Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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37. Novelle
Der betrogene Eifersüchtige

Während die andern sich einiger Geschichten erinnern mögen, die sich ereignet und zugetragen haben und passend und geeignet sind, dieser Sammlung hinzugefügt zu werden, will ich euch in Kürze erzählen, wie der eifersüchtigste Mensch seiner Zeit in diesem Königreich getäuscht wurde.

Ich glaube ziemlich sicher, daß er nicht allein mit diesem Übel belastet gewesen ist. Doch war er es über alle Maßen, und ich möchte nicht die Zeit verstreichen lassen, ohne euch zu berichten, welch hübschen Streich man ihm spielte. Dieser gute Eifersüchtige, von dem ich euch erzähle, war ein großer Freund von Geschichten, hatte viele und mannigfache Histörchen gelesen und wiedergelesen. Der Hauptzweck aber all seines Strebens und Studiums war, die Arten und Weisen, wie Frauen ihre Männer betrügen können, zu erkunden und kennenzulernen. Denn, Gott sei Dank, erwähnen die alten Geschichte, wie Matheolus, Juvenal, die »Fünfzehn Freuden der Ehe« und viele andre, die ich nicht aufzählen will, verschiedene in dieser Hinsicht geübte Listen, Betrügereien, Foppereien und Täuschungen.

Unser Eifersüchtiger hatte diese Bücher stets bei der Hand und war ebenso in sie verliebt wie der Narr in seine Pritsche; er las sie fortwährend, studierte sie stets und machte aus ihnen für sich einen Auszug, in den aufgenommen, niedergeschrieben und aufgezeichnet waren viele Arten von Betrügereien, wie sie bei den Streichen und Liebeshändeln der Frauen und gegenüber ihren Männern stattgefunden haben. Und das tat er alles, um besser gerüstet und auf der Hut zu sein, wenn seine Frau zufällig einer der in seinem Buch verzeichneten und registrierten Arten sich bedienen sollte. Obwohl er seine Frau beinahe wie ein eifersüchtiger Italiener bewachte, fühlte er sich doch nicht recht sicher, so heftig litt er unter dem verwünschten Übel der Eifersucht.

In diesem Zustande und dieser angenehmen Ergötzlichkeit lebte der gute Mann drei bis vier Jahre mit seiner Frau, die keinen andern Zeitvertreib und keine andere Gelegenheit, seiner teuflischen Gegenwart sich zu entziehen, fand, als wenn sie zur Messe ging und von ihr heimkam, von einer alten Schlange, die sie bewachte, begleitet.

Ein schmucker Gesell, der von diesem Treiben durch das Gerücht Kunde erhalten hatte, wußte eines Tags dieser guten Demoiselle zu begegnen, die freundlich und schön war, erklärte ihr aufs anmutigste seine freudige Dienstwilligkeit, beklagte und beseufzte liebestrunken ihr verwünschtes Geschick, an den eifersüchtigsten Menschen, den die Erde trage, gebunden zu sein, und sagte ihr übrigens, sie sei die einzige im Leben, für die er mehr tun zu können wünsche. »Und da ich Euch hier nicht sagen kann, wie sehr ich Euch ergeben bin, und noch vielerlei anderes, was, wie ich hoffe, Euch zufriedenstellen wird, will ich es, mit Eurer Erlaubnis, aufschreiben und morgen Euch mit der Bitte übergeben, meinen geringen Dienst, der aus meinem guten Willen und treuen Herzen hervorgeht, nicht zurückzuweisen.«

Sie hörte ihn gern an, antwortete aber wegen der Gegenwart des Dangier, der allzu nahe stand, nicht. Gleichwohl war sie damit einverstanden, seine Briefe, wenn sie kämen, zu lesen. Der Verliebte nahm recht froh, wozu er guten Grund hatte, Abschied, und die Demoiselle, freundlich und hold, wie sie war, entließ ihn. Die Alte aber, die ihr folgte, verfehlte nicht zu fragen, welches Gespräch sie mit dem eben Davongehenden gepflogen hätte.

»Er hat mir«, erklärte sie, »von meiner Mutter Nachricht gebracht, die mich sehr erfreut hat, denn sie ist wohlauf.«

Die Alte fragte nicht weiter, und sie kamen nach Haus. Am nächsten Tag wußte der andere, mit einem Brief versehen, Gott weiß wie geschrieben, seiner Dame zu begegnen und gab ihn ihr so schnell und geschickt, daß die auf der Lauer liegende alte Schlange nichts davon bemerkte. Der Brief ward durch die, die ihn gern sah, geöffnet, als sie allein war. Der Inhalt war im großen und ganzen der: Er sei in Liebe zu ihr entbrannt und kein einziger Tag würde ihm Gutes mehr bringen, wenn ihm nicht Zeit und Gelegenheit geboten würden, sie ausführlicher sprechen zu können, und zum Schluß bat er sie, ihm freundlichst den für ihr Vorhaben günstigen Tag und Ort in der Antwort auf diesen Brief nennen zu wollen. Sie setzte ein Schreiben auf, in dem sie freundlich erklärte, einen Liebeshandel mit keinem andern als mit dem eingehen zu wollen, dem sie Glauben und Treue schulde. Gleichwohl sei sie, da er so heftig in Liebe zu ihr entbrannt sei, daß sie nicht wüßte, wie sie es ihm lohnen könne, sehr zufrieden zu hören, was er ihr zu sagen wünsche, wenn sie es irgend könnte oder wüßte. Doch es gehe gewiß nicht, denn ihr Mann halte sie so streng, daß er sie kaum die Stunde zur Messe von sich ließe, daß sie zur Kirche ginge, bewacht und mehr als bewacht von dem bösesten alten Weib, das je einen Menschen ärgerte.

Der ganz anders als am vergangenen Tag gekleidete schmucke Gesell wußte seiner Dame, die ihn sehr gut erkannte, zu begegnen, und als er ganz nahe an ihr vorüberging, erhielt er aus ihrer Hand den obenerwähnten Brief. Daß er begierig nach seinem Inhalt war, ist nicht verwunderlich. Er begab sich in einen Winkel, wo er ganz nach Wunsch und Bequemlichkeit sich von dem Stande seines Liebeshandels, der ihm auf gutem Wege schien, überzeugen und unterrichten konnte. Er erkannte, daß nur die Gelegenheit fehlte, um zu Ende und ans Ziel seines Unternehmens zu kommen, und um dieses zu vollenden, dachte er Tag und Nacht unaufhörlich darüber nach und überlegte, wie er es ausführen könnte.

Endlich hatte er einen guten Einfall, nach dem er handelte: Er ging nämlich zu einer guten Freundin, die zwischen der Kirche, die seine Dame zur Messe aufsuchte, und dem Haus seiner Erkorenen wohnte, erzählte ihr alles, ohne irgend etwas von seinem Liebeshandel zu verheimlichen, und bat sie, ihm dabei zu helfen und beizustehen.

»Was ich für Euch tun kann«, erklärte sie, »werde ich freudigen Herzens für Euch tun, darauf könnt Ihr Euch verlassen.«

»Ich danke Euch«, versetzte er, »und wäret Ihr's zufrieden, wenn sie hier ins Haus käme, um mich zu sprechen?«

»Meiner Treu, aus Liebe zu Euch bin ich damit einverstanden.«

»Schön!« sagte er. »Wenn ich Euch jemals einen Dienst zu leisten vermag, so werdet Ihr mich für diese Freundlichkeit erkenntlich finden.«

Er war nicht eher zufrieden, als bis er seiner Dame von neuem geschrieben und seinen Brief übergeben hatte, des Inhalts, daß er mit der und der so lange gesprochen hätte, »die meine gute Freundin ist, eine anständige, treue und verschwiegene Frau, die Euch liebt und wohl kennt, so daß sie uns ihr Haus überlassen wird, damit wir plaudern können. Nun hört, was ich für eine Absicht habe. Ich werde morgen in dem Zimmer oben, das nach der Straße zu liegt, sein und neben mir einen großen Eimer Wasser, mit Asche vermischt, haben, den ich im Augenblick, da Ihr vorübergeht, auf Euch schütten werde. Und ich werde mich so anziehen, daß weder Eure Alte noch sonst eine Seele auf der Welt mich erkennen könnte. Wenn Ihr Euch in diesem Zustande seht, müßt Ihr sehr erschrocken tun, Euch in dies Haus retten und Euch durch Euren Dangier ein andres Kleid holen lassen, und während sie auf dem Weg ist, werden wir zusammen sprechen.«

Um es kurz zu machen: Der Brief ward übergeben, und sie übermittelte ihm die Antwort, sie sei es zufrieden. Nun war der Tag gekommen, und die Demoiselle ward von ihrem Geliebten mit dem Eimer voll Wasser und Asche überschüttet, und zwar derart, daß ihr Kopfputz, Kleid und alles, was sie sonst anhatte, ganz verdorben und durchnäßt waren. Und Gott weiß, daß sie recht erschreckt und ärgerlich tat. Und so übel zugerichtet, wie sie war, lief sie in das Haus und tat, als kennte sie es nicht. Sobald sie die Dame sah, beklagte sie sich über ihr Mißgeschick, und man kann euch nicht den Kummer schildern, den sie ob dieses Abenteuers kundgab. Jetzt beklagt sie ihr Kleid, jetzt ihren Kopfputz und nun ihren Schleier. Kurz, wer sie hörte, mußte glauben, die Welt wäre untergegangen. Und ihre Dienerin Dangier, die vor Ärger ganz aufgeregt war, nahm ein Tuch und säuberte ihr das Kleid, so gut sie konnte.

»Nein, nein, nein, nein, liebe Freundin, Ihr macht Euch umsonst so viele Mühe, das läßt sich nicht so schnell reinigen. Hier könnt Ihr nichts machen, es hat keinen Zweck. Ich muß ein anderes Kleid und einen andern Kopfschmuck haben, anders geht es nicht. Lauft nach Haus, und bringt es mir, und beeilt Euch mit dem Wiederkommen, daß wir zu all unserem Unglück nicht auch noch um die Messe kommen!«

Da die Alte sah, daß die Sache notwendig war, wagte sie keinen Widerspruch, nahm ihr Kleid und ihren Kopfputz unter ihren Mantel und ging nach Haus.

Sie hatte kaum den Rücken gekehrt, da ward ihre Herrin in das Zimmer geführt, in dem ihr Liebhaber weilte, der sie gern im Unterrock und mit bloßen Haaren sah. Während sie sich unterhalten, wollen wir von der Alten sprechen, die nach Haus kam, wo sie ihren Herrn fand, der nicht darauf wartete, daß sie sprach, sondern sie sofort fragte: »Was habt Ihr mit meiner Frau gemacht, und wo ist sie?«

»Ich habe sie bei der und der und da und da gelassen!« entgegnete sie.

»Und weshalb?« rief er.

Nun zeigte sie ihm Kleid und Kopfschmuck und erzählte ihm das Abenteuer mit dem Eimer voll Wasser und Asche und sagte, sie komme, um andere Kleider zu holen, denn in diesem Zustande könne ihre Herrin nicht das Haus verlassen, in dem sie sich befinde.

»Ist dem so?« fragte er. »Mutter Gottes, dieser Einfall steht nicht in meinem Buch. Geht, geht, ich weiß, woran ich bin.«

Er hätte gern gesagt, daß er ein Hahnrei sei, und glaubt nur, er war es zu dieser Stunde. Davon hatte er nicht in dem Buch und Brevet gelesen, in dem viele Listen aufgezeichnet waren. Und man kann sich recht wohl denken, daß er diese letzte so gut im Gedächtnis behielt, daß er sie später niemals mehr vergaß; er brauchte sie deshalb auch nicht aufzuschreiben, so deutlich erinnerte er sich ihrer die wenigen guten Tage, die er lebte.

 


 


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