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4. Kapitel.
Aus der Arbeit.

Wir befanden uns in einem christlichen Dorfe, das vom Heidentum umgeben war. Der Unterschied zwischen diesen beiden Menschenklassen war sehr auffallend.

Unsere Christen lebten, sobald sie sich ein Haus erbauen konnten, in bequemen Wohnungen und strebten danach, sich möglichst emporzuarbeiten. Ihre äußere Erscheinung war besser als die der Heiden, und es galt als Grundsatz, daß auf die Frömmigkeit sofort die Reinlichkeit folge. Am Sonntag waren sie gut gekleidet und boten in der Kirche einen so gesitteten, ehrbaren Anblick dar, daß alle, die uns besuchten, voll Bewunderung waren. Die große Mehrzahl derer, die ihr Glaubensbekenntnis abgelegt hatten, führten einen ehrsamen, nüchternen und treuen Lebenswandel und bewiesen so die aufrichtige Umwandlung, die durch den Glauben an den Sohn Gottes sich in ihrem Innern vollzogen hatte.

Einen der handgreiflichsten und köstlichsten Beweise für die Echtheit und Gründlichkeit ihrer Bekehrung bot das ganz veränderte Familienleben dar. So etwas wie ein gemütliches Familienleben mit gegenseitiger Liebe zwischen den verschiedenen Familiengliedern war ihnen in ihrem heidnischen Stand ein ganz unbekanntes Ding. Die Männer und sogar die Knaben hielten es für ein Zeichen von Männlichkeit, ihre Mütter, Weiber und Schwestern zu verachten und schändlich zu mißhandeln. Das Christentum änderte dies alles. Wir waren beständig Zeugen von der tiefgehenden Umwandlung in den Herzen und dem Leben dieser Leute. Die Predigt des Evangeliums hatte zur Folge, daß das Weib von der unwürdigen Stellung, die sie bei den Heiden einnimmt, zu dem rechtmäßigen Platz emporgehoben ward, der ihr im Familienkreise zukommt.

Mein Herz blutete oft beim Anblick dessen, was ich bei manchen heidnischen Familien sehen mußte. Wenn ich diese wilden Leute des Sommers im Kahne, des Winters im Hundeschlitten besuchte, da habe ich es gesehen, wie solch ein hochmütiger, fauler Jäger in seinen Hof hereinstolzierte, das Gewehr auf der Schulter, und seinem armen Weibe, das eifrig beschäftigt war, Holz zu hacken, in hochfahrendem Tone zuschrie: »Steh auf da, du Hund, und geh auf meiner Spur in den Wald zurück und hole den Hirsch, den ich geschossen habe. Aber spute dich, denn ich will mein Essen haben!« Um ihre Schritte zu beschleunigen, warf er ihr noch, obwohl sie so schnell rannte, als sie konnte, einen Knittel nach, dem sie glücklicherweise auswich.

Das Weib ergreift dann in Eile den langen Tragriemen, ein Stück Leder von mehreren Fuß Länge mit einer breiten Stelle in der Mitte, die während des Gebrauches über die Stirn der Trägerin gelegt wird. Sie gleitet geschwinde auf den Spuren, die ihr Mann mit seinen Schneeschuhen gemacht hat, in den Wald hinein bis zu der Stelle, wo der Hirsch liegt, den er erlegt hat. Indem sie das eine Ende des Riemens um den Schenkel des Tieres und das andere um seinen Nacken bindet, gelingt es ihr endlich mit vieler Mühe, das große Tier, welches wohl 150 bis 200 Pfd. wiegen mag, auf ihren Rücken zu heben, unterstützt von dem Lederstreifen, der über ihre Stirn geht. Atemlos vor Erschöpfung langt sie endlich zu Hause an, wo sie das schwere Tier zu Boden gleiten läßt. Hier hört sie nichts als einen barschen Befehl von den Lippen des Tyrannen, der sich ihren Mann nennt, der es unter seiner Würde hält, das Tier, das er geschossen, selbst nach Hause zu bringen, es aber für ein Zeichen von Männlichkeit ansieht, sein Weib so zu behandeln. Die Flinte zu tragen war für ihn genug. Ohne dem armen, müden Geschöpf auch nur Zeit zu gönnen, sich einen Augenblick auszuruhen, schreit er sie an, sie solle eilen, er sei hungrig und wolle seine Mahlzeit.

Das arme Weib, obwohl zum Sterben müde, weiß durch die bitterste Erfahrung nur zu gut, daß die geringste Verzögerung die schärfsten Strafen über sie bringen würde. So ergreift sie rasch das Skalpiermesser und zieht geschickt dem Tiere die Haut ab. Dann füllt sie einen Kochtopf mit dem saftigen Wildbret, das bald zum Kochen gebracht ist und vor seine Hoheit hingestellt wird. Während er und die Männer und Knaben, die er etwa einladet, sein Mahl zu teilen, rasch das Wildbret verzehren, hat das arme Weib ihre ersten Augenblicke der Ruhe. Sie geht und setzt sich dort nieder, wo die Weiber, Mädchen und Hunde sich versammeln, und da machen sich die Frauen und die Hunde die halbbenagten Knochen streitig, welche die Männer mit höhnischem Gelächter zwischen sie werfen! Das war einer von den traurigen Vorgängen, deren Zeuge ich oftmals sein mußte, wenn ich auf meinen Reisen zu einem Indianer-Trupp kam, der bis dahin das Evangelium noch nicht angenommen hatte.

Wenn diese armen Frauen alt und schwach werden, ist ihre Lage bejammernswert. Solange sie arbeiten und sich placken können, werden sie geduldet wie ein notwendiges Übel. Sind sie aber alt und schwach, so werden sie schmählich vernachlässigt und oft sogar aus dem Leben geschafft. Ein Missionar, der einen heidnischen Trupp Indianer besuchte, sprach zu ihnen über das Wort Jesu: »Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.« In seiner Predigt sprach er von des Lebens Arbeit und Last, und wie doch alle Menschen sich mühen und plagen müssen. Die Männer waren empört über ihn; sie versammelten sich nachher, um ihrer Entrüstung Ausdruck zu geben, und sagten da u. a.: »Laßt ihn mit solchen Reden zu unseren Weibern gehen. Die haben all die schweren Lasten zu tragen und die harte Arbeit zu tun. So etwas ist nicht für uns, sondern für die Weiber.« So beleidigt fühlten sie sich durch seine Worte.

In einer kleinen Indianer-Ansiedlung im Nordosten des Winnipeg-Sees lebte ein Häuptling, namens Mukuwusu, der mit kalter Überlegung seine alte Mutter erdrosselte und ihren Leichnam zu Asche verbrannte. Wegen dieser entsetzlichen Tat zur Rede gestellt, erwiderte er herzlos: »sie sei zu alt gewesen, um den Kaninchen Fallen zu stellen oder Fische zu fangen, da fiele es ihm nicht ein, sich durch sie belästigen zu lassen, deshalb habe er sie erdrosselt.« Solcher Beispiele könnte ich eine Unzahl anführen. Wahrhaftig, »die Barmherzigkeit der Bösen ist Grausamkeit.«

Welch herzerfreuenden Gegensatz zu diesen traurigen Zuständen unter den tiefgesunkenen Heiden um uns her bildeten die glücklichen Familien unserer bekehrten Indianer! Die herzlichsten Beziehungen verbanden die Familienglieder untereinander. Das Weib nahm die ihr gebührende Stellung ein und wurde liebevoll behandelt. In diesen christlichen Familien erhielten die Alten und Kranken den wärmsten Platz in der Hütte und den besten Bissen bei der Mahlzeit; ohne den segensreichen Einfluß des Evangeliums hätten sie dieselbe Behandlung erleiden müssen, die Mukuwusu seiner alten Mutter angedeihen ließ.

In der Kirche erfüllte mich oft ein Anblick mit Rührung und Freude, der ein sprechender Beweis für die umwandelnde Kraft des Evangeliums war. Es war, wenn der Kirchendiener die Tür des Gotteshauses weit aufmachte, um ein paar kräftigen, jungen Männern den Eintritt zu erleichtern, die auf ihren Armen ihre alte Mutter hereintrugen. Sorgsam stützten sie sie während des Gottesdienstes, und nach Beendigung desselben trugen sie sie mit derselben zarten Fürsorge wieder hinaus. Nur die segensreiche Macht des Evangeliums hatte diese Umwandlung bewirken können; der natürliche, hochmütige Sinn dieser jungen Männer hätte es vorgezogen, eher zu sterben als einer Frau solch einen Liebesdienst zu leisten, und wäre es auch ihre eigene Mutter gewesen.

Jetzt ist das Leben der Frauen in den christlichen Familien keine Sklaverei mehr. Auch sie haben ihre glücklichen Stunden und verstehen es, sich daran zu freuen. Nichts scheinen sie mehr zu lieben als eine Fahrt in ihren leichten Kähnen, mit denen sie flink über die leuchtenden Fluten dahingleiten. Bisweilen verbinden sie das Nützliche mit dem Angenehmen und bringen manch wilde Ente als Beitrag zur Familienmahlzeit heim. Denn diese Indianer-Mädchen handhaben die Büchse nicht weniger gewandt als das Ruder.


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