Anonym (Frankreich)
Die hundert neuen Novellen
Anonym (Frankreich)

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33. Novelle
Das geschorene Fräulein

Ein edler Ritter aus Burgund, klug, tapfer und wohlunterrichtet, würdig des Rufs und Ruhms, den er zeit seines Lebens unter den Besten und Berühmtesten genoß, stand so sehr und hoch in der Huld eines schönen Fräuleins, daß er als sein Liebhaber galt und von ihm nach einiger Zeit alles erhielt, was es ihm in Ehren geben konnte; und er brachte es außerdem durch Waffengewalt dahin, daß es ihm nichts von dem, was viele vorher und nachher nicht hatten erhalten können, abschlug. Das bemerkte recht wohl ein sehr schmucker, kluger, freundlicher Herr, der sehr klar sah, dessen Namen und löbliche Eigenschaften ich verschweige; denn wollte ich sie aufzählen, so würde jeder von euch bald den Helden dieser Geschichte erkennen, und das möchte ich nicht.

Als dieser Edelmann, von dem ich euch spreche, des Liebeshandels des obenerwähnten Ritters gewahr wurde und seine Zeit gekommen sah, fragte er ihn, ob er nicht in ein Fräulein verliebt sei, und zwar in das und das? Und dieser entgegnete ihm: »Nein.« Und der andere, der wohl das Gegenteil wußte, sagte ihm, er wisse recht gut, daß es doch der Fall sei. Er konnte ihm aber sagen, was er wollte, alle möglichen Vorstellungen machen, ihm doch nicht ein derartiges Verhältnis verbergen zu wollen, und erklären, wenn ihm etwas Ähnliches oder noch viel Bedeutenderes begegnete, würde er es ihm auch nicht verheimlichen, so wollte er ihm doch um keinen Preis bekennen, was er gewiß und gut wußte.

Daher gedachte er, um sich die Zeit zu vertreiben und Abwechslung zu verschaffen, Mittel und Wege zu finden, da jener ihm gegenüber so fremd tat und ihm so wenig Vertrauen schenkte, sich mit seiner Dame bekannt und vertraut zu machen. Das glückte ihm auch, denn in kurzer Zeit ward er von ihr so willkommen geheißen, daß er sich rühmen konnte, ohne lange Bitten und Werbung ebensoviel wie jener nach mancher Mühe und vielen Beschwerden erhalten zu haben. Und damit hatte er es gut getroffen, er war von keiner Liebeswunde verletzt. Der andere hingegen, der keinen Genossen zu haben wähnte, hatte eine Wunde empfangen so lang wie ein Arm oder so groß, wie man sie nur dem Herzen eines Verliebten zufügen kann.

Ihr dürft jedoch nicht denken, daß er von dem guten Weibchen nicht ebenso gut und besser als vorher unterhalten ward, es wußte ihn noch mehr und tiefer in seine tolle Leidenschaft zu verstricken. Und damit ihr's wißt, das tapfere Weibchen war nicht müßig, hatte es doch jetzt für zwei zu sorgen, die es nur mit großem Schmerz verloren hätte, vor allem den, der zuletzt gekommen, war er doch aus viel besserem Stoff und viel tüchtiger zu Fuß als der zuerst Gekommene, und sie wies und gab ihnen stets die Stunden an, da sie sich abwechselnd bei ihr einfinden sollten, der eine heute, der andere morgen. Und um dieses Treiben wußte der zuletzt Gekommene ganz gut, doch er ließ sich nichts anmerken und kümmerte sich auch in Wahrheit nicht darum, doch mißfiel ihm ein wenig die Tollheit des zuerst Gekommenen, der sich seiner Meinung nach allzusehr in eine Sache, die es nicht wert war, eingelassen hatte. Und er dachte daran, ihn ausführlich zu unterrichten, und tat es auch.

Er wußte wohl, daß die Tage, an denen ihm das Weibchen zu kommen verbot, worüber er recht unzufrieden tat, für seinen Gefährten, den ersten Liebhaber, bestimmt waren. Daher legte er sich mehrere Nächte auf die Lauer und sah ihn auf demselben Weg und zu denselben Stunden, wie er an seinen Tagen kam, zu ihr gehen.

Daher sagte er eines Tages zu ihm: »Ihr habt mir den Liebeshandel zwischen der und der Dame und Euch recht gut verheimlicht und mir alle möglichen Eide geschworen, es sei nicht so, im Gegenteil. Ich war darüber, daß Ihr so wenig Zutrauen zu mir habt, sehr erstaunt, zumal ich noch mehr und gewiß weiß, was zwischen Euch und ihr vorgeht. Und damit Ihr erfahrt, was ich davon weiß, sage ich Euch, ich habe Euch mehrere Male um die und die Stunde zu ihr gehen sehen. Und gestern, länger ist's noch nicht her, paßte ich auf Euch auf und sah Euch von dem Platz, wo ich stand, bei ihr eintreten. Ihr wißt wohl, ob ich die Wahrheit sage.«

Als der erste Liebhaber an diesen bekannten und zutreffenden Zeichen die Wahrheit erkannte, wußte er nichts zu erwidern. Daher ward er gezwungen zu bekennen, was er sehr gern verheimlicht hätte und was, wie er meinte, keine Menschenseele außer ihm wüßte. Und er sagte seinem Genossen, dem zuletzt Gekommenen, daß er ihm wirklich nicht mehr verbergen könne noch wollte, daß er sehr in sie verliebt sei, doch bitte er ihn, davon zu schweigen.

»Und was würdet Ihr sagen«, fragte der andere, »wenn Ihr einen Genossen hättet?«

»Genossen!« versetzte er. »Was für einen Genossen? Bei meinem Liebeshandel? Ich glaube es nicht!«

»Sankt Johann!« rief der zuletzt Gekommene. »Ich weiß es doch recht gut. Ihr braucht gar nicht weit zu gehen, ich bin's. Und da ich Euch mehr, als die Sache wert ist, von ihr ergriffen sehe, habe ich's Euch schon vorher sagen wollen, doch Ihr habt darauf nicht hören wollen. Und hätte ich nicht mit Euch größeres Mitleid als Ihr selbst, so würde ich Euch bei dieser Narrheit lassen. Doch könnte ich es nicht dulden, daß eine solche Dirne sich so lange über Euch und mich lustig macht!«

Wer über diese Neuigkeit sehr staunte, das war der zuerst Gekommene, denn er dachte sich der höchsten Gunst bei ihr zu erfreuen und wußte daher nicht, was er dazu sagen und davon denken sollte.

Als er endlich Worte fand, sagte er: »Bei unsrer lieben Frau! Man hat mir huldvoll Gehör geschenkt, und daher ließ ich mir nichts Arges träumen und bin um so leichter getäuscht worden. Der Teufel hole die Dirne, wenn sie so ist!«

»Ich will Euch etwas sagen«, erklärte der zuletzt Gekommene, »sie meint sich über uns lustig zu machen und hat ja auch schon wirklich damit den Anfang gemacht, doch nun müssen wir selbst ihr es heimzahlen!«

»Und ich sag Euch«, rief der erste Liebhaber, »das Feuer des heiligen Antonius soll mich brennen, wenn ich noch einmal zu ihr gehe!«

»Ihr wißt«, versetzte der zweite Liebhaber, »daß wir abwechselnd zu ihr gehen. Beim erstenmal, wenn Ihr hingeht oder ich, wie sich's trifft, müßt Ihr sagen, Ihr hättet wohl erkannt und bemerkt, daß ich in sie verliebt sei, und Ihr hättet mich ins Haus treten und zu der und der Stunde und in dem und dem Gewand zu ihr kommen sehen, und Ihr würdet mich bei Gottes Tod, wenn Ihr mich da fändet, kalten Bluts töten, was auch daraus entstehen möge. Und ich will ebenso von Euch sprechen, und wir werden sehen, was sie tun und sagen wird, und danach werden wir uns dann richten!«

»Das ist gut gesprochen, und ich werde es so machen«, antwortete der erste Liebhaber.

Wie gesagt, so geschah es, denn ich weiß nicht wieviel Tage danach war der zweite Liebhaber an der Reihe, ans Werk zu gehen, daher machte er sich auf den Weg und kam an den bezeichneten Ort. Als er sich mit dem Weibchen allein befand, das ihn sehr freundlich und froh empfing, setzte er eine saure, ärgerliche Miene auf und tat zornig. Da sie ihn sonst ganz anders zu sehen gewöhnt war, wußte sie nicht, was sie davon denken sollte, daher fragte sie ihn, was er habe, und sagte, sein Aussehen bezeuge ihr, daß er nicht guter Laune sei.

»Wirklich, Mademoiselle«, versetzte er, »Ihr sprecht wahr, ich habe wohl Grund, unzufrieden und mißvergnügt zu sein, dank Euch jedoch, die Ihr danach gestrebt habt!«

»Ich!« rief sie. »Ach nein, nicht daß ich wüßte. Denn Ihr seid der einzige Mensch in dieser Welt, dem ich nur Freude zu bereiten wünschte und dessen Leid und Kummer mir sehr nahegehen würden!«

»Verwünscht sei, der das glaubt!« entgegnete er. »Meint Ihr etwa, ich hätte nicht wohl bemerkt, daß Ihr Euch mit dem und dem abgebt« (das heißt mit dem ersten Liebhaber). »So ist's wahrhaftig. Ich habe ihn ganz gut mit Euch unter vier Augen sprechen sehen, und was noch mehr ist, ich habe ihn ausgespürt und ihn hier eintreten sehen. Doch bei Gottes Tod, wenn ich ihn hier jemals finde, ist sein letzter Tag gekommen, ganz gleich, was daraus entstehen muß oder kann. Ich könnte es nicht ertragen, daß er mir diesen Kummer bereitet, ich würde viel lieber tausendmal sterben, wenn es möglich wäre. Und Ihr, die Ihr gewiß und wahr wißt, daß ich nach Gott nichts so sehr wie Euch liebe, seid auch sehr untreu, daß Ihr Euch mit ihm zu meinem großen Leidwesen abgeben wollt!«

»Ach, Herr, wer hat Euch das berichtet?« fragte sie. »Wahrhaftig, ich wünsche, Gott und Ihr sollt wissen, daß die Sache ganz anders ist, und dafür rufe ich ihn zum Zeugen, daß ich keinen Tag meines Lebens je mit dem zu schaffen hatte, von dem Ihr sprecht, noch mit einem andern, wer es auch sei; daher habt Ihr wenig Ursache, darüber unzufrieden zu sein. Ich will nicht leugnen, daß ich mit ihm alle Tage gesprochen habe und noch spreche, doch daß es sich dabei um ein Verhältnis handelt, davon ist keine Rede. Ich glaube auch, daß er nicht im mindesten daran denkt, und, bei Gott, er würde sich auch irren. Möge Gott mich nicht so lange leben lassen, daß ein andrer als Ihr einen Teil oder die Hälfte von dem besitzt, was Euch ganz und gar gehört!«

»Mein Fräulein, Ihr könnt es wohl recht gut sagen«, erklärte er, »doch bin ich nicht so dumm, es zu glauben!« So unzufrieden er auch tat, verrichtete er doch das, um dessentwillen er gekommen war, und sagte ihr beim Abschied: »Ich hab es Euch gesagt und wiederhole es Euch noch einmal: Wenn ich je merke, daß der andere hierherkommt, werde ich ihn so zurichten, daß er niemals mehr mich oder einen andern ärgern wird!«

»Ach, Herr«, rief sie, »bei Gott, Ihr habt unrecht, wenn Ihr Euch einbildet, daß ich mit ihm etwas habe, glaubt meiner Versicherung, daß ich nicht daran denke!«

Darauf verließ sie der zweite Liebhaber. Und am folgenden Tag verfehlte sein Gefährte, der zuerst Gekommene, nicht, an seinem Bett sich einzustellen, um Neuigkeiten zu hören, und er erzählte ihm lang und breit die Geschichte, wie er zornig getan, sie zu töten gedroht und was die Dirne geantwortet habe.

»Bei meinem Eid, das ist gut gespielt. Nun laßt's mich meinerseits machen. Wenn ich's nicht gut mache, soll mich der Teufel holen!«

Nach einiger Zeit kam er an die Reihe und fand sich bei der Dirne ein, die ihn nach gewohnter Weise ebenso freundlich wie neulich den zweiten Liebhaber bewillkommnete. Wenn der andre, sein Genosse, der zweite Liebhaber, recht gut ein böses Gesicht gemacht und Ärger im Ausdruck und in Worten bekundet hatte, so tat er es in noch viel höherem Maße, und gleich als ob er zorniger sei als je ein Mensch fröhlich, sagte er folgendermaßen: »Ich muß die Stunde und den Tag verfluchen, an dem ich mit Euch bekannt ward, denn es ist Gott und der Welt nicht möglich, mehr Schmerzen, Kummer und Bitternis im Herzen eines armen Liebenden anzuhäufen, als sie heute das meine trägt und erfüllt. Ach, ich hatte Euch ausgewählt unter den anderen als eine an Treue, Schmuckheit und Freundlichkeit unvergleichliche Frau und dachte bei Euch in reichem Maße und in Fülle die hochedle Tugend der Treue zu finden. Und deshalb verlor ich mein Herz an Euch und hatte es Euch ganz hingegeben, ich dachte in Wahrheit, es an keinem edleren und besseren Ort bergen zu können. Ihr selbst brachtet mich dazu, bereit und bewußt den Tod oder noch mehr, wäre es möglich gewesen, zu erwarten, um Eure Ehre zu retten. Und wie ich meine, Euer so sicher zu sein, habe ich nicht nur durch fremden Bericht erfahren, sondern mit eigenen Augen gesehen, daß ein anderer kommt, der mir alle meine Hoffnung nimmt und zerstört, dachte ich doch Euch der Teuerste zu sein!«

»Mein lieber Freund«, sagte das Weibchen, »ich weiß nicht, was Euch bekümmert, doch Eure Haltung und Eure Worte beweisen, daß Ihr etwas habt, was ich mir nicht denken und erklären kann, wenn Ihr nicht weitersprecht. Mir scheint, Euch quält ein wenig Eifersucht, wozu Ihr, wenn Ihr klug wäret, keine Ursache hättet. Ich möchte Euch dazu keinen Grund geben, und wenn Ihr alles bedenkt, kennt Ihr mich doch so gut und wißt, daß ich Euch das, was Euch am meisten meine Treue versichern kann, gezeigt habe, und Ihr werdet bald bedauern, mich mit solchen Worten zu bedienen! «

»Ich bin nicht der Mann, den Ihr mit Worten zufriedenstellen könnt, denn eine Entschuldigung besagt hierbei nichts. Ihr könnt nicht leugnen, daß ihr Euch mit dem und dem« (das heißt mit dem zweiten Liebhaber) »eingelassen habt. Ich weiß es genau, denn ich habe wohl darauf achtgegeben und mich gut auf die Lauer gelegt, ich habe ihn gestern, länger ist's noch nicht her, zu Euch gehen sehen. Er kam um die und die Stunde und war so und so gekleidet. Doch ich schwöre Gott, daß bald seine Fastentage beginnen sollen, denn ich will auf ihn achtgeben. Und wäre er ein noch hundertmal größerer Herr, so werde ich ihm, wenn ich ihm begegnen kann, das Leben nehmen, oder er mir - einer von uns beiden wird es verlieren, denn ich könnte nicht leben und sehen, daß ein anderer Euch genießt. Ihr seid falsch und treulos, daß Ihr mich hierbei getäuscht habt. Und nicht ohne Grund verwünsche ich die Stunde, da ich je mit Euch vertraut ward, denn ich weiß ganz bestimmt, es ist mein Tod, wenn der andere von meiner Absicht erfährt, und ich hoffe, daß dem so ist. Und durch Euch weiß ich gewiß, daß ich tot bin. Und läßt er mich leben, so spitzt er selbst das Messer, das ohne Barmherzigkeit seinen letzten Tag herbeiführen wird. Und wenn das geschieht, ist die Welt nicht groß genug, um mich vor dem Tod zu retten!«

Die Dirne hatte es nicht leicht, sofort eine genügende Ausrede zu finden, um den, der so unzufrieden war, zu beschwichtigen. Um ihn seiner Melancholie zu entziehen, sagte sie ihm: »Lieber Freund, ich habe Eure lange Rede, in der Ihr mir ausführlich Eure Meinung gesagt habt, gehört, und sie läßt mich, die Wahrheit zu sagen, erkennen, daß ich nicht so klug gewesen bin, wie ich müßte, und Euren trügerischen und täuschenden Worten allzuviel Glauben geschenkt habe und daß sie mich Euch geneigt und günstig gestimmt haben. Ihr sprecht jetzt recht schlecht von mir. Ein anderer Grund muß Euch noch bewegen, denn Ihr wißt und habt wirklich genug erfahren, daß ich von der Liebe ergriffen bin und sie mich so weit gebracht hat, daß ich ohne Eure Gegenwart nicht mehr leben kann. Und aus diesem Grunde und mehreren anderen, die ich nicht zu nennen brauche, wollt Ihr mich wie Eure Untergebene und Sklavin halten, die nicht das Recht hat, mit einem anderen als Euch zu plaudern und zu sprechen. Da es Euch so gefällt, will ich es tun, doch Ihr habt keinen Grund, mich mit irgendeinem lebenden Menschen zu beargwöhnen, und deshalb brauche ich mich auch nicht zu verteidigen. Die Wahrheit, die alles an den Tag bringt, wird mich, wenn es ihr beliebt, von diesem Verdacht reinigen!«

»Bei Gott, liebe Freundin!« versetzte der erste Liebhaber, »die Wahrheit ist so, wie ich Euch gesagt habe. Eines Tages wird sie ans Licht kommen und teuer für den andern und mich erkauft sein, wenn Ihr Euch nicht eines Besseren besinnt!«

Nach diesen und anderen Worten, die allzu lang zu erzählen wären, schied der erste Liebhaber, der am folgenden Tag seinem Gefährten, dem zweiten Galan, alles ausführlich zu erzählen nicht vergaß. Und Gott weiß, wie sie darüber lachten und fröhlich miteinander plauderten. Und das Weibchen seinerseits hatte viel Werg an seinem Rocken, es sah und wußte recht wohl, daß seine Liebhaber Verdacht geschöpft hatten und jeder von seinem Genossen wußte, doch schenkte es ihnen abwechselnd ruhig weiter Gehör, wenn sie es darum baten, ohne einem den Abschied zu geben. Es mahnte sie nur, im geheimen zu ihr zu kommen, damit einer den andern nicht bemerke.

Doch ihr müßt wissen, daß der erste Liebhaber, als an ihn die Reihe gekommen war, nicht seine Klage wie ehedem anzubringen vergaß und erklärte, das Leben seines Nebenbuhlers gälte nichts, wenn er ihm begegnen könnte. Ebenso bestrebte sich der zweite Liebhaber an dem Tage,da er Gehör fand, sich viel ärgerlicher, als es ihm ums Herz war, zu stellen. Und hörte man ihn, so war sein Nebenbuhler schon mehr als tot, wenn er ihn irgendwo träfe. Und das schlaue und doppelzüngige Fräulein dachte ihn durch Worte zu täuschen, die es so reichlich und schnell bei der Hand hatte, daß seine Lügen so wahr wie das Evangelium schienen. Und daher dachte sie, die Sache werde, obwohl sie Argwohn und Verdacht geschöpft hatten, nicht weiter getrieben werden, und sie sei wohl Weibs genug, alle beide zu bedienen und viel besser, als einer von ihnen allein sie nach Wunsch zu bedienen imstande wäre. Doch kam es zum Schluß anders, denn der zweite Liebhaber, den sie mit größerem Bedauern als den andern verloren hätte, sagte ihr eines Tags recht gut seine Lektion her und erklärte ihr bestimmt, er werde nicht mehr zu ihr zurückkehren, und er tat es auch eine lange Zeit nicht, worüber sie sehr bekümmert und unzufrieden war.

Nun muß man nicht vergessen, daß er zu ihr, damit ihr das Feuer noch mehr zusetze, einen Edelmann aus seinem engen Freundeskreis schickte, um ihr ausführlich den Ärger darüber, daß er noch einen Nebenbuhler in seinem Liebeshandel habe, vorzuwerfen und kurz und knapp zu erklären, wenn sie ihm nicht den Abschied gäbe, würde er zeit seines Lebens nicht mehr zu ihr zurückkommen.

Wie ihr oben gehört habt, hätte sie nicht gern seine Freundschaft eingebüßt. Daher gab es keinen Heiligen und keine Heilige, bei denen sie nicht schwor und sich entschuldigte ob des Verhältnisses mit dem ersten Galan und endlich wie von Sinnen zu dem Edelmann sagte. »Ich will Euerrn Herrn zeigen, daß ich ihn liebe, gebt mir Euer Messer!«

Als sie es hatte, löste sie sich die Haare und schnitt sie sich allesamt mit diesem Messer ab. Der andere nahm dies Geschenk, obwohl er genau wußte, wie die Sache stand, und erbot sich, sein Bestes zu tun und das Geschenk zu überbringen, wie er es auch nachher tat. Der zweite Liebhaber empfing die Gabe, enthüllte sie und fand das Haar seiner Dame, das schön und sehr lang war. Nun ruhte er nicht eher, als bis er seinen Gefährten gefunden hatte, dem er die Botschaft, die er ihm schickte, nicht verheimlichte, ebensowenig wie das große Geschenk, das ihm geworden, was nicht wenig besagen wollte. Und darauf zeigte er die schönen Haare und sagte: »Ich glaube, daß ich hoch in ihrer Gunst stehe. Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß bei Euch das gleiche nicht der Fall ist.«

»Sankt Johann!« rief der andere, »das ist wirklich wahr. Nun sehe ich wohl, daß ich verloren bin. So ist es, Ihr habt den Ruhm allein!«

»Meiner Treu!« entgegnete der zweite Liebhaber, »ich halte ihn nicht für sehr groß. Ich bitte Euch, laßt uns nachdenken, was zu tun ist. Man muß ihr doch deutlich zeigen, daß wir sie als die erkennen, die sie wirklich ist!«

»Das will ich auch«, versetzte der andere.

Sie erwogen und dachten hin und her, bis sie sich das zu tun entschlossen, wovon nun die Rede sein wird. Am nächsten Tag oder bald nachher befanden sich die beiden Gefährten zusammen in einem Zimmer, in dem ihre treue Dame mit vielen andern weilte. Jeder setzte sich und nahm Platz, wo es ihm am besten gefiel, der erste Liebhaber neben dem guten Fräulein, dem er nach manchen Reden die Haare zeigte, die es seinem Genossen geschickt hatte. Was es auch immer dachte, es ließ sich keinen Schrecken merken, sagte vielmehr, es kenne sie nicht und sie seien nicht von ihm.

»Wie«, rief er, »haben sie sich so schnell verwandelt und verändert?«

»Ich weiß nicht, was es für Haare sind«, erwiderte sie, »ich kenne sie nicht.«

Und als er das sah, glaubte er die Stunde für sein Spiel gekommen und tat, als wollte er die Kappe, die auf seine Schulter gefallen war, auf seinen Kopf setzen, wobei er mit voller Absicht so kräftig an ihren Kopfputz stieß, daß er zur Erde fiel. Sie schämte und ärgerte sich darüber, denn alle, die zugegen waren, bemerkten gut, daß ihre Haare abgeschnitten waren, und zwar recht ungeschickt. Sie sprang eilig auf, nahm ihren Kopfputz und begab sich in ein andres Zimmer, um ihn sich wieder aufzusetzen, und er folgte ihr. Er fand sie ganz bekümmert und zornig, ja sie weinte heftig vor Kummer darüber, daß sie den Kopfputz verloren hatte.

Er fragte sie, weshalb sie weine und wobei sie ihre Haare verloren habe. Sie vermochte nicht zu antworten, so sehr war sie jetzt erregt. Und er, der nicht mehr an sich halten konnte und den von seinem Genossen und ihm gefaßten Beschluß ausführen wollte, sagte ihr: »Falsche und Untreue Ihr, an Euch hat's nicht gelegen, wenn der und der und ich uns nicht gegenseitig getötet und entehrt haben. Ich bin überzeugt, Ihr hättet es gewünscht, so wie Ihr Euch gebärdet habt, um Euch zwei neue Liebhaber zuzugesellen. Doch Gott sei Dank, wir haben uns in acht genommen. Und damit Ihr erfahrt, daß ich seine Angelegenheit kenne und er die meine, seht hier Eure Haare, die Ihr ihm schicktet und die er mir geschenkt hat. Denkt nicht, daß wir so dumm sind, wie Ihr bisher geglaubt habt!«

Danach verläßt er sie und ruft seinen Genossen; als der gekommen war, sagte er: »Ich habe diesem guten Fräulein seine Haare zurückgegeben und ihm gesagt, wie es nach seiner Freundlichkeit uns alle beide trefflich bedient hat, und obwohl sein Benehmen deutlich dargetan hat, daß es ihm gleich war, wenn wir einander entehrten, hat uns Gott doch davor bewahrt!«

»Sankt Johann, so ist's!« entgegnete er. Und nun richtete er selbst das Wort an die Dirne und, Gott weiß es, sagte ihr kräftig seine Meinung und warf ihr ihre große Unlauterkeit und Treulosigkeit vor. Und man kann sich denken, daß niemals einer Frau besser als ihr damals der Text gelesen ward, erst vom einen, dann vom andern. Sie wußte darauf nichts zu sagen und antworten, da sie sich ertappt sah; nur mit ihren Tränen sparte sie nicht.

Der Schluß war nun so, daß sie sie gleichwohl nicht verließen, sondern sich von neuem dahin einigten, abwechselnd zu ihr zu gehen. Und kämen sie alle beide zusammen dorthin, so sollte der eine dem andern Platz machen; und sie blieben gute Freunde wie vorher, ohne jemals vom Töten und Schlagen zu sprechen. Dabei blieb es, und die beiden Genossen lebten so noch ziemlich lange zusammen und genossen den hübschen Zeitvertreib, ohne daß das Weibchen sich ihnen je zu widersetzen wagte. Und hatte der eine seinen Tag, so sagte er es dem andern, und verließ der eine zufällig die Gegend und räumte dem andern den Platz ein, so vergaß er nie, beim Abschied sich freundlich zu empfehlen. Sie machten sogar sehr gute Ringelgedichte und viele Liedchen, die sie sich gegenseitig sandten und die heute noch bekannt sind; und alle bezogen sich auf die oben erzählte Geschichte, von der ich nun nichts mehr zu sagen habe und die ich jetzt beschließe.

 


 


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