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13. Kapitel.
Soziale Arbeiten.

Unsere Pflichten unter den Indianern waren sehr mannigfaltig; es waren nicht mir die gewöhnlichen, welche allerorts mit dem Beruf des Pfarrers und Seelsorgers verknüpft sind, sondern noch eine Menge anderer, die dieser besonderen Art von Missionsarbeit eigen sind. Unmittelbar nach der Annahme des Evangeliums und des Heils in Christo erwachte bei unsern Pfleglingen auch der Wunsch nach Fortschritt und Entwicklung auf irdischem Gebiet. Das Christentum muß einer wahren Zivilisation vorangehen. Diese Reihenfolge umzustoßen, hat unter den Indianern Nordamerikas stets die traurigsten und erniedrigendsten Folgen gehabt.

Sir Francis Bond-Head, einer der früheren Gouverneure Kanadas, war aufrichtig um die Wohlfahrt der Indianer bemüht. Er war eifrig darauf bedacht, sie zu heben und alles zu tun, was ihren Fortschritt in der Zivilisation unterstützen konnte. Er versammelte eine große Anzahl von ihnen in einer Ansiedlung und beriet sich mit ihnen über ihr Bestes. Ein paar Ochsen wurden geschlachtet, Mehl, Tee und Tabak reichlich geliefert und ein Freudenmahl angerichtet. Die Indianer aßen und rauchten und hörten aufmerksam dem großen Manne zu, der ihnen höchst achtbar erschien, nachdem er sie so reichlich mit Nahrung und Tabak versehen.

Der Gouverneur erklärte ihnen, sein Hauptzweck bei dieser Zusammenkunft und Bewirtung sei der Wunsch, ihnen sein Wohlwollen und seinen regen Anteil an ihrer Wohlfahrt zu zeigen. Darauf schilderte er ihnen mit großem Nachdruck, wie das Wild allmählich abnehme und auch der Fischfang bald nicht mehr ergiebig sein werde, und wie sie Gefahr liefen, Not zu leiden und gar zu verhungern, wenn sie sich nicht entschlössen, sich fest anzusiedeln und Ackerbau zu treiben. Er brachte sie dazu, ihm zu versprechen die neue Lebensweise zu beginnen. Da sie sich äußerst wohl fühlten, solange sie an seiner reichbesetzten Tafel speisten, waren sie in der Stimmung, gern alles zu versprechen, was er von ihnen verlangte. Ganz entzückt über ihre Fügsamkeit, verhieß der Gouverneur, ihnen Pflüge, Zugochsen und Äxte zu schicken, damit sie ihr Land urbar machen und das Urbare bebauen könnten. Wenn alles zur Saat fertig sei, wolle er ihnen das nötige Korn zur Aussaat schicken. Groß war ihre Freude bei diesen Worten, und mit großen Feierlichkeiten wurde die Beratung geschlossen.

Nach etlichen Tagen erschienen die Pflüge, Äxte und Ochsen. Es war zur schönen Frühlingszeit, doch anstatt an die Arbeit zu gehen und das Land bei ihrem Dorfe, welches gelichtet war, aufzupflügen und die Beile zu schwingen, um den Urwald mehr zu lichten, hielten sie unter sich folgende Beratung ab. »Diese Beile sind glänzend und schimmern wie Glas. Wenn wir sie gebrauchen, um Bäume damit zu fällen, werden sie ihr schönes Ansehen verlieren. Darum laßt sie uns als Schmuck in unseren Wigwams aufhängen. Diese Ochsen sind fett und gut. Wenn wir sie vor jene schweren Pflüge spannen und sie durch den Boden schleppen lassen, werden sie bald mager und ungeeignet zur Nahrung werden. Lasset uns ein großes Fest veranstalten.« So schlachteten sie die Ochsen und luden alle umwohnenden Indianer zum Festessen ein, und, solange es noch ein Stück Fleisch gab, brodelten die Kochtöpfe.

So endete dieser – wie auch so mancher andere Versuch, die Indianer zu zivilisieren, bevor sie christianisiert waren.

Wir machten bei den Indianern die Erfahrung, daß im gleichen Maße, als sie in Aufrichtigkeit das Evangelium annahmen, bei ihnen auch der Wunsch erwachte, in ihren irdischen Verhältnissen sich ebenfalls zu verbessern und zu veredeln. Es gibt natürlich manche Gegenden, wo die Indianer an keinen Ackerbau denken können. Wir waren etwa 500 Kilometer nördlich von jenen fruchtbaren Prärien im Westen Kanadas, wo noch hundert Millionen Menschen ihr gutes Fortkommen durch Ackerbau finden könnten. Die Indianer am Nelsonstrom sind etwa 1000 Kilometer nördlich von jenen gesegneten Fluren entfernt. All diese Leute sowie auch die von der Missionsstation Oxford und fast alle, welche jene nördlichen Breiten bewohnen, werden für ihren Lebensunterhalt auf die Jagd und den Fischfang angewiesen sein. Aber überall da, wo es urbares Land gab, hatten auch die christlichen Indianer ihre Gärten und kleinen Felder.

Ich hatte vier Kartoffeln mit mir hinausgenommen. Ich konnte sie nicht vor dem 6. August in die Erde legen, doch gelang es mir in der kurzen Zeit, die bis zum Herbst übrig war, ein paar kleine Knollen zu ernten. Diese verpackte ich sorgfältig in Baumwolle und hütete sie vor dem Frost. Im nächsten Jahr konnte ich davon einen Eimer voll ernten. Der Ertrag im folgenden Jahr waren sechs Scheffel und im vierten Jahr 125 Scheffel; und ehe ich den Ort verließ, ernteten die Indianer jährlich Tausende von Scheffeln Kartoffeln, die alle von jenen vier durch mich eingeführten abstammten. Sie hatten schon früher Kartoffeln gehabt, aber sie waren infolge von Vernachlässigung völlig, wieder ausgegangen. In einem Sommer brachte ich vom Red-River her im offenen Boot einen guten schottischen eisernen Pflug. Im nächsten Winter kaufte ich mir dort einen Sack Weizen, der etwa zwei und einen halben Scheffel enthielt, und 32 eiserne Eggen-Zähne. Ich schleppte all diese Dinge samt einer Menge Saaten für den Gemüsegarten auf meinem Hundeschlitten nach Norway-Haus. Dann spannte ich acht meiner Hunde vor den Pflug und pflügte meine kleinen Felder, und nachdem ich mir eine Egge angefertigt, eggte ich mein Weizenfeld mit meinem Hundegespann. Im ersten Jahr erntete ich 30 Scheffel köstlichen Weizen. Ich schnitt ihn mit einer Sichel und drosch ihn mit einem Flegel. Meine Frau nähte mehrere Betttücher aneinander, und an einem Tage, wo ein gleichmäßiger guter Wind wehte, würfelten wir das Korn und schieden die Spreu von dem Weizen. Es gab im Umkreis von Hunderten von Meilen keine Mühlen, so mahlten wir den Weizen einfach in einer Kaffeemühle und benutzten einen Teil davon für unsere Grützsuppe und gaben das übrige den Indianern, die es zu ihren Suppen verwandten.

So arbeiteten wir für sie und mit ihnen, da wir sahen, daß sie unsere Bemühungen, ihre Lage zu verbessern, anerkannten und gern darauf eingingen.

Bis dahin waren ihr Hauptnahrungsmittel fast nur die Fische. Die Netze waren von dem Augenblick an im Wasser, wo das Eis im Monat Mai verschwand, bis zum Oktober, wo es wiederkehrte; oft wurden auch Löcher ins Eis gehauen und die Netze ins Wasser gelassen, um dieses wichtigste Lebensmittel zu erlangen. Der große Fischfang im Herbst ist eine Zeit voller Spannung und Geschäftigkeit, da die Wintervorräte hauptsächlich vom Ausfall desselben abhängen. So streng und so stetig ist der Frost in Norway-Haus und den nördlich gelegenen Missionsstationen, daß die Fische, welche im Oktober oder Anfang November gefangen werden, bis zum April steif gefroren bleiben. Der Hauptfisch in jenen Gegenden ist der Weißfisch, doch kommen auch verschiedene andere Arten in großer Menge vor.

Jede Indianerfamilie bemühte sich im Herbst, sich mit drei- bis fünftausend Fischen für den Winter zu versorgen. Ich für meinen Teil mußte in Anbetracht meiner vielen Reisen und der vielen Hunde, die ich deshalb halten mußte, einen Vorrat von mindestens zehntausend Fischen für den Winter aufspeichern. Es ist ein Glück, daß jene Seen und Flüsse so reich an Fischen sind, und daß die »fischwimmelnde Flut« den Menschen mit der Nahrung versieht, die der kärgliche Boden ihm versagt.

Verschiedenes Wild und andere Tiere, deren Fleisch eine gute Nahrung liefert, gibt es in Menge in den Wäldern, doch ist alles dies unbedeutend im Vergleich zum Reichtum an Fischen, die die Indianer, mit Ausnahme der allerkältesten Zeit, das ganze Jahr hindurch zu fangen imstande sind, und die daher das wesentlichste Nahrungsmittel für sie bleiben.

Und was für die Eingeborenen gilt, das gilt auch für den Missionar; auch auf seinem Küchenzettel spielt der Fisch die Hauptrolle. Während der Zeit des Riele-Aufstandes, wo wir von jeder Verbindung mit den Red-River-Ansiedelungen abgeschnitten waren und es daher keine Möglichkeit gab, uns wie sonst mit Vorräten von dorther zu versehen, waren meine gute Frau und ich darauf angewiesen, wöchentlich einundzwanzigmal Fisch zu speisen, und das sechs Monate lang. Natürlich gab es auch Fälle, wo neben dem Fisch auch einmal ein Kaninchen oder ein Stück Wild oder auch Bärenfleisch auf unsere Tafel kam, aber immerhin blieb der Fisch die Grundlage für jede Mahlzeit.


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