Johann Wilhelm Wolf
Die deutsche Götterlehre
Johann Wilhelm Wolf

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Tag und Nacht.♦ Myth. 697.

Die Riesentochter Nacht wurde nach der Edda einem Manne von göttlicher lichter Abkunft vermählt, da gebar sie den Tag, der seinem Vater gleich licht und schön war. Allvater nahm Mutter und Sohn, versetzte sie an den Himmel und, gab jedem ein Ross und einen Wagen, mit welchen sie in gemessener Zeit die Erde umfahren sollten. Wir lernten diese Rosse bereits kennen als das Thaumähnige und das Glanzmähnige. Beide sind hehre heilige Wesen, beide werden grüssend angeredet.

Ungleich der Sonne haben sie also nur ein Ross an ihrem Wagen, auch steht der Tag so unabhängig von der Sonne da, wie die Nacht vom Monde,Da sie zusammen gehören, so ist an eine Vermählung bei beiden Paaren zu denken nicht sehr gewagt. denn jener beginnt seinen Lauf, noch ehe die Sonne ihre Bahn betritt. Ob diese Vorstellung vom fahrenden Tag auch in Deutschland heimisch war,Es scheint fast, denn noch im Mittelalter ist von den Klauen des Tages, die er durch die Wolken geschlagen habe, die Rede; es werden dies die Klauen seines Rosses sein. lässt sich noch nicht sagen. Er tritt bei uns einem Götterboten gleich in Gestalt eines schönen, freundlichen Jünglings am Gipfel des Berges leise auf die Zehen, um ins Land zu schauen, steigt und dringt dann unaufhaltsam vor, die Nacht vor sich her treibend. Mit seinem Erscheinen ist eine Erschütterung, ein Geräusch verbunden, welches wohl seinen Schwingen beizumessen ist; es geht ein Schauern durch die Natur und frischeres Weben dringt aus den Wolken; er bricht an. Wie die aufgehende Sonne freudig ertönt, so ist auch der Tag ein Wonnebringer, wie die Nacht die Trauerbringende ist. Sie bricht nicht an, sondern ein, sie überfällt und wird mehr als feindliche, böse Gewalt aufgefasst, die dem Sprichwort zufolge »keines Menschen Freund« ist. Dies durchaus verschiedene und entgegengesetzte Wesen beider hat natürlich zur Folge, dass sie beständig miteinander im Streit stehen, worin sie abwechselnd siegen oder unterliegen.


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