Johann Wilhelm Wolf
Die deutsche Götterlehre
Johann Wilhelm Wolf

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Priester und Priesterinnen.♦ Myth. p. 78 ff.

Es war bereits mehremale von deutschen Priestern die Rede. Dass diese weder Barden noch Druiden waren oder hiessen, wie wir noch immer so oft lesen müssen, sollte endlich klar werden; jene gehörten als Sänger dem Norden, diese waren die Priester der Gallier. Der deutsche Priester hiess mit einem schönen Namen êwart, êwarto d. h. der Pfleger und Hüter, der Wart des Gesetzes, denn êwa, êa ist Gesetz. Dies Gesetz haben wir hier im ausgedehntesten Sinn des Wortes zu verstehen, es ist das göttliche wie das menschliche Gesetz gemeint, denn beide waren einst genau verbunden und gleich heilig. Den Burgunden hiess er sinisto, d. i. presbyter, der Aeltere, Angesehene; es beruhte dies Ansehen nicht nur auf Alter und Würde, sondern auch auf der Abkunft, denn Priesterstand und Adel standen in inniger Verbindung. Später erst mit dem Christenthum drangen die fremden Namen Priester, Pfaffe und Bischof ( presbyter, papa, episcopus) ein.

Es liegt also schon im Namen des altdeutschen Priesters, dass er sowohl des Gottesdienstes als des Gerichtes zu warten hatte. In den Heerzügen sah das Alterthum eine durch die Gegenwart der Gottheit und deren Einwirkung geheiligte, den Göttern besonders angenehme Handlung, eine Art von Gottesdienst. Die Priester holten vor der Schlacht die Bilder und Symbole der Götter aus den heiligen Hainen und trugen sie mit in den Kampf. Wohl leitete der Feldherr die Schlacht, aber die Priester nährten die Begeisterung der Kämpfenden, sie allein hielten die Zucht und durften Strafe über den Feigen verhängen, ihn binden, selbst schlagen, und sie thaten dies gleichwie auf der unsichtbar in der Schlacht anwesenden Götter Gebot. Ebenso waren sie als unmittelbare Diener der Gottheit bei allen öffentlichen Handlungen thätig, welche zur Ehre der Götter verrichtet wurden, oder unter Anrufung der Götter geschahen. Wie sie die heiligen Haine und den Tempel hüteten, so begleiteten sie die umziehenden Götter, deren Gegenwart nur sie erkannten, sie verrichteten die feierlichen Gebete, tödteten die Opferthiere, brachten den Göttern ihren Theil daran dar und vertheilten Fleisch unter das Volk; sie weihten die Könige und Leichen, wahrscheinlich auch die Ehen, nahmen die Eide ab, und sprachen die Weissagungen aus dem Gewieher öffentlich unterhaltener Rosse, oder aus geworfenen Loosen, oder aus den Eingeweiden der Opferthiere aus. Alles dies lag ihnen jedoch nur ob, insofern es eine öffentliche Handlung im Namen und in Anwesenheit des ganzen Volkes oder Stammes oder der Gemeinde war. Bei Privatopfern und allem, was mit ihnen zusammenhing, bedurfte man der Vermittlung des Priesters nicht, sie verrichtete der Hausvater.

Ueber die Kleidung unserer heidnischen Priester wissen wir noch nichts, wahrscheinlich trugen sie ein lang herabwallendes Gewand und einen Hut von eigenthümlicher Form, den sie bei dem Opfer auf dem Haupt behielten.

Wenn wir auch den Priestern das Geschäft der Weissagung zugesprochen finden, so tritt dasselbe doch mehr als den Frauen zustehend hervor, als ein besonderes, ja hauptsächliches Amt der Priesterinnen. Schon Tacitus meldet, dass nach deutschem Glauben den Frauen etwas Heiliges und Vorahnendes innewohne und dass die Deutschen weder ihren Rath verachteten, noch ihre Aussprüche vernachlässigten. Und bereits Caesar sagt, dass bei den Germanen die Hausfrauen durch Loos und Weissagung entschieden, ob man zur Schlacht schreiten dürfe oder nicht.

Wohnte diese Gabe der Vorherverkündigung schon den Frauen im Allgemeinen bei, dann hatten ohne Zweifel die eigentlichen Priesterinnen sie in erhöhtem Grade; sie erscheinen darum auch vor allen hochgeehrt, man betrachtete sie nur mit grösster Ehrfurcht, wie Gottheiten. So jene bructerische Jungfrau, die weithin durch ihr hohes Ansehen herrschende Veleda, welche einst den Deutschen Sieg, den römischen Legionen aber Verderben vorherverkündet hatte, die von hohem Thurm herab, den sie bewohnte, gleich einer Götterbotin ihre Orakel den rings ehrerbietig harrenden und reiche Gaben darbringenden Gesandten der Ubier spendete, so Aurinia, Ganna u. a. m.

Weniger erhaben als furchtbar stehen die Priesterinnen der Cimbern da; sie erscheinen in einer Stelle bei Strabo als bejahrte Weiber mit grauem Haar und blossen Füssen; über weissem Untergewand tragen sie einen linnenen Wamms, eherne Spangen umgürten sie; so finden wir sie bei dem blutigen Menschenopfer, Kriegsgefangene schlachtend, aus deren im Opferkessel aufgefangenem Blut sie weissagen.

Ungleich edler erscheinen wieder die nordischen Priesterinnen, von denen wir Kunde haben, wie u. a. jene den Wagen des Gottes des Friedens des Glückes und der Liebe bei der jährlichen Umfahrt begleitende Jungfrau, doch ist über sie wie über die der Deutschen nur wenig mehr übrig.


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