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Eines Abends, ungefähr acht Monate nach der Vermählung Valeries mit Fernando, saß der alte Graf de Vellamare launig und mißgestimmt in einem Zimmer seines Hauses zu Sevilla. Seit jenem Tage, an dem das Stiergefecht Statt gefunden, hatte sich sein düsterer Blick nie mehr erheitert. Der Aerger über sein voreiliges Versprechen, das er, leider zu spät, nicht mehr zurücknehmen durfte, dann die ihm bevorstehende Feindschaft des alten und jungen Grafen Oviedo, da er dem Letztern seine Tochter nicht geben konnte, die er ihm doch schon auf sein gräfliches Wort versprochen hatte, und endlich auch die Beschwerden des steigenden Alters hatten ihn zum kränkelnden Manne gemacht. Er saß in einem uralten Lehnstuhle, dessen Goldstickerei den Reichthum und die Pracht seiner Ahnen verrieth, und wärmte die hagern Glieder an der Flamme eines welschen Kamines, das mehr zur Zierde als zum Vortheile aus der ältern Zeit übrig geblieben war. Neben ihm stand Don Carlos, und las, um dem Vater die Zeit zu verkürzen, und den immer nagenden Gram auf Augenblicke zu vertreiben, eine alte Rittergeschichte aus der Chronik seiner Ahnen. –
Da öffnete man die Thüre, und herein trat der alte Graf Oviedo mit seinem Sohne. Graf Vellamare erschrack, daß er zitterte. »Hier,« sprach Oviedo, »bring' ich dir meinen Sohn, daß er dich an dein gegebenes Wort erinnere, und dich zum Schwiegervater mache. Er hat die fernen Länder bereist, und sich zum tüchtigen Manne gebildet. Vellamare, er ist es werth, dein Sohn zu werden, und die beiden gräflichen Häuser zu Einem zu verbinden. Doch sprich, wo ist Valeria?« – Der Graf Vellamare antwortete nicht, und sank todtenbleich auf den Lehnstuhl nieder, von dem er sich erhoben hatte, um die Eintretenden zu begrüßen. Don Carlos stand betroffen und redete kein Wort. – »Was ist euch? was soll das?« riefen erschrocken die beiden Oviedo's: »ist sie nicht mehr?« – »Für euch ist sie nicht mehr!« erwiederte Carlos in verlegenem Tone.
Der junge Oviedo tobte: »Nun, so soll euer Haus in's Verderben stürzen, und ihr mit ihm, da ihr euer gräfliches Wort so schlecht gehalten habt. Euer Name soll aus dem Adelbuche gestrichen werden für ewige Zeiten, daß nicht die Schande sich fortpflanze von einem Geschlechte zum andern. Und so wahr ich Graf Oviedo heiße, und dieser mein Vater ist, der vor mir steht, ich will nicht ruhen, bis ich die Schmach gerochen habe, die ihr mir angethan.« –
»Besänftigt euch, Oviedo,« fiel ihm Don Carlos in die Rede, »und beschuldigt meinen alten Vater nicht des Meineides. So wahr ich lebe, er trug nie einen andern Gedanken im Sinne, als euch die Tochter zur Gemahlin zu geben. Doch ein Zufall wollte es, daß euch Valeria entrissen werde. Fernando de Oliva rettete mir das Leben. Er verlangte Valeria als Preis dieser Heldenthat. Sie wollte seine Gattin werden. Der Vater mußte sie ihm geben. Nun bewohnen sie das Landgut vor Sevilla.« –
»Wer ist dieser Fernando,« rief voll Unmuth der alte Graf Oviedo, »daß er es wagen durfte, auf die Tochter des angesehensten Hauses in Sevilla Anspruch zu machen? – Höre, mein Sohn, du bist ein nichtswürdiger Bube, und ich schäme mich, dein Vater zu sein, wenn du nicht die nächste Gelegenheit ergreifest, dich dieses Fernando zu bemächtigen, ihn herabzustürzen von den Höhen seines unverdienten Glückes, und Valeria als deine Gattin nach Hause zu führen.« –
»Ja, dieß thut,« sprach der alte Graf Vellamare, da er wieder zu sich gekommen war, »und rächt auf solche Weise eure und meine Schmach. Don Carlos, du schwörst mir vor diesen Männern, daß du dem jungen Grafen Oviedo getreu beispringen wollest mit Rath und That in Allem, was er zu seinem Vortheile und zur Austilgung unserer Schande unternehmen mag. Der Gedanke, daß Fernando dein Retter sei, mußte schon lange dem schrecklicheren Gedanken Platz machen, daß er zugleich den Frieden, die Vereinigung und den Ruhm zweier angesehenen Familien mit seiner unglückseligen Dazwischenkunft besudelt habe. Es lastet also keine Pflicht des Dankes mehr auf dir, und er hat dich selbst der Bande der Freundschaft, die du ihm geschworen, schon längst entlediget. Oviedo, was ihr immer im Sinne führt, das thut, und sollte auch das Leben eines Menschen als Opfer eures Unternehmens fallen. Ihr erwerbt euch keinen geringeren Preis als meine Tochter.« –
So hatten sich die beiden mächtigen Häuser Vellamare und Oviedo zum Untergange der stillen glücklichen Familie auf dem Landgute vor Sevilla vereint, ohne daß diese auch nur das Geringste ahnete.
Und man harrte nur einer günstigen Gelegenheit, um die schrecklichen Pläne, die der junge Oviedo im Herzen brütete, ausführen zu können.