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Ein anmutiger Edelmann, der sich noch keine Dame erkoren hatte und seinen Dienst und seine Zeit dem hochedlen Liebeshof zu weihen wünschte, schenkte Herz, Leib und Gut, um seine Zeit wohl zu verbringen und zu genießen, einem schönen und, was mehr wert ist, guten Fräulein, das ganz geschaffen und danach angetan war, die Männer zu modeln, und sich gern und lange Zeit mit ihm abgab. Er meinte, sehr hoch in Gunst zu stehen, doch, um die Wahrheit zu sagen, war er bei ihr so gern gesehen wie die andern, deren sie mehrere hatte.
Nun geschah's eines Tages, daß dieser gute Edelmann zufällig seine Dame an dem Fenster eines Zimmers zwischen einem Ritter und einem Edelmann, mit denen sie plauderte, fand. Manchmal sprach sie zu dem einen insgeheim, ohne daß der andre etwas hörte; ebenso tat sie bei dem zweiten, um jeden zufriedenzustellen. Doch mochte das auch nach ihrem Geschmack sein, der arme Verliebte ärgerte sich darüber sehr, wollte sich aber doch nicht der Gesellschaft nähern. Obwohl er sich hätte entfernen können, ersehnte er doch heiß die Gegenwart derjenigen, die er mehr als alle andern liebte, sagte ihm sein Herz doch nur allzu gut, daß die Gesellschaft nicht von dannen gehen würde, ohne etwas zu seinem Nachteile zu beschließen oder anzustellen, und er hatte mit diesem Gedanken nur zu recht. Hätte er nicht die Augen verbunden und bedeckt gehabt, so hätte er deutlich sehen können, was ein andrer, den die Sache nichts anging, mit einem Blick bemerkt hätte. Und in der Tat wies es ihm ein andrer, hört nur, wie!
Als er sich nicht verhehlen konnte, daß seine Dame weder Muße noch Absicht hatte, sich mit ihm abzugeben, warf er sich auf ein Bett und wollte schlafen, doch gelang ihm das nicht, denn vor seinen Augen stand unaufhörlich sein Mißgeschick. Währenddessen kam ein Edelmann dazu, der die Gesellschaft begrüßte und der, als er das Fräulein in Anspruch genommen sah, sich zu dem Edelmanne gesellte, der auf dem Bett lag, aber nicht schlief. Und unter anderm sagte er: »Meiner Treu, Herr, seht doch nach dem Fenster da - wie sich die Leute vergnügen! Seht Ihr nicht, wie sie sich lustig unterhalten?«
»Sankt Johann, du sprichst wahr«, erklärte der Ritter, »doch plaudern sie nicht nur, sie machen noch etwas andres. «
»Und was?« fragte der andre.
»Was?« entgegnete er, »siehst du denn nicht, wie sie alle beide an ihren Zügeln hält!«
»Arn Zügel!« rief er.
»Ja, wahrhaftig, armes Tier, am Zügel. Wo hast du deine Augen? Sie hat ihre Wahl hübsch getroffen, denn der, den sie in der linken Hand hält, ist nicht so lang und groß wie der, der ihr die rechte Hand füllt!«
»Ach«, sagte der Edelrnann, »beim Tode Gottes, Ihr sprecht wahr. Sankt Antonius brenne das liederliche Weibsbild!« Und ihr könnt euch denken, daß ihm nicht froh ums Herz war.
»Laß dich's nicht kümmern!« rief der Ritter, »trage dein Leid, so gut du kannst. Das braucht dir nicht nahezugehen, du mußt aus der Not eine Tugend machen!«
So tut er auch, und seht! da näherte sich der gute Ritter dem Fenster, an dem sie sich amüsierten, und bemerkte zufällig, daß der Ritter mit dem linken Zügel sich auf die Fußspitzen erhob, und sah, was das freundliche Fräulein und der Edelmann, sein Genoß, taten und sagten. Daher kam er zu ihm und rief ihm zu, während er ihm einen kleinen Stoß gegen den Hut gab. »Achtet auf Eure Arbeit, beim Teufel, und kümmert Euch nicht um andre Leute!«
Der andre zog sich zurück und lachte, das Fräulein aber, das nicht schlecht erschrak, muckste sich nicht, doch ganz sacht, ohne zu erröten oder die Farbe zu wechseln, ließ es von seinem Unternehmen ab. Es bedauerte sehr, aus der Hand lassen zu müssen, was ihr an anderer Stelle wohl gedient hätte. Und man darf wohl annehmen, daß vorher und später beide ihm gern ihre Dienste weihten; so hätte auch gerne der arme, kranke Liebhaber getan, der gezwungen ward, Zeuge des größten Leids zu sein, das ihm in der Welt geschehen konnte; der Gedanke daran hätte sich in seinem armen Herzen festgewurzelt und ihn in Verzweiflung gestürzt, hätte der Verstand ihm nicht geholfen, ihn geheißen, alles aufzugeben und anderswo seine Liebeswerbung anzubringen, die er auf andere Weise zu Ende führen konnte, denn von dieser könnte man kein einziges Wort, das von seinem Vorteil spräche, mehr melden.