Verwandten besucht worden. Sogar der Bruder Valeries hatte des großen Dienstes, den Fernando ihm geleistet, bald vergessen, er ward von Tag zu Tag kälter in der Liebe zu seiner Schwester und ihrem Gemahle; und von der Stunde an, da der junge Graf Oviedo von einer Reise zurückgekehrt war, ließ er sich auf dem Landgute nie mehr sehen. Dieß war freilich ein fürchterlicher Schmerz für Valeria, sich so ganz verlassen zu wissen von einem Bruder, der ihr Alles war, von einem Vater, den sie überaus liebte, von allen Freunden und Bekannten ihrer Familie, die sie achtete und schätzte. Doch ein frommer Ordensgeistlicher, mit Namen Franesko, der sie mit Fernando vermählt hatte, und seit der Zeit beinahe jeden Tag auf ihrem Landsitze besuchte, da er nur in einiger Entfernung tiefer im Thale wohnte, sprach ihr jedesmal Muth ein, und suchte sie durch die Trostgründe der heiligen Religion zu beruhigen.

Endlich hatte die Zeit allmählig ihren Gram gelindert; und zärtliche Liebe, stille Heiterkeit des Herzens und frommer, häuslicher Friede schwebten allein noch in der Einsamkeit ihres Landgutes. Geliebt von allen Bewohnern der Gegend kannte man sie nur als die menschenfreundliche, wohlthuende Herrschaft des Thales. Denn da war kein Armer, den sie nicht beschenkten, keine Waise, der sie nicht Eltern waren, kein Leidender, dem sie nicht die Schwere des Leidens abnahmen, kein Bedrängter, dem sie nicht halfen, kein Verlassener, den sie nicht mit Obdach und Nahrung versahen. –

Ein Jahr war vorüber, und Valeria war Mutter eines holden Knäbleins geworden. Der Tag, an dem das liebliche Kind zur heiligen Taufe getragen wurde, war ein Festtag für die ganze Umgebung. Der fromme Franzesko gab dem Knaben den Namen seines Vaters Fernando. »Denn,« sagte er, tief in der Seele gerührt, »ich ahne es in meinem Innern, der Name Fernando, den der Knabe führt, wird der Mutter Balsam sein auf die Wunden, die der Herr zur Zeit der Prüfung ihr schlägt, und wird dem Vater wie ein Stern der Hoffnung in's niedergebeugte Herz leuchten, wenn die Stürme des Kummers hereingebrochen sind.«

Dann nahm er den Knaben in seine Arme, richtete voll Gebet den Greisenblick zum Himmel, und flehte: »Herr, der du dieses Kind den Eltern gegeben, laß es heranwachsen zu ihrer Freude, und einst zum Troste ihrer alten Tage. Gib du ihm deinen Segen, und erleuchte die Eltern, daß sie es ganz nur nach deinem heiligen Wohlgefallen erziehen.« – Thränen unterbrachen seine Worte. Er segnete schweigend den Knaben. Fernando und Valeria schlossen mit einem feierlichen Amen. Alle, die zugegen waren, trockneten sich die Thränen aus den Augen; Alle waren voll von Gefühlen der Andacht. –

Die Eltern hatten ungemein große Freude an dem holden Himmelsgeschenk. Nun erst war der Segen des häuslichen Glückes in seiner ganzen Fülle über sie ausgegossen. Welch eine größere Lust konnte die jugendliche Mutter je genießen, als die, ein holdes Kind an ihrer Brust schlummern zu sehen, wenn der Mond in stillen Sommernächten seinen Lichtglanz durch die zitternden Zweige der Orangen-Gesträuche sandte, um auf den rosigen Wangen der Unschuld zu ruhen? Und welch eine männliche Freude mag größer sein, als die Fernando empfand, wenn er so dastand vor Mutter und Sohn, mitempfindend die mütterliche Freude Valeries? – Da blickte er wohl tausendmal zum sternbesäten Himmel mit Thränen des Dankes im Auge; da rief er wohl tausendmal im Gefühle der reinsten Freude aus: »Ach ihr seligen Tage der stillen häuslichen Freude! möchtet ihr doch nie, nie mehr aus diesem trauten Kreise weichen! möchtet ihr noch in der Stunde des Todes mich umgeben, daß ich das Grauenvolle der Trennung nicht fühle!«

Und Valeria ergriff die Rechte ihres Gemahles, hob in freudiger Inbrunst den lächelnden Knaben an ihre Lippe, und schloß mit den Worten: »Redlichkeit, Liebe und Beständigkeit, ihr seid die drei Perlen in die kostbare Krone der häuslichen Zufriedenheit. Fernando, wir wollen stets mit wachsamem Auge darauf schauen, daß uns keine davon verloren gehe. Gott im Himmel, der den Vorsatz unserer Herzen erkennt, schenke uns seine Gnade zur Vollführung!« –


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