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In Fort Garry in der Red-River-Ansiedlung, wo jetzt die blühende Stadt Winnipeg entstanden ist, trennte sich unter lebhaftem gegenseitigen Bedauern unsere Reisegesellschaft, die so lange miteinander Lust und Last des Wanderlebens geteilt hatte. Missionar George Young und seine Familie blieben an diesem Ort zurück, um hier die erste Missionsstation der Wesleyanischen Kirche zu gründen. Viel Schwierigkeiten und Enttäuschungen hat er zu überwinden gehabt, aber seine Erfolge sind herrlich gewesen. Die hervorragende Stellung, welche die Methodisten-Kirche jetzt im Nordwesten Canadas einnimmt, verdankt sie diesem Manne mehr als irgend einem andern. Neben seinen vielseitigen Berufspflichten erwuchsen ihm noch zahllose Mühen aus dem Umstande, daß die verstreut lebenden Missionare im Innern des Landes sich wegen der Besorgung ihrer Vorräte und anderer notwendiger Dinge beständig an ihn zu wenden pflegten. Er kam ihnen stets aufs freundlichste entgegen, und seine Bemühungen für ihr Wohl werden stets unvergessen bleiben.
Die Herren Mc Dougall und Peter Campbell mit den Lehrern und anderen Gliedern der Gesellschaft setzten ihren Weg nach dem fernen, nördlichen Saskatschewan-Flusse fort. Auf der ersten Strecke ihrer Reise über die fruchtbaren, noch unbebauten Prärien trafen sie niemanden an als nur herumziehende Indianer und Mischlinge. Ihre roh gezimmerten Wigwams, ihre laut knarrenden Karren sind längst verschwunden, und an die Stelle sind behagliche Wohnhäuser tatkräftiger Ansiedler und die rasch dahineilenden Züge der Eisenbahn getreten.
Von Fort Garry an setzten meine Frau und ich unsere Reise zu Wasser fort. Wir fuhren den Red-River hinab bis zu dessen Mündung in den großen Winnipeg-See. Dann schifften wir über die ganze Länge des stürmischen Winnipeg-Sees und weiter hinauf bis zu unserem fernen, nordischen Heim. Diese Reise wurde in einem sog. Hudson-Bai-Inland-Boote ausgeführt.
Diese Boote sind wie große Nachen gebaut, nur an beiden Enden spitz, und haben weder ein Deck noch eine Kabine. Sie sind mit einem Mast und einem viereckigen Segel versehen, welche beiseite geschafft werden, sobald der Wind fürs Segeln ungünstig ist. Die Bemannung besteht aus 6-8 Ruderern; die Ladung kann etwa 4 Tonnen à 20 Zentner betragen. Diese Boote können einem heftigen Sturm und hohen Wellengang standhalten, wie die Erfahrung während unserer zahlreichen Reisen es uns oft genug bewiesen hat. Ist der Wind fürs Segeln nicht günstig, so Ziehen die kräftigen Ruderleute ihre schweren Ruderstangen hervor, die markigen Gestalten beugen sich über dieselben vor, und mit erstaunlicher Gleichmäßigkeit untereinander Takt haltend sind sie oft imstande 110 Kilometer am Tage zurückzulegen. Doch ist dieses Rudern eine Knechtsarbeit, und sie ziehen einen günstigen, scharfen Wind, selbst wenn er in einen Sturm ausartet, allzeit der Windstille vor. Diese Indianer des Nordens sind vorzügliche Seeleute, in den plötzlichen Stoßwinden und heftigen Stürmen, die auf diesen Riesenseen unvorhergesehen hereinbrechen, beweisen sie viel Mut und große Geistesgegenwart.
Unsere Plätze waren uns im Hinterteil des Bootes angewiesen in der Nähe des Steuermannes, eines echten Indianers namens Thomas Mamanowatum. Kurzweg wurde er in Anbetracht seiner fast riesenhaften Größe »der große Tom« genannt. Er war ein Gentleman von Natur, ein großherziger, treuer Mann, wir werden in der Folge mehr von ihm zu erzählen haben.
In der Tat, der Missionar, dem es beschieden war, einen solchen Mann vom Heidentum zu Christo zu führen, muß sich geehrt fühlen.
Wir setzten unsere Reise ganz angenehm etwa 40 Kilometer auf dem Red-River bis zum unteren Fort Gary fort, wo wir erfuhren, daß wir mehrere Tage zu warten hatten, ehe die Ausrüstung der Boote fertig sein könne. Doch wurde uns die Zeit angenehm verkürzt durch die Liebenswürdigkeit der Angestellten der Hudson-Bay-Gesellschaft, deren Gastfreundschaft wir genossen.
Das untere Fort Garry, auch das »Stein-Fort« genannt, ist von einem hohen, massiven Steinwall umgeben, der sowohl die Ansiedlung selbst, als auch die Gebäude der Gesellschaft umschließt. In stürmischen Zeiten erbaut, als verschiedene Handelsgesellschaften hier um den Vorrang stritten und gleichzeitig feindliche Indianerstämme die Gegend durchstreiften, trägt es noch den burgartigen Charakter jener Zeit. Es ist imstande jedem Angriff zu trotzen, der ohne Unterstützung von Kanonen darauf gerichtet würde.
Die fast höfische, altmodische Etikette, die unter den Beamten dieser blühenden Handelsgesellschaft herrscht, gefiel uns sehr und ergötzte uns nebenbei auch ein wenig. Das Gesetz der Anciennität stand in jenen Tagen noch in voller Kraft. Wenn die Mittagsglocke ertönte und alles sich in den Eßsaal begab, wäre es einem Kommis, der 14 Jahre im Geschäft war, nimmermehr in den Sinn gekommen vor einem, der 15 Jahre der Kompanie gedient hatte, einzutreten oder gar über ihm am Tische zu sitzen. So etwas hätte ihm von dem ältesten anwesenden Beamten die schärfste Rüge zugezogen. Aber so unbequem und sogar lächerlich diese Gesetze bisweilen erscheinen mögen, haben sie doch einem guten Zweck gedient und manchen Mißhelligkeiten vorgebeugt, die sonst leicht hätten Platz greifen können.
Eine sonderbare Sitte, mit der wir uns nicht befreunden konnten, war die, daß die Damen und die Herren ihre Mahlzeiten in gesonderten Speisesälen einnahmen. Es machte auf uns einen höchst komischen Eindruck, wenn die Herren mit der ausgesuchtesten Höflichkeit ihre Damen in die Halle geleiteten, die zwischen den beiden Speisesälen liegt, und dann mit ernsthafter Miene nach links abschwenkten, während die Damen sämtlich in den Saal rechts abzogen.
Da diese Sitte unseren Gewohnheiten und Ansichten schnurstracks entgegenlief, wagten wir es, um eine Erklärung derselben zu bitten. Aber wir konnten nichts weiter darüber in Erfahrung bringen, als daß es eine alte Sitte sei, die sich bewährt habe.
Ein etwas brummiger, alter Hagestolz äußerte: »Wir können die Frauen nicht brauchen, wenn wir über Geschäfts-Angelegenheiten verhandeln, die nicht bekannt werden dürfen. Wenn sie zugegen wären, würden unsere Pläne und Absichten bald überall bekannt sein, und unser Handel könnte darunter leiden.«
Noch bis vor kurzem waren die Reisenden in jenen Gegenden ganz auf die Freundlichkeit und Gastfreundschaft der Angestellten der Hudson-Bay-Gesellschaft angewiesen. Sie wurden alle mit gleicher Höflichkeit aufgenommen und auf das liebenswürdigste verpflegt. Der einzige Zweck dieser Niederlassungen der Gesellschaft, die mit Vorliebe an Plätzen angelegt sind, welche für Jagd und Fischfang günstig sind, ist der Tauschhandel von Produkten der Zivilisation gegen die kostbaren Pelzwaren, welche man nirgend schöner finden kann als hier.
Es kommt öfter vor, daß die Post nur zweimal im Jahr in solch eine Ansiedlung gelangt, bisweilen sogar nur einmal jährlich. Dann ist die Ankunft der Post natürlich das große Ereignis des Jahres.
Wir verlebten in Fort Garry einen schönen Sonntag, an welchem ich vor einer kleinen Gemeinde predigen konnte, die aus den Angestellten, ein paar gerade anwesenden Gästen und einigen Indianern und Mestizen bestand.
Am folgenden Tage waren unsere Boote bereit, und wir konnten uns einschiffen, um das Nord-Ende des Winnipeg-Sees zu erreichen, von wo aus wir dann noch in nördlicher Richtung eine Landreise vor uns hatten, ehe wir endlich unser zukünftiges Heim, die Missions-Station Norway-Haus, erreichten.
Die Fahrt den Red-River hinab war sehr angenehm. Wir fuhren durch die blühende Indianer-Ansiedlung, in der die Kirche von England eine segensreiche Mission hat. Dort fielen uns die gut gebaute Kirche, sowie die behaglichen Wohnungen der Eingeborenen angenehm auf. Sie zeugten deutlich von dem Einfluß des Evangeliums, das auch in irdischen Dingen veredelnd und hebend wirkt auf alle, die sich seiner Einwirkung unterstellen.
Das gemütliche Wohnhaus des Archidiakon Cowley wurde uns gezeigt, das lieblich von Bäumen umgeben daliegt. Archidiakon Cowley war ein allgemein beliebter Mann, – uns ist er in späteren Jahren bei einer besonders schmerzlichen Veranlassung ein Engel des Trostes gewesen, und stets sind unsere Herzen ihm in dankbarer Liebe verbunden geblieben. Dieses schmerzlichen Ereignisses will ich vorgreifend gleich hier erwähnen, obwohl es erst 5 Jahre später stattfand und wir bei dieser unserer ersten Durchreise keine Ahnung hatten, welch eine Bedeutung dieses Stück Erde einst für unsere Herzen haben würde.
Nach etwa fünfjährigem Aufenthalt in Norway-Haus unter den Kri-Indianern erhielt ich von meinen Vorgesetzten die Weisung, diesen Posten zu verlassen und eine neue Arbeit zu beginnen unter dem Stamme der Saulteaux-Indianer. Ich sollte jedoch in Norway-Haus bleiben, bis mein Nachfolger dort eingetroffen sei. Da sich in jener Zeit mangelnder Verkehrsmittel nur eine einzige Reisegelegenheit für meine Frau und Kinder bot, reisten sie einige Wochen vor mir in einem offenen, von einigen wenigen Indianern bemannten Boot ab. Ich selbst sollte im Rindenkahne nachfolgen. So entsetzlich war die Julihitze im offenen Boot ohne Deck und Schutzzelt, daß unser liebes Töchterchen Nelly, ein schönes, kräftiges Kind, an einer Gehirnentzündung erkrankte und starb. Die Mutter war mit ihrem sterbenden Kinde ganz allein unter ihren mittrauernden eingeborenen Bootsleuten – »eine Fremde im fremden Lande,« – kein Heim in der Nähe, in das sie hätte einkehren können, keine nahestehenden Freunde, die ihr Leid mit ihr geteilt hätten. Glücklicherweise hatten die Beamten im Fort Garry von ihrem Kummer erfahren und führten die schwergeprüfte Mutter mit ihren Kleinen in eines der Häuser auf der Ansiedlung, ehe unser Liebling ausgelitten. Rev. Cowley kam zu ihr, betete mit ihr und erwies ihr die herzlichste Teilnahme in diesen schweren Prüfungstagen. Da ich weit weg war, mochte meine Frau nichts Endgültiges bestimmen, wo unser liebes Kind zur letzten Ruhe bestattet werden solle. Es wurde vorläufig ein Grab gegraben und die irdische Hülle unseres Lieblings hineingesenkt, bis auf die Zeit, wo die Trauerbotschaft mich erreicht hatte und ich die Bestimmung wegen der Bestattung treffen konnte. Ich schrieb sofort an den ehrwürdigen Archidiakon Cowley und bat um die Erlaubnis, unser Kindlein auf seinem Friedhof zu beerdigen. Durch den rückkehrenden Boten erhielt ich einen brüderlichen, teilnehmenden Brief, der mit den Worten schloß: »Unsere Gräber stehen offen vor euch. Begrabe deinen Toten in unseren ehrlichsten Gräbern.« (1. Mos. 23.)
Einige Wochen später, als ich die Missionsstation meinem Nachfolger Button übergeben hatte, eilte ich an den Ort, wo uns so Schmerzliches betroffen hatte. Mit einigen teilnehmenden Freunden, in der Mehrzahl Indianer, führte ich den kleinen Sarg aus der zeitweiligen Ruhestätte in eine Gruft auf dem St. Peters-Kirchhof über. Der liebe Mr. Cowley hielt an dem teuren Grabe die schöne Begräbnis-Liturgie seiner Kirche. Seit jener Zeit ist uns dieses Land, in welchem unser geliebtes Kind nun ruht, doppelt teuer.
Wie wenig ahnten wir auf jener ersten Reise, als wir frohen Mutes auf dem Strom dahinglitten, welch tiefschmerzliches Ereignis uns wenige Jahre später auf derselben Stelle betreffen würde!
Der Winnipeg-See gilt für einen der stürmischsten auf dem ganzen Festlande Amerikas. Er ist etwa 300 Kilometer lang, in der Breite wechselt er von einigen wenigen bis zu 80 Kilometer. Seine Ufer sind in zahllose, kleine Buchten und Landzungen ausgezackt; die vielen Sandbänke und versteckten Riffe machen ihn für den Schiffer äußerst gefährlich. Winnipeg oder Wenipäk, wie manche Indianer es aussprechen, bedeutet »die See« –, Keche Wenipäk heißt »der Ozean«.
Die Reise über den Winnipeg-See im offenen Boot, wie wir sie damals machen mußten, würde heutzutage als sehr mühevoll angesehen werden. Der gewöhnliche Verlauf unserer Reisetage war folgender: Sehr früh am Morgen weckte uns der Ruf unseres Führers Tom: » Ku, ku kwa!« d. h. »Wachet auf!« Man erwartete von jedermann einen schnellen Gehorsam, denn es bestand eine gewisse Eifersucht zwischen den beiden Booten, welches von ihnen zuerst zum Aufbruch bereit sein würde.
Ein eiliges Frühmahl wurde auf den Felsen zubereitet und eingenommen. Danach wurde ein Morgenlied gesungen und ein inbrünstiges Gebet zu dem emporgeschickt, dem Wind und Wellen gehorsam sind.
Dann erscholl der Ruf: »Alle an Bord«, und in Windeseile wurden Zelte, Äxte, Kochkessel und alle anderen Sachen zusammengepackt und an Bord geschafft. War der Wind günstig, so wurde der Mast eingesetzt, das Segel aufgezogen, und bald glitten wir über die Fluten dahin. Mußten die Ruder gebraucht werden, so waren die armen Burschen nicht halb so eifrig an Bord zu kommen, wußten sie doch, welch harte Arbeit ihrer wartete. Hatten wir günstigen Wind, so aßen wir unser Mittagsbrot, so gut wir konnten, an Bord, um Zeit zu gewinnen, da die Ruderer wohl wußten, wie viel angenehmer es ist, so vor einem guten Winde dahinzugleiten, als an den schweren Ruderstangen zu sitzen. Oft sind wir trotz der Gefahr, die wir dabei liefen, Nächte hindurch so weitergesegelt, nur um den günstigen Wind auszunutzen.
In dieser Welt der Ungewißheiten gibt es nichts Ungewisseres als die Dauer einer Reise auf dem Winnipeg-See in einem offenen Boot der Hudson-Bai-Gesellschaft. Sie kann in vier Tagen zurückgelegt werden, sogar einige Stunden weniger als das, – sie kann aber auch 30 Tage dauern.
Einst, in späteren Jahren, bin ich auf einer kleinen Felseninsel im See sechs Tage lang durch einen heftigen Nordost-Sturm festgehalten worden. Derselbe blies mit solcher Gewalt, daß wir kein Zelt aufrichten konnten, ja nicht einmal wir selbst konnten aufrecht stehen bleiben. Da die Erdkrume dort nicht tief genug ist, um einen Zeltpflock einzutreiben, mußten wir diese sechs Tage mit unseren Sachen und Vorräten unter freiem Himmel zubringen und wurden vom Regen und Unwetter bis auf die Knochen durchnäßt. Im Verlauf dieser letzten Jahre, wo ich öfter Gelegenheit hatte die Klagen von Leuten anzuhören, die in bequemen Wartesälen der Eisenbahn saßen und auf einen Zug warten mußten, der ein paar Stunden Verspätung hatte, hat die Erinnerung mich zurückgetragen zu solch langwierigen, unfreiwilligen Aufenthalten unter den unangenehmsten Umgebungen. Da habe ich mich verwundern müssen, über was für Kleinigkeiten manche Reisende ihre gute Laune und ihren Gleichmut verlieren.
Bei gutem Wetter war das Lagern am Ufer sehr angenehm. Unser Zelt war durch freundliche Hände schnell aufgeschlagen. Das Feuer war bald angemacht und strahlte immer heller bei ringsum zunehmender Dunkelheit. Die Abendmahlzeit war schnell bereitet, und eine Stunde oder zwei vergingen in angenehmer Unterhaltung mit unseren farbigen Freunden, die die angenehmsten Reisegefährten der Welt sind. Unsere Tage begannen und endigten stets mit einem kurzen Gottesdienst. Alle unsere indianischen Begleiter auf dieser ersten Reise waren Christen im besten und wahren Sinne dieses Wortes. Sie waren durch die früheren Missionsarbeiter unserer Kirche bekehrt worden. Anfangs waren sie etwas zurückhaltend und schienen zu glauben, daß wir ein sehr gesetztes und würdevolles Gebaren von ihnen erwarteten. Denn gerade wie auch manche »weißen Leute« dachten sie, der »Schwarzrock« und seine Frau hielten nichts von Scherz und Lachen.
Recht bald hatten wir sie jedoch über diesen Irrtum aufgeklärt, und ehe wir Norway-Haus erreicht hatten, standen wir auf dem besten Fuß miteinander. Wir verstanden nur wenig von ihrer Sprache, doch gab es unter ihnen einige, die recht gut Englisch konnten. Diese dienten uns als Dolmetscher, und wir kamen prächtig miteinander aus.
Sie waren mit Gesangbüchern und Neuen Testamenten in der schönen Silbenschrift gut versorgt, und sie benutzten dieselben fleißig. Diese gemeinsamen Andachten mit einem Volk, dessen Sprache wir nicht kannten, berührten uns anfangs eigentümlich; aber es hatte gleich einen herzbeweglichen Reiz für uns. Es machte einen tiefen Eindruck auf uns zu sehen, mit welch ehrfurchtsvoller Andacht sie ihren Gottesdienst hielten. Sie hörten andächtig zu, wenn einer aus ihrer Mitte einen Abschnitt aus dem Worte Gottes las, und folgten mit großer Aufmerksamkeit dem, was ich ihnen durch einen Dolmetscher darüber zu sagen hatte.
Sehr lieblich und wohltuend klangen die Lob- und Anbetungslieder, die sie mit ihren wohllautenden, melodischen Stimmen erschallen ließen. Obgleich wir ihre Sprache nicht verstanden, empfingen wir einen tiefen Eindruck von der Inbrunst und Andacht, mit der sie im Gebet dem himmlischen Vater nahten, und wir empfanden es als einen Vorzug und eine Quelle des Segens für uns, daß wir mit ihnen gemeinsam unsere Knie beugen konnten und unsere Gebete mit den ihrigen vereint emporstiegen zum Gnadenthron des himmlischen Vaters, der alle Sprachen auf Erden versteht, und vor dessen Augen alle Herzen offen daliegen.
Oft war unsere Umgebung sehr geeignet die Andacht der Herzen zu erhöhen. Wie einst die Scharen sich an den Ufern des Sees Genezareth sammelten, um des Herrn Wort zu lauschen, so fühlten wir an diesen stillen Gestaden, daß wir den anbeteten, der heute noch derselbe ist wie in jenen Tagen. Wenn wir die sonnenbeglänzten Wellen des Winnipeg vor uns hatten, den blauen Himmel über uns, den dunklen tiefen Urwald im Hintergründe und die gewaltigen Granitfelsen unter uns, da empfanden wir oft in wunderbarer Weise die Nähe dessen, »der nicht wohnet in Tempeln, die mit Händen gemacht sind«, – »der sich kleidet mit Licht als mit einem Gewand, der da ausbreitet den Himmel wie einen Teppich; der es oben wölbet mit Wasser und fährt auf den Wolken wie auf einem Wagen und gehet auf den Fittichen des Windes. Er hat den Erdboden gegründet auf der Tiefe, daß er bleibet immer und ewiglich.«