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Sechszehntes Kapitel.
Die Freudenbotschaft.

Mit der hastigsten Eile hatte Alexis den Nachen im Gebüsche losgebunden, und segelte voll Freude, daß er der Glücksbote von dem Leben des Kindes sein durfte, über den Strom.

Kaum hatte er das andere Ufer erreicht, als er schon in einiger Entfernung ein Häuflein Menschen unter einander am Strande auf- und abeilen sah, durch deren Geberden er genugsam ihren Jammer erkennen konnte. Es war nämlich auf Valeria's Angstgeschrei Luzie mit allen Bewohnern der Strandhütten herbeigeeilt; und da sie den Knaben vermißte, dachte sie auch alsogleich daran, was hier Schreckliches begegnet sein könnte. Die Männer banden alle Nachen los, fuhren den Strom hinab und hinauf, und suchten überall nach dem Knaben. Aber, ach! sie kamen alle wieder ohne ihn zurück. –

Alexis schrie ihnen zu, was er konnte; und da sie ihn nicht hörten, winkte er ihnen hoch in der Luft mit seinem Hute. Endlich sahen Einige aus der Menge, daß es sie anginge, und der Fremde auf sie zueile. Da liefen sie ihm entgegen, Jung und Alt, und auf die frohe Nachricht: »Der Knabe ist gerettet! er ist am andern Ufer drüben! Mein Herr hat ihn gerettet!« war eine solche Freude unter den guten Leuten, daß die Männer den Boten auf ihre Schultern hoben, um nur recht bald dort unter dem Weidenbaume zu sein, an dem die unglückliche Frau niedergesunken war. –

Durch das Jubelgeschrei der heranziehenden Menge erwachte Valeria allmählig aus ihrem todesähnlichen Schlummer, und richtete sich müde und kraftlos an den Armen Luziens von der Erde auf. »Wie ist mir?« sprach sie, und sah angstvoll und fremd umher im Kreise der Frauen des Thales, die sie alle mitleidig bedauerten. Hab' ich geträumt? – Ach! wie schrecklich geträumt! – Wo ist mein Fernando? – Nein, das war kein Traum! Dort, jene Welle! o Gott! o Gott! laß mich! – jene Welle hat ihn umschlungen!« – So rief sie jammernd, und streckte beide Arme gegen den Strom.

In diesem Augenblicke kamen einige Männer aus dem Zuge, die vorausgeeilt waren, mit dem Jubelausrufe herbei: Er ist in Sicherheit! –

Dieß hatte die arme Frau noch gehört, ehe sie in eine neue Ohnmacht zurückgefallen wäre. »Wo, wo ist er, mein Engel?« rief sie jetzt, und ihre Augen glänzten vor Freude. Auf die Antwort: »Dieß Alles wird euch der Bote sagen, den sie dort auf den Schultern bringen!« – erhob sie sich schnell. Sie fühlte sich mit Einem Male kräftiger, als je, und stürzte, die Hände immer zum Himmel gefaltet, dem Zuge entgegen.

O, was war das für eine Freude! Sie fiel Alexis um den Hals; sie betete für den Retter ihres Kindes; sie segnete ihn, sie segnete Alexis. – Bald lächelte sie; dann weinte sie wieder; fiel auf ihre Kniee, faltete die Hände, dankte dem lieben Gott; wollte dem Boten ihrer Freude schenken, was sie hatte. – Alle, die um sie her standen, waren bis zu Thränen gerührt. –

Endlich besann sie sich. »Hinüber! hinüber!« rief sie: »o ihr guten Leute, ich bitt' euch, führt mich hinüber!«

Alle Nachen wurden am Ufer losgebunden. Wer nur immer konnte, begleitete die edle Frau. Jeder wollte Zeuge ihres Dankes gegen den unbekannten Retter, Jeder Theilnehmer an ihrer Freude sein.


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