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Valeria hatte nun schon drei Jahre unter den Kastanienbäumen am Eingänge in das Thal von Almeria, wohin der Fischer Ruperto sie gebracht hatte, ein stilles und einsames Leben geführt. Die Bewohner des Thales, ein ruhiges, zufriedenes Völklein, das sich von dem Ertrag seiner Wiesen und Felder kärglich ernährte, bestrebten sich mit aller Leutseligkeit, der unglücklichen Frau, die ihnen als eine solche von dem Fischer vorgestellt worden, das Leben so heiter als möglich zu machen. Was die kleinen niedlichen Gärtchen an ihren Hütten und die fruchttragenden Bäume in denselben Köstliches hervorbrachten, was der Strom an Fischen und das üppige Ufer an Blumen Seltenes darbot, ja sogar die Erstlingslämmer aus ihren Heerden brachten sie mit Freuden der fremden Frau, und nöthigten sie, die Geschenke anzunehmen. Valeria bemühte sich aber auch, ihre Dankbarkeit für alle diese Gaben dadurch an den Tag zu legen, daß sie die weibliche Jugend des Thales freundlich zu sich einlud, und sie in allen jenen Beschäftigungen liebevoll unterrichtete, die dem Hauswesen der kleinen Hütten hundertfältigen Vortheil gewähren konnten. –
Die größte Freude für ihr mütterliches Herz, die während dieser Zeit so manchen hereinbrechenden Kummer und so manche trübe Rückerinnerung in die unglückliche Vergangenheit verscheuchen konnte, gewährte ihr der Anblick ihres Sohnes Fernando, der nun schon das sechste Lebensjahr erreicht hatte, und mit jedem Tage lieblicher und schöner an Geist und Körper heranwuchs. Er hing mit so kindlicher Zärtlichkeit an ihr, daß er jedes Wort der Ermahnung, das über ihre Lippen kam, jeden freundlichen und ernsten Wink von ihr mit Begierde in sein junges Gemüth aufnahm, ja daß es sogar schien, er möchte innigen Antheil nehmen an dem stillverborgenen Gram ihrer Seele. Oft wenn sie in der Abendstunde unter den Weidenbäumen am Ufer traurig hinwandelte, oder beim Mondscheine unter den Akazien neben ihrer Hütte saß, oder unter der einsamen grünen Dachung der großen Kastanienbäume verlassen weinte – da schmiegte er sich an ihre Seite, und legte sein blondgelocktes Köpfchen auf ihren Arm, oder er saß zu ihren Füßen und lehnte sich an ihren Schooß, indem er die großen blauen Augen stillfragend zu ihr richtete. –
»Sieh, mein Fernando,« sagte sie dann wehmüthig, indem sie seine Locken strich, und die Thräne ihm abtrocknete, die aus ihrem Auge auf seine Wange gefallen: »siehe, wir waren ehedem nicht so einsam und allein, nicht unter diesen stillen Erlen und Trauerweiden. Weit von hier, in einer großen, menschenreichen Gegend wohnten wir in einem prächtigen Schlosse, und hatten Ueberfluß an Allem, was das menschliche Herz nur zu wünschen vermag. Du hattest einen Vater, der dich so zärtlich liebte, wie ich dich liebe. Aber böse Menschen sahen mit Neid auf unser Glück, und schwuren, es zu vernichten. Deinen Vater ermordeten sie; wir aber mußten fliehen in dieß einsame Thal, um unser Leben zu erhalten. Tage und Nächte hab' ich um deinen Vater durchweint, unter Thränen und Gram hab' ich dich auferzogen. Doch der liebe Gott, zu dem ich betete und flehte in meiner Drangsal, hat mich nicht verlassen. In dir hat er mir das Bild deines Vaters gegeben. O werde so edel und fromm, wie er, damit du einst die Stütze deiner Mutter werdest in ihrem Alter.« –
So sprach sie oft, nahm ihn in ihre Arme, drückte ihn an ihr Herz, und gab ihm Küsse der mütterlichsten Zärtlichkeit. Der Knabe aber gelobte hoch und theuer, ihren süßen Ermahnungen immer treu und pünktlich nachzukommen.
So war eine Jahresfrist um die andere verflossen, und der sechste Sommer nach den traurigen Ereignissen auf dem Landgute vor Sevilla bereits angebrochen. –
Da geschah es, daß Valeria mit ihrem kleinen Fernando an dem nämlichen heitern Sommertage, da der Graf von Kreuz mit Don Carlos am jenseitigen Ufer des Stromes in das Thal von Almeria eintrat, dießseits unter die Weiden und Erlen wanderte, um in deren Schatten sich zu erquicken, um dem Knaben zu vergönnen, daß er sich mit den bunten Blumen der Wiese unterhalte. Luzie war in der Hütte zurückgeblieben, um die kleinen Hausgeschäfte zu schlichten.
Die niedlichen Strohhütten am Ufer hin, deren redliche Bewohner die Gräfin vor Jahren so freundlich aufgenommen, und bisher mit Allem, was sie bedurfte, so treuherzig versorgt hatten, dann die weite Aussicht über den Strom in das tiefe Gebirge, und endlich ringsum die duftenden Bäume und Gesträuche, unter denen hie und da Kinder der Hütten spielten, oder ein alter Mann Weidenruthen zum Korbflechten verarbeitete – hatten anfangs Valeria's Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. –
Unterdessen war Fernando nach der Wiese geeilt, um sich Blumen zu pflücken. –
Nun verlor die Gräfin gar bald die Gegenstände ihrer vorigen Betrachtung – und das Bild ihres Gatten, und das Glück ihrer früher verlebten Tage trat lebendig vor das Auge ihres Geistes. Eine Sehnsucht kehrte in ihrem Herzen ein, wie sie noch nie eine gefühlt hatte. Es war ihr nicht anders, als müßte er noch leben; es war ihr, als ob sein Geist durch das Thal ginge, und an jeder Blume sich ergötze, und ihr entgegeneile, und sie an sein Herz drücke, und den Knaben tausendmal küsse; es war ihr, als hörte sie eine Stimme: »Jammere nicht, theures Weib! höre auf zu klagen! ich lebe ja noch! du sollst mich auf dieser Erde wieder sehen!« –
So war es ihr. Aber nicht lange währte diese freudige Spannung ihres Geistes; und die alte Trauer kehrte in ihr Gemüth zurück. Thränen auf Thränen flossen aus ihrem Auge, da sie einsah, es war nur ein süßer Traum, was sie augenblicklich erfreute. –
»Nein,« jammerte sie wehmüthig vor sich hin; »ich werde dich nimmer sehen, du wirst mich nimmer sehen, nimmer deinen Fernando mit Vaterfreude an deinem Herzen hegen. Doch – ich werde dich wieder sehen, du wirst mich wieder sehen, dort über den Sternen, wo die Palmen lieblicher blühen, wo ein seliger Friede das unsterbliche Herz umfließt, wo wir uns ewig nimmer trennen.«
Ein Freudenruf des Knaben weckte Valeria aus ihrer wehmüthigen Stimmung. Er hatte die schönsten Blumen auf der Wiese zusammengelesen, und eilte nun mit einem großen Strauße freudig der Mutter zu. »Sieh da,« rief er schon von Weitem: »das prächtige Farbenspiel, roth und gelb und blau, und die dunkelgrünen Blätter dazwischen! O liebe Mutter, was ist das so schön!« –
»Ja, Fernando,« erwiderte Valeria lächelnd, da er ihr den Strauß hinbot: »die Blumen sind das Sinnbild einer fromm heranwachsenden Jugend. Wie die junge Blume gleich bei ihrem Entfalten in eine liebliche mackellose Farbe sich kleidet, und, kaum aus der Knospe getreten, den zartesten Duft um sich her verbreitet, so soll das jugendliche Gemüth in dem reinen Kleide der Unschuld prangen, und früh schon den Duft der Tugenden unter die Menschen streuen. Doch, mein lieber Fernando, kennst du auch die Namen der Blumen, die du da in deinem Strauße hast? und weißt du wohl, was sie zu deinem Herzen sprechen?« –
»O ich bitte, liebe Mutter,« fiel der Knabe ein, »nenne mir die Namen der Blumen. Ich will sie mir recht in's Gedächtniß prägen, und morgen, wenn wir wieder herauswandeln, sollst du sie alle hören. Aber wie? können denn die Blumen auch reden?« –
»O ja,« antwortete Valeria, und lächelte wieder: »keine Sprache ist so lebendig und so vielbedeutend, wie die der Blumen, wenn sie auch nicht in Worten besteht.«
»O Mütterlein,« flehte der Knabe: »so laß mich doch geschwind hören, was die Blumen zu mir reden!« –
Valeria setzte sich auf den querwachsenden Stamm einer Weide, nahm den Strauß aus der kleinen Hand ihres Sohnes, und sagte, indem sie eine Blume nach der andern langsam hervorzog: »Sieh, hier dieses kleine wundernette Blümchen; es hat die Gestalt der Sterne am Himmel, und trägt die Farbe des Firmaments. Mau nennt es Vergißmeinnicht. Siehst du, wie freundlich es dich anblickt? Lieber Fernando, so spricht es zu dir, denke recht oft an den Himmel, dessen zarte Farbe mich schmückt. Dort wohnt der liebe Gott in seiner ewigen Allmacht und Schönheit; von dort aus regiert er die ganze große Welt durch seine Allweisheit und Güte. Dort lebt auch dein Vater, den die bösen Menschen hier auf Erden gemordet; liebevoll sieht er zu dir hernieder und segnet dich und ruft dir zu: Fernando, mein Sohn, lebe recht fromm, und bewahre dein Gewissen rein von jeder Sünde, damit du einst, wenn dein Tagewerk vollendet ist, auch dahin kommest, wo ich bin, und wir uns ewig wieder sehen. So ruft dir jedesmal das Blümlein zu, so oft du es blühen siehst auf der Wiese oder am Ufer. Und jetzt, da ich es dir reiche, damit du es an deinem Herzen bewahrest, setzt es noch hinzu: Vergiß deine Mutter nicht!« –
»Hier, diese hochrothe Blume! es ist der Feldmohn. Wunderschön ist die Hülle; aber in seinem Kelche verbirgt er einen süßen Saft, der schwächende Betäubung ausgießt über das Haupt und die Glieder dessen, der ihn kostet. Drum ruft die Blume dir zu: Fliehe das Laster! Schön und einladend ist sein Gewand, aber der Trank, den es dir darreicht, bethört dein Gewissen, und du bist verloren auf ewig.« –
»Da, das breitblätterige, dunkelgrüne Kraut zwischen den Blumen ist das Epheu. Du hast es vermuthlich dort an der Ulme gepflückt, wo es sich fest hinaufwindet und groß wächst mit dem Baume. Ohne diese feste Stütze würde es immer nur auf der Erde fortkriechen müssen, und der Fuß des Wanderers würde es zertreten. Darum sagt es gar deutlich zu dir: Wie ich mich festhalte an diesem Stamme, damit ich meiner vollen Ausbildung entgegenwachse – also halte dich fest an Gott und seinen heiligen Willen dein ganzes Leben lang, und du wirst deiner Vollendung entgegen wandeln ruhig und heiter und muthvoll, und keine Drangsal wird es vermögen, dich zu Boden zu drücken.«
»Nun sieh hier noch dieses kleine dunkelblaue Blümlein. Es ist das Veilchen. Unter allen andern streut es den angenehmsten Duft aus, und ist doch das kleinste und unbedeutendste. Daher führt es auch den Namen: das Blümlein der Bescheidenheit. Wenn es dich so lieblich anduftet, so will es dir sagen: Fernando, folge mir nach und streue ganz im Stillen deine guten Werke unter die Menschen. Und wenn man dich rühmt deiner edlen That wegen, so sei bescheiden und werde nicht stolz. Erfährst du aber Undank und Spott, so werde nicht mißmuthig und höre nicht auf, menschenfreundlich zu handeln, und denke dein Lohn wird jenseits und ewig sein.« –
»So, lieber Fernando, sprechen die Blumen zu dir – und jede in deinem Strauße hätte dir etwas Anderes zu sagen. Doch wenn du dir für dießmal die Sprache dieser vier schönsten tief in's Gedächtniß, und noch tiefer in's Herz prägest, so bin ich recht wohl zufrieden. Morgen aber, wenn wir wieder herauswandeln, will ich die andern zu deinem Herzen reden lassen.« – –
Der Knabe hing noch mit der größten Aufmerksamkeit an den Lippen der Mutter, da diese schon längst zu reden aufgehört hatte. Sie lächelte und drückte ihn an ihr Herz. »O liebe Mutter,« sagte er endlich: »die Blumen sprechen ja so rührend, daß ich fast hätte weinen können. Ei, wenn ich das gewußt, sie hätten mir schon lange so schön reden müssen. Gewiß, ich will mir jedes Wort merken, und morgen will ich dir Alles wieder so erzählen. Das Vergißmeinnicht hat ja gar so lieb gesprochen. Laß mich noch einmal hinaus auf die Wiese: ich will dir noch recht viel so himmelblaue, niedliche Blümchen bringen. Bitte, liebe, liebe Mutter! laß mich noch einmal! Nicht wahr? du schlägst mir's nicht ab!« –
»So geh, mein Kind!« sagte die Mutter: »aber hörst du, flieh' mir das Ufer des Stromes. – Laß dich warnen, Fernando! mit dem Leben müßtest du es büßen, wenn du mir nicht gehorchtest. – Ein großer Mann hält sich unter den Klippen des Stromes verborgen. Er lockt dich an's Ufer, und wenn du nahe genug bist, in die Wellen zu schauen, so blickt er in deinem Bilde so lange und so freundlich dich an, bis ein Schwindel deine Sinne umstrickt, und du hinab stürzest in die tiefe Fluth. O wehe, wehe mir, deiner armen Mutter, wenn ihr Fernando nicht wieder käme! D'rum bitt' ich dich bei meinem untröstlichen Jammer um dich! mein Kind! folge meiner Warnung!« –
»O gewiß, liebe Mutter,« sagte der Knabe: »ich werde dir gehorchen. Habe keine Angst um mich! Dort mitten auf der Wiese wachsen die blauen Blumen! dort will ich sie pflücken! – in einer Viertelstunde bin ich wieder bei dir!« –
Er küßte der Mutter die Hand, und hüpfte der Wiese zu. Valeria lächelte ihm nach. Eine Thräne stand in ihrem Auge; es war eine Freudenthräne über das segenreiche Heranwachsen ihres Kindes. Aber bald fiel eine zweite Thräne auf die Erde; es war die Thräne der Wehmuth und Erinnerung. »O mein theurer Gemahl!« sprach sie vor sich hin: »was würdest du jetzt für eine Freude haben, wenn du deinen Sohn, ausgeschmückt mit allen jugendlichen Geistesgaben und mit einem guten Herzen, und so lieblich heranblühen sähest! O wie oft würdest du lächelnd und dankbar aufblickend zu mir sagen: Der Himmel hat uns mit dem größten Glück gesegnet; er hat uns einen hoffnungsvollen Knaben geschenkt. Ihm sei Lob und Dank für diesen Segen, so lange wir athmen. Und wie oft würdest du mit mir den Vorsatz erneuern, in der Erziehung des Sohnes keinen Makel einschleichen zu lassen, damit keiner seiner jugendlichen Vorzüge durch unsere Schuld verloren ginge! – Aber ach! warum beschäftigt sich mein armes Herz immer aufs Neue mit Gefühlen, die es zwar augenblicklich trösten und beruhigen, aber alsobald wieder schmerzlicher verwunden? – Ich stehe ja hier allein; und nicht einmal die Hoffnung will mir getreu bleiben, daß ich ihn noch einmal sehe auf der Erde! Ach, er ist ja unter Meuchelmördern gefallen! Hat es mir nicht sein treuer Diener hinterbracht? – Er ist todt! – todt!« –
So sprach sie weinend; und während sie das letzte Wort noch oft und mit zitternder Stimme wiederholte, wankte sie langsam in ein dunkles Gesträuch, wo sie verborgen unter dem Schatten einer Cypresse schon vor Jahren ihrem Gemahle ein Denkmal von Meermuscheln und Bergmoos errichtet hatte. Sie setzte sich auf den Rasen daneben, und indem sie aus den Blumen, die ihr Fernando gebracht, einen Kranz um das Muschelkreuz über dem Denkmal zusammenband – überließ sie sich ganz den Gedanken an ihn, die durch nichts als durch Gebet und Thränen unterbrochen wurden.– Endlich erwachte sie wie aus einem Schlummer.
Die Viertelstunde, nach welcher Fernando zurückzukommen versprach, war schon lange verflossen, und er war noch nicht hier. Eine fürchterliche Angst ergriff sie jetzt. Sie raffte sich auf und eilte aus dem Gebüsche, um hinauszuschauen auf die Wiese; denn da müßte sie ihn sehen. Aber, ach! sie sah ihn nicht. – »Fernando! Fernando! wo bist du? mein lieber Sohn, mein Fernando!« – so rief sie mit der ganzen Kraft ihrer Stimme. Aber sie vernahm keine Antwort. – Nun wuchs ihre Angst auf das Höchste. Mit dem oft wiederholten Rufe: »Fernando!« eilte sie von Anger zu Anger, von Gebüsch zu Gebüsch, um ihn zu suchen. –
Der Knabe hatte, wie er von der Mutter gegangen war, viele himmelblaue Blumen auf der Wiese zusammengelesen – und war unvermerkt dem Ufer des Stromes nahe gekommen. Am Ufer aber blühten die schönsten Blumen. Vor Freude über diese Entdeckung vergaß er die Warnung der Mutter, und sein Versprechen, sich nicht in Gefahr zu begeben, hüpfte von einer Blume zur andern, und stand auf einmal dicht an dem Rande des Ufers, von wo aus er jählings hinabschauen konnte in die Stromesfluth. Da gewahrte er ein Vergißmeinnicht aus der Woge herauswachsend. Er glaubte, das wäre noch das schönste, das er gesehen. »Komm, liebes Blümlein,« redete er es freundlich an, indem er sich niederbog und sein Aermlein darnach ausstreckte: »Komm doch geschwind! du sollst das Denkmal meines lieben Vaters schmücken! – Ei, wie bist du so schön! und deine Sprache ist so lieb und rührend; ich habe sie mir wohl gemerkt. – Komm doch, komm! warum willst du dich denn nicht pflücken lassen?« –
Wie er noch sprach, wehte ein leichter Wind über der Woge, und machte, daß das Blümlein sich näher an's Ufer bewegte. Der Knabe meinte in lauter Freude, es habe ihn verstanden. Er vergaß in dem Augenblicke Mutter und Strom, bog sich, so weit er konnte, nach dem Blümlein, und – schon hatte er es gepflückt – da verlor er das Gleichgewicht, und – stürzte hinab in den Strom. –
Einige Augenblicke, ehe dieß geschah, hatte Valeria, die den Knaben unter schrecklicher Angst bisher vergebens gesucht hatte, ihn endlich am Ufer erblickt. Sie lief, was sie konnte; sie rief ihn – aber es war noch zu weit; er konnte sie nicht hören. – Jetzt, da sie ihn von ferne hinabstürzen sah in die Wogen, brachen ihr die Kniee; ein Nebel zog sich über ihr Augenlicht; ihre Sinne vergingen. »Heiliger Gott! mein Fernando! mein Sohn! mein Fernando!« jammerte sie mit der letzten Kraft ihrer Stimme, und – sank ohnmächtig unter einem Weidenbaume nieder. –