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Es war etwas recht Gewöhnliches, besonders in diesem Königreich, daß die schönen Damen und Fräulein sich oft und gern in der Gesellschaft schmucker Gesellen finden, und gelegentlich des angenehmen und frohen Zeitvertreibs mit ihnen vermögen sie sich nicht lange deren anmutigen und süßen Bitten zu verschließen. Dabei fällt mir ein, daß vor nicht langer Zeit ein hochadeliger Mann, den man dem Range nach den Fürsten zuzählen kann, dessen Namen ich aber verschweige, sich in der höchsten Gunst einer sehr schönen verheirateten Demoiselle sah, deren Ruhm so groß war, daß der vornehmste Herr dieses Königreichs sich glücklich geschätzt hätte, ihr Diener sein zu können; und sie hätte ihm gern ihr großes Wohlwollen gezeigt, doch ging das nicht nach ihrem heißen Wunsch, da sie die alten Gegner und Feinde der Liebe hinderten. Besonders war ihr guter Mann ihr im Wege, der in diesem Fall die Stelle des verwünschten Dangier vertrat, denn wäre er nicht gewesen, so hätte ihr schmucker Diener alles, was sie ihm freundlich und ehrbar hätte geben können, von ihr erhalten. Und ihr könnt euch denken, daß dieser Liebhaber ob des langen Verzugs sehr unzufrieden war, denn das Endziel seines hübschen Jagdzugs lag ihm sehr am Herzen und ward mehr als irgendein anderes Gut, das ihm je hätte zuteil werden können, von ihm ersehnt. Und aus diesem Grund setzte er sein stürmisches Liebesdrängen so lange fort, bis ihm seine Dame sagte: »Ich bin ebenso ärgerlich wie Ihr darüber, meiner Treu, daß ich Euch keinen andern Willkomm bieten kann, doch Ihr wißt, daß mein Mann, solange er daheim ist, unterhalten werden muß!«
»Ach«, rief er, »und könnte man kein Mittel finden, mein hartes und grausames Martyrium abzukürzen?«
Sie hatte, wie oben gesagt ist, nicht minder den Wunsch als er, sich mit ihrem Diener allein zu sehen, und sagte ihm: »Kommt heute nacht zu einer bestimmten Stunde« - sie nannte sie ihm - »und klopft an meine Kammer. Ich werde Euch einlassen und Gelegenheit finden, mich meines Mannes zu entledigen, wenn das Schicksal nicht mein Unterfangen stört.«
Der Liebhaber konnte nichts Angenehmeres hören, und nach freundlichem und herzlichem Dank für diese Gelegenheit, worin er ein trefflicher Meister und Arbeiter war, verläßt er sie und geht in Erwartung und Sehnsucht nach der angekündigten Stunde davon.
Nun müßt ihr wissen, daß eine gute Stunde - es konnte aber auch mehr oder weniger sein - vor der obengenannten festgesetzten Stunde unsere anmutige Demoiselle mit ihren Frauen und ihrem Gemahl, der später dazukam, nach dem Abendessen sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatte, und ihr könnt es glauben, sie saß nicht müßig, sondern arbeitete mit aller Kraft daran, ihrem Liebhaber das Versprechen zu halten. Jetzt kam sie auf den einen, dann auf einen anderen Gedanken, doch nichts Gescheites fiel ihr ein, wodurch sie diesen verwünschten Gatten hätte entfernen können, und dabei rückte die so ersehnte Stunde immer näher.
Wie sie in diesen tiefen Gedanken saß, kam ihr das Schicksal freundlich zu Hilfe, indem ihr Gatte selbst auf einen angenehmen Einfall kam, der ihm selbst zwar hartes Ungemach und viel Beschwerde verursachen sollte, seinem Gegner aber, das heißt dem obengenannten Liebhaber, Freude, Vergnügen, Trost und die größte Heiterkeit bereitete. Hört, wie das kam.
Als der arme Mann sah, daß seine Frau ein wenig den Kopf sinken ließ und tief nachdenklich war, und er nicht wußte, an wen noch an was sie dachte, betrachtete er sie sehr angelegentlich, dann die Frauen im Zimmer, eine nach der andern, und blickte einige Male im Zimmer umher. Und so lange ließ er still seine Augen schweifen, bis er zufällig am Fuß des Bettes einen Koffer bemerkte, der seiner Frau gehörte. Und um sie zum Sprechen zu bringen und ihren Gedanken zu entziehen, fragte er, wozu der Koffer in dem Zimmer diene und weshalb man ihn nicht in die Kleiderkammer oder an einen andern Ort bringe und hier damit Staat mache.
»Es hat keine Gefahr, Herr«, versetzte die Demoiselle, »niemand außer uns kommt hierher. Auch habe ich ihn hier aus dem Grunde stehen lassen, weil er noch einige Kleider von mir enthält. Doch seid nicht böse, lieber Freund, die Frauen sollen ihn gleich wegbringen!«
»Böse!« entgegnete er, »meiner Treu, gewiß nicht. Meinetwegen kann er hier ebenso wie anderswo stehen, da es Euch gefällt. Doch scheint er mir bei den großen und langen Schleppen, die man heutzutage macht, zu klein, als daß Ihr in ihm bequem Eure Kleider unterbringen könntet, ohne sie zu drücken.«
»Wahrhaftig, Herr«, erwiderte sie, »er ist groß genug.«
»Ich kann es wirklich nicht glauben«, sagte er, »betrachtet ihn nur genau!«
»Nun, Herr, wollt Ihr mit mir wetten?«
»Ja, wahrhaftig«, erklärte er, »und worum?«
»Ich will mit Euch wetten, wenn es Euch recht ist, um ein halbes Dutzend feiner Hemden gegen Atlas zu einem einfachen Rock, daß wir Euch so, wie Ihr da seid, wohl hineinstecken werden!«
»Wahrhaftig, ich wette nein«, rief er.
»Und ich wette ja.«
»Nun wohl«, sagten die Frauen, »wir wollen sehen, wer gewinnen wird.«
»Beim Ausprobieren wird man's erfahren«, entgegnete der Herr.
Und nun ging er hin und ließ aus dem Koffer die Kleider, die darin waren, nehmen, und als er leer war, halfen ihm die Demoiselle und ihre Frauen mit einiger Mühe hinein, bis er ganz bequem darin lag. Und dabei gab es großen Lärm, und Mademoiselle fragte ihn heiter: »Nun Herr, Ihr habt die Wette verloren, Ihr erkennt es jetzt, nicht wahr?«
»Wahrhaftig, ja«, antwortete er. »lhr habt recht.« Und bei diesen Worten ward der Koffer geschlossen, und scherzend, lachend und lustig nahmen alle Frauen Mann und Koffer und trugen sie in eine kleine Kleiderkammer, die ziemlich weit von dem Zimmer entfernt war, und ließen sie dort. Und er schrie, tobte und machte großen Lärm, doch das alles half ihm nichts, denn man ließ ihn die ganze lange Nacht da, er sollte denken, schlafen, tun, was er mochte, denn die Demoiselle und ihr enger Rat hatten bestimmt, er solle heute dort bleiben, weil er dem, den sie viel mehr als ihn liebte, so lange den Platz fortgenommen hatte.
Um nun zu unserer Geschichte zurückzukehren, wollen wir unsern Mann im Koffer lassen und von der Demoiselle erzählen, die ihren Liebhaber erwartete, zusammen mit ihren Frauen, die so gut und verschwiegen waren, daß sie ihnen nichts von ihren Angelegenheiten verbarg. Sie wußten sehr wohl, daß der hochgeliebte Galan, soweit es an ihm lag, die Nacht hindurch den Platz dessen behaupten werde, der jetzt im Koffer seine Buße tat. Es währte nicht lange, da kam der gute Liebhaber, ohne Lärm zu machen, und klopfte an die Kammertür. Und man erkannte ihn alsbald am Pochen und ließ ihn ein. Er ward vergnügt und froh empfangen und freundlich von der Demoiselle und ihrer Gesellschaft unterhalten, und als er sich mit seiner Dame allein befand, erzählte sie ihm ausführlich von dem Glück, das ihnen Gott beschert hatte, das heißt, wie sie mit ihrem Mann gewettet hatte, ob er in den Koffer hineingehe oder nicht, wie er hineinging und wie sie und ihre Frauen ihn in eine Kleiderkammer getragen hatten. »Wie!« rief der Liebhaber, »ich dachte nicht, daß er zu Hause wäre, wahrhaftig, ich glaubte, Ihr hättet irgendeine Gelegenheit gefunden, ihn wegzuschicken oder aus dem Haus zu bringen, und ich hätte heut seine Stelle einnehmen sollen.«
»Ihr sollt darum doch nicht fortgehen!« erklärte sie. »Er kann von dort, wo er steckt, nicht heraus, und er kann schreien, solange er Lust hat, kein Mensch kann ihn da hören. Und Ihr könnt glauben, daß er, soweit es an mir liegt, heute da bleiben soll. Wenn Ihr ihn aus dem Gefängnis befreien wollt, bitte. Ich überlasse es Euch! «
»Bei unserer lieben Frau«, versetzte er, »wenn er so lange drin herumspringt, bis ich ihn heraushole, dann kann er lange warten!«
»Dann wollen wir uns also vergnügte Stunden machen und nicht mehr daran denken.«
Um es kurz zu machen: die beiden Liebenden zogen sich aus und legten sich, die Arme umeinander geschlungen, in das schöne Bett und taten das, um dessentwillen sie zusammengekommen waren, was die Leser sich besser denken können, als der Erzähler sagen kann. Als der Tag kam, verabschiedete sich der schmucke Liebhaber in größter Stille von seiner Dame und ging in sein Quartier, um zu schlafen oder vielleicht auch, um zu frühstücken, denn er hatte alles beides nötig.
Mademoiselle, ebenso scharfsinnig wie klug und gut, erhob sich zeitig und sagte zu ihren Frauen: »Nun wird's Zeit, unsern Gefangenen zu befreien, ich will hören, was er sagen und was für Lösegeld er geben wird!«
»Werft nur alle Schuld auf uns!« erklärten sie, »wir werden ihn schon beruhigen.«
»Ihr könnt glauben, daß ich's auch tun werde!« versetzte sie. Und bei diesen Worten bekreuzigt sie sich und geht aus dem Zimmer. Und wie gedankenlos, doch mit voller Absicht, betrat sie die Kleiderkammer, wo ihr Mann noch im Koffer eingeschlossen lag. Und als er sie hörte, begann er großen Lärm zu machen und mit aller Kraft zu schreien: »Was soll das heißen? Wird man mich denn hier drin lassen?«
Und seine gute Frau, die ihn so lärmen hörte, spielte die Unwissende und antwortete erschrocken und furchtsam: »Ach, was höre ich denn hier schreien?«
»Ich bin's, bei Gott, ich bin's«, rief der Mann.
»Ihr, und woher kommt Ihr denn jetzt?« fragte sie.
»Woher ich komme?« versetzte er. »Das wißt Ihr sehr wohl, Mademoiselle, das brauche ich Euch nicht zu sagen, doch wenn Ihr Euch jetzt über mich lustig macht, will ich mich schon eines Tages an Euch rächen.« Und gleich wäre er in den hitzigsten Zorn geraten und hätte seiner Frau Schimpfworte gesagt, sie aber kannte ihn wohl und schnitt ihm das Wort ab: »Um Gottes willen, Herr, ich bitte Euch um Gnade, bei meinem Eide versichere ich Euch, daß ich Euch jetzt nicht hier glaubte. Ihr könnt glauben, daß ich Euch hier nicht gesucht hätte, und ich kann mich nicht genug wundern, Euch noch hier zu sehen. Denn gestern abend beauftragte ich die Frauen, Euch hinauszulassen, während ich meine Gebete sagte, und sie erklärten mir, es tun zu wollen. Und eine sagte mir auch, Ihr wäret schon draußen und in die Stadt gegangen und wolltet heut nicht mehr zurückkommen. Und deshalb legte ich mich bald danach zu Bett, ohne Euch zu erwarten!«
»Sankt Johann!« rief er. »Ihr seht nun, wie es ist; nun eilt Euch, mir hier herauszuhelfen, denn ich bin so matt, daß ich nicht mehr weiterkann!«
»Das will ich gern tun«, entgegnete sie, »doch nicht eher, Herr, als Ihr versprochen habt, Eure verlorene Wette zu zahlen. Verzeiht mir, anders kann ich es nicht machen!«
»Eilt Euch nur, bei Gott«, erwiderte er, »ich will sie schon zahlen!«
»Ihr versprecht es mir also?«
»Ja, wahrhaftig.« Und nach dieser Unterhandlung öffnete Mademoiselle den Koffer, und der Herr stieg heraus, müde, gedrückt, matt. Und sie nimmt ihn in ihre Arme, küßt und umarmt ihn aufs freundlichste, und bittet ihn um Gottes willen, doch nicht böse zu sein.
Und der arme Hahnrei erklärte, er sei es nicht, da sie ja doch nichts von alledem wisse, doch ihre Frauen werde er kräftig strafen.
»Meiner Treu, Herr!« sagte sie, »sie haben sich gut an Euch gerächt. Ich zweifle nicht, daß Ihr ihnen irgend etwas Böses getan habt!«
»Nein, sicher nicht, nicht daß ich wüßte; doch glaubt, der Streich, den sie mir gespielt haben, soll sie teuer zu stehen kommen!«
Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da traten alle Frauen in die Kammer, lachten hell auf und von ganzem Herzen, so daß sie lange Zeit kein Wort hervorbringen konnten. Und der Herr, der wahre Wunder hatte tun wollen, konnte sich, als er sie jetzt so lachen sah, nicht halten und tat wie sie. Und die Demoiselle nahm keinen Anstand, ihm dabei Gesellschaft zu leisten.
Da konnte man auf beiden Seiten ein tolles Gelächter hören, und der, der die geringste Ursache dazu hatte, konnte kaum zu sich kommen. Endlich hatte dieser Zeitvertreib ein Ende, und der Herr sagte: »Meine Fräulein, ich danke euch sehr für die Höflichkeit, die ihr mir diese Nacht bewiesen habt!«
»Auf Euer Geheiß!« entgegnete eine von ihnen. »Noch seid Ihr nicht ledig! Ihr habt uns so viel Mühe und Ärger gemacht und tut das noch jeden Tag, daß wir auf diesen Gedanken gekommen sind. Und wir bedauern auch nichts weiter, als daß Ihr nicht länger darin gewesen seid. Und wüßten wir nicht genau, daß es Mademoiselle nicht wohlgefiel, so wäret Ihr noch darin. Wollet das freundlich bedenken!«
»Steht die Sache so?« fragte er. »Nun gut, gut. Ihr sollt sehen, wie es euch gehen wird. Meiner Treu, mir geht's gut, bei all den Beschwerden, die ich durchgemacht habe, macht man sich noch über mich lustig. Und außerdem, was noch schlimmer ist, muß ich den Atlas für den einfachen Rock zahlen. Wahrhaftig, da muß ich wenigstens als Entgelt für meine Mühsal die Hemden haben, von denen bei der Wette die Rede war!«
»Das ist nur recht, bei Gott«, erklärten die Fräulein, »in diesem Punkt wollen wir für Euch sein, und Ihr sollt sie haben. Wird er sie bekommen, Mademoiselle?«
»Und weshalb denn?« versetzte sie. »Er hat doch die Wette verloren.«
»Teufel, das wissen wir wohl, nach Recht und Billigkeit kann er sie nicht bekommen, auch verlangte er sie ja nicht deshalb, doch hat er sie auf andere Weise wohl verdient!«
»Darauf soll's nicht ankommen«, entgegnete sie, »ich will gern Leinwand besorgen, und ihr, meine Fräulein, die ihr für ihn so gut sorgt, werdet euch die Mühe nehmen, sie zu nähen!«
»Ja, freilich, ja, Mademoiselle!«
Wie ein Hund, der morgens beim Aufstehen nur den Kopf zu schütteln braucht, um fix und fertig zu sein, so der Herr, denn er brauchte nur sein Gewand und seine Hosen ausklopfen zu lassen und war fertig. Und so ging er zur Messe, und Mademoiselle und ihre Frauen folgten ihm und, das versichere ich euch, lachten herzlich über ihn. Und ihr könnt glauben, daß die Messe nicht ohne plötzliche Lachausbrüche vorüberging, wenn sie an das Lager des Herrn im Koffer dachten, der auch heute noch nicht weiß, wer in jener Nacht in dem Buch ohne Namen einregistriert ward. Und wenn diese Geschichte ihm nicht zufällig in die Hände kommt, wird er auch, so Gott will, nichts davon erfahren, ich möchte es auch um keinen Preis. Daher bitte ich auch die Leser, die davon wissen, es ihm ja nicht zu erzählen.