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Wenn zur Zeit des hochberühmten und beredten Boccaccio das Abenteuer, von dem ich in meiner Novelle erzählen will, sich ereignet hätte oder zu seinen Ohren oder seiner Kenntnis gelangt wäre, zweifle ich nicht, daß er es seinem Buch von den edlen unglücklichen Menschen eingereiht und zugesellt hätte. [Boccaccios Buch De casibus virorum illustrium war bereits ins Französische übersetzt worden] Ich glaube nämlich nicht, daß ein edler Mensch jemals ein härteres Mißgeschick zu tragen hatte als der gute Herr, dem Gott vergebe und dessen Abenteuer ich euch erzählen werde. Und ob sein Unglück wert ist, im genannten Buch Boccaccios verzeichnet zu werden, überlasse ich dem Urteil all derer, die die Geschichte hören werden.
Der gute Herr, von dem ich euch spreche, war zu seiner Zeit einer der schönsten Fürsten in seinem Königreich, mit allem, was man bei einem edlen Mann loben und schätzen muß, begabt und geschmückt. Und unter seinen anderen Eigenschaften war besonders die bemerkenswert, daß ihn kein anderer an Freundlichkeit gegenüber den Damen übertraf.
Nun geschah's ihm, daß zur Zeit, da dieser sein Ruf und Ruhm in Blüte stand und man nur von ihm sprach, Gott Amor, der seine Gaben, wo es ihm am besten gefällt und gut scheint, ausstreut, ihn mit einem schönen, jungen, schmucken, freundlichen und wohlgestalten Mädchen verband, das ebensolchen und noch größeren Ruhms als irgendein anderes seiner Zeit wegen seiner großen und unvergleichlichen Schönheit wie auch wegen seiner hochlöblichen Sitten und Tugenden genoß. Und was nicht zu unterschätzen war, es stand so hoch in der Gunst der Königin, daß es mit ihr in den Nächten, da sie nicht mit dem König schlief, das Bett teilte.
Dieser Liebeshandel, von dem ich euch erzähle, war so weit gediehen, daß es nur an Zeit und Gelegenheit fehlte, daß jedes an seinem Teil die Sache, die ihm am meisten in der Welt am Herzen lag, weiter und zu Ende brachte. An vielen Tagen besprachen und erwählten sie Zeit und Ort, die günstig für ihre Angelegenheiten wären. Endlich aber kam sie, die das Wohl ihres Liebhabers ebensosehr wie das Heil ihrer Seele ersehnte, auf einen guten Gedanken, von dem sie ihn gleich in Kenntnis setzte, und sie sagte folgendermaßen: »Mein treuer Freund, Ihr wißt, daß ich bei der Königin schlafe und daß es mir, will ich nicht alles aufs Spiel setzen, durchaus nicht möglich ist, diesen Vorteil und diese Ehre preiszugeben, durch welche die meisten Frauen aus gutem Haus in diesem Königreich sich hochbeglückt und ausgezeichnet sehen würden. Doch wünschte ich wahrhaftig, Euch gefällig zu sein und Euch wie ihr ebensoviel Vergnügen und ebenfalls von ganzem Herzen zu machen. Und daß dem so ist, will ich Euch beweisen, ohne jedoch die, die mir alles Gute und alle Ehre der Welt erweist und erweisen kann, zu verlassen. Ich glaube auch nicht, daß Ihr wünschtet, ich täte anders!«
»Nein, wahrhaftig, liebe Freundin!« entgegnete der gute Herr. »Doch bitte ich Euch, Eurem treuen Diener, wenn Ihr Eurer Herrin dient, nicht das Wohlwollen zu entziehen, das Ihr ihm beweisen könnt und das ihm so hoch steht, daß er den Wunsch hat, es mehr als alles sonst in der Welt zu gewinnen.«
»Merkt auf, was ich tun werde, Herr«, versetzte sie. »Die Königin hat, wie Ihr wißt, ein Windspiel, das sie sehr liebt und in ihrem Zimmer schlafen läßt. Ich werde Gelegenheit finden, es heute nacht, ohne daß sie es weiß, aus dem Zimmer zu sperren. Und wenn alle sich zurückgezogen haben, will ich in die Kleiderkammer gehen und die Tür aufschließen und sie offenlassen. Und wenn Ihr meint, die Königin liege zu Bett, sollt Ihr ganz heimlich kommen und in dies Zimmer treten und die Tür schließen. Dort findet Ihr das Windspiel, das Euch genügend kennt und Euch bald heranlassen wird. Ihr sollt es an den Ohren reißen, daß es laut aufheult, und wenn es die Königin hört, wird sie es sofort erkennen; daher zweifle ich nicht, daß sie mich unverzüglich aufstehen heißen wird, um es einzulassen. Und dann will ich zu Euch kommen. Ihr dürft es an Euch nicht fehlen lassen, wenn Ihr jemals zu mir sprechen wollt!«
»Ach, meine teure, treue Freundin«, sagte der Herr. »Ich danke Euch von ganzem Herzen, Ihr könnt glauben, daß ich mich einstellen werde!« Und damit scheidet er, geht davon und seine Dame ebenfalls, jeder im Gedanken und Wunsch, ihren Plan auszuführen.
Was braucht es der langen Erzählung?
Das Windspiel wollte sich, als die Stunde gekommen war, wie gewöhnlich ins Zimmer seiner Herrin schleichen, doch die, die es zur Aussperrung verurteilt hatte, brachte es in das nebenan liegende Zimmer. Und die Königin ging zu Bett, ohne es zu vermissen, und sehr bald nach ihr kam die gute Demoiselle, um ihr Gesellschaft zu leisten, und wartete auf die Stunde, da das Windspiel heulen und der Ruf zur Schlacht erschallen werde.
Es währte auch nicht lange, da machte sich der schmucke Herr auf den Weg und ging so lange, bis er sich in dem Zimmer befand, wo das Windspiel schlief. Er suchte es mit dem Fuß und der Hand, bis er es gefunden hatte, und packte es dann an den Ohren, bis es zwei- oder dreimal schrie. Und die Königin, die das hörte, erkannte sofort, daß es ihr Windspiel war, und meinte, es wolle ins Zimmer. Daher rief sie ihr Fräulein und sagte: »Liebe Freundin, draußen, hört Ihr, schreit mein Windspiel, erhebt Euch und laßt es ein!«
»Gern, Madame«, entgegnete das Fräulein, und obwohl es die Schlacht, für die Tag und Stunde angesetzt war, erwartete, waffnete es sich doch nur mit seinem Hemd, und so ging es zur Tür und öffnete sie, wo es gleich dem, der es erwartete, begegnete.
Er war so erfreut und überrascht, da er seine Dame so schön und in so gutem Aufzug sah, daß er Kraft, Mut und Rat verlor; und er vermochte ganz und gar nicht seinen Degen zu ziehen, um zu erproben und zu erfahren, was er gegen ihren Küraß vermöchte. Und er küßte und halste sie von ganzem Herzen, drückte ihr die Brust und das Übrige und gab sich wahrlich Mühe genug, doch ans Ziel kam er wahrhaftig nicht. Daher mußte das schmucke Fräulein zurückgehen, ohne ihm das zu lassen, was er nur durch Waffengewalt nehmen und erobern konnte. Und als sie scheiden wollte, dachte er sie mit Gewalt und schönen Worten zu halten, doch sie wagte nicht zu bleiben, schloß ihm die Türe vor der Nase zu und ging zur Königin zurück, die sie fragte, ob sie das Windspiel eingelassen habe. Und sie erklärte: Nein, denn sie habe es nicht finden können, obwohl sie sich gut umgeschaut habe.
»Nun wohl«, erwiderte die Königin, »man wird es schon finden, geht zu Bett!«
Der arme Liebhaber war, Gott weiß, zu dieser Stunde sehr unzufrieden, als er sich so entehrt und gedemütigt sah, denn vorher hatte er von seiner Kraft eine so gute Meinung gehabt, daß er, wäre er kaum eine Stunde mit seiner Dame zusammengewesen, sich vorgenommen hätte, sie dreimal anzugreifen und zu bekämpfen und alle Ehre bei ihr einzulegen.
Endlich gewann er wieder Mut und sagte wohl zu sich selbst, wenn er schon so glücklich sei, seine Dame an einem so schönen Ort zu finden, sollte sie nicht wie beim erstenmal von ihm gehen. Und von Scham und Lust angestachelt und getrieben, nahm er das Windspiel abermals an den Ohren und zog es, wütend wie er war, so heftig, daß es noch viel lauter als das erstemal aufschrie. Und wirklich rief nach diesem Schrei die Königin laut nach ihrem Fräulein, das wie vorher die Tür öffnen ging, doch, ohne mehr als das erstemal zu erobern, zu seiner Herrin zurück.
Nun kam's zum drittenmal; der arme Edelmann bot alle seine Kräfte auf, um nach seinem Wunsch tätig zu sein, doch weiß der Teufel, ob der Mensch je Gelegenheit fand, eine arme Lanze mit der, die nichts anderes wünschte und ihn festen Fußes erwartete, zu brechen. Und da sie sah, daß sie ihr Panier nicht durchbohrt bekommen würde und er nicht einmal seine Lanze zu erheben vermochte, wie sehr sie ihm auch entgegenkam, erkannte sie alsbald, daß es mit dem Lanzenstechen nichts war, wodurch sich ihr Wohlwollen für den Turnierer sehr minderte. Sie wollte und wagte nicht länger bei ihm bleiben, da dieser Kauf sich nicht für sie lohnte, deshalb wollte sie wieder ins Zimmer gehen, doch ihr Freund hielt sie mit Gewalt zurück und sagte: »Ach, liebe Freundin, bleibt noch ein wenig, ich bitte Euch!«
»Ich kann nicht«, entgegnete sie, »ich kann nicht, laßt mich gehen! Ich bin schon viel zu lang für das, was ich gewonnen habe, geblieben.« Und damit wandte sie sich nach dem Zimmer zurück, doch der andere folgte ihr und wollte sie zurückhalten. Und als sie das sah, rief sie, um es ihm gehörig heimzuzahlen und die Königin zufriedenzustellen: »Weg, weg, häßliches Vieh du, wahrhaftig, du sollst heute nicht hier hineinkommen, böses Tier du!« Und damit schloß sie die Tür.
Und die Königin, die das hörte, fragte: »Zu wem sprecht Ihr denn, liebe Freundin?«
»Zu dem niederträchtigen Hund, Madame, den ich mit solcher Mühe gesucht habe. Er ist unter eine Bank gekrochen und hat die Schnauze ganz flach auf die Erde gelegt, so daß ich ihn nicht finden konnte. Und als ich ihn endlich fand, hat er sich trotz aller Mühe, die ich mir gab, nicht erheben wollen. ich hätte ihn sehr gern hier hineingesteckt, doch er hat niemals den Kopf heben wollen, daher habe ich ihn dann aus Ärger draußen gelassen und ihm die Tür vor der Nase zugemacht!«
»Das war sehr recht, liebe Freundin«, entgegnete die Königin, »legt Euch, legt Euch, damit wir schlafen können! «
So, wie ihr gehört habt, ward der edle Herr vom Mißgeschick verfolgt, und da er nicht konnte, wann seine Dame wollte, so glaube ich fest, daß, wenn er später die Fähigkeit dazu nach Wunsch hatte, seine Dame davon nichts wissen wollte.