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Hamburger Stadtbild.

Von Alfred Lichtwark.

Wie die politische und ökonomische Geschichte Hamburgs, so ist auch der Ausbau des Stadtbildes von einer einzigen Macht beherrscht, den Bedürfnissen des Handels. Und wie er Land und Wasser umgeformt hat, so dient ihm das Leben der staatlichen Gemeinschaft und des Individuums. Der Hafen ist der Herr der Stadt. Alle Bildungen im Stadtplan, die nicht von den Erfordernissen des Handels und der Industrie vorgeschrieben, waren dem Zufall und der Willkür überlassen, kein Fürstenschloß, kein Schloßgarten, kein Wildpark bildete den Kern einer großräumigen Stadtanlage, und heute erst werden Anstrengungen gemacht, einen allgemeinen Bebauungsplan durchzusetzen.

Da ist es fast ein Wunder, daß die Stadt so schön geblieben ist.

Sie verdankt es dem Naturgefühl des niedersächsischen Stamms, der ihn bewohnt. Hamburg erscheint, vom Luftballon aus gesehen, immer noch wie ein großer Park mit Häusern darin. Es ist mit seinen Wasserflächen, Wiesen, Parks und Gärten mitten im Straßennetz so weitläufig gebaut, daß es vor einigen Jahren mehr Straßenlaternen brauchte als Berlin.

Die Sehnsucht jedes einzelnen seit Jahrhunderten ist Haus und Garten. Der Garten ist immer noch der einzige Luxus großen Stils, den sich im allgemeinen der Hamburger gönnt. Er hat seine Gärten noch immer in der eigentlichen Wohnstadt, in Pöseldorf und Harvestehude, auf der Uhlenhorst, in Borgfelde und Hamm.

Die oberste Schicht hat an der Gewohnheit des Winterhauses in der Stadt und des Sommerhauses in der nächsten Umgebung bis heute festgehalten. Es gibt ein Winterhamburg und ein Sommerhamburg. Dieses erstreckt sich im weiten Bogen um den alten Kern. Wer am einen Ende der Peripherie des großen Halbkreises wohnt, hat im Sommer unter Umständen Stunden zu fahren, wenn er auf der anderen Seite zum Diner geladen ist.

Die Vorliebe der Gesellschaft für das Einzelhaus gibt dem öffentlichen Leben den Charakter, man möchte fast sagen: sie löscht es aus. Haus und Garten haben die Tendenz, die Familie wie den Einzelnen der Öffentlichkeit zu entziehen. Nach Promenaden, Stadtpark oder Korso besteht kein Bedürfnis. Hamburg hat mitten in der Stadt zahllose kleinere und größere Parks und Wiesenflächen, aber es fehlt ein Park, in dem sich alle begegnen. Die Equipagen gehören, wie man in Hamburg übertreibend zu sagen pflegt, der Kategorie der Lastfuhrwerke an. Wer Aufwand damit treiben wollte, der fände keine Gelegenheit, ihn zu zeigen. An ihre Stelle tritt bis zu einem gewissen Grade der Luxus der Segeljacht und eines eleganten Ruderbootes. Es ist für Hamburg charakteristisch, daß abendliche Zusammenkünfte der Gesellschaft im Freien nur zu Wasser stattfinden, beim Wasserkorso vor dem Fährhaus auf der Uhlenhorst. Jeden Abend kommen dort in den Sommermonaten die Damen der umliegenden Villengelände in ihren zierlichen Booten zusammen, oft liegen dort Hunderte von Fahrzeugen, während die männliche Jugend, die sich für die Regatta trainiert, in langen Ruderbooten vorüberschießt oder es sich unter den weißen Segeln der langsam vor den Baummassen der Ufer dahingleitenden Kutter bequem gemacht hat. Der Zoologische Garten wird von der Gesellschaft nur wenig, die populäre Vergnügungsstadt St. Pauli nie besucht.

Alles Leben spielt sich in Haus und Garten ab. Es gibt kein Kneipen- und Klubleben. Eine Ausnahme macht das sehr alte, sehr entwickelte und sehr volkstümliche Sportsleben auf den Spielplätzen, in den Ruder-, Jachtklubs und Rennklubs. Die Sportfeste bilden die Höhepunkte des sommerlichen Lebens. Ein großartigeres Schauspiel von Volksleben in so unvergleichlichem Rahmen wie die Regatten auf der Alster dürfte der Kontinent kaum bieten.

Nur wenige Restaurants werden von der Gesellschaft und in Begleitung von Damen besucht. Selbst nach Schluß der Konzerte und Theater pflegt alles nach Haus zu streben. Im Sommer und Winter sieht man nach neun auf dem Jungfernstieg nur Fremde.

Die weiten Entfernungen, die durch die weitläufige Bauart und die halbkreisförmige Gestalt des Stadtplanes bedingt sind, und die unzulängliche Entwicklung der peripherischen Verbindungen – bei ganz vorzüglichen radialen – erschweren jeden Verkehr.

Mit diesen Zuständen hängt es zusammen, daß auf den Straßen fast gar kein Luxus zu sehen ist. Nichts Einfacheres als die Straßentoilette der Damen. Die Hamburgerinnen tragen Uniform, heißt es in Berlin. Daß kein Hof in Hamburg die Leichtigkeit der Verkehrsformen entwickelt hat, spürt man im geselligen Verkehr und in dem abgeschlossenen Wesen des einzelnen, das von Fremden als Unzugänglichkeit empfunden wird.

Aus: Alfred Lichtwark, Hamburg. Niedersachsen. (Berlin, Br. Cassirer.)


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