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6. Kapitel.
Im Hundeschlitten.

Jene wilden Landstriche im nordwestlichen Canada entbehren so vollständig aller gebahnten Wege und Fahrstraßen, daß es in den Sprachen der dort lebenden Indianerstämme nicht einmal ein Wort gibt, welches irgend ein Räderfuhrwerk bezeichnet. Um in die Kri-Sprache Worte wie »Wagen« oder »Karren« zu übersetzen, mußte man sich eines Ausdrucks bedienen, der dasselbe bedeutet wie »Hundeschlitten.«

Die Seen und Flüsse sind so zahlreich, daß der Indianer im Sommer keiner gebahnten Wege bedarf. Mit seinem leichten Nachen aus Birkenrinde kann er fast überallhin gelangen. Versperrt irgend ein Hindernis ihm den Weg, so hat er nur seinen kleinen Kahn auf den Kopf zu heben, und ein kurzer Lauf bringt ihn von einem Fluß zum andern oder um die Stromschnelle den Wasserfall herum, der seine Fahrt unterbrach, oder auch über eine Höhe nach einem andern See, wo er rasch seinen Nachen wieder ins Wasser schiebt und seinen Weg fortsetzt.

Des Sommers werden alle Reisen zu Wasser gemacht, doch ist der Sommer so kurz, daß man nur während fünf Monaten auf offenes Wasser rechnen kann. Während der übrigen sieben Monate ist der Hundeschlitten das einzige Fuhrwerk. So rauh und wild ist dies Land, daß wir uns auch kein anderes Fuhrwerk denken können, welches dort an die Stelle des Hundeschlittens treten könnte, ebensowenig als ein anderes Tier, das die Arbeit des Hundes unter diesen nördlichen Breitengraden zu leisten imstande wäre.

Zu Anfang erschien es uns sehr eigentümlich und fast wie ein Kinderspiel, daß wir so von Hunden fortgezogen werden sollten; aber wir kamen bald dahinter, daß wir schon in schlimmerem Fuhrwerk und weniger rasch gereist waren als in einem guten Hundeschlitten, wenn er, mit einem Zug guter Rassehunde bespannt, über die Fläche dahinsaust. Am meisten wird dort die Rasse der Eskimohunde gebraucht, doch sind sie mancherorts so vermischt mit andern Rassen, daß sie kaum noch zu erkennen sind. Sie sind von sehr verschiedener Farbe, haben ein kurzes, dichtes, warmes Fell; die Ohren sind scharf zugespitzt, der Schwanz sehr buschig. Diese Hunde sind die schlimmsten Diebe, die man sich denken kann. Es ist mir nie gelungen einen Eskimohund von diesem Fehler zu kurieren, er scheint ihrer Natur eingepflanzt zu sein. Ich habe sie als junge gekauft, habe sie gut gefüttert, habe treulich versucht, sie ehrlich zu erziehen, – alles umsonst! Es ist mir nie gelungen sie auf dem guten Wege zu erhalten: stehlen wollten sie, und stehlen taten sie, sobald sich ihnen eine Gelegenheit dazu bot.

Dieser Fehler mag wohl eine Folge davon sein, daß die Indianer ihre Hunde so arg vernachlässigen. Zwar haben sie ihre Tiere in gewisser Weise lieb und trennen sich ungern von ihnen, außer für einen sehr hohen Preis; aber, abgesehen von der Zeit, in welcher die Hunde ihre Arbeit tun, werden sie sehr selten gefüttert. Es wird ihnen selbst überlassen sich ihren Lebensunterhalt zusammenzustehlen, und manche unter ihnen erlangen eine große Geschicklichkeit darin, was ich zu meinem Schmerz mehr als einmal erfahren habe. War der Fischfang ergiebig und die Jagd glücklich, so sehen die Hunde wie ihre Eigentümer wohlgenährt aus. Ist dagegen die Nahrung spärlich, so wird der Anteil der Hunde zuerst eingezogen. Die Folge davon ist, daß die Tiere, die nur die Wahl haben, entweder zu verhungern, oder zu stehlen und zu jagen, in den beiden letzteren Stücken sehr geschickt werden. Alles Eßbare, und vieles, was uns nicht als eßbar erscheint, wird von ihnen verschlungen. Sie können geradezu vor Wonne heulen, wenn sie Zugang finden zu Dingen wie alten ledernen Mokassins, Hundegeschirr, Peitschen, Pelzmützen, Handschuhen und ähnlichem. Sie verzehren gierig, was sie nur irgend können, und verstecken den Rest auf die schlaueste Weise. Viele von ihnen ziehen im Sommer aus große Fischfang-Exkursionen aus. Auf einer meiner Kahnreisen einen großen Fluß entlang, traf ich ein ganzes Rudel solcher fischenden Hunde, die sich über hundert Meilen von ihrem Heimatsort entfernt hatten. Im ersten Augenblick, als wir sie in einer ziemlichen Entfernung erblickten, hielten wir sie für Wölfe und machten uns bereit sie anzugreifen. Das scharfe Auge meiner indianischen Bootsleute erkannte sie jedoch bald, und unsere Büchsen beiseite legend, beobachteten wir sie eine Weile. Zu meinem großen Erstaunen entdeckte ich, daß diese Hunde auf eigene Rechnung Fischfang trieben. Das war mir etwas Neues, und so verfolgte ich ihr Tun mit großem Interesse.

Auf der Seite des Flusses, wo die Hunde waren, befand sich ein schilfiges Sumpfland, das mit einigen Zoll Wasser bedeckt war. In diesen flachen Lagunen finden sich zu gewissen Jahreszeiten verschiedene Fischarten ein, unter denen der Hecht am zahlreichsten vertreten ist, er erreicht bisweilen eine Länge von drei Fuß. Die Hunde beobachten diese flachen Gewässer scharf, die oft von Fischen wimmeln, wobei häufig die Rückenflossen über dem Wasser zu sehen sind. Sobald sie einen Fisch erspäht haben, waten sie vorsichtig ins Wasser bisweilen mehrere Meter weit hinein und erschnappen ihn mit so festem Biß, daß er trotz allen Zappelns und Sträubens im Triumph ans Ufer gebracht und dort schleunigst verzehrt wird. Zuweilen bleiben die Hunde auf solchen Fischfang-Expeditionen wochenlang fort und kehren dann viel wohlgenährter nach Hause zurück, als sie auszogen.

Einmal war es mir auf einer Reise, die ich an der entfernt gelegenen Ansiedelung am Red-River machte, gelungen, ein Schaf zu erstehen, eine willkommene Abwechselung in unserem höchst einförmigen Küchenzettel. Ich brachte das Tier vorsichtig in meinem kleinen Kahne unter und konnte es glücklich bis nach Hause befördern, wo ich es in einem Hof einsperrte, welcher ringsum von einem festen, 12 Fuß hohen Pallisadenzaun umgeben war. Auf irgend eine Weise gelangten die Hunde dennoch hinein und verzehrten das Schaf. Im folgenden Sommer brachte ich ein paar Schweine mit nach Hause und sperrte sie in einen kleinen Stall, der aus Balken gefügt und mit einer zwei Zoll dicken Tür aus Fichtenholz verschlossen war. Zu meiner größten Entrüstung fraßen die Hunde in einer Nacht ein Loch durch die Tür und verzehrten meine Schweine.

Diese Hunde scheinen viel von der Wolfsnatur an sich zu haben. Viele von ihnen zeigen wenig Anhänglichkeit an ihre Herren, und man kann sich nie ganz auf sie verlassen. Übrigens habe ich die Erfahrung gemacht, daß man auch bei Eskimohunden mit Geduld und Freundlichkeit weiter kommt als auf irgend einem anderen Wege, wenn es sich darum handelt sie etwas zu lehren oder sie zu bewegen sich in die Umstände zu fügen und das zu tun, was man von ihnen verlangt. Manche von ihnen sind faul, andere sind unverbesserliche Schmarotzer; so hat man beim Fahren mit Hunden eine ausgezeichnete Gelegenheit, sich in der edlen Tugend der Geduld zu üben.

Als meine Missionsarbeit zunahm, mußte ich schließlich den ganzen Winter unterwegs sein, um die zerstreut lebenden Indianerstämme zu besuchen und den Seelen, die nach dem Worte des Lebens verlangten, dasselbe zu bringen. Da war es von größter Wichtigkeit, die Winterreisen möglichst abzukürzen, was nur durch ein Gespann vorzüglich guter Hunde zu erreichen war. Nach einigen schlechten Erfahrungen, die ich mit den Eskimohunden gemacht, insbesondere auf einer Reise, wo ich durch das langsame Fortkommen mir in der entsetzlichen Kälte jedes unbedeckte Fleckchen meines Gesichts, sogar die Stirn und Lippen, erfroren hatte, richteten sich meine Gedanken auf die vielen prachtvollen Bernhardiner und Neufundländer Hunde, die ich in zivilisierten Ländern gesehen hatte, und die als Entgelt für die Pflege und Liebe, die ihnen in reichem Maße zu teil wurde, gar nichts leisteten. Sobald jene Reise beendigt war, schrieb ich einigen Freunden und trug ihnen die Bitte vor, mich mit Hunden von jenen edlen Rassen zu versehen. Dank der Güte mehrerer Freunde war ich bereits vor Beginn des nächsten Winters im Besitz einiger prachtvoller Hunde, und nun ging die Arbeit um so rascher von statten.

Diejenigen, welche aus Erfahrung wissen, was für Leiden und Strapazen mit einem Nachtquartier unter freiem Himmel bei 25 bis 30° R. unter Null verbunden sind, werden zugeben, daß es sehr viel heißen will, wenn man sich zwei oder drei solcher Nächte dank einem besseren Hundegespann ersparen kann.

Ich fand nach jahrelanger Erfahrung, daß die Bernhardiner und Neufundländer alle guten Eigenschaften der Eskimohunde und keinen ihrer Fehler besitzen. Mit Freundlichkeit und Festigkeit war es ein leichtes, sie einzufahren, und dann war die Peitsche nur noch ein malerischer Schmuck an der hübschen Tracht des Lenkers. Ich besaß oft zugleich gegen 20 Stück dieser herrlichen Tiere, die alten und die jungen mitgerechnet. Der größte und beste von ihnen war »Jack«, ein edler Bernhardiner. Er war schwarz wie die Steinkohle und maß 33 Zoll an der Vorderschulter. Kein Hund kam ihm gleich in jenem ganzen Nordlande. Mehreremal hat er mir das Leben gerettet, wie wir es später in meiner Erzählung sehen werden. Nie hat ein Peitschenschlag sein glänzendes Fell berührt; keine Gefahr hat ihn je von seiner Arbeit zurückgeschreckt, wenn er mit seiner merkwürdigen Klugheit einmal begriffen hatte, was von ihm erwartet wurde. Kein Schneetreiben, und mochte es noch so trügerisch und wechselnd sein, konnte ihn je von dem bezeichneten Lagerplatz abbringen, selbst wenn die andern Hunde den Mut verloren und sogar die Führer in Verzweiflung alles aufgaben.

Die Strecken, die wir an einem Tage mit den Hunden zurücklegen konnten, hingen natürlich ganz von der Beschaffenheit des Bodens oder von den Spuren ab, denen wir etwa folgen konnten. Auf dem glatt gefrorenen Winnipeg-See haben wir, wenn kein Sturm uns entgegenblies und die Hunde gut imstande und die Schlitten nicht zu schwer beladen waren, 80 bis 100 Kilometer täglich zurückgelegt. Aber wenn wir uns durch die dichten Wälder hindurcharbeiten mußten, wo der Schnee tief und der Hindernisse mancherlei waren, – wenn das Land von Hügelketten und tiefen Flußbetten durchzogen war, konnten wir nur ein Drittel dieser Entfernung erreichen und litten dabei bedeutend mehr, als wenn wir viel weitere Strecken unter günstigeren Umständen gereist waren. Fuhren wir mit kräftigen Hunden über einen der großen, gefrorenen Seen oder folgten einer gut eingefahrenen Spur, so konnte ich, auf dem Schlitten sitzend, mitfahren, und das war kein unangenehmes Fortkommen. Aber da viele meiner Winterreisen mich durch die Urwälder führten, wo der Schnee sehr tief und die Hügel sehr steil sind, wo die Stämme dicht bei einander stehen und viele gestürzte dazwischen liegen, konnte dort von Fahren natürlich nicht die Rede sein. Da mußte man seine Schneeschuhe anschnallen und den treuen Indianern helfen, den tiefen Schnee niedertreten, damit die armen Hunde die schwerbeladenen Schlitten vorwärts ziehen konnten.

Vier Hunde bilden ein Gespann; das Zuggeschirr, welches aus Elennhaut angefertigt ist, wird oft mit bunten Bändern und kleinen Schellen verziert. Es ist merkwürdig, wie gern die Hunde ihre Schellen haben; sie laufen allemal besser und scheinen vergnügter zu sein, wenn sie so recht im Einklang mit dem munteren Geklingel dahin springen können. Manche Hunde kann man nicht strenger bestrafen, als wenn man ihnen die Schellen vom Geschirr abnimmt.

Der vorderste Hund am Gespann wird der »Leiter« genannt; von ihm hängt zum großen Teil die Bequemlichkeit einer solchen Winterreise sowie deren Gelingen, ja zuweilen das Leben der ganzen Reisegesellschaft ab. Ein wirklich guter Leithund ist ein äußerst wertvolles Tier. Etliche von ihnen sind so intelligent, daß sie keinen Führer oder Wegweiser brauchen, der vor ihnen herläuft, außer in den allerdichtesten, unbetretenen Wäldern. Ich besaß einen langbeinigen, weißen Leithund, der einen Führer stets für etwas durchaus Lästiges anzusehen schien, sobald in seinem dicken Kopf eine Ahnung davon aufgegangen war, was ich von ihm wünschte. Außerhalb seines Zuggeschirres war » Old voyager« (»Alter Schiffer« – ein kanadischer Ausdruck) ein grämliches, mißmütiges, ungeselliges Tier. Es war so schwierig ihm beizukommen, daß gewöhnlich ein Strick von 6-7 Fuß Länge, dessen eines Ende an seinem Halse befestigt war, hinter ihm herschleppte. Wollten wir ihn einfangen, so mußten wir zuerst die entgegengesetzte Richtung einschlagen, denn er war schlauer als ein Fuchs und hatte nie Lust sich einfangen zu lassen. Auf Zickzackwegen gingen wir hin und her, bis er sein Mißtrauen verlor; dann wurde es möglich, sich wie von ungefähr dem Seile so weit zu nähern, daß man es mit einem raschen Griff erwischen und ihn daran herbeiziehen konnte. War aber erst das Zuggeschirr auf seinem Nacken und hatte er seinen Platz an der Spitze des Gespannes eingenommen, so war er der unvergleichlichste Leithund. Es mochten noch so viele Schlitten sich im Reisezug befinden, keinem fiel es ein, die erste Stelle einnehmen zu wollen, wenn » Old Voyager« sich im Zuge befand.

Meine Gefährten auf diesen weiten Reisen waren die weitberühmten indianischen Schnellläufer aus den nördlichen Stämmen. Der beste in der Truppe wurde zum »Führer« ernannt. Ihm fiel die Verantwortlichkeit zu, uns auf dem kürzesten und sichersten Wege zu dem Indianerstamm zu führen, dem wir die frohe Botschaft von des Heilands Liebe zu bringen wünschten. Sein Platz war an der Spitze des Zuges vor den Hunden. Nur wenn uns der Weg eine Zeitlang über gefrorene Seen oder auf gut eingefahrenen Spuren führte, nahm er an der Seite eines der Schlittenlenker Platz. War der Weg von solches guten Beschaffenheit, so liefen die Hunde nur durch die Zurufe der Lenker ermuntert von selbst vorwärts.

Da der größere Teil meiner Missionsarbeit mich in die wilden Waldregionen führte, so war bei vielen meiner Reisen der Führer beständig an der Spitze des Zuges. Manche dieser Leute waren ganz merkwürdig begabt. Der Leser muß sich vergegenwärtigen, daß es dort keine Wege, ja nicht einmal die Andeutung eines Pfades gibt. Oft mußten wir die ganze Strecke durch dichten, ungelichteten Wald zurücklegen, wo der Schnee 2 bis 4 Fuß hoch lag. Oft standen die Bäume so dicht, daß es schwer hielt, eine Stelle zu finden, die breit genug war, um unsere Schlitten, so schmal sie auch waren, hindurchzuzwängen. An manchen Stellen war das Unterholz so dicht, daß es ein hartes Stück war, uns durchzuarbeiten. Dennoch erwartete man von dem Führer, daß er, auf seinen großen Schneeschuhen durch alle Hindernisse voranschreitend, die Stellen angebe und frei mache, wo es möglich war, mit den Schlitten zwischen den Stämmen durchzukommen. Seine Hauptarbeit war es, die Spur zu bezeichnen, in welcher wir übrigen so rasch nachfolgten, als es unsere belasteten Schlitten, unsere müden Glieder und oft auch unsere blutenden Füße zuließen.

Wunderbar geschickt und gescheit waren diese Führer bei der Ausübung ihres schwierigen und anstrengenden Amtes. Es machte für sie wenig Unterschied, ob die Sonne hell schien oder Wolken den Himmel verfinsterten, voran, immer voran schritten sie ohne Schwanken und ohne Zögern. Zu Zeiten ist die Blendung durch den hellen Sonnenschein auf den weiten Schneefeldern so stark, daß es unmöglich ist am Tage zu reisen. Die schwarzen Augen der Indianer scheinen besonders empfindlich und dem Augenleiden, das man »Schneeblindheit« nennt, besonders unterworfen zu sein. Es ist ein sehr schmerzhaftes Leiden, wie ich aus eigener, unangenehmer Erfahrung weiß. Man hat dabei die Empfindung, als würde einem rotglühender Sand in die Augen geworfen. Meine treuen Schlittenlenker litten oft so arg daran, daß ich diese von Natur gleichmütigen Leute unter den entsetzlichen Schmerzen habe wimmern und schreien hören wie die Kinder.

Einst stießen wir in der Nähe des Oxford-Sees auf ein paar Indianer, die infolge dieser Krankheit stockblind geworden waren. Glücklicherweise hatten sie noch den Wald erreicht, sich ein Lager hergestellt und etwas Nahrung zubereitet, ehe die völlige Blindheit eintrat. Wir nahmen sie natürlich mit uns und geleiteten sie zu ihren Freunden.

Da dies Leiden fast nur im März und April auftritt, wo die Sonne schon hoch steht und die Rückstrahlung von den weiten Schneeflächen ungemein stark ist, reisten wir in diesen Monaten oft nur während der Nachtstunden und rasteten während der hellen Tageszeit im geschützten Lager. Wir verließen denn unser Lager meist bei Sonnenuntergang. Um Mitternacht tasteten wir, so gut es ging, nach Brennmaterial umher; mit Hülfe des Sternenscheins oder eines leuchtenden Nordlichts fanden wir trockenes Reisig und Birkenrinde, womit wir ein Feuer anmachten und unsere Mitternachtsmahlzeit kochten.

Darauf setzten wir die Fahrt fort, bis die Morgenröte anbrach. Dann wurde ein guter Lagerplatz hergerichtet, das Frühmahl bereitet und gegessen und die Hunde gefüttert. Dann wurde die Andacht gehalten, danach wickelte sich ein jeder in seine Decken und Pelze, und wir schliefen, bis die blendendsten Stunden des Tages vorüber waren, worauf die Reise wieder fortgesetzt wurde.

Es hat mir immer geschienen, als müsse die Arbeit des Führers während der Nacht bedeutend schwieriger sein als am Tage, doch sie selbst waren nicht dieser Ansicht. Mit unbeirrter Sicherheit schritten sie dem Zuge voran; da machte es keinen Unterschied, ob die Sterne in aller Pracht und Schönheit des nordischen Himmels strahlten oder dickes Gewölk sie alle verbarg. Vorwärts schritt der Führer durch verwachsenes Unterholz und dichten, finsteren Wald, wo tagelang oder richtiger gesagt: nächtelang keine andere Spur zu entdecken war als die der wilden Tiere des Waldes. Bisweilen flammte ein wunderbares Nordlicht voll unbeschreiblicher Schönheit am Himmel in stets wechselnder Gestalt auf. Dann waren verschiedene Teile des Firmaments durch die schwankenden, ewig wechselnden Strahlen und Funken farbigen Lichtes erleuchtet. Die großartigsten Leistungen menschlicher Kunst auf dem Gebiete des Feuerwerks schrumpfen angesichts dieser Himmelspracht zu zwerghafter Nichtigkeit zusammen. Ich bin oft stundenlang in diesen Anblick versunken wie verzaubert gewesen durch diese großartige Herrlichkeit. So hingerissen war ich zuweilen, daß ich mich nicht mehr zurechtzufinden vermochte und nicht wußte, wo Norden und wo Süden war. Aber der erfahrene Führer, obwohl er wie die meisten Indianer ein lebhaftes Gefühl für die Schönheiten der Natur besitzt, ist so auf Erfüllung seiner Pflicht gerichtet, daß all diese wechselnde Schönheit ihn nicht abzuziehen vermag. Darüber mußte ich mich oft wundern. Sie haben einen sehr empfänglichen Sinn, und ihre Seelen sind voll Poesie, wie auch ihre vielen poetischen Namen andeuten. In ihrem heidnischen Zustande bedeuten ihnen jene flammenden Säulen farbigen Lichtes die Geister ihrer Väter, die sich Reihe um Reihe in die Schlacht stürzen. Ich habe auf unsern Reisen oft Indianer zu Führern gehabt, die lebhaft durch diese wunderbare Erscheinung ergriffen wurden, aber niemals habe ich es erlebt, daß sie dadurch ihren Weg verloren oder über die einzuschlagende Richtung unsicher geworden wären.

Ich habe an verschiedene dieser Führer und Schlittenlenker die angenehmste Erinnerung behalten. Mit nur ganz wenigen Ausnahmen haben sie mir gut und treu gedient. Die meisten von ihnen waren fromme Christen, sie freuten sich mit mir zu ihren Landsleuten hinauszuziehen, die noch in der Finsternis saßen, viele mit einem Verlangen nach dem Lichte. Manche meiner Gefährten waren imstande, selbst eine Ansprache oder Ermahnung an ihre Brüder zu richten, und die das nicht vermochten, konnten doch die Geschichte ihrer eigenen Bekehrung, wie sie ihren Heiland gefunden, erzählen.

Mein Herz wird warm beim Gedanken an diese treuen Männer, meine Gefährten in manchem Sturm, meine Schlafgenossen in manchem kalten Winterlager. Die Erinnerung stellt mir so manchen Vorfall vor die Seele, wo sie ihr Leben für mich einsetzten; manchen Fall, wo unser Mundvorrat zur Neige ging und wenig Aussicht vorhanden war, uns in den nächsten Tagen Nahrung zu verschaffen, wo sie still für sich und ohne irgend welches Wesen davon zu machen, sich selbst mehrere Tage lang auf Viertelrationen setzten, damit ihr geliebter Lehrer nicht verhungere.

Manche von ihnen haben den Lauf vollendet; ihrem Führer, der nicht irren kann, folgend, sind sie die leuchtende Spur hinan, über das Nordlicht, über die Sterne zum Throne Gottes gekommen.


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